Helge Schneider hat für seine Zivilcourage mal ordentlich Prügel kassiert. Das hat er vergangenen Woche in einem Interview mit der “Süddeutschen Zeitung” (mit Bezahlschranke) erzählt:
Aber viele Künstler sind sehr verliebt in die Regel: Die Politik ist hilflos, wir müssen jetzt ran.
Wenn einem etwas direkt im Alltag begegnet, muss man schon ran. Das nennt man Zivilcourage, hab’ ich auch schon mal gemacht.
Was war passiert?
Das waren zwei Typen, die wollten einen Perser verkloppen. Da bin ich dazwischengegangen. Der konnte wegrennen. Dann hab’ ich das abgekriegt.
Wurden Sie verletzt?
Es hielt sich im Rahmen. Ich hatte den Kiefer angebrochen. […]
Schneider, Schlägerei, angebrochener Kiefer — klar, dass das auch andere Medien aufgreifen. Zum Beispiel “Spiegel Online” …
Und auch “Focus Online”. Doch dort klingt die Geschichte schon in der Überschrift etwas anders:
Und Helge Schneider erzählt auf einmal eine ganz neue Version des Vorfalls:
“Das waren zwei Typen, die wollten einen Penner verkloppen. Da bin ich dazwischengegangen”, erzählte der Komiker und Musiker der “Süddeutschen Zeitung” vom Samstag.
Der Protagonistenwechsel dürfte durch eine fehlerhafte dpa-Meldung entstanden sein. Die Nachrichtenagentur hatte am Samstagmittag den “Penner” ins Spiel gebracht und erst vier Stunden später eine Korrektur verschickt, mit dem Hinweis: “Berichtigung: Wort im zweiten Satz berichtigt”.
Das interessierte offenbar weder “Focus Online” noch morgenpost.de: Ihre falschen Artikel veröffentlichten beide Redaktionen erst, als die dpa-Korrektur schon Stunden raus war.
Dass ein Medium durchaus auf Agentur-Berichtigungen reagieren — und das auch noch der Leserschaft transparent präsentieren — kann, beweist diepresse.com:
Anmerkung der Redaktion: Quelle dieses Artikels ist die Nachrichtenagentur DPA. Diese hat in einer ersten Meldung von einem “Penner” geschrieben, später allerdings auf “Perser” korrigiert. Wir bedauern den Irrtum.
1. Krone.at klaut komplette „Stadl“-Kritik (horizont.at, Timo Niemeier)
Hans Hoff musste sich am Wochenende die ARD-“Stadlshow” angucken und bei “DWDL” drüber schreiben. Schon schlimm genug. Doch dann hat Krone.at seinen Text komplett kopiert, um 900 Zeichen gekürzt und selbst veröffentlicht — ohne bei Hoff nachzufragen. Dafür habe man keine Zeit gehabt, sagt der Krone-Multimedia-Leiter. “DWDL”-Chef Thomas Lückerath dazu: “So dreist hat noch niemand DWDL-Artikel geklaut”.
2. Umstrittenes Titelbild: Polizei durchsucht Redaktion wegen Erdogan-Selfie (spiegel.de, Hasnain Kazim)
Die türkische Zeitschrift “Nokta”, ein regierungskritisches Politmagazin, spottete auf seinem Cover mit einer Fotomontage über Staatschef Erdogan. Der lässt prompt die Redaktion durchsuchen und stoppt die Auslieferung der Ausgabe. Der Vorwurf: “Beleidigung des Präsidenten” sowie “Verbreitung von Propaganda für eine Terrororganisation”.
3. Urteil: Wegen falschem Germanwings-Co-Pilot auf Cover verurteilt (tagesanzeiger.ch)
Die Boulevardzeitung “Österreich” hatte nach dem Absturz der Germanwings-Maschine im März ein unverpixeltes Foto des vermeintlichen Co-Piloten gedruckt. Nur: Es zeigte gar nicht ihn, sondern einen Deutschen, der in Bern lebt. Jetzt muss “Österreich” zahlen: 7500 Euro “wegen übler Nachrede, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und der Verletzung der Unschuldsvermutung”. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
4. Textsushi für die Generation YouTube (taz.de, Adrian Schulz)
Mit “Ze.tt”, “Bento” und “BYou” haben “Zeit Online”, “Spiegel Online” und “Bild” kürzlich neue Jugendportale gestartet. Die “taz” lässt die Zielgruppe zu Wort kommen. Der 18-jährige Adrian Schulz ist wenig begeistert: “Vermutlich hecken Portale wie ‘Ze.tt’ und ‘Bento’ hüftsteife alte Herren aus, mittelalte Berufsjugendliche, zeitlose Junggebliebenseinwollende oder nie wirklich jung Gewesene.”
5. NZZ a.S. fordert Aussenpolitik in Militärstiefeln (infosperber.ch, Jürgmeier)
Der Chef der “NZZ am Sonntag” glaubt, dass die Lösung der Flüchtlingskrise in den Herkunftsländern “einen Einsatz militärischer Mittel erfordern” würde. Jetzt schreibt ihm Jürgmeier einen Leserbrief: “Wer Verhandeln & Diplomatie als ‘Verschweizerung’ klein redet und derart lächerlich macht, darf sich nicht wundern, wenn seine (womöglich sensibel-verzweifelte) Rede Kriegstreiberei genannt wird.”
6. Dies ist keine Burka (kleinerdrei.org, Miriam)
“Es gibt zehntausend Dinge, die mich an der deutschen Kopftuchdebatte nerven, und eines davon ist, dass die Leute keine Ahnung davon haben, was eine Burka ist und was nicht.” Eine wertvolle Hilfestellung, nicht nur für Journalistinnen und Journalisten.
Na, na, na, “1Live”! Einfach so am Sonntagvormittag im Radio über Sex reden und dann auch noch einen Pornodarsteller erzählen lassen, wie man den Orgasmus herauszögern kann?
Klar, dass die frommen “Bild”-Redakteure da einschreiten müssen:
Nun gut, das Durchschnittshöreralter “des WDR-Jugendsenders ‘1Live'” liegt bei 32 Jahren. Aber sonst: Ganz genau, “in die Schmuddelecke” gehört sowas. Dorthin, wo die ganzen standhaften Mitarbeiter von “Bild” und Bild.de zu Fachleuten für “Masturbationsübungen”, “Orgasmus-Training” und “Schnellschießer” geworden sind.
1. Stasi-Verdacht gegen Chef des Berliner Journalistenverbandes (rbb-online.de, Gabi Probst)
Nach Recherchen des RBB war der Berliner DJV-Chef Bernd Lammel in den 80er-Jahren als IM für die Stasi tätig. Lammel bestreite den Vorwurf, räume aber ein, Informationen an Stasi-Mitarbeiter gegeben zu haben. Der DJV-Bundesvorsitzende forderte Lammel auf, sein Amt vorerst ruhen zu lassen.
2. Bullerjahn zahlt für Radiobeitrag (volksstimme.de, Hagen Eichler)
Beim privaten Sender “Radio SAW” ging es vergangenen Montag außergewöhnlich umfassend um ein Investitionsprogramm der Landesregierung Sachsen-Anhalts. Teil der zweistündigen Sendung war auch Finanzminister Jens Bullerjahn. “Jetzt zeigt sich: Der Sender hatte einen guten Grund, Bullerjahn so ausführlich zu Wort kommen zu lassen. Denn das Finanzministerium zahlt für die Sondersendung.” Rund 10.000 Euro Steuergeld seien geflossen, recherchierte die “Volksstimme”. Die Initiative “Fair Radio” hat bei der zuständige Landesmedienanstalt bereits eine Überprüfung vorgeschlagen.
4. Hitler als „Merkels Amtskollege“ (faz.net, Jürg Altwegg)
Am 8. September veröffentlichte die “Basler Zeitung” einen Kommentar von David Klein, der die deutsche Flüchtlingspolitik zum Anlass nahm, Angela Merkel mit Adolf Hitler zu vergleichen (die Online-Version des Artikels wurde inzwischen entfernt). Klein ist vorbestraft, hatte Muslime als “Abschaum”, “verkommenes Pack” und “Nazis von heute” beschimpft. Auch in der Schweiz sorgte die Entgleisung für Aufsehen, so schrieb etwa “Watson”-Chefredaktor Hansi Voigt auf Facebook: “Unfassbarer Scheissdreck von der Baz. Nur für Gruselliebhaber!” Auch beim Schweizerischen Presserat ist eine Anfrage eingegangen.
5. Australien: Vodafone-Mitarbeiter bespitzelte Journalistin nach kritischem Bericht (heise.de, Axel Kannenberg)
Die Investigativ-Journalistin Natalie O’Brien berichtete 2011 über eine schwere Sicherheitslücke beim australischen Ableger von Vodafone — bei dem sie selbst auch Kundin war. Daraufhin durchsuchte ein Mitarbeiter des Unternehmens ihre Textnachrichten und Telefonverbindungsdaten, um herauszufinden, ob es im Unternehmen Whistleblower gebe. O’Brien selbst bezeichnet die Schnüffelei als “gruselige, ekelhafte Erfahrung”.
es ist eine Frechhiet, wie Sie sich mit ihrem absoult unlustigen “Leserbrief Classic”-Formular übre angagierte Leserbriefe Schreuber versuhcen lustig zu machen. Dsa ist nähmlich fiel mehr arbeit als wie sie sich denken können!
1. Auf der Suche nach dem Leck (stuttgarter-nachrichten.de, Franz Feyder)
Am 13. Juli berichteten die “Stuttgarter Nachrichten” über Inhalte einer nichtöffentlichen Sitzung des baden-württembergischen NSU-Untersuchungsausschusses. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft wegen Geheimnisverrats ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt eröffnet. Der DJV warnt vor einer “Netzpolitik-Affäre im Kleinen” und spricht von einem “unglaublichen Vorgang”, mit dem das Verhältnis von Journalisten und Informanten kriminalisiert werde.
2. Schreiben wir über Suizid! (derstandard.at, Sebastian Fellner)
Zum gestrigen Welttag der Suizidprävention appelliert Sebastian Fellner, “sich vom alten Stehsatz ‘Über Suizide schreibt man nicht’ zu verabschieden.” Denn das Wie sei bei Berichten über Suizide “von weitaus größerer Bedeutung als das Ob.” Fellners Forderung: “Verzichten wir auf sensationelle Berichte, und üben wir uns in Zurückhaltung bei Details. Wir erreichen täglich Millionen Menschen, also nehmen wir unsere Verantwortung wahr.”
3. Kampf dem Fake (tagesspiegel.de, René Bosch)
Sender wie “Rossia24”, “Sputniknews” oder “RT” werden vom Kreml finanziert und sollen im Staatsauftrag die russische Sicht der Dinge in die Welt tragen. Mittlerweile hat sich eine Gegenbewegung formiert: Die Website dekoder.org, das ukrainische Projekt StopFake und auch die britische BBC wollen aufklären und Meinungen aus dem “liberalen russischen Sektor” verbreiten. Dabei braucht es nicht nur Journalisten und Übersetzer, sondern auch Programmierer, um sich vor Hacker-Angriffer zu schützen.
4. Klimawandel-Leugner Rupert Murdoch kauft “National Geographic” (sueddeutsche.de)
Mehr als 125 Jahre lang war der “National Geographic” gemeinnützig — bis jetzt: Die von der Murdoch-Familie geleitete “21st Century Fox” übernimmt das Wissenschaftsmagazin und andere Medien für 725 Millionen Dollar. Das US-Blog “Boing Boing” kommentiert das so: “Climate change denier Rupert Murdoch just bought National Geographic, which gives grants to scientists”.
5. Eyewitness Media Hub launch Guiding Principles for Journalists (medium.com, Eyewitness Media Hub, englisch)
Das “Eyewitness Media Hub” beschäftigt sich mit der Frage, wie Medien am besten mit Bildern und Videos umgehen, die nicht professionelle Kameraleute und Fotografen, sondern Augenzeugen mit ihren Smartphones aufgenommen haben: Ist das Material echt? Sind Persönlichkeitsrechte betroffen? Und wer bekommt den Credit? Antworten sollen sechs Verhaltensregeln für Journalisten geben.
Wie im Advent 2007, als 20 Personen und ein Eisbär BILDblog übernommen haben, wollen wir von Zeit zu Zeit “BILDblogger für einen Tag” einladen. Heute: Leo Fischer.
Leo Fischer hat mit seinen 34 Jahren bereits alles erreicht: Als Chefredakteur der “Titanic” wurde er vom Papst verklagt, ein CSUler wollte ihm “die Lizenz zum Schreiben” entziehen, als Politiker holt er regelmäßig unter 0,1 Prozent der Stimmen. Aktuell schreibt Fischer für die “Titanic”, die “Jungle World”, “Neues Deutschland” und die “taz” und versucht, Martin Sonneborn, den Bundesvorsitzenden der Partei “Die Partei”, zu stürzen.
(Foto: Tom Hintner)
Von Leo Fischer
Wenn man es gut mit ihr meinen wollte, könnte man die “Bild”-Zeitung mit der freiwilligen Feuerwehr auf dem Dorf vergleichen: Die meiste Zeit sitzen die Leute ausgesprochen nichtsnutzig herum, rumpeln männerbündlerisch den Bürgermeister an, erzählen schlüpfrige Geschichten und sind vor Grob- und Doofheit wie besoffen von sich selbst. Wenn man sie dann einmal wirklich braucht, sind sie entweder unfähig. Oder eines ihrer pathologischeren Mitglieder ist selbst der Anlaß für das Feurio, das da herrscht. Dann sieht man Julian Reichelt, rußverschmiert, noch mit der Fackel in der Hand, in den Trümmern der Flüchtlingsheime stehen und „Refugees welcome!“ schreien. Dann zeigen sie voll Mitgefühl die darbenden Griechen in der Suppenküche, in die sie sie selbst gesetzt haben. Dann distanzieren sie sich von den Kreaturen Thilo Sarrazins, den sie doch selbst mit aufgebaut haben. Dann schreiben sie “Nie wieder Judenhaß” und schaffen mit ihrem Antiintellektualismus doch täglich neu seine geistigen Voraussetzungen.
Fast hat es etwas Rührendes, daß sie es in ihrem Zynismus nicht aushalten. Sie wollen nicht nur Karriere machen, nicht nur abgefuckte Medienprofis, sondern auch gute Menschen sein. Sie wollen im Kreise von Kumpeln und Sippschaft sagen, daß sie sich redlich bemühen, daß sie ein bisserl was bewegen können. Die Homos zum Beispiel, die lassen sie jetzt in Ruhe. Geschichten über Außerirdische und Wunderheiler, wie sie noch Wallraff dokumentierte, spielen keine Rolle mehr. Es hat sich doch was getan! Jetzt gibt es sogar eine Flüchtlings-“Bild” auf Arabisch, auf daß auch die Neuankömmlinge gleich wissen, wer hierzulande die Losung ausgibt. Doch selbst da, wo sie sich redlich bemühen, wählen sie stets die einzige Form, die sie wirklich beherrschen: die Kampagne. Und in der Form der Kampagne liegt die ganze Wahrheit der Zeitung, denn noch das edelste Anliegen können sie nur als Kampagne vortragen, und machen es damit gleich wieder zu etwas Vulgärem, Opportunistischem, Austauschbarem, Verächtlichem. Wenn “Bild” sich einer Sache annimmt, bleibt nichts von ihr übrig, nicht einmal von einer guten.
Wie die freiwillige Feuerwehr eine schattenhafte Erinnerung an Bürgerwehr und Miliz ist, so ist die “Bild”-Zeitung eine Erinnerung an den “Völkischen Beobachter”: Sie peitscht ein, verstärkt Emotionen, schweißt das Kollektiv in Wut und Angst zusammen. Sie sichert das Überleben einer faschistoiden Form des Bewußtseins inmitten der Demokratie. Sie beruft sich auf Freiheiten, die sie selbst abschaffen würde, wenn man sie ließe. Unvergessen ist mir, wie ich einmal das Springerhaus in Hamburg fotografieren wollte, woraufhin der Pförtner herauseilte, mir die Löschung der Bilder auftrug und erklärte, daß man dieses Haus grundsätzlich nicht fotografieren dürfe. Die Niedrigkeit und Infamie aus den oberen Etagen war bis in sein winziges Pförtnerhirn gesickert; insgeheim wähnte er sich als Teil einer verschworenen Gemeinschaft, so als würden ihn seine Oberen nicht in einem Wimpernschlag entfernen, wenn er ihnen zur Last fällt.
Der Wahnsinn ist, daß die Leute glauben, mit “Bild” rechnen zu können, die Zeitung als Teil des Mediensystems begreifen, mit dem vielleicht ein ironischer Umgang möglich ist. Prominentestes Beispiel für diesen Irrtum ist der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff, der ebenfalls glaubte, sich auf “Bild” verlassen zu können, auf Ehrenwort und Bürgersinn zählte. Das ist falsch. “Bild” ist kein Teil des Mediensystems. “Bild” ist in einem strengen Sinn gar kein Medium. Jedenfalls ist sie es nicht im Sinne einer liberalen Öffentlichkeit. Sie ist das Gegenteil dieser Öffentlichkeit, und bereitet insgeheim ihr Ende vor. So wie aus der bierseligen Gemeinschaft freiwilliger Dorfdeppen jederzeit wieder der Zündler und der Mob hervortreten können, so kann aus “Bild” jederzeit wieder das monströse Hetzblatt werden, das sich jetzt mit Ironie und Debatte tarnt. “Bild” ist kein Umgang. Mit “Bild” haben anständige Leute nichts zu schaffen.
1. Flüchtlinge und Journalisten: Nähe oder Distanz? (ostpol.de, Sonja Volkmann-Schluck und Joanna Itzek)
Fünf Journalisten berichten über ihre Arbeit in Ungarn. Cathrin Kahlweit von der “SZ” empfindet die Berichterstattung über Flüchtlinge etwa als “widersprüchlich, atemlos und ein wenig planlos”, ARD-Hörfunkkorrespondent Stefan Ozsvath fand den Tipp eines Kollegen, wie Flüchtlinge zu Schleusern kommen, “grenzwertig”. Auch kress.de beschäftigt sich mit der Rolle der Medien als “Flüchtlingshelfer” und stellt Beispiele vor von “Bild” bis “Huffington Post”.
2. Per sofort kein Zutritt mehr zum Bundeshaus für Nachbern.ch (nachbern.ch, Ronnie Grob)
Nicht einmal eine Woche ist rum, seit Ronnie Grob sein Schweizer-Wahlkampf-Projekt “Nachbern.ch” gestartet hat, da ist bereits die Akkreditierung fürs Bundeshaus futsch: Der Bereichsleiter Information der Parlamentsdienste habe ihm mitgeteilt, dass er “die Verhaltensregeln für Medienschaffende im Gebäude” “in grober Art missachtet” habe. Konkret geht es um zwei Fotos, die Grob nicht hätte aufnehmen und ohne Bewilligung veröffentlichen dürfen, und um Beschreibungen des Arbeitspultes eines Ratsmitglieds. “Persönlich empfinde ich den sofortigen Entzug meiner Akkreditierung als eine gar harte Massnahme”, so Grob. Laut watson.ch gilt sein Rauswurf “unter Bundeshausjournalisten” als “einer ‘unter eher fadenscheinigen Begründungen’.”
3. Greenpeace hires team of investigative journalists (theguardian.com, Jasper Jackson, englisch)
Immer mehr Konzerne interessieren sich für Journalismus. Doch während Tech-Firmen wie Snapchat und Twitter Journalisten anwerben, um noch mehr Geld zu verdienen, dürfte bei Greenpeace ein anderes Interesse dahinter stecken. Die Umweltschutzorganisation hat mehrere renommierte investigative Reporter angestellt, darunter ehemalige Mitarbeiter von BBC und “New York Times”. Ziel sei es, mit den Recherche Druck auf Wirtschaft und Politik auszuüben. Hauptthemengebiete werden der Klimawandel, die Überfischung der Ozeane und das Abholzen der Wälder sein.
4. Zensur: Saudi-Arabien verbietet “National Geographic” mit Papst-Cover (spiegel.de)
“Möglicherweise war schon die bloße Abbildung des Papstes für Saudi-Arabiens Sittenwächter eine Provokation, schließlich sind Bibeln und Kruzifixe verboten und die etwas mehr als eine Million christlichen Gastarbeiter dürfen ihren Glauben nur im Verborgenen leben.”
5. Tagesschau ignoriert Hinweise auf Hasskommentar bei Facebook (blogmedien.de, Horst Müller)
Die hetzende Facebook-Seite “Berlin wehrt sich” wurde gelöscht, doch ihre Inhalte leben weiter — bei der “Tagesschau”. In einem Facebook-Post, der auf einen eigenen Artikel zu dem Thema verweist, ist als Teaserbild ein Hasskommentar von “Berlin wehrt sich” mit einem Foto des toten Aylan Kurdi abgebildet. Horst Müller glaubt, “[d]ass die zuständigen Redakteure mit dieser unverantwortlichen Vorgehensweise nicht zusätzliche Authentizität schaffen, sondern eher Ausländerhass schüren”. Update: Die “Tagesschau” hat reagiert und das Teaserbild gelöscht. Dazu veöffentlichte die Redaktion eine kurze Stellungnahme.
1. Landesvorstand zurückgetreten (djv.de, Hendrik Zörner)
Der Vorstand des DJV Sachsen-Anhalt ist am Dienstag geschlossen zurückgetreten und reagierte damit auf einen Bericht der “Bild”-Zeitung über eine frühere Stasi-Mitarbeit dreier Mitglieder. DJV-Pressesprecher Hendrik Zörner hält das für “die einzig richtige Entscheidung im Sinne der Glaubwürdigkeit, die das Kapital der Journalisten und des DJV ist.”
2. Danke, Kai Diekmann! (freelens.com, Lutz Fischmann)
“Bild” druckte gestern keine Bilder, um die Kraft der Fotos zu feiern. Das freut Freelens, den Berufsverband der Fotojournalisten und Fotografen — allerdings nur kurz, denn: War da nicht was? “Richtig. 2007 führte Springer neue Verträge ein. Verträge, die den Fotografen nach dem Motto ‘Friss oder stirb’ alle Rechte an ihren Bilder abverlangten.” Freelens empfindet die gestrige Aktion dementsprechend als “Ohrfeige” und empfiehlt: “Lassen Sie doch bitte auch mal den Text weg in Ihren Bild-Ausgaben. Vielleicht sogar mal für eine Woche oder länger?”
4. Vorfall an serbischer Grenze: Ungarische Kamerafrau tritt Flüchtlinge (spiegel.de)
Eine ungarische Kamerafrau hat an der Grenze zwischen Serbien und Ungarn Flüchtlinge getreten. Aufnahmen zeigen, wie sie einem Mann, der ein Kind trägt, ein Bein stellt, oder Kinder tritt, die an ihr vorbeilaufen. Ihr Arbeitgeber, der Internetfernsehsender N1TV, der der rechtsextremen Partei Jobbik nahesteht, hat die Frau inzwischen entlassen.
5. If You Don’t Click on This Story, I Don’t Get Paid (theawl.com, Noah Davis, englisch)
Wie lebt man als freier Journalist im Jahre 2015? Noah Davis hat mit mehr als 20 amerikanischen Medienmachern und Journalismus-Professoren gesprochen. Seine Recherche offenbart einen interessanten Einblick in die Branche: auf der einen Seite das große Zeitungssterben, auf der anderen Seite neue Chancen und Möglichkeiten bei expandierenden Online-Medien. Er selbst ist dabei durchaus optimistisch: Sein Durchschnitts-Honorar ist seit 2013 von 37 auf 53 Cent gestiegen — pro Wort(!), nicht pro Zeile. Für diese Recherche bekommt er von The Awl allerdings nur 200 Dollar – plus einen Dollar je 1000 Pageviews. Deshalb: klicken und lesen!
6. Was nach 35 Jahren Ehe bleibt (folio.nzz.ch, Peter Glaser)
Seit Jahren schon beschäftigt sich Fabian Steinhauer mit Enttäuschungen. Erst in einem analogen Archiv, das bald voll war mit Dingen, “die für Erwartungen standen, aus denen nichts geworden war”, jetzt im Digitalen in einer Facebook-Gruppe. Im Interview mit Peter Glaser spricht er über die veränderte Wahrnehmung von Enttäuschungen und verrät seine Lieblingsenttäuschung.
Die “Bild”-Medien trommeln heute mal wieder kräftig in eigener Sache.
“Das bringt nur BILD”, so lautet der Slogan der großen PR-Kampagne, deren ganzer Wahnsinn sich schon an diesem Video erahnen lässt:
Die Kampagne findet, wie der Axel-Springer-Verlag verkündet:
auf allen analogen und digitalen Kanälen statt. Sie beinhaltet Print- und Online-Motive, Out-of-Home-Plakate und -Kurzvideos, einen Kino- und TV-Spot sowie verschiedene Funk-Spots.
Und auf redaktioneller Ebene das hier:
Eine (nicht ganz neue) Aktion, mit der das Blatt heute viel Aufmerksamkeit erregt hat. „Bild“ schreibt:
Wir wollen damit zeigen, wie wichtig Fotos im Journalismus sind. Und dass es sich lohnt, jeden Tag um das beste Foto zu kämpfen!
Denn Fotos können beweisen, was Mächtige verstecken wollen. Sie wecken Emotionen in uns. Sie zeigen schöne Momente, aber auch grausame. Sie lassen uns mit anderen Menschen mitfühlen. (…)
Darum steht BILD immer wieder für die Veröffentlichung umstrittener Fotos ein – oft gegen harte Widerstände. Die Welt muss die Wahrheit sehen, um sich zu verändern.
So etwas sagen die Menschen von „Bild“ gern, wenn es um die „Veröffentlichung umstrittener Fotos“ geht. Man müsse die Wahrheit „ungeschönt“ zeigen, man müsse die Geschichten und Gesichter der Opfer (und Täter) abbilden, um „die Tragik“ eines Ereignisses „fassbar“ zu machen.
In den meisten Fällen geht es dann aber nicht um solche Fotos, die „Bild“ in dem Artikel als Beispiele anführt — das des Mädchens, das im Vietnamkrieg vor einer Napalm-Wolke flieht und das des ertrunkenen Flüchtlingsjungen am Strand von Bodrum, bei denen es tatsächlich nachvollziehbare Gründe für eine Veröffentlichung gibt –, sondern um Fotos, die nicht als Symbolbilder um die Welt gegangen sind. Fotos, auf denen Menschen hilflos sind oder trauern oder sterben, Fotos von Menschen, die Schlimmes getan haben oder die nur zufällig Teil eines tragischen Geschehens wurden, über das die „Bild“-Zeitung unbedingt unverpixelt berichten muss.
So sieht der Umgang mit „umstrittenen Fotos“ bei der „Bild“-Zeitung tagtäglich aus: „Mutig“ und „ungeschönt“, trotz all der „harten Widerstände“ durch den politisch korrekten Verpixelungswahn dieser Gutjournalisten. Alles im Sinne der „Wahrheit“. Und letztlich im Sinne der „Schwachen“, wie „Bild“-Online-Chef Julian Reichelt erklärt:
Diese BILD-Ausgabe ohne Fotos ist eine Verneigung vor der Kraft der Fotos. Ohne Fotos wäre die Welt noch ignoranter, wären die Schwachen verloren, unsichtbar. Ohne Fotos blieben viele Verbrechen nicht nur ungesühnt – sie würden nicht einmal erinnert. Fotos sind der Aufschrei der Welt.
Und wer meint, die „Bild“-Zeitung mache die Opfer eines Unglücks oder Verbrechens zum zweiten Mal zu Opfern, wenn sie irgendwo private Fotos von ihnen auftreibt oder Fotos, auf denen sie blutüberströmt auf der Straße liegen, und diese dann groß und unverpixelt und ohne Erlaubnis abdruckt, der irrt natürlich gewaltig:
Immer wieder – auch jetzt – hören wir die Forderung, Fotos gar nicht oder nur verpixelt zu zeigen, weil sie menschliches Leid zu drastisch dokumentieren, weil sie Menschen „ihre Würde nehmen“ würden.
Dieses Argument übersieht immer wieder den wichtigsten Punkt: Nicht das Foto stellt die würdelose Situation her, sondern der Krieg oder die Ignoranz der Politik oder unsere Feigheit davor einzuschreiten. Das Foto dokumentiert bloß die Welt. Die Welt ist nicht verpixelt. Wir haben kein Recht darauf, es uns leicht zu machen, wenn Unrecht geschieht. Wir müssen uns zwingen hinzusehen. Der Schmerz, den wir beim Anblick von Leid empfinden, hat nicht das leiseste Recht, sich gleichzumachen oder auch nur zu vergleichen mit dem Schmerz der Abgebildeten.
Der Gedanke, dass auch die Abgebildeten Rechte haben, das Recht am eigenen Bild zum Beispiel, und dass eine Verletzung dieser Rechte ebenfalls Schmerz auslösen kann, ist Julian Reichelt bei seiner Argumentation wohl nicht gekommen, aber er hat ja auch schon genug damit zu tun, sich ständig um die Angehörigen der Abgebildeten zu sorgen:
Das twitterte der Bild.de-Chef vor ein paar Wochen, kurz nachdem die Leiche eines entführten und ermordeten Mädchens entdeckt worden war.
Und weil Reichelt und sein Team den Angehörigen mit einer möglichst unverpixelten Berichterstattung ja im Grunde nur helfen, dokumentieren sie seither akribisch die grausamen Details des Verbrechens, zeigen die Fotos, auf denen das Mädchen in einem Leichensack weggetragen wird, veröffentlichten ihre Todesanzeige und mehrere Fotos von ihrer Beerdigung, fotografierten ihr Grab aus verschiedenen Perspektiven und präsentieren konsequent in jedem Artikel mindestens ein Bild von ihr ohne jede Unkenntlichmachung, „mutig“ und „ungeschönt“ eben, denn es geht ja um die Wahrheit und darum, das Leid „fassbar“ zu machen.
So wie es in der griechischen Tragödie des Chors bedarf, der das, was der Zuschauer sieht, beweint, braucht das Leben, braucht das Land jemanden, der es beklagt und besingt.
BILD ist dieser Chor.
… trällert Alexander von Schönburg heute in seinem Beitrag zur „Bild“-Eigen-PR-Kampagne, in dem er vor allem den „einzigartigen Erfolg“ von “Bild” besingt.
BILD zielt nicht nur auf den Verstand, sondern tiefer. Aufs Herz.
Insofern hat BILD die Kernidee seines Gründers doch bewahrt. Er schuf eine Zeitung, die unmittelbarer mit dem Leser kommuniziert.
Ein Beispiel:
Jede Zeitung der Welt druckte das Foto von Willy Brandts historischem Kniefall 1970 in Warschau. Aber nur in BILD wurde beschrieben, wie ihm Tränen in die Augen schossen.