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Ihr naht Euch wieder, schwankende Gestalten

Thilo Sarrazin, dieser Teufelskerl! Stößt man eben eine “Diskussion” (deutsch für: “Summe gleichzeitig stattfindender Monologe”) an und schon fluppt es in Deutschland:

In der Diskussion um mangelnde Integration von Ausländern fordert jetzt der erste Politiker die Aufnahme der “deutschen Sprache” ins Grundgesetz. (…)

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt zu BILD: “Der Schutz der deutschen Sprache gehört im Grundgesetz verankert. (…)”

Das mit den Ordnungszahlen sollte “Bild” bis zur Grundgesetzänderung vielleicht noch etwas üben, denn “der erste Politiker”, der das fordert, ist Dobrindt mitnichten: Im Juli 2008 hatte sich Bundestagspräsident Norbert Lammert für eine Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz ausgesprochen, im Dezember 2008 gab es einen CDU-Parteitagsbeschluss zum Thema und im Oktober 2009 legten CDU/CSU und FDP in ihrem Koalitionsvertrag fest, das Grundgesetz entsprechend zu erweitern.

Mit Dank an Patrick G. und Theo.

Praktika, Pseudonyme, Sexualstraftäter

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Hetzjagd auf Sexualstraftäter”
(ndr.de, Video, 5:15 Minuten)
Reporter von “Bild” und “Hamburger Morgenpost” jagen den rechtmässig aus der Haft entlassenen Hans-Peter W. von einer Stadt in die andere und erschweren so eine Resozialisierung.

2. “Hinter der grünen Tür”
(fernsehkritik.tv, Video, 40:33 Minuten)
N-tv und RTL zeigen in Liveberichten während rund 90 Minuten das Eingangstor der Justizvollzugsanstalt Mannheim. Schließlich erscheint der Angeklagte Jörg Kachelmann, was bei RTL zur sofortigen Unterbrechung des laufenden Programms führt (der wahrlich harte Schnitt ab 8 Minuten).

3. “Die weltfremde Medienmoral-Debatte”
(meedia.de, Georg Altrogge)
Georg Altrogge widerspricht den Einschätzungen von Christian Schicha zur Loveparade-Berichterstattung (taz-Interview) und wünscht sich Medienwächter, die sich für “den investigativen Handlungsspielraum und die Presse- und Meinungsfreiheit” einsetzen. “Zweifelsohne gibt es viele, denen es nur Recht wäre, wenn auch von der Loveparade keine Bilddokumente veröffentlicht worden wären, die ein Zeugnis liefern von der Panik im Tunnel, dem opferverachtenden Verhalten der Zuständigen in der Duisburger Stadtverwaltung oder eines Oberbürgermeisters, der sich in grotesker Weise an ein gut dotiertes Amt klammert.”

4. “Zehn Gründe gegen ein Presse-Leistungsschutzrecht”
(telemedicus.info, Arnd Haller)
Arnd Haller von Google Deutschland zählt zehn Gründe auf, die gegen ein geplantes Leistungsschutzrecht sprechen. Kai Biermann hat die Punkte hier etwas kürzer zusammengefasst.

5. “Generation Praktikum? Ein Mythos!”
(fudder.de, Philipp Barth)
Philipp Barth hält die von Journalisten ausgerufene “Generation Praktikum” vor allem für ein Problem der Medienbranche.

6. “Wir müssen dann den Taliban als Zeugen vernehmen”
(buskeismus-lexikon.de, Rolf Schälike)
“Spiegel Online” schreibt über einen Soldaten und verpasst ihm (“Name von der Redaktion geändert”) ein Pseudonym. Doch es gibt tatsächlich einen Soldaten mit diesem Namen. Man trifft sich vor dem Landgericht Hamburg.

H1N1, Applaus, Blogger

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Medienanalyse zur pandemischen Influenza (H1N1) 2009”
(rki.de, PDF-Datei, 108 kb)
Das Robert-Koch-Institut liefert eine kurze Medienanalyse zur Schweinegrippe in den Bremer Tageszeitungen “Bild”, “taz” und “Weser-Kurier”. “Obwohl die BILD-Zeitung am auffälligsten über die Gefahren der ‘Schweinegrippe’ berichtete und sich in ihren Artikeln am konsequentesten für eine Impfung ausgesprochen hat, haben sich aus ihrer Leserschaft offenbar besonders wenige impfen lassen.”

2. “Falsche Jubelbilder”
(taz.de, Gereon Asmuth)
Gereon Asmuth beobachtet, dass es in der Übertragung der ARD so wirkt, als würde der Applaus von Menschen vor dem Reichstag dem gewählten Bundespräsidenten gelten. “Tatsächlich gab es bei den rund 500 Zuschauern lang anhaltenden, respektvollen Applaus – allerdings als der Bundestagspräsident Norbert Lammert die Stimmenzahl für Joachim Gauck verkündete.”

3. “Wir glauben euch eh nicht”
(zeit.de, Adam Soboczynski)
Adam Soboczynski hält es für falsch, wenn Politikern notorisch Verlogenheit und Berechnung unterstellt wird. “Die politische Klasse, wird vorausgesetzt, sage stets etwas, was sie gar nicht meine. Zumeist sage sie sogar das genaue Gegenteil von dem, was sie eigentlich meine. Sage sie aber einmal das, was sie meine, meine sie das auch schon wieder strategisch, da es unerwartet und besonders ausgefuchst sei: Es werde dann Geradlinigkeit simuliert.”

4. “No Handwerk, please – wir sind Hauptstadtjournalisten”
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer stellt fest, dass die Quellenlage beim Mikroblogging-Dienst Twitter “eben nicht ominös und geheimnisvoll” ist – “sondern klar nachvollziehbar”. “Bei Twitter gibt es Nutzernamen und oft genug lässt sich anhand dieser nachvollziehen, wer da schreibt. ”

5. “Regierungsdaten sollen Journalismus retten”
(futurezone.orf.at, Christiane Schulzki-Haddouti)
Die US-Handelsbehörde FTC glaubt, dass sich “aus der Offenlegung staatlicher Informationsmonopole” neue journalistische Geschäftsmodelle entwickeln könnten.

6. “Misslungener Versuch zeigt Belanglosigkeit des Webs”
(basicthinking.de, Jürgen Vielmeier)
Blogger Jürgen Vielmeier hält nicht viel von der von Bloggern gestalteten Ausgabe von “Welt Kompakt”: “Ein paar Leute, die in der Online-Welt durchaus anerkannt sind, haben eine vollkommen belanglose Zeitung produziert und damit gezeigt, dass das Bloggen im ursprünglichen Sinne tot ist.”

Zweierlei Anmaßung

Bei Bild.de sind sie entsetzt:

NACH DEM KÖHLER-RÜCKTRITT: Ösis verhöhnen Deutschland. "IN DEUTSCHLAND IST DAS RÜCKTRITTSVIRUS AUSGEBROCHEN" +++ HÄMISCHE KOMMENTARE IM AUSLAND +++ NUR DIE RUSSEN SCHONEN UNS

TV-DEBATTE ÜBER DEN RÜCKTRITT HORST KÖHLERS: Köhler-Mobbing bei Sandra Maischberger
GÄSTE DRESCHEN BEI FERNSEH-SHOW AUF EX-BUNDESPRÄSIDENT EIN +++ WARUM FALLEN JETZT ALLE ÜBER HORST KÖHLER HER?

Das mit dem “verhöhnen” muss man nicht ganz so ernst nehmen, das ist Bild.de-Sprache für “irgendetwas über irgendjemanden sagen” (BILDblog berichtete). Aber was war denn da bei “Sandra Maischberger” los?

Franz Solms-Laubach weiß es glaubt, es zu wissen:

Arnulf Baring nannte Köhlers Verhalten “kindlich” – das könne man einem gestandenen Mann nicht durchgehen lassen! […]

Friedmann warf Köhler vor, das Amt des Bundespräsidenten durch sein Verhalten beschädigt zu haben. Er sei seiner Verantwortung nicht gewachsen gewesen und habe mit seinem Rücktritt eine Bankrotterklärung “der demokratischen Streitkultur” besiegelt.

Für Solms-Laubach sind die Aussagen von (durchaus streitbaren) Zeitgenossen wie Arnulf Baring und Michel Friedman (dessen Namen er konsequent falsch schreibt) ein “peinlicher Tiefpunkt”, ein “Mobbing-Talk”, ein “politisches Tribunal”.

Nur zu gern wüsste man da, welche Vokabeln ihm zur Arbeit seiner Kollegen einfallen — zum Artikel von Einar Koch unter der Überschrift “Der Absturz von ‘Super-Horst'” oder dem Kommentar, den Nikolaus Blome, Leiter des “Bild”-Hauptstadtbüros, am Montagabend, wenige Stunden nach Köhlers Rücktritt, auf Bild.de veröffentlicht hatte:

Was ist das, was Horst Köhler da veranstaltet hat? Fahnenflucht? Nerven verloren? Verletzte Eitelkeit?

Der beispiellose Rücktritt des Bundespräsidenten ist eines der ganz seltenen Ereignisse, dessen Motiv man nicht vollständig kennen muss, um es beurteilen zu können:

Dieser Rücktritt hat keine Würde!

Er hat keinen politischen Stil. Er ist das Gegenteil von politischer Aufrichtigkeit.

Und so geht das Absatz um Absatz weiter. Blome erklärt, dass Politik “kein Wunschkonzert” sei, er nennt Köhlers Amtsführung “billig und wohlfeil” und endet schließlich mit etwas, was sein Kollege Solms-Laubach mindestens als “vernichtendes Urteil” bezeichnen würde:

Doch mit seinem Rücktritt hat er niemandem Ehre gemacht. Am wenigsten sich selbst.

Aber so richtig konsistent ist die Berichterstattung über die aktuelle Präsidentensituation bei Bild.de sowieso nicht: Während Bild.de auf der Startseite groß verkündet, dass “die Deutschen” die derzeitige Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen als Präsidentin wollten (“Das ergab eine onlinegestützte, repräsentative Umfrage des Kölner Instituts ‘YouGov’ im Auftrag von BILD.”), zeigt die eigene Abstimmung auf Bild.de, bei der man sich zwischen drei CDU-Kandidaten entscheiden muss, inzwischen ein etwas anderes Bild:

Wer soll Nachfolger von Horst Köhler für das Amt des Bundespräsidenten werden? 1. Norbert Lammert 45,73% 2. Ursula von der Leyen 40,85% 3. Wolfgang Schäuble 13,42%

Mit Dank an Bodo K. Patrick B. und Holger A.

Wer alles nicht Ministerpräsident in NRW wird

Auch zwei Tage nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist einigermaßen unklar, wie die nächste Landesregierung aussehen könnte. Die Spekulationen schießen ins Kraut und die Beobachter und Kommentatoren versuchen sich mit Zahlenspielen und abwegigen Vorschlägen zu übertrumpfen. Sogar die “israelische Lösung” wurde schon in die Runde geworfen.

In einem Kommentar in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” stellt Georg Paul Hefty heute einige Alternativvorschläge für das Amt des Ministerpräsidenten vor:

Sollte die CDU einen Ministerpräsidenten brauchen – und Rüttgers von dem oder den Koalitionspartner(n) abgelehnt werden -, müssten wohl Bundespolitiker in die Bresche springen. Dafür kämen nur Spitzenleute in Betracht: die Bundesminister Pofalla und Röttgen, eventuell auch der zweite Mann im Staate, Lammert.

Selbst wenn Jürgen Rüttgers – aus welchen Gründen auch immer – der CDU nicht als Ministerpräsident zur Verfügung stünde: Die Herren Pofalla, Röttgen und Lammert würden es sicher auch nicht — zumindest nicht, ohne gegen die nordrhein-westfälische Landesverfassung zu verstoßen.

In Artikel 52, Absatz 1 heißt es nämlich:

Der Landtag wählt aus seiner Mitte in geheimer Wahl ohne Aussprache den Ministerpräsidenten mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder.

[Hervorhebung von uns]

Ein Anruf bei, sagen wir Mal: Harald Schartau hätte der “FAZ” schon geholfen: Der SPD-Mann hatte 2002 nicht Nachfolger von Ministerpräsident Clement werden können, weil er auch nicht über das erforderliche Landtagsmandat verfügte.

[via pottblog]

Nachtrag, 19. Mai: Die “FAZ” druckt heute auf Seite 8 den Brief eines Lesers aus Koblenz ab, der darauf hinweist, dass in NRW nur Mitglieder des Landtags Ministerpräsident werden können. Damit hat der Fehler von letzter Woche wohl als “korrigiert” zu gelten.

Mit Dank an Jesco H.

Häme-Kleine will’s wissen

Sehr geehrter Herr Kleine,

Briefe schreiben sei “in”, so steht es heute in “Bild”. Ihr Kollege Franz Josef Wagner ist heute mit seiner 2000. “Post von Wagner” dran, die gesamte “Bild”-Redaktion verfasste in der letzten Woche unter der Überschrift “Ihr griecht nix von uns!” einen Brief an den griechischen Ministerpräsidenten Papandreo, den “Bild” “Pleite-Premier” nennt.

Jetzt hat Bundestagspräsident Norbert Lammert auch einen Brief geschrieben, an seinen griechischen Amtskollegen Philippos Petsalnikos, aber das finden Sie nicht gut.

Warum müssen wir uns bei den Pleite-Griechen entschuldigen?

fragen Sie in der Überschrift und vermutlich wissen Sie und Ihre Kollegen schon gar nicht mehr, dass die Bürger Griechenlands eigentlich nur “Griechen” heißen und nicht “Pleite-Griechen” — zu sehr haben Sie alle das Wort schon verinnerlicht. (Andererseits kann man ja schon fast froh sein, dass die Überschrift nicht “Lammert griecht zu Greuze” lautete.)

Das ist aber eine merkwürdige Entschuldigung …!

finden Sie und da muss ich Ihnen kurz recht geben: Es ist in der Tat eine merkwürdige Entschuldigung, die Norbert Lammert da verfasst hat — im sonst eher selten gebräuchlichen Sinne von “gar keine”, denn das Wort “Entschuldigung” taucht in Lammerts Schreiben kein einziges Mal auf, wie Bild.de gleich nebenan “im Wortlaut” “dokumentiert”.

Man könnte eher sagen, der Brief sei der Versuch, ein wenig Deeskalation zu betreiben. (Ich weiß, dieses Wort kennen “Bild”-Mitarbeiter nicht, aber in Ihrer Redaktion steht doch sicher auch so ein Fremdwörter-Duden.)

Nachdem Lammert also den Ernst und den Mut gelobt hat, mit dem griechische Politiker “nun an jahrelang verschobene und verdrängte Probleme herangehen” (Bild.de: “Damit meint er wohl: Korruption, unglaublichen Schlendrian und die Verschwendung von Milliardenbeträgen…”), widmet er sich mit einem Satz auch kurz der Situation in Deutschland:

Mancher hämische Kommentar in deutschen Medien wäre sicher ebenso unterblieben wie manche hochmütige Aufforderung deutscher Politiker zur Kurskorrektur, wenn man bei unserem etwa zehnfachen Sozialprodukt den deutschen Wählern ähnliche Sanierungsmaßnahmen in einer vergleichbaren Größenordnung von ca. 50 Milliarden Euro zugemutet hätte.

Dieser Satz ist nicht schön: Lammert stellt sich vor, was in Deutschland los wäre, wenn hierzulande ein ähnlich radikaler Sparkurs gefahren werden müsste, wie jetzt (endlich!) in Griechenland, und sagt dann, dass die deutschen Medien und Politiker sich vielleicht anders verhalten hätten — nur, dass es dann um ihr Land gegangen wäre und nicht um ein fremdes.

Aber diese verunglückte Mutmaßung ist gar nicht das, was Sie, Rolf Kleine, stört:

Ganz Europa sorgt sich über die desaströse Finanzlage Griechenlands und die Stabilität des Euro – und was macht unser Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU)?

Lassen Sie mich an dieser Stelle kurz fragen, woran der Leser eigentlich erkennt, wer gerade mit “uns” oder “wir” gemeint ist: Da Lammert ja sicher nicht der Bundestagspräsident von “Bild” ist, sind in diesem Falle wohl “wir Deutschen” gemeint — in der Überschrift ja aber nicht, denn entschuldigen sollen sich ja nicht alle, sondern nur ein paar. Oder auch nur einer:

Er entschuldigt sich in einem Brief an den griechischen Parlamentspräsidenten Philippos Petsalnikos für “manche hochmütige Aufforderung deutscher Politiker zur Kurskorrektur” und “hämische” Kommentare “in deutschen Medien”.

ABER WEN MEINT ER DA BLOSS?

Sehr geehrter Herr Kleine, ich weiß nicht, ob Sie in den vergangenen Tagen und Wochen Gelegenheit hatten, mal einen Blick in die Zeitung zu werfen, für deren Hauptstadtbüro Sie arbeiten, aber …

"Bild" schlagzeilt auf die "Pleite-Griechen" ein

An “hämischen”, Verzeihung: hämischen, Kommentaren hat es da in letzter Zeit wohl kaum gemangelt.

Aber Sie fragen natürlich ganz unschuldig:

Doch wohl nicht etwa die Forderung von Politikern in BILD-Interviews, dass Griechenland auch Staatseigentum privatisieren solle – zum Beispiel Inseln?

Nein, Herr Kleine. Nicht nur.

Mit freundlichen Grüßen,

Lukas Heinser

Mit Dank an Julian J. und Benjamin S.

Promis, Zwangsfernsehen, Printfeudalismus

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Das Geschäft mit falschen Promi-Nachrichten”
(ndr.de, Video, 5:22 Minuten)
Ein Blick auf die englische Boulevard-Presse, die ungeprüft von Lesern telefonisch mitgeteilte Stories über Prominente druckt, wenn sie denn keine rechtliche Bedrohung darstellen. Einmal niedergeschrieben, werden die Unwahrheiten, zum Beispiel die Geschichte über die in Brand geratenen Haare von Amy Winehouse, hundertfach von anderen Medien verbreitet, immer mit Bezug auf das Ursprungsblatt.

2. “Axel Springer und die Stasi”
(faz.net, Michael Hanfeld)
Michael Hanfeld über den Film “Bespitzelt Springer!” von Tilman Jens, der die Überwachung des Axel Springer Verlags durch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR zum Thema hat. Sein Fazit: “Vor der Stasi war Springer nackt.”

3. “Kein politisches Zwangsfernsehen”
(sprengsatz.de, Michael Spreng)
Für Michael Spreng gehen die Vorwürfe von Bundestagspräsident Norbert Lammert an ARD und ZDF ins Leere. Die Übertragung sei auf “Phoenix” zu sehen gewesen, ausserdem unterliege auch der Bundestag “den Gesetzen der Mediengesellschaft”: “Veranstaltungen müssen spannend und kontrovers, zumindest aber interessant sein und einen Erkenntnisgewinn vermitteln”.

4. “Abt. Das Ende des Journalismus”
(infam.antville.org, vanpipe)
Bild.de liefert ein Beispiel, wie eine Geschichte auch ganz ohne Empörung inszeniert werden kann – und Schweizer Online-Portale steigen dankbar darauf ein: “Weder in der Schweizerischen Mediendatenbank noch in Blogs noch auf Google News finden sich Hinweise darauf, dass irgendjemand sich darüber geärgert haben könnte, dass ein deutsches Wiesn-Playmate namens Alena Gerber die obskure Web-Sendung usgang.tv präsentiert.”

5. “Qualitätsmedien und Analysen”
(ballverliebt.eu, Philipp Eitzinger)
Fußball: Philipp Eitzinger war in London und freute sich über detailierte Pass-Analysen im “Guardian”. “Solche Grafiken und Artikel” könne man “in den heimischen Medien lange suchen”.

6. “Nicht mein Beruf”
(rebellmarkt.blogger.de, donalphons)
Donalphons über den Niedergang der Printbranche: “Es wird dem Printfeudalismus ergehen wie dem echten Feudalismus, ein paar Paläste werden stehen bleiben und gegen Geld zu besichtigen sein, aber die Kaschemmen wird man wegreissen, weil es weder finanzierbar sein wird, noch gefragt. Irgendwann wird auch der Trick einer Berliner Tageszeitung nicht mehr laufen, Leute umsonst arbeiten zu lassen – weil die Leute irgendwann verstehen, dass in dem Beruf nur für wenige etwas zu holen ist.”

Als würde ein Heroindealer für Abstinenz kämpfen

Nikolaus Blome, der Leiter des Parlamentsbüros der “Bild”-Zeitung, hat ein Buch darüber geschrieben, dass Politiker besser seien als ihr Ruf. “Faul, korrupt und machtbesessen?” heißt es — und wurde gestern vom designierten SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering vorgestellt. Die “taz” kommentiert:

Eigentlich ist Blomes Polemik ein seltsames Unterfangen. Dass ausgerechnet ein Bild-Redakteur die allgemeine Politikerverachtung geißelt, ist ungefähr so, als würde ein Heroindealer eine Kampfschrift für Abstinenzler schreiben. Denn Bild ist das Zentralorgan der Politikerverachtung, der gezielten Aufwiegelung und kalkulierten Wutwellen, die gegen raffgierige, faule, dumme Politiker ins Rollen gebracht werden. Auch wenn Politiker bloß tun, was das Bundesverfassungsgericht über ihre Diäten entschieden hat, stopfen sie sich laut Bild die Taschen voll. Davon sagt Müntefering kein Wort. Er macht noch nicht mal einen Witz darüber. Man redet im Haus des Henkers nicht über den Strick.

Oder wie es Bild.de unfreiwillig treffend formuliert:

Faul, korrupt und machtversessen? Warum Politiker besser sind als ihr Ruf — das weiß Nikolaus Blome, der darüber ein Buch geschrieben hat. Er muss es wissen. Denn er ist Leiter des “Bild”-Parlamentsbüros.

Nachtrag, 16:00 Uhr. Und “Zeit Online” berichtet über die Präsentation:

Aber noch etwas lernt der Zuhörer an diesem Tag. Nicht nur Politiker sind besser als ihr Ruf, sondern auch die Journalisten, allen voran natürlich die der Bild-Zeitung, die jedem Politiker, der sich als all zu menschlich entpuppt und seine ganz persönlichen Schwächen offenbart, eine besonders große Schlagzeile widmet. Deshalb findet sich in dem Buch auch kein Kapitel mit der Überschrift “Journalistenbeschimpfung”. Nein, das habe er nicht vergessen, wehrt Nikolaus Blome eine entsprechende Frage ab. Denn die schreibende Zunft könne doch wirklich nichts dafür, dass das Volk so schlecht von seinen Politikern denke. “Die Journalisten sind nur Transmissionsriemen”, sagt der Buchautor und hebt unschuldig die Hände: “Wir haben die Vorurteile nicht erfunden”.

Ebenfalls zum Thema:

Mit Dank an Henning S.!

Fast

“Bild”-Kolumnist Mainhardt Graf Nayhauß in einem “taz”-Interview:

“In meinen Verträgen steht, dass ohne meine Zustimmung nichts geändert werden darf.”

“Bild”-Kolumnist Mainhardt Graf Nayhauß in der heutigen “Bild”:

"8. Die erstaunlichste Nachsicht ...
... zeigte Bundespräsident Lammert gegenüber Rauchern: Beim Jahresempfang für die Presse ließ er Aschenbecher aufstellen."

Mit Dank an Holger S. und Oliver S. für den Hinweis.

Nachtrag, 25.2.2008: Ob per Rauchzeichen, berittenem Boten oder Telegramm — irgendwie ist es der “Bild”-Redaktion übers Wochenende dann doch gelungen, Nayhauß’ Zustimmung einzuholen und den “Bundespräsident” in der “Korrekturspalte” und online zu korrigieren.

Fliehen, floh, geflogen

“The Great Escape” dauert satte 172 Minuten, “Papillon” immerhin 150 Minuten, “Cool Hand Luke” 126 Minuten, “Escape from Alcatraz” 112 Minuten, “Down by Law” 107 Minuten und “The Defiant Ones” gut anderthalb Stunden. Die “Bild”-Meldung über die spektakuläre Flucht des “Ausbrecherkönigs” Nordin Benallal aus einem belgischen Gefängnis hingegen war gestern gerade mal zehn Zeilen lang. Und zwei davon hatte “Bild” für den Einleitungssatz verschwendet:

“Diese Flucht hätte Hollywood kaum besser inszenieren können.”

Aber so richtig happy schien “Bild” mit der filmreifen Flucht dann doch nicht gewesen zu sein — jedenfalls nicht happy genug, um sie nicht selbst ein wenig zu… “inszenieren”:

Freunde [des “Ausbrecherkönigs”] kaperten einen Hubschrauber, zwangen den Piloten im Gefängnishof (…) zu landen. Dann entschwebten sie mit dem Verbrecher.

Hubschrubschrub… und weg also. Oder um es mit “Bild” zu sagen:

"Ausbrecherkönig flieht mit Hubschrauber"

Wir haben keine andere Zeitung gefunden, die das behauptet — was daran liegen könnte, dass es nicht stimmt. Der Hubschrauber nämlich stürzte ab, weil sich Mitgefangene an die Kufen geklammert hatten, woraufhin der “Ausbrecherkönig” einen Wärter als Geisel nahm, das Gefängnis zu Fuß durchs Gefängnistor verließ und mit einem Kleintransporter davonfuhr.

Auch das hätte vermutlich in eine 10-Zeilen-Meldung gepasst. Doch offenbar passt “Bild” lieber die Wirklichkeit der Meldung an als umgekehrt.

PS: Weil der Flüchtling inzwischen wieder eingefangen wurde, hatte “Bild” heute noch eine zweite Chance, die gestrige Meldung zumindest nebenbei richtigzustellen. Aber warum den “Bild”-Leser unnötig verwirren.

Mit Dank an Christian H. für den Hinweis.

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