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“Bild” hält zu Söder

Vergangenen Sonntag zitierte die “Bild am Sonntag” diverse CDU- und CSU-Politiker, die sich gegen eine Begnadigung des ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar durch den Bundespräsidenten ausgesprochen hatten. Darunter auch den CSU-Generalsekretär Markus Söder, der im “Spiegel” eine “Begnadigung Klars als ‘schwere Hypothek’ für Köhlers Wiederwahl” bezeichnet hatte.

Am Montag zitierte auch “Bild” Söder mit dieser Äußerung, ebenso wie andere CDU- und CSU-Politiker, die sich kritisch zu einer Begnadigung Klars geäußert hatten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), die wegen dieser Kritik “Respekt” vor dem Bundespräsidenten gefordert hatten, zitierte “Bild” nicht (wir berichteten).

Am Dienstag meldeten quasi alle Agenturen, dass Markus Söder wegen der in “Bild” zitierten Äußerung von Politikern verschiedenster Parteien kritisiert werde. Manche forderten sogar Söders Rücktritt und selbst Kollegen aus der CSU griffen ihn an. Entsprechend berichteten diverse Medien am Dienstag im Internet darüber und/oder am Mittwoch in ihren Druckausgaben. Ein paar Beispiele:

“Focus Online”:

Söder wird auch in der CSU kritisiert

“Spiegel Online”:

CSU nimmt Söder unter Beschuss

“Die Welt”:

Partei-Kollegen greifen CSU-General Söder an

“Frankfurter Allgemeine Zeitung”:

CSU-General Söder in der Kritik (…) auch in der eigenen Partei wurde am Dienstag Missfallen laut.

“Frankfurter Rundschau”:

Söder soll sich bei Köhler entschuldigen (…) auch Politiker der Union haben sich von der Kritik des CSU-Generalsekretärs Söder an Bundespräsident Köhler distanziert.

“Süddeutsche Zeitung”:

Söder bringt selbst Parteifreunde gegen sich auf

“Hamburger Abendblatt”:

CSU-General Söder unter Dauerbeschuss (…) Politiker aller Parteien greifen den Mann aus Bayern an.

“tageszeitung”:

Söder muss auf Gnade der CSU hoffen

“Tagesspiegel”:

Keine Gnade für Söder

Und so weiter…

Kurz gesagt: Kaum eine Zeitung, kaum ein Online-Medium, egal welcher politischen Ausrichtung, kam an dem Thema vorbei. Selbst Boulevardzeitungen wie der “Berliner Kurier” oder gar die, wie “Bild” bei Springer erscheinende, “B.Z.” berichteten darüber.

Doch mindestens eine Zeitung, die vorher über die Äußerung Söders berichtet hatte, berichtete danach nicht über die Folgen:

“Bild”.

Weder am Dienstag, noch am Mittwoch, noch heute findet sich auch nur ein Wort dazu im Blatt*.

Mit Dank an Erik F. für den sachdienlichen Hinweis.

*) Am Mittwoch, als fast alle Zeitungen größer über die Kritik an Söder berichteten, schrieb “Bild” auf ihrer Seite 2 (der wichtigsten Politik-Seite) lieber über den Trauzeugen von “Bild”-Chef Kai Diekmann, der für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen ist. Zwei ehemalige polnische Außenminister und ein ehemaliger polnischer Ministerpräsident finden nämlich, dass Helmut Kohl ihn verdient hätte.

neu  

“Bild” sucht Killer für Köhler

"Köhler fuhr zu RAF-Mörder Klar -- Herr Bundespräsident, diese Herren würden sich auch über Ihren Besuch freuen"Schon möglich, dass Sven Böttcher, Hans-Jürgen Rösner und Dieter Zurwehme sich über den Besuch des Bundespräsidenten freuen würden, wie “Bild” heute behauptet. Ebenso wahrscheinlich ist es jedoch, dass es den drei wegen mehrfachen Mordes Verurteilten völlig egal sein dürfte, ob Horst Köhler bei ihnen vorbeischaut.

Aber der Reihe nach.

“Bild” echauffiert sich heute großflächig auf der Seite 2 (siehe Ausriss) darüber, dass Horst Köhler sich mit dem Ex-RAF-Terroristen Christian Klar getroffen hat, um sich persönlich ein Bild von ihm zu machen, bevor er über dessen Begnadigung entscheidet. “Bild” schreibt:

Dass sich unser Staatsoberhaupt mit einem neunfachen Mörder getroffen hat, dass er ihn besuchte ist für viele Bürger und Politiker eine unerträgliche Vorstellung!

“Bild” zitiert den bayrischen CSU-Wirtschaftsminister Erwin Huber (“Eine Privilegierung der RAF-Mörder dient nicht dem Rechtsfrieden in Deutschland.”), Bayerns CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber (“Es könnte von manchen wie ein später Sieg der Terroristen gedeutet werden, wenn der Staat so tut, als wären RAF-Mörder die besseren Mörder!”) und CSU-Generalsekretär Markus Söder, der “intern deutlich” gemacht habe, dass eine Begnadigung Klars für Köhler “eine schwere Hypothek” für eine Wiederwahl als Bundespräsident wäre. Außerdem zitiert “Bild” Joachim Zeller (CDU), der Köhler “in diesem Punkt” nicht verstehe — und übrigens angeblich “Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte” sei, in Wahrheit aber seit 2006 bloß noch stellvertretender Bezirksbürgermeister ist.

“Bild” zitiert nicht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und nicht Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), die beide gestern als Reaktion auf die Kritik an Köhler mehr Zurückhaltung in der Debatte und “Respekt” vor dem Amt, der Person und dem Urteilsvermögen des Bundespräsidenten gefordert hatten.

Aber zurück zu den mehrfachen Mördern, zu deren Besuch “Bild” den Bundespräsidenten quasi auffordert. “Bild” schreibt:

IM KLARTEXT: Muss sich der Bundespräsident auch auf den Weg zu anderen verurteilten Mördern machen, wenn sie um ein Gespräch bitten? Könnten sich Killer wie der Gladbecker Geiselgangster Hans-Jürgen Rösner, der 1988 mit seinem Komplizen Degowski einen Bus kaperte (2 Tote), dann wohl auch über einen präsidialen Besuchsdienst freuen?

“Bild” lässt diese Fragen offen. Aber wir können sie beantworten. Und zwar mit einem schlichten “nein”. Denn weder Rösner noch Böttcher oder Zurwehme hätten besonders viel mit dem Bundespräsidenten zu besprechen. Jedenfalls nicht, was eine mögliche Begnadigung angeht. In Paragraph 452 der Strafprozessordnung steht:

In Sachen, in denen im ersten Rechtszug in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes entschieden worden ist, steht das Begnadigungsrecht dem Bund zu. In allen anderen Sachen steht es den Ländern zu.

IM KLARTEXT: Der Bundespräsident wäre für Begnadigungen von Böttcher, Rösner und Zurwehme gar nicht zuständig. (was übrigens in einem lehrreichen Text von Heribert Prantl in der “Süddeutschen Zeitung” von heute recht deutlich wird). Sie alle wurden von Landgerichten verurteilt und damit nicht “in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes”. Um es mit Prantl zu sagen: “Als ‘Gnadenherr’, wie es so schön heißt, betätigt sich der Bundespräsident nur für Agenten und Terroristen (…).”

Insofern hätte “Bild” ihre Seite 2 heute ebensogut mit einem schönen Foto bestücken können.

Mit Dank an Thomas M., Christian A., Moritz A., Moritz E. und Hariolf B. für die sachdienlichen Hinweise.

P.S.: Der Bundespräsident hat mittlerweile entschieden, dass er Christian Klar nicht begnadigt (wir berichteten). “Der große BILD-TED” zur Frage, ob Köhler Klar begnadigen soll, hat sich damit erledigt. Bitte rufen Sie nicht mehr an!

Jetzt XVI

Es gibt Signalwörter, die einen sofort an der Richtigkeit eines “Bild”-Artikels zweifeln lassen sollten. “Jetzt” und “neu” gehören dazu, “enthüllt” und “Paul C. Martin”.

Bei diesem “Bild”-Artikel vom vergangenen Samstag kommen alle vier zusammen:

Historikerin enthüllt in einer neuen Biografie: ANNE FRANK VON EINER FRAU VERRATEN

Was “enthüllt” das “neue”, “jetzt” veröffentlichte Buch über Anne Frank laut “Bild”-Autor “Paul C. Martin”? Dass Anne Frank von der Frau eines Lagerarbeiters verraten wurde. Die soll anderen gegenüber gesagt haben: “Ich habe Angst um mich und meinen Mann, falls alles auffliegt.”

Das Buch “Das Mädchen Anne Frank” von Melissa Müller ist allerdings nicht wirklich neu. Es kommt nur bald in einer erweiterten, überarbeiteten Neuauflage heraus. Die erste Auflage war 1998 erschienen. Damals schrieb zum Beispiel “Die Welt” über das Buch:

Müller äußert nun den Verdacht, [der Leiter des Warenlagers] van Maaren habe seine Beobachtung, daß im Hinterhaus Juden versteckt seien, seinem Lagergehilfen Lammert Hartog weitererzählt, der wiederum seine Frau Lena einweihte. Diese habe dann wahrscheinlich aus Angst um ihren Mann, der den Aufruf zum Arbeitseinsatz ignoriert hatte und als Schwarzarbeiter tätig war, das Versteck verraten.

Jene Lena ist genau die Frau, die auch Paul C. Martin meint. Ihren Verdacht, dass sie die Verräterin war, deutete Müller schon in der Erstausgabe der Biographie 1998 an. Außer der “Welt” berichteten damals u.a. “F.A.Z.”, “Hamburger Morgenpost” und “Berliner Zeitung” darüber. Seitdem ist die Enthüllung an vielen, oft naheliegenden Orten nachzulesen.

Und nun, neun Jahre später, noch einmal in “Bild”. Allerdings erstmals wieder neu.

Vielen Dank an Tina M. für den Hinweis!

Schon wieder ein Jahr um!

Zum 1. Januar: Abgeordnete kriegen mehr Geld!

Sagen wir mal so: Falsch an dieser “Bild”-Schlagzeile von heute ist nur das Ausrufezeichen.

Denn die Abgeordneten des Deutschen Bundestages kriegen jedes Jahr zum 1. Januar mehr Geld, weil sich dann ihre steuerfreie Kostenpauschale erhöht. Und zwar um den Prozentsatz, um den die Lebenshaltungskosten zwei Jahre zuvor gestiegen sind. Das steht so im Abgeordnetengesetz. Weil die Lebenshaltungskosten 2005 um zwei Prozent stiegen und die Pauschale aktuell 3.647 Euro beträgt, bekommen die Abgeordneten 2007 also rund 70 Euro im Monat mehr.

Wer wollte, konnte sich das schon am 17. Januar 2006 ausrechnen, als das Statistische Bundesamt die Teuerungsrate veröffentlichte.

Wer will, kann daraus aber noch am 11. Dezember einen Aufreger machen und aus einer automatischen Erhöhung einen aktiven Akt ungenierter Selbstbedienung:

Von Dirk Hoeren. Berlin – Bundestagsabgeordnete und Parteien bereiten den nächsten Griff in die Staatskasse vor:

Und wer ist wieder ganz vorne dabei, beim Selbstbedienen? Klar: der Lammert.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) plant nach BILD-Informationen eine Steigerung um rd. 70 Euro/Monat ab Januar.

Aber schön, dass sich das, was Lammert “nach BILD-Informationen plant”, mit dem deckt, was nach BILDblog-Informationen Gesetz ist.

Vielen Dank an Jason M. für den sachdienlichen Hinweis!

Gespenstisch

Als der Presserat kürzlich seinen 50. Geburtstag feierte, sagte der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, einen Satz, der ihm “großen Beifall” einbrachte. Er kritisierte, dass die Freiwillige Selbstkontrolle der Presse nicht für den Online-Bereich gelte und fügte hinzu:

“Es ist gespenstisch, wie das Internet ausgeklammert wird.”

Recht hat er. Die mangelnde Selbstkontrolle zwingt zum Beispiel Bild.T-Online, eine Tochter der Axel Springer AG, deren Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner ist, geradezu, Werbung verbotenerweise als redaktionellen Inhalt zu verkaufen.

Ab Montag bei Edeka: Mini-Kreuzfahrten zum Schnäppchenpreis

Das da oben ist der aktuelle redaktionelle Aufmacher im Reiseressort von Bild.de. Anscheinend kann man in fünf Bundesländern bald bei einer Supermarktkette Kurz-Kreuzfahrten buchen. Bestimmt wird die Firma in Anzeigen und in ihren Geschäften noch darauf hinweisen — aber man weiß doch, wie viele Leute zum Beispiel Werbeprospekte einfach ungelesen wegwerfen. Wäre doch schade, wenn all die nicht erführen, wo man von wann an für wieviel Geld Kreuzfahrten von wo nach wo kaufen kann. Und wieviele Tickets für wie lange im Angebot sind. Und wie die Abwicklung genau funktioniert und unter welcher Telefonnummer man buchen kann. Und wieviele Leute auf den Kreuzfahrtschiffen Platz haben und wann die gebaut wurden. Und wie groß die Kabinen sind und ob für Außenkabinen ein Zuschlag fällig wird. Und wieviele Kinos es gibt, und in welcher Sprache die Filme gezeigt werden, und ob man auch Roulette spielen kann. Und ob auch Schnitzeljagden für jüngere Kinder veranstaltet werden und Computer für die älteren Kinder vorhanden sind.

Und wer könnte seine Leser besser über all das informieren als die “Journalisten” von Bild.de.

Was gibt’s eigentlich nächste Woche bei Aldi für Schnäppchen, Herr Döpfner?

Danke an Niklas S. für den Hinweis!

Kurz korrigiert (130)

Es stimmt zwar, dass der Bundestagspräsident und der stellvertretende Regierungssprecher eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen – jedenfalls aus großer Entfernung.

Das entschuldigt aber nicht, dass Bild.de die beiden verwechselt. Vor allem deswegen nicht, weil ein Blick in die gedruckte “Bild” deutlich macht, dass der von Bild.de als Thomas Steg bezeichnete Brillenträger mit Halbglatze nicht Thomas Steg ist. Und selbst, wer nur ab und zu in die “Bild”-Zeitung schaut, sollte eigentlich erkennen, dass es sich bei dem Mann “vorne rechts” um Norbert Lammert handelt.

Mit Dank an Frank B. für den sachdienlichen Hinweis.

Befreiung vom Pranger

“Stern”-Kolumnist Hans-Ulrich Jörges kommentiert die Kampagne von “Bild” gegen Norbert Lammert:

Seit Jahresbeginn hat das Blatt eine immer schrillere, drückendere, mitunter verächtlich tönende Kampagne gegen “Luxus-Pensionen” und “Schrumpf-Renten”, “Politiker- Lügen” und “Renten-Lügner” entfaltet — bis sich die Stimme überschlug, bis alle Instrumente gezeigt waren, bis Strafanzeige gegen die “Renten-Lügner” erstattet und Lammert ins Fadenkreuz gerückt worden war. Aber weder schlugen andere Medien solche Töne an, noch ließ sich die Politik nachhaltig erschrecken.

(…) Nun zeichnet sich ab: Das Blatt, das in rot-grüner Ära mit einer einzigen lässigen Schlagzeile (“Zwangsrente”) die Riester-Rente als Pflicht zu kippen vermochte, kann in Zeiten der Großen Koalition selbst unter Aufbietung aller Kräfte nicht mehr unmittelbar in die Politik eingreifen. Weil ihm der mächtige Partner in der Opposition fehlt, weil sich die öffentliche Debatte beruhigt hat, weil die Politik ihre Würde verteidigt und ihre Autonomie zurückerobert. Die “Bild”-Kampagne war eine Kampagne in eigener Sache, zur Behauptung publizistischer Macht. Ihr Scheitern, die Umkehrung früherer Verhältnisse fasst ein prominenter Konservativer trotzig in die Worte: “70 Millionen Deutsche lesen die ‘Bild’-Zeitung nicht.”

(Nur kostenpflichtig online.)

1,3 Prozent mehr Milch für Mädchen

Am Dienstag vergangener Woche kündigte Bundestagspräsident Norbert Lammert an, den Fraktionen vorzuschlagen, dass die Diäten der Bundestagsabgeordneten in den nächsten Jahren um den gleichen Prozentsatz steigen sollen wie die Einkommen der übrigen Erwerbstätigen.

Gestern machte er diese Ankündigung wahr. Weil die Einkommen in Deutschland im vergangenen Jahr im Schnitt um 1,3 Prozent gestiegen sind, sollen auch die Abgeordneten 1,3 Prozent mehr bekommen.

Und Bild.de schafft es, einen Artikel über diese Umsetzung einer Ankündigung mit den Worten einzuleiten:

Schlechtes Gewissen oder Rückbesinnung zur Bescheidenheit?

Eine Frage, die schlicht keinen Sinn ergibt. Sie suggeriert, dass sich die Abgeordneten in den vergangenen Jahren sehr viel mehr “gegönnt” haben. Tatsächlich haben die Abgeordneten in den vergangenen beiden Jahren auf eine Diätenerhöhung verzichtet (“Nullrunde”).

Mit anderen Worten: Die “Bild”-Zeitung ist immer noch nicht bereit, den von ihr seit Jahren geführten und seit einigen Wochen intensivierten Kampf für eine grundsätzliche Neuregelung von Politiker-Diäten und -Alterversorgung mit fairen Mitteln zu führen.

Bild.de schreibt:

Allerdings sind 1,3 Prozent von 7000 Euro immer noch deutlich mehr Geld als 1,3 Prozent eines durchschnittlichen Angestellten-Einkommens von 1800 Euro.

Der Satz beschreibt nicht nur bedeutungsschwanger, was doch nur grundlegendes Prinzip der Prozentrechnung ist. Er ist auch falsch. Denn das durchschnittliche Angestellten-Einkommen betrug im vergangenen Jahr nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 3452 Euro.

Woher Bild.de die Zahl 1800 Euro hat, wissen wir nicht. Von der Größenordnung her könnte es sich allenfalls um das Nettoeinkommen handeln. Aber ist es denkbar, dass “Bild” einfach das Brutto-Einkommen eines Abgeordneten mit dem Netto-Einkommen eines Angestellten vergleicht, um besonders krasse Unterschiede zu produzieren?

Aber ja.

Danke auch an Holger R.

“Bild” missversteht Ältestenrat

Was macht eine Zeitung wie “Bild” mit unliebsamen Tatsachen? Ignorieren? Muss nicht. Ins Gegenteil verdrehen geht auch.

Der Ältestenrat des Bundestags hat gestern einstimmig (ohne den Namen der Zeitung zu nennen) die “Bild”-Kampagne gegen Bundestagspräsident Norbert Lammert gerügt. Die Überschrift der Erklärung lautet: “Ältestenrat weist Angriffe auf den Bundestagspräsidenten zurück.” Diese Angriffe seien “im Ton verletzend und sachlich unbegründet”. Und weiter:

Das Verfahren [mit dem die Diäten festgesetzt werden] ist grundsätzlich öffentlich, nachvollziehbar und für jedermann transparent. Die öffentliche Auseinandersetzung und Begleitung der Debatte über verschiedene Lösungsmöglichkeiten ist ausdrücklich erwünscht.

Respekt vor demokratischen Entscheidungen — und dieser schließt die Achtung demokratischer Verfahrenswege und Zuständigkeiten ein — ist unerlässlich für das Funktionieren und die Akzeptanz einer Demokratie. Diese leidet, wenn Parlamentariern unter Aufbietung fragwürdiger publizistischer Methoden Festlegungen aufgenötigt werden sollen, bevor ihnen überhaupt die notwendige Entscheidungsgrundlage vorliegt. Der “publizistische Pranger” ist kein Instrument demokratischer Meinungsbildung und Entscheidungsfindung.

Der Ältestenrat bittet daher um Mäßigung im Ton, Sachlichkeit in der Auseinandersetzung und konstruktive Begleitung des demokratischen Entscheidungsfindungsprozesses.

(Hervorhebungen von uns.)

Und so “berichten” die “Bild”-Redakteure Stefan Ernst und Dirk Hoeren heute über diese einstimmige Kritik an der “Bild”-Berichterstattung:

Der Bundestags-Ältestenrat begrüßte die öffentliche Diäten-Diskussion. Eine Begleitung der Debatte sei “ausdrücklich erwünscht”, hieß es gestern in einer einstimmig gefaßten Erklärung. Zugleich wies der Ältestenrat eine angebliche Presse-Kampagne zurück: “Der ‘publizistische Pranger’ ist kein Instrument demokratischer Meinungsbildung und Entscheidungsfindung.”

Stefan Ernst und Dirk Hoeren. Inoffizielle Mitarbeiter im Ministerium für Wahrheit.

Danke für die sachdienlichen Hinweise!

Nachtrag, 18.00 Uhr. Nobert Lammert begann die heutige Plenarsitzung damit, dass er die Kernsätze des Ältestenrates zitierte, und fügte hinzu:

Da die betroffene Zeitung heute aus dieser Stellungnahme des Ältestenrates die Mitteilung macht, der Ältestenrat begrüße die öffentliche Debatte, dachte ich, es wäre sowohl zur Information der Öffentlichkeit wie zur Urteilsbildung des Hauses angemessen, auf den vollständigen Zusammenhang hinzuweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

“Bild”-Leser in Wirbel geraten

Gestern veröffentlichte “Bild” folgenden Leserbrief:

Zu: Wirbel um den Bundestagspräsidenten. Leider war Parlamentspräsident Norbert Lammert sich anscheinend immer zu fein, Stellung zu seinen Nebeneinkünften zu nehmen. Ich bitte euch: fragt weiter täglich nach!

Natürlich könnte man Manfred König erklären, dass er etwas missverstanden hat. Dass Informationen über Lammerts Nebentätigkeiten seit Jahren für jeden nachzulesen waren. Dass Lammerts Nebeneinkünfte nichts mit der täglichen “Bild”-Nachfrage nach Plänen für die Diäten- und Pensions-Reform zu tun haben. Und noch vieles mehr.

Aber andererseits wissen wir ja, wie es kommen konnte, dass Manfred König all das missverstanden hat.

Es ist also nicht nur so, dass die “Bild”-Zeitung ihre Leser in die Irre zu führen versucht. Sie demonstriert auch noch gerne, wenn es ihr gelungen ist.

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