(Screenshot: BILDblog, Rahmen: Theen Moy, draufklicken für eine größere Version)
“‘Bild’ ist ein Gesamtkunstwerk”, sagte der Medienwissenschaftler Norbert Bolz vor Jahren. Doch während “Bild”-Texte und -Überschriften schon einige literarkritische Behandlung erfahren haben, steckt die kunstwissenschaftliche Würdigung der “Bild”-Bilder noch in den Kinderschuhen. Die Kolumne “Bildbetrachtung” soll hier nachbessern.
Warum gibt es Kunst? Warum verbringen erwachsene Menschen ihre Zeit damit, besinnungslos auf Steine einzudreschen, giftige Farbdämpfe einzuatmen und durch schwersten Alkoholdunst hindurch Franz-Josef-Wagner-Kolumnen zu verfassen? Schon seit frühester Frühe geht es in der Kunst immer auch um Unsterblichkeit. Künstler ruinieren ihre Gesundheit, verkürzen ihr Leben, um ihren Ruhm über den Tod hinaus zu verlängern. Ihre reichen Auftraggeber hingegen hoffen, die eigene Lebenserwartung als Skulptur, Porträtgestalt oder Von-Hagens-Plastinat wenigstens symbolisch auszudehnen. Nur selten gelingt es dem Kunstwerk jedoch, den Tod selbst zu überwinden, direkt einen Blick in ein besseres Jenseits zu ermöglichen.
Leo Fischer hat mit seinen 35 Jahren bereits alles erreicht: Als Chefredakteur der “Titanic” wurde er vom Papst verklagt, ein CSUler wollte ihm “die Lizenz zum Schreiben” entziehen, als Politiker holt er regelmäßig unter 0,1 Prozent der Stimmen. Aktuell schreibt Fischer für die “Titanic”, die “Jungle World”, “Neues Deutschland” und die “taz”. Fürs BILDblog untersucht er die Bildsprache der “Bild”-Zeitung.
(Foto: Tom Hintner)
Mit der Komposition “Freund von Topmodel Miriam Höller — Red-Bull-Pilot stirbt bei Heli-Absturz” sind wir diesem alten Menschheitstraum ein Stücklein nähergekommen. Über dem exklusiv für Bild.de und seinen nimmermüden Leichenbeschauer J. Reichelt zerschellten Hubschrauber (“Hubi”), der im Grau von Himmel und Gebirg fast doppelt begraben (“Grabi”) erscheint, erhebt sich, wiedergänger- oder doch wenigstens zombiehaft, der verblichene Hannes Arch (“Archi”) in alter Pracht.
Von jenseitigem Glanz umspielt, in frischeste Farben getaucht (Autokontrast), triumphiert der Tote über das ewiggraue Einerlei von Natur, Aerodynamik und “Bild”-Berichterstattung. Jesushaft dem Grabe entsprungen, rettet er sogar sein ihm angetrautes Top-Model Miriam “Miri” Höller aus den Klauen der Unterwelt — obwohl sie gar nicht offiziell als verstorben galt. So wird das Paar von “Bild” gleichsam doppelt umgebracht, nur um kurz darauf in größerer Pracht ins Leben zurückzukehren.
Beide freuen sich sichtlich, dem Tode noch einmal entronnen zu sein — verweist ja der Inferno-Glanz um Arch, der Name seiner Freundin “Höller” und nicht zuletzt die Bezeichnung des Unglücksapparats (“Heli”, Anspielung auf nord. Totengöttin “Hel”, engl. “hell”) darauf, woher die beiden Untoten genau kommen: nämlich direkt aus der Hölle, der Hölle von Photoshop Elements. Der heiße Atem des Satans scheint Arch noch hinterherzuwehen, sein Haupthaar wird vom höllischen Aufwind mächtig gebläht.
Tod und Leben durchdringen sich, nehmen einen Drink an der “Bild”-Bar, tauschen Visitenkarten aus. Wir als Betrachter sind sozusagen miterlöst, denn wir wissen: Tot ist man erst, wenn “Bild” einen vergessen hat. Und das kann dauern.
1. Showdown im Hofbräukeller (uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Es ist schon ein seltsames Schauspiel, das die VG Wort (“Gema der Autoren”) da bietet: Jahrelang hat man den Urhebern Millionen von Euros vorenthalten und das Geld stattdessen an die Verlage ausgeschüttet. Nachdem diese Praxis vom BGH als rechtswidrig eingeordnet wurde, korrigiert man den Fehler nicht, sondern sucht geradezu verzweifelt nach einem Weg, diese Praxis beizubehalten. Für Samstag hat die VG Wort eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen. Stefan Niggemeier bringt Licht in die Sache und erklärt die unterschiedlichen Interessenlagen.
2. Keine Gedeck-Interviews! (djv.de, Hendrik Zörner)
Der Deutsche Journalisten-Verband warnt vor Interviews mit der Schauspielerin Martina Gedeck. Diese bestehe auf inakzeptablen Interviewvereinbarungen. Der DJV-Bundesvorsitzender kritisiert insbesondere folgende Klausel: „Sofern Zitate auf dem Titel der Zeitung, in der Überschrift, in Unterüberschriften, Zwischenüberschriften oder Bildunterschriften bzw. in Falle der Hervorhebung durch Fettdruck im Fließtext verwendet werden, sind diese auch konkret mit Künstler abzustimmen.“ Welche Über- und Unterschriften der Journalist wähle, gehe die Interviewpartnerin jedoch nichts an, so der DJV-Bundesvorsitzender. Ebenso sei es nicht hinnehmbar, dass die Schauspielerin bei der Bildauswahl gefragt werden müsse.
3. Paralympics in Rio 2016 – Medienberichte (leidmedien.de)
Anlässlich der Paralympics in Rio hat sich “Leidmedien” angeschaut, wie Journalistinnen und Journalisten über das Event berichten und in einer Übersicht besonders gelungene oder diskussionswürdige Artikel zusammengestellt. Außerdem gibt es praktische Tipps für die Berichterstattung über die Paralympics.
4. Jeder dritte Online-Leser kommt über Social Media oder Push (persoenlich.com)
In der Schweiz wird das Mediennutzungsverhalten regelmäßig über den “Media Use Index” (MUI) abgefragt. Das Online-Portal der Schweizer Kommunikationswirtschaft “persoenlich.com” stellt die wichtigsten Erkenntnisse daraus vor. Danach habe die Internetnutzung per Tablet den Gebrauch von Tageszeitungen eingeholt, das Smartphone werde zum Messenger und Shopping-Tool, Snapchat und Instagram würden Facebook überholen, die News-Medien ihre Titelseiten verlieren und Streaming das klassische Fernsehen überholen.
5. Der alte und der neue Präsident (rnd-news.de, Ulrike Simon)
Bevor sich Medienkolumnistin Ulrike Simon in den verdienten Urlaub verabschiedet, nimmt sie uns nochmal dorthin mit, wo sich die Medienfürsten, Zeitungstycoone und Honoratioren treffen. Im konkreten Fall war dies die Verabschiedung des Präsidents des Bundesverbands deutscher Zeitungsverleger (BDZV) Helmut Heinen und der erste Auftritt seines Nachfolgers Mathias Döpfner beim BDZV.
6. Xing – hartnäckig wie Herpes (spiegel.de, Tom König)
Tom König hat seinen Xing-Account längst gekündigt, alle Newsletter deaktiviert und auch ansonsten alle Verbindungen zu dem Business-Netzwerk gekappt. Dennoch spammt ihn die “Online-Plattform für das Social-Networking neuer und bestehender Business-Kontakte” mit unerwünschten Nachrichten und Werbemails zu. “Vermutlich gibt es nur eine Möglichkeit, den Mails von Xing zu entrinnen. Man muss seinen Computer anzünden, seinen Wohnsitz abmelden und Mönch in einem Himalaja-Kloster werden. Aber wer weiß? Vermutlich würde selbst dort nach einigen Jahren ein lächelnder tibetischer Postbote auftauchen mit einem Telegramm aus der Heimat. Und darin stünde dann, in dicken schwarzen Lettern: “Peter N. wartet noch immer auf Ihre Antwort.””
Im fernen Paralleluniversum der Regenbogenpresse gibt es eine billige Methode, die die Redaktionen gerne anwenden und die für geschätzte 50 Prozent ihrer Fantasieberichte die Grundlage bildet — der Richtige-Moment-Trick. Geht ganz einfach und ist irre effektiv: Man setzt einen Paparazzo bei einer öffentlichen Veranstaltung auf einen Prominenten an und lässt ihn solange die Linse auf den Schauspieler/Prinzen/Sportler/Wasauchimmer halten, bis diese Person mal so guckt, wie man sie in einem Artikel darstellen will: dusselig oder grimmig oder betrunken oder wieauchimmer. Und schon hat man eine neue Titelgeschichte.
Boris Becker guckt auf der Tribüne eines Tennisturniers seine Ehefrau Lilly ernst an? Ehekrise! Norwegens Kronprinzessin Mette-Marit hat bei einem Empfang ein Glas Sekt in der Hand, und ihre Augenlider hängen auf Halbmast, weil sie gerade blinzelt? Alkoholabsturz! Nach diesem Schema lassen sich zig Storys in die Richtung biegen, die einem gerade am besten passt.
“Bild” und Bild.de erzählen dieser Tage auffallend gern die Geschichten der respektlosen Angeklagten, die vor Gericht lächeln, lachen, grinsen, obwohl ihnen schlimme Dinge vorgeworfen werden.
Zum Beispiel Bill Cosby. Gegen den früheren Entertainer gibt es mehrere Missbrauchsvorwürfe. Vorgestern wurde festgelegt, dass der Prozess zu einem dieser Vorwürfe im Juni 2017 starten soll. Zur Anhörung am Dienstag erschien Bill Cosby persönlich. Er stieg aus dem Auto, lachte, wurde dabei fotografiert. Schon hatte Bild.de gestern eine Schlagzeile:
Zum Beispiel Sven Lau. Der Salafistenprediger steht in Düsseldorf vor Gericht. Ihm wird die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Zum Prozessauftakt am Dienstag machten Fotografen reichlich Fotos, auf einigen grinst Lau beim Betreten des Gerichtssaals — für Bild.de das Ereignis, das in die Überschrift musste:
Zum Beispiel Otto L. Der heute 43-Jährige ist vergangenes Jahr mit der damals 15-jährigen “Tochter seiner Ex” durchgebrannt. In einem ersten Urteil wurde er wegen Entziehung Minderjähriger verurteilt. Dagegen ging er vor und wurde am Montag freigesprochen. Über das Urteil schien er sich zu freuen. Jedenfalls titelte die Saaraland-Redaktion der “Bild”-Zeitung:
Zum Beispiel Norbert K. Er hatte mit einem Komplizen ein 17-jähriges Mädchen entführt und erfolglos 1,2 Millionen Euro Lösegeld gefordert. Das Mädchen wurde erdrosselt und erstickt. Norbert K. wurde am Montag wegen Mordes durch Unterlassung und erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Haupttäter bekam lebenslang (die Urteile sind noch nicht rechtskräftig). Bei der Verhandlung am Montag unterhielt sich Norbert K. mit seinem Anwalt und lachte dabei auch. Bild.de:
Der Artikel steigt so ein:
Das Lachen der hübschen Anneli († 17) wird nie wieder real sein. Es wurde ausgelöscht, von ihren Entführern. Ausgerechnet einer dieser Männer wagt es, im Mordprozess ausgelassen zu lachen!
Genau diese unsachliche Empörung über kleine Momentaufnahmen treibt all die “Bild”-Grinse-Geschichten aus den vergangenen vier Tagen: “Was fällt euch Typen eigentlich ein, auch noch zu lachen?” Es ist dabei egal — und auch gar nicht bekannt –, worüber die Personen lachen. “Bild” und Bild.de lassen die Situationen dennoch wie eine Verhöhnung der Opfer wirken.
1. Journalismus im Ausverkauf (dossier.at)
Die Redaktion von “Dossier” behauptet im Besitz von internen E-Mails zu sein, die belegen würden, dass die Tageszeitung “Österreich” regelmäßig Schleichwerbung verbreitet hat. Der Herausgeber der Zeitung, Wolfgang Fellner, hätte beispielsweise eine mehrwöchige Serie an redaktionellen Berichten über einen seiner größten Werbekunden veranlasst. Auch von Gefälligkeitsinterviews für Firmenchefs ist die Rede. Und den Unternehmen sei die Entscheidung überlassen worden, ob Sie „klassische Werbung“ oder doch lieber positive Berichterstattung kaufen wollten. Juristisch seien die aufgezeigten Fälle verjährt, doch Gegenwart und Zukunft sehen, was dies Thema anbelangt, laut “Dossier” düster aus: “Solange die Behörden das Gesetz so schlampig, wenn nicht gar fahrlässig vollziehen wie bisher, so lange wird das System Fellner funktionieren. So lange wird er in Österreich zu haben sein, der Journalismus im Ausverkauf, wie man auch anhand der Ausgabe vom 2. September 2016 vermuten kann.”
2. Chlorgasangriff auf Aleppo? (blog.tagesschau.de, Michael Wegener)
In Aleppo soll es einen Chlorgas-Angriff des syrischen Regimes mit rund 80 Opfern gegeben haben. Die Tagesschau hat entsprechendes Bild- und Videomaterial gesichtet, es jedoch nicht verwendet. Im Blog erklärt Michael Wegener, warum man sich so entschieden hat und welcher technischen Mittel man sich bediene, um die Authentizität von Videomaterial zu prüfen.
3. Laut MOPO: Schweres ‚Sichselbstverletzen‘ aufgrund von ‚Übersehen‘ (inside-ottensen.de)
Das Stadtteilblog “Inside Ottensen” macht am Beispiel eines Berichts der “Hamburger Morgenpost” über einen Unfall auf ein verbreitetes Problem aufmerksam: Radfahrern würde in vielen Unfallberichten durch die Verwendung bestimmter Formulierungen unterschwellig eher die Schuld zugewiesen als Autofahrern.
4. Roland Tichy startet Monatsmagazin zum Meinungsportal (horizont.net, Roland Pimpl)
Seit geraumer Zeit betreibt der ehemalige “Wirtschaftswoche”-Chef Roland Tichy die Internetseite “Tichys Einblick”, eine “liberal-konservative Meinungsseite” wie er sie nennt. Nun setzt der streitbare Publizist zum Sprung Richtung Print an. Im Oktober erscheint erstmals “Tichys Einblick” als Monatsmagazin mit einer Auflage von 70.000 Heften, zum Copypreis von 8 Euro für rund 100 Seiten. “Horizont”-Autor Roland Pimpl stellt die Frage, warum Leser Geld für ein paar Texte auf Papier bezahlen sollten, wo es doch auf Tichys Portal diese und noch viel mehr Beiträge gratis gebe. Der Herausgeber selbst spricht von einem “Fanartikel”, zum Sammeln oder zur Auslage im Ärzte-Wartezimmer. Pimpl dazu: “Betriebswirtschaftlich formuliert, will Tichy mit seinem Heft die hohe Zahlungsbereitschaft einer kleinen Zielgruppe für eine besondere Darreichungsform eigentlich kostenloser Inhalte abschöpfen.”
5. Media Startup Fellowship (vocer.org, Thilo Kasper)
Das VOCER Innovation Medialab und das Media Lab Bayern starten gemeinsam ein neues Förderprogramm. Gesucht werden “innovative Teams, die Ideen für neue Medienangebote und Geschäftsmodelle in der Multichannel Distribution umsetzen wollen”. Die Gewinner des Auswahlverfahrens will man mit dem Media Startup Fellowship vier Monate lang mit 10.000 Euro, Mentoring, Business-Coaching und Workshops unterstützen. (Es geht um “Lean-Startup-Methoden”, um das Entwickeln einer Roadmap, “Insights in die Branche gebende Medien-Mentoren”, ein “Prototyping-Budget” und ein “Comitment”. Nur, ob auch ein Denglisch-Kurs enthalten ist, ist leider nicht ersichtlich. Und nicht vergessen: “Wenn ihr Technologie macht, habt ihr Coder dabei, macht ihr Content, kennt ihr euch im Storytelling aus.”)
6. Ich habe den Bericht über den veganen Selbstversuch im aktuellen SPIEGEL gelesen, damit Ihr es nicht tun müsst. (graslutscher.de, Jan Hegenberg)
Der “Spiegel” hat in der aktuellen Ausgabe eine Reportage über vegane Lebensweise abgedruckt. Genauer gesagt war es ein Selbstversuch, bei dem Autorin Barbara Rupp sieben Tage auf Fleisch, Käse, Leder, Wolle, Milch und Honig verzichtet hat. Verbunden mit der Frage: “Und wenn wir alle Veganer wären? Wo kämen wir da hin?” Der Blogger und “Graslutscher” Jan Hegenberg hält das Ganze für eine “Aneinanderreihung absurd arrangierter Selbsterfahrungsberichte” und schlechter Recherche und kommt zu dem Schluss: “Jemand, der sich nach vier Tagen veganer Ernährung ernsthaft als besserer Mensch vorkommt, obwohl er laut eigener Aussage schon das Steak für die Zeit nach dem Versuch deponiert hat, der wirkt einfach vollkommen unglaubwürdig. Ihrer eigenen Projektion eines veganen Dummkopfes kann sie vermutlich einfach selbst wenig abgewinnen.”
Am vergangenen Sonntag stürzte ein Kletterer in den Südtiroler Alpen ab und starb noch vor Ort. Der Mann lebte zwar schon seit mehreren Jahren in Österreich, er war aber gebürtiger Kölner. Und so griff die Köln-Redaktion der “Bild”-Zeitung die Geschichte am Montag auf:
Es war nur eine kleine Meldung, 15 Zeilen lang, beschränkt auf die wichtigsten Fakten. Für “Bild”-Verhältnisse also ein ausgesprochen ordentlicher Umgang mit einer so traurigen Nachricht, und wir wunderten uns schon, warum das Blatt nicht — wie sonst — Fotos des Verstorbenen zeigt oder Angehörige und Bekannte belästigt hat, um an Zitate zu kommen, oder sonst irgendwie Privatsphären missachtet hat.
Was wir nicht wussten: Während wir noch rätselten, liefen in der “Bild”-Redaktion in Köln schon die üblichen Post-mortem-Recherchen. Und so konnten “Bild” und Bild.de (kostenpflichtig als “Bild-plus”-Artikel) gestern eine deutlich opulentere Aufmachung der Geschichte präsentieren:
(Unkenntlichmachung durch uns.)
Schon der erste Absatz gibt die Sensationsgier vor:
Er liebte die Berge, das Klettern, die Höhe. Doch sein Hobby wurde für ihn nun zur Todesfalle!
Und auch sonst haben die “Bild”-Mitarbeiter mal wieder unter Beweis gestellt, was sie alles Schreckliches so können. Da wäre zum Beispiel das Foto von Christian V., das “Bild” und Bild.de groß und unverpixelt zeigen. Es stammt von der Homepage der Praxis, in der der Mann gearbeitet hat. Die “Bild”-Medien haben einfach seine Arbeitskollegen weggeschnitten und das Foto veröffentlicht.
Oder der Anruf in der Praxis:
Einen Tag danach erreicht BILD eine Arbeitskollegin von Christian V. […]. Sie erzählt unter Tränen: “Wir sind alle so geschockt. Christian war ein begeisterter Kletterer, viel in den Bergen unterwegs. Das ist alles so schlimm.”
Witwenschütteln am Telefon. Was denkt man sich als “Bild”-Reporter wohl nach diesem Gespräch? “Geil, die weint! Das nehm’ ich.”?
Als er in den Südtiroler Alpen abstürzte, war Christian V. übrigens mit seiner Frau und einer Freundin unterwegs. “Bild” schreibt:
Christians Ehefrau, die den Absturz wohl direkt miterlebte, wird nun psychologisch betreut.
Wenn man das weiß und dennoch eine solche Geschichte druckt, hält man sein eigenes Verhalten womöglich auch noch für völlig normal. Nachtrag, 14:50 Uhr: Inzwischen haben wir die Praxis erreicht, in der Christian V. gearbeitet hat. Wir wollten wissen, ob dort jemand der “Bild”-Zeitung erlaubt hat, das Foto zu nutzen. Antwort: “Nein.” Es habe nicht mal eine Anfrage gegeben.
Nur zur Erinnerung: Die Identität eines Opfers sei “besonders zu schützen”, sagt der Pressekodex. Für das Verständnis eines Unglücks sei “das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich.” Zwar könne das Foto eines Opfers “veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben”. Aber das dürfte in diesem Fall eben nicht so gewesen sein.
Neben diesen presseethischen Grundsätzen dürfte “Bild” mit der Veröffentlichung des Fotos auch das Urheberrecht des Fotografen missachtet haben. Als Quelle nennt die Redaktion lediglich das notorische “PRIVAT”.
1. kontertext: Sautreiben. (infosperber.ch, Felix Schneider)
In der “kontertext”-Kolumne hat Felix Schneider die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern zum Anlass genommen, an die Symbiose zwischen Politik und Medien zu erinnern. Die AfD hätte mit drei Themen gepunktet: Migration, Islam, Merkel. Alle drei seien tendenziell auch Hauptthemen in den Medien. Manchmal wäre es jedoch besser zu schweigen, so Schneider: “Wir brauchen einen Journalistenpreis, der nicht geschriebene Artikel und nicht gesendete Beiträge auszeichnet. Belohnt werden müsste, wer sich an der Burka-Debatte nicht beteiligt, wer Merkel nicht anschwärzt, wer nicht von der Flüchtlingskrise spricht. Das wäre, angesichts des ökonomischen und politischen Drucks, der auf den Medien lastet, schon viel, denn im Journalismus hat sich eine Ethik des Mitmachens etabliert: Dabei sein ist alles!”
2. DIE WELT begeistert durch schlagfertige Posts im Netz (netzpiloten.de, Jennifer Eilitz)
Die Social-Media-Redaktion der “Welt” ist für ihren gewitzten und schlagfertigen Umgang mit Trollen und Hetzkommentaren bekannt. Im Interview erklärt Niddal Salah-Eldin (Head of Social Media) wie die “Welt” in Sachen Community-Management vorgeht: “Wir wollten Rassisten, Hetzern und Trollen nicht das Feld überlassen, sondern den Bereich zurückerobern. Wenn man Nutzer, die nur zündeln, provozieren und hetzen wollen, nicht Grenzen aufzeigt, vergiften sie das gesamte Klima. Das wollten wir nicht zulassen. Es ist nun mal so: Eine positive und vitale Community bekommt man nicht geschenkt, man kann sie auch nirgendwo kaufen – man muss sie sich verdienen. Jeder bekommt die Community, die er sich erarbeitet.”
3. Marilys Liste (taz.de, Kaija Kutter)
Wie sich jetzt herausstellt, wurde die “taz”-Fotografin Marily Stroux 28 Jahre lang vom Hamburger Verfassungsschutz observiert. Woher man das weiß? Nun, sie hat über einen Anwalt nachfragen lassen, ob es beim Hamburger Verfassungsschutz eine Akte über sie gibt. Drei Jahre hat die Behörde gebraucht, um ihre Anfrage zu bearbeiten. Nun ist die Antwort da. Laut Verfassungsschutz sei Marily Stroux eine „bedeutende Person innerhalb der linksextremistischen Szene“. Stroux findet das gleichzeitig zum Lachen und zum Fürchten: „Das macht was mit mir. Ich fühle mich verfolgt.“
4. “Zeit Magazin Mann” haut opulent auf den Putz. (turi2.de, Jens Twiehaus)
Jens Twiehaus hat sich den neuen Magazinableger der “Zeit” angeschaut. “Mann” heißt das Ganze und soll für 8,50 Euro je Exemplar mit einer Auflage von 60.000 Stück ans gleichnamige Zielobjekt gebracht werden. Der Luxus triefe auf allen Seiten, so Twiehaus: ““Mann” positioniert sich als Magazin, das bei seinen Lesern untenrum mit dem Sexappeal des Geldes für Bewegung sorgt.”
5. Türkische Behörden konfiszieren Deutsche Welle-Videomaterial (dw.com, Martin Muno )
Die “Deutsche Welle” hat den türkischen Minister für Jugend und Sport in dessen Ministeriumsräumen interviewt. Dabei stellte Interviewer Michel Friedman auch Fragen zum vereitelten Putschversuch im Juli, zu den danach erfolgten Massenentlassungen und Verhaftungen, zur prekären Lage der Presse in der Türkei sowie zur Stellung der Frau in der türkischen Gesellschaft. Unmittelbar nach der Aufzeichnung des TV-Interviews hat ein Mitarbeiter des Ministeriums das Material beschlagnahmt. DW-Intendant Peter Limbourg dazu: “Das stellt einen neuen eklatanten Verstoß gegen die Pressefreiheit in der Türkei dar. Was wir hier erleben, erfüllt den Tatbestand der Nötigung durch die türkische Führung. Das hat mit Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nichts mehr zu tun. Es darf nicht sein, dass ein Minister bereitwillig ein Interview gibt und dann auf derartige Weise dessen Ausstrahlung verhindern will, weil ihm die Fragen nicht gepasst haben. Wir fordern die türkische Seite zur unverzüglichen Herausgabe unseres Videomaterials auf. Zudem prüfen wir mögliche rechtliche Schritte.”
6. Fake-Foto bringt Stader AfD in Erklärungsnot (ndr.de)
Die AfD Stade hat die Wahlkampfbroschüre zum Thema “Innere Sicherheit” mit einem schockierenden Bild illustriert. Darauf ist ein schwarzgekleideter Mann zu sehen, der mit dem massiven Holzstiel einer Fahne auf einen zu Boden stürzenden Polizist eindrischt. Die Jacke des Schlägers trägt den Schriftzug “Antifaschistische Aktion”. Die AfD Stade hat das Bild mit “Rechtsstaat am Boden” beschriftet. Wie sich nun erweist, stammt das Bild nicht von einem Polizeieinsatz in Stade, es stammt noch nicht einmal aus Deutschland. Das Foto zeigt Ausschreitungen bei Protesten in Griechenland und das Logo der “Antifaschistischen Aktion” wurde nachträglich per Photoshop ins Bild montiert. Darauf angesprochen argumentiert die AfD Stade, bei dem Bild habe es sich lediglich um ein “Symbolfoto” gehandelt.
Im Internet gibt es momentan ein wenig Aufruhr wegen eines Fotos, das die AfD in einem Flyer zum Thema “Innere Sicherheit im Landkreis Stade” veröffentlicht hat. Es zeigt eine Person, die gerade dabei ist, mit einer Fahne auf einen auf den Boden fallenden Polizisten einzuprügeln. Was das Foto besonders pikant macht — und vermutlich auch der Grund sein dürfte, warum die AfD es ausgesucht hat: Auf dem Rücken des Prüglers prangt das Logo der “Antifaschistischen Aktion”. Zum Foto schreibt die AfD Stade: “Rechtsstaat am Boden” und wirbt so für ihre rechtspopulistischen Positionen in Sicherheitsfragen. Eine Quellenangabe für das Bild gibt es nicht.
Nun kann man relativ schnell erkennen, dass es sich dabei um eine schlecht ausgeführte Bildmanipulation handelt und das “Antifa”-Logo lediglich reinmontiert ist. Und mit etwas mehr Aufwand findet man auch heraus, dass die Originalaufnahme (natürlich ohne “Antifa”-Logo) nicht von heute und nicht aus der Region um Stade stammt, sondern aus dem Jahr 2009 und bei Demonstrationen in Griechenland entstand. Urheber ist der Fotograf Milos Bicanski. Die Facebookseite “Hooligans Gegen Satzbau” hat sich diese Recherchemühe gemacht.
Die durchaus berechtigten Reaktionen im Internet lauten nun in etwa: “Ha, die ‘Lügenpresse’-Schreier von der AfD nutzen ein manipuliertes Foto, um Stimmung zu machen.” Medien nahmen sich den Fall ebenfalls vor. Das “Stader Tageblatt” berichtete sehr früh:
Für die “taz” ist klar, wer hinter der Bildmanipulation steckt: Lars Seemann, stellvertretender Vorsitzender der AfD Stade:
Auf dem Rücken des Schwarzgekleideten prangt ein Antifa-Logo. Nur, dass das Antifa-Logo da gar nicht hingehört — Seemann hat es per Bildbearbeitung in das Bild geschummelt.
Und damit verstoße die AfD “gleich gegen drei Paragrafen des Urheberrechts”:
Sie verschwieg den Namen des Urhebers, vervielfältigte das Foto ohne das Einverständnis des Künstlers und veränderte es ohne dessen Zustimmung.
Den Namen des Urhebers verschwiegen — völlig korrekt.
Das Foto ohne dessen Zustimmung vervielfältigt — ebenfalls korrekt.
Das Bild verändert — leider falsch.
Denn die “Antifa”-Manipulation ist schon älter als der AfD-Flyer und bereits auf anderen rechten Seiten aufgetaucht (auf eine Verlinkung zu den Knallköpfen verzichten wir bewusst). In einer Stellungnahme auf ihrer Homepage schreibt die AfD Stade, dass es sich bei dem Foto auf dem Flyer um ein “seit Jahren im Weltnetz” befindliches Bild handele. Wir würden zwar eher “Internet” dazu sagen, aber im Grunde stimmt die Aussage. Der NDR schreibt:
Tatsächlich stammt die Bildmanipulation nicht von der AfD, sondern wurde schon zuvor von rechtsgerichteten Web-Auftritten verbreitet.
Das ändert natürlich nichts daran, dass die AfD hier gegen Urheberrecht verstößt. Und es ändert auch nichts daran, dass sie auf dubiose Weise ein gefälschtes Foto für ihre populistischen Zwecke einsetzt. Aber es bringt in der nötigen kritischen Auseinandersetzung mit der AfD auch nichts zu behaupten, dass die “Lügenpresse”-Schreihälse ein Foto fälschen, damit selber falschzuliegen und diesen Leuten dadurch neues Futter für eine vermeintliche Medienverschwörung gegen ihre Partei zu liefern.
Neulich hätte ich mir beinahe eine Zeitung gekauft. Aber dann habe ich es doch nicht getan, und das hätte ich beinahe bereut, denn beinahe hätte ich deshalb nicht erfahren, dass Britney Spears beinahe nicht wohlbehalten aus ihrem Urlaub zurückgekehrt wäre. Aber zum Glück gibt es ja das Internet:
Dass sie beinahe ertrunken wäre, hat Britney Spears dem Sender “BBC Radio 1” erzählt. Jedenfalls so ähnlich. Eigentlich hat sie gesagt: “Ich bin wirklich fast ertrunken.” So wie man sagt: “Ich war so sauer, ich wäre wirklich fast Amok gelaufen.” Aber zum Glück ist ihr das nicht auch noch rausgerutscht. Wer weiß, was dann jetzt in den Zeitungen gestanden hätte.
Dabei könnte man es verstehen, wenn sie das gesagt hätte, denn ihre Security hat von der Beinahe-Katastrophe gar nichts mitbekommen. Und daher lässt sich auch nicht genau sagen, ob Britney Spears wirklich fünf Minuten lang unter Wasser um ihr Leben gestrampelt hat, wie sie behauptet — oder ob es ihr einfach nur sehr lang vorgekommen ist. Man kennt das ja selbst. Wenn man mit einem dringenden Bedürfnis vor einer verschlossenen Toiletten-Tür steht, können einem schon zehn Sekunden wie fünf Minuten vorkommen. Später denkt man, man wäre fast gestorben. Und Britney Spears wäre “wirklich fast ertrunken”. Sagt sie. Aber im Grunde ist nichts passiert. Die “Deutsche Presse-Agentur” hat die Geschichte dennoch aufgegriffen. Und jetzt steht es beinahe überall:
Wenn man genau hinsieht, ist natürlich doch etwas passiert, denn kaum war Britney Spears wieder einigermaßen bei Luft, erschien ihr neues Album — wie durch einen Zufall nur wenige Tage nach dieser Beinahe-Schreckensmeldung.
Ralf Heimann hat vor ein paar Jahren aus Versehen einen Zeitungsbericht über einen umgefallenen Blumenkübel berühmt gemacht. Seitdem lassen ihn abseitige Meldungen nicht mehr los. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt zusammen mit Daniel Wichmann “Hier ist alles Banane — Erich Honeckers geheime Tagebücher 1994 – 2015”. Fürs BILDblog kümmert er sich um all die unwichtigen Dinge, die in Deutschland und auf der Welt so passieren.
(Foto: Jean-Marie Tronquet)
Es gibt nun mehrere Möglichkeiten. Eine wäre: Es war alles tatsächlich so, wie Britney Spears behauptet. Eine andere ist: Am Abend nach dem großen Medienecho auf die Hawaii-Erzählung saß irgendwo am Strand von Malibu ein glücklicher Spin-Doctor in seinem Rattanstuhl und wäre vor lauter Freunde darüber, dass mal wieder alles wie am Schnürchen läuft, beinahe in seinem Daiquiri ertrunken.
In dem Fall gab es wahrscheinlich auch diese Szene vier Wochen zuvor in einem Büro des New Yorker Plattenlabels “RCA Records”:
“Das Wichtigste ist, dass alle über Britney sprechen, wenn das neue Album dann kommt.”
“Aber wie sollen wir das hinkriegen?”
“Sie muss was gewinnen.”
“Keine Chance.”
“Vielleicht irgendein Skandälchen? Alkohol? Drogen? Eine Affäre?”
“Das bringt uns auch nicht weiter.”
“Dann seh ich ehrlich gesagt nur eine Möglichkeit.”
“Und die wäre?”
“Die Drowning-Story.”
Die Drowning-Story muss in der Promi-PR-Branche ungefähr das sein, was für den Einbrecher der Dietrich ist. Sie funktioniert im Prinzip immer. Wenn einem sonst gar nichts mehr einfällt, kann man immer noch darauf zurückgreifen.
Und dieser Kniff hat sich entweder sehr weit herumgesprochen, oder die Unter-Wasser-Nahtod-Erfahrung ist mittlerweile eine notwendige Bedingung für eine halbwegs erfolgreiche Karriere in der Unterhaltungsbranche.
Guido Maria Kretschmer war möglicherweise nicht wirklich in Gefahr, als er mit 16 Jahren eine Böschung herunterstürzte und im Wasser landete. Aber er dachte immerhin einen Moment lang: Ich sterbe. Und das reichte schon für den Titel:
Über die Umstände des Unglücks, das Charlène von Monaco überstanden hat, ist nichts Näheres bekannt — außer eben, dass sie über sich sagt: “Ich wäre als Kind fast ertrunken.” In ihrem Fall ist das gleich doppelt interessant, denn sie wurde später Schwimmerin und holte dreimal Gold bei den Afrikaspielen.
Senta Berger ist das nicht gelungen. Dafür hat sie fast jeden anderen Preis gewonnen. Doch auch das wäre beinahe durch ein Unglück verhindert worden. Als sie fünf war, brach sie auf einem See ins Eis ein und wurde an den Zöpfen wieder herausgezogen:
Aber das steht in keinem Verhältnis zu dem, was die Schauspielerin Leah Rimini (bekannt aus irgendeiner Serie) während ihrer Zeit bei Scientology durchmachen musste: Auch sie wäre fast ertrunken. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, ist sie dabei auch noch “pitschnass” geworden.
Jason Statham, Schauspieler und laut “Wikipedia” ehemaliger Wasserspringer, musste sich bei den Dreharbeiten zu “The Expendables 3” von zwei Kampftauchern aus dem Wasser ziehen lassen: weil er sonst ertrunken wäre.
Und Gerard Butler hatte das Pech, dass ihn in den Surf-Szenen des Films “Mavericks” kein Stuntman vertrat. Während der Dreharbeiten auf dem Meer geriet er, wie er später erzählte, zwischen zwei 15 Meter hohe Monster-Wellen und wäre — Sie ahnen es — beinahe ertrunken:
Bei Jonah Hill war die Geschichte noch etwas besser. Er hatte irgendwann mal eine Rolle in der Komödie “Das ist das Ende”, und wenn seitdem über ihn geschrieben wird, nennen die Journalisten ihn manchmal auch den “Das ist das Ende”-Schauspieler. Dieser “Das ist das Ende”-Schauspieler stieg also irgendwann vor ungefähr drei Jahren am Bondi Beach in Australien betrunken ins Wasser und tat das, was man bei diesem Namen vermuten würde: Er ließ sich von der Strömung aufs Meer treiben.
Natürlich wurde auch er gerettet. Und das gab ihm die Gelegenheit, die Geschichte später noch mal zu erzählen, als er in der Late-Night-Show von Conan O’Brien für seinen neuen Film “21 Jump Street” Werbung machen durfte:
Ein bisschen wundert man sich natürlich. Alle erzählen die gleiche Geschichte, und es funktioniert doch immer wieder. Aber so ist das wohl in Hollywood. Mit der Lovestory ist es ja auch nicht viel anders. Im Grunde seit Jahrhunderten. Und auch die Drowning-Story hat eine lange Tradition mit einer goldenen Zeit und großen Stars — als man nicht betrunken am Bondi Beach beinahe in den Wellen absoff, sondern wie Frank Sinatra vor der Kulisse des Wailua-Wasserfalls mit blauen Lippen aus dem Waser gezogen wurde:
Und auch hier wird einer wohl für immer unübertroffen bleiben. Elvis Presley. Der King of Rock’n’Roll. Der erfolgreichste Musiker aller Zeiten. Er ist nicht fast in den reißenden Fluten eines Ozeans umgekommen. Er hat auch in diesem Metier etwas geschafft, das wahrscheinlich noch keinem Star vor oder nach ihm gelungen ist:
1. Die Sprachartisten vom Bayerischen Rundfunk (fair-radio.net, Lennart Hemme)
In den Frühnachrichten bei Bayern 1 sollte alles klingen wie ein Live-Gespräch. Live war hier allerdings nur die Anmoderation, wie “Fair Radio” aufdeckt. In verschiedenen Nachrichtensendungen hätte derselbe Reporter “live” berichtet – mit derselben aufgezeichneten „Antwort“. Leider kein Einzelfall, das Ganze scheint System zu haben. Mit den Vorwürfen konfrontiert, versucht sich der Bayerische Rundfunk zunächst mit identischen Manuskripten herauszureden, doch die Analyse im Schnittprogramm beweist “alle Atmer, alle Pausen, alle Betonungen sind auf die Tausendstelsekunde identisch.”
UPDATE: Der Bayerische Rundfunk bestätigt nach Angaben von “Fair Radio” nun die Recherchen und spricht von einem Verstoß gegen Grundsätze. Man werde die Regeln “intern nochmals in Erinnerung rufen”.
2. Sind die Autoren so reich, dass sie ihr Geld verschenken können? (wolfgangmichal.de)
Die VG-Wort trifft sich am Wochenende in München. Es geht um die Rückzahlung der Gelder, die laut Bundesgerichtshof zu Unrecht an die Verlage ausgeschüttet wurden. Die VG-Wort-Oberen wollen, dass die Autoren zugunsten der Verleger auf das Geld verzichten. Wolfgang Michal fehlt dafür jegliches Verständnis: “Es gehört nicht zu den Aufgaben der VG Wort, den Autoren berechtigte Vergütungsansprüche auszureden oder Verzichtsformulare aufzusetzen. Ginge es mit rechten Dingen zu, wäre es die Aufgabe der VG Wort, Irrtümer der Vergangenheit anzuerkennen und das den Verlagen unter Vorbehalt überwiesene Geld im Rahmen der üblichen Zahlungsfristen zurückzufordern. Dieses Vorgehen wäre die VG Wort den 179.000 Autoren schuldig. Stattdessen schlägt sie sich auf die Seite der Verlage und tut alles, um die Rückzahlung an die Autoren so schwer und langwierig wie möglich zu gestalten.”
3. “Mutterblues”-Autorin Silke Burmester: “Nur wenn du peinlich bist, bist du gut” (kress.de, Anna von Garmissen)
Die vielen als “Kriegsreporterin” bekannte Silke Burmester hat kürzlich ihre Medienkolumne in der “taz” beendet. Nach sieben Jahren unermüdlichen Kampfs in einer “Branche der Schisser und Anpasser” hatte sie “keine Lust mehr, den Kopf hinzuhalten”. Nun hat sie ein Buch geschrieben. “Mutterblues” handelt vom Schmerz der Mütter, wenn das Kind aufhört Kind zu sein. Im Interview mit “Kress” erzählt sie, wie es zu dem Buch gekommen ist, über Schwierigkeiten und Vorteile ihrer journalistischen Tätigkeit und dem Konzept für ein neues Print- und Onlinemagazin, an dem sie gerade basteln würde.
4. US-Zeitungsverleger streichen “Zeitung” im Namen (sueddeutsche.de)
Eine Meldung mit Symbolkraft: Der Verband der nordamerikanischen Zeitungsverleger, die “Newspaper Association of America”, benennt sich in “News Media Alliance” um. Grund sei die stark gesunkene Zahl von Zeitungen im Verband. Mit der Umbenennung öffne sich der Verband digitalen Portalen wie zum Beispiel “Buzzfeed”, “Mic” oder “Vice”.
5. “Fernsehwerbung kostet immer mehr” (haz.de, Ulrike Simon)
Ulrike Simon hat mit einem mächtigen Kunden der Medienindustrie gesprochen. Uwe Storch heißt er und ist Mediachef des Süßwarenherstellers Ferrero. Sein Werbeetat für Nutella, Duplo, Mon Chérie, Tic-Tac und Co.: Mehr als 400 Millionen Euro und das jedes Jahr aufs Neue. Der überwiegende Teil entfalle dabei auf klassische TV-Spots. Fernsehen sei nach wie vor ein reichweitenstarkes Medium, hätte jedoch an Kraft verloren: “Wenn in absoluten Zahlen weniger und immer die gleichen Menschen den einzelnen Spot sehen, müssen wir entsprechend mehr Spots schalten, um die Reichweite stabil zu halten. Dadurch steigen unsere Kosten. Um es auf den Punkt zu bringen: Fernsehwerbung kostet immer mehr, leistet aber immer weniger.”
6. Von wegen Algorithmen: Unsere Filterblasen sind pure Handarbeit (t3n.de, Mario Sixtus)
Mario Sixtus schreibt über das Filterblase genannte Phänomen, dass Internetseiten über spezielle Algorithmen dem Benutzer nur Informationen anzeigen, die mit den bisherigen Ansichten des Benutzers übereinstimmen und ihn in einer “Blase” isolieren würden. Sixtus sieht das Problem vor allem auf der anderen Seite des Bildschirms: “Weder Facebooks Sortier-Ranking „Edge“ noch Googles Versuche der individualisierten Ergebnisausgabe kleben die Filterblasen dicht. Die Bubbles sind pure Handarbeit. Algorithmen sind bislang schlicht zu dumm für die Herstellung solch filigraner Filtergebilde und werden das auf absehbare Zeit auch bleiben.”
“Bild” und Bild.de geben Personen gerne neue Namen. Knackig müssen sie sein, so richtig griffig und auf jeden Fall mit Bindestrich. So wird eine 21-jährige Russin, die bei Instagram über vier Millionen Follower hat, zum “Russen-Model”. Ein Vietnamese, der bei Olympia im Schießen Gold holt, zum “Pistolen-Vietnamesen”. Und ein Seemann, der auf Rügen lebt, zum “Rügen-Fischer”. “Lausitz-Luder”, “Mucki-Wiese”, “Abwehr-Grieche”, “Malle-Jens” — tagtäglich erfinden die “Bild”-Medien neue Bindestrich-Gebilde.
Auch für Lane Graves. Der kleine Junge wäre am Samstag (Bild.de schreibt fälschlicherweise von Sonntag) eigentlich drei Jahre alt geworden. Seine Familie versammelte sich vorgestern mit vielen Freunden und Nachbarn auf einem Footballfeld in ihrer Heimatstadt Omaha im US-Bundesstaat Nebraska, um Lanes Geburtstag zu feiern, allerdings ohne ihren Sohn. Der wurde im Juni beim Sandburgenbauen im “Walt Disney World Resort” von einem Alligator ins Wasser gezogen und starb.
Die Feier war sehr emotional, Lanes Eltern hielten Reden und sprachen über die Zeit mit ihrem Sohn. Fotografen waren vor Ort, viele Medien in den USA berichteten. Und auch Bild.de. In ihrem Drang, Menschen mit möglichst einfallsreichen Spitznamen zu versehen, machten die Mitarbeiter aus Lane Graves, dem Jungen, der durch einen Alligator ums Leben gekommen ist, den “toten Alligator-Jungen”:
(Unkenntlichmachung durch uns.)
Das ist so herz- und würdelos, dass man sich gar nicht vorstellen kann, dass das niemandem bei Bild.de vor Veröffentlichung aufgefallen ist.
Und dazu ist es sprachlich-inhaltlich auch noch so schief. Wenn ein Mann aus Bangladesch durch eine seltene Krankheit warzenähnlichen Wucherungen bekommt, die ein wenig aussehen wie Baumrinde, dann nennen die “Bild”-Medien ihn “Baum-Mann”. Immer noch platt, aber inhaltlich nicht völlig daneben. Doch Lane Graves hatte selbstverständlich nichts von einem Alligator. Er hatte das schreckliche Pech, von einem getötet zu werden. Lane Graves war kein “Alligator-Junge”. Er war ein ganz normales Kind.