Archiv für Juni, 2021

“Für Geld kommen sie alle nach Katar”

In der “Bild”-Redaktion haben sie am Wochenende offenbar viel Fußball-Europameisterschaft geschaut und dabei besonders auf die Bandenwerbung in den Stadien geachtet:

Screenshot Bild.de - Rassisten! Terroristen! Schwulenfeinde! Warum lässt sich die EM von diesen Horror-Regimen bezahlen?

… fragen heute “Bild” und Bild.de. Neben der Bandenwerbung für den russischen Energiekonzern Gazprom, das chinesische Unternehmen Hisense und die ebenfalls aus China stammende Social-Media-App TikTok geht es den “Bild”-Medien vor allem um die Werbung für Qatar Airways:

“Qatar Airways” ist die nationale Fluggesellschaft und das bekannteste Unternehmen Katars.

Doch der superreiche Golf-Staat tritt Menschenrechte mit Füßen: Für den Bau von Fußballstadien für die WM 2022 holten die Scheichs Tausende Gastarbeiter v. a. aus Indien, Pakistan und Bangladesch. Dutzende sollen bereits aufgrund gefährlicher Arbeitsbedingungen gestorben sein, eine Studie geht sogar von bis zu 1200 Toten aus. Homosexualität steht in Katar unter Strafe.

Mehr noch: Der Golfstaat unterstützt die islamistische Terror-Organisation Hamas in Gaza. Sie lässt Homosexuelle ermorden, schießt Raketen auf Israel.

Im März erklärte Bild.de zur Taktik Katars:

Screenshot Bild.de - Die unheimliche Entwicklung in der Wüste - Wie Katar mit Sportwashing nach der Macht greift

Das reiche ­Emirat am Persischen Golf kauft sich nicht nur hochkarätigste Sport-Veranstaltungen, sondern auch internationalen Einfluss. (…)

Was den herrschenden Scheichs fehlte, war internationale Anerkennung. Die erkaufen sie sich nun mithilfe des Sports – eine Entwicklung, die als “Sportswashing” bekannt ist.

Dr. Jürgen Mittag, Politikwissenschaftler an der Sporthochschule Köln: “Der Sport wird als zentrales Instrument genutzt, um die Entwicklung des Emirats, vor allem dessen Infrastruktur und Image in der Welt, von der bisherigen Ausrichtung auf Erdöl- und Erdgas auf ein neues Fundament zu heben.”

Folge: Über 500 internationale Sportveranstaltungen haben die Katarer in den letzten 15 Jahren ausgerichtet, dabei Milliarden in Stadien und Trainingszentren gepumpt.

“Für Geld”, so Bild.de, “kommen sie alle nach Katar”.

Einen Monat zuvor, im Februar, fand in Katar solch ein “Sportwashing”-Event statt: die Fußball-Klub-WM. Mit dabei: “Bild”.

Screenshot Bild.de - Klub-WM in Katar - Live und umsonst - Bild überträgt die Bayern-Spiele
Screenshot Bild.de - FIFA Klub-WM - Bayerns Titel-Jagd Montag ab 18 Uhr live und gratis bei Bild
Screenshot Bild.de - Klub-WM in Katar - Lewy schießt Bayern ins Live-Finale bei Bild

Wenn die “Bild”-Redaktion von den Milliarden, die Katar für die Imagepflege in den Sport pumpt, profitieren kann; wenn sie dabei ihre großen TV-Pläne vorantreiben kann, scheint es ihr erstmal egal zu sein, dass in dem “Horror-Regime” Menschenrechte mit Füßen getreten werden, dass Homosexualität unter Strafe steht, dass Terroristen unterstützt werden. Dann ergreift “Bild” die sich bietende Chance und macht einfach mit. Die Stadien, aus denen die Redaktion im Februar die zwei Klub-WM-Spiele des FC Bayern München übertragen hat, gehören zu den acht Stadien der Fußball-WM 2022, zu denen “Bild” nun zurecht kritisiert, dass Dutzende Gastarbeiter “bereits aufgrund gefährlicher Arbeitsbedingungen gestorben sein” sollen.

In der Berichterstattung von heute zitiert “Bild” auch mehrere Politiker. Darunter:

FDP-Außenexperte Bijan Djir-Sarai (45) kritisiert in BILD, dass “Despoten und Terrorunterstützer durch ihre Finanzierungsmöglichkeiten die sportliche Bühne für Propaganda und Imageverbesserung missbrauchen können”.

Und dann gibt es auch noch Medien, die durch ihre Übertragungen dabei helfen.

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Emcke absichtlich missverstanden, Regie-Versagen, Jebsen-Podcast

1. Carolin Emcke wird gezielt verunglimpft
(sueddeutsche.de, Ronen Steinke)
Die Autorin Carolin Emcke hat auf dem Parteitag der Grünen eine kurze Gastrede gehalten, die von CDU und “Bild”-Redaktion kritisiert und skandalisiert wurde: Angeblich habe Emcke Klimaforscher mit Holocaust-Opfern verglichen. “SZ”-Redakteur Ronen Steinke widerspricht: “Nirgends in ihrer Rede hat sie vom Holocaust gesprochen. Auch nicht indirekt. Die Idee, Kritik an heutigen Virologen oder Klimaforschern ernsthaft mit dem Holocaust gleichzusetzen, ist Carolin Emcke, soweit ersichtlich, auch nicht ansatzweise in den Sinn gekommen, und auch beim Zuhören konnte man auf diese Idee nur kommen, wenn man denn wirklich, wirklich einen ‘Eklat’ konstruieren wollte. Zum Beispiel, weil Wahlkampf ist.”
Judith Liere kommt in ihrem Kommentar bei “Zeit Online” zu einer ähnlichen Feststellung: “Man muss nicht einmal laut ‘Kontext, Kontext!’ rufen, um klarzustellen, dass sie nie gemeint hat, was ihr da unterstellt wird. Sie hat es nämlich nicht nur nicht gemeint, sondern schlichtweg nicht gesagt.”
Weiterer Lesehinweis: In einem Twitter-Thread erklärt Matthias Meisner: “Was den von BILD, WELTAMSONNTAG, CDU, Generalsekretär Paul Ziemiak, Martenstein und anderen angezettelten Shitstorm gegen Carolin Emcke so bösartig und perfide macht: Die Kritiker vermischen unzulässig Vergleich und Aufzählung.”
Weiterer Hinweis: Wer die entsprechenden Passagen nachhören will: Der “Spiegel” hat ebenfalls über den Nicht-Skandal berichtet und Emckes Rede in einem eingebundenen Video dokumentiert.

2. Bange Minuten bei der EM: Das Regie-Versagen der UEFA
(dwdl.de, Alexander Krei)
Am Samstag konnten Millionen Menschen vor dem Fernseher mit anschauen, wie in der Fußball-EM-Partie zwischen Dänemark und Finnland der Däne Christian Eriksen auf dem Spielfeld reanimiert werden musste. Alexander Krei kommentiert: “Dass diese Bilder mehr als nur einmal in den weltweiten Live-Übertragungen gezeigt wurden, ist ein krasses Versagen der UEFA, deren Zentralregie in diesen bangen Minuten komplett daran scheiterte, Eriksens Privatsphäre zu schützen. Stattdessen gingen sogar noch die Bilder der weinenden Ehefrau des Fußballstars um die Welt. Die fehlende Empathie des europäischen Fußballverbands ist nichts weniger als ein handfester Skandal – erst recht, wenn man bedenkt, dass in der Vergangenheit schon harmlose Flitzer genügten, um dafür zu sorgen, dass die großen Verbände blitzschnell den Blick abseits des Spielfelds lenkten.”
(Ergänzender Hinweis auf einen Beitrag bei uns im BILDblog: Bild.de zeigt kollabierten Christian Eriksen.)
Weiterer Lesehinweis: Das übertragende ZDF weist Vorwürfe zurück: “Wir mussten auch dem Informationsbedürfnis der Zuschauer gerecht werden.”
An anderer EM-Stelle gibt es positive Nachrichten: Die russischen Behörden haben eingelenkt und den ARD-Journalisten Robert Kempe auch für St. Petersburg akkreditiert (faz.net).

3. Des Schwurblers Kern
(zeit.de, Daniel Hornuff)
Ab heute sind die ersten zwei Teile einer Podcast-Produktion über den Werdegang des Verschwörungserzählers Ken Jebsen verfügbar (zum Beispiel in der ARD-Audiothek: “Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?”). David Hornuff ist begeistert. Der Podcast sei fantastisch gemacht, erzeuge dennoch Unbehagen: “So bewundernswert sorgfältig der Podcast arrangiert und inszeniert ist: Der Fokus auf die eine ausgewählte Person erzeugt eine unfreiwillige Stilisierung, eine überhöhende Psychologisierung – was wiederum eine seltsam umschmeichelnde Aufwertung nach sich zieht, die passagenweise ins Heroisierende kippt.”
Weiterer Lesehinweis: Anonymous hackt Ken-Jebsen-Website: “Anonymous hat Ken Jebsen ins Visier genommen: Der ehemalige Journalist gilt als Schlüsselfigur der ‘Querdenker’-Szene. Jetzt wollen Hacker die Namen seiner Spender erbeutet haben.” (spiegel.de, Frank Patalong)

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4. Ist der Begriff “Doku” noch immer nicht ausgehöhlt genug?
(medienkorrespondenz.de, Christian Bartels)
Der Medienexperte Christian Bartels hat sich die ARD-Doku “Der Milliardenraub” angeschaut. Missfallen hat ihm, dass die 45-minütige “Doku” rund zur Hälfte aus nachgestellten (wenn auch gekennzeichneten) Szenen bestanden habe: “Bedenken ‘Doku’-Autoren überhaupt noch, dass nachgestellte Szenen die Glaubwürdigkeit ihrer Filme immer beeinträchtigen und zumindest alle im Publikum, die die Überzeugungen der Autoren nicht von vornherein teilen, skeptisch machen? Wenn Reenactments in einem Ausmaß eingesetzt werden, das günstigenfalls ermüdet oder gar lächerlich erscheint, müsste Mut, auch mal unbewegte Bilder zu zeigen, leichtfallen.”

5. Wieso ich nicht mehr über “Querdenken” berichten werde
(gaebler.blog, Paul Gäbler)
“Ein Jahr lang ‘Querdenken’ hieß für mich: einmal pro Woche auf eine Demo, Gespräche führen, Fotos machen – und mich beschimpfen lassen. Damit ist jetzt Schluss.” Paul Gäbler zieht ein nachdenkliches Fazit seiner journalistischen Beobachtung unzähliger “Querdenker”- und Coronaleugner-Demos, bei dem er sich auch unangenehmen Fragen stellt: “Heute, wo ‘Querdenken’ massiv an Zulauf verliert, frage ich mich: habe ich das ganze von Anfang an überschätzt? Ist ‘Querdenken’ nur ein Misthaufen in der Geschichte – und ich habe sie mit meiner Twitter-Reichweite auch noch bekannter gemacht?”

6. Georg Thiel: Der Mann, der ins Gefängnis ging, um “GEZ-Rebell” zu werden
(uebermedien.de, Susanne Lang)
Als “GEZ-Rebell” feiert die “Bild am Sonntag” den 53-Jährigen Georg Thiel, der “lieber in den Knast ging, als jeden Monat 17,50 Euro GEZ-Gebühren zu zahlen”. Eine Behauptung, die zwar nicht ganz falsch sei, bei der aber eine wichtige Information ausgeblendet werde: “Thiel hätte seine Inhaftierung selbst verhindern können. Er hätte dafür nicht einmal die Beiträge plus Bußgelder begleichen, sondern bloß seine Vermögensverhältnisse offenlegen müssen.” Susanne Lang hat den Vorgang aufgearbeitet, der von verschiedenen Seiten – vor allem von rechtsaußen – für die eigene Agenda instrumentalisiert wird.

Bild.de zeigt kollabierten Christian Eriksen

Beim Gruppenspiel der Fußball-Europameisterschaft zwischen Dänemark und Finnland ist der Däne Christian Eriksen auf dem Platz zusammengebrochen, lebensrettende Maßnahmen waren nötig. Laut Uefa ist Eriksen inzwischen wieder in einem stabilen Zustand, er befindet sich im Krankenhaus.

Während er auf dem Platz behandelt wurde, stellten sich Eriksens Mitspieler um ihn herum. Bild.de schreibt dazu in einer Bildunterschrift:

Schützend stehen die Dänen-Profis vor den medizinischen Maßnahmen an Eriksen

Als er vom Platz getragen wird, wird extra ein Sichtschutz aufgebaut. Bild.de:

Eriksen wird geschützt von Decken vom Platz getragen

Und obwohl sie weiß, dass alles mögliche dafür getan wurde, um den Spieler vor Blicken und Kameras zu schützen, zeigt die “Bild”-Redaktion online auf der Startseite ein großes Foto des gerade reanimierten Christian Eriksen auf der Trage:

Screenshot Bild.de - Nach Wiederbelebung auf dem Platz - Dänen-Star Eriksen stabil im Krankenhaus

Die Unkenntlichmachung stammt von uns, auf der Bild.de-Startseite, im Bild.de-Artikel und in einer “Bild-live”-Sondersendung ist Eriksens Gesicht unverpixelt zu sehen. t-online.de und n-tv.de verwenden die Aufnahme ebenfalls.

Zuvor hatte die “Bild”-Redaktion auch schon die ersten Momente nach Eriksens Zusammenbruch gezeigt: Auf einem Foto liegt der 29-Jährige regungslos auf dem Boden, seine Mitspieler sind zu ihm geeilt, einer von ihnen beugt sich runter und schaut nach, was mit Eriksen los ist. Die Aufnahme veröffentlichte die Redaktion in einem Artikel bei Bild.de und bei Twitter:

Screenshot eines Tweets der Bild-Redaktion - Grausame Bilder bei der EM: Dänemark-Star kämpft um sein Leben
(Diese Unkenntlichmachung ist ebenfalls von uns.)

Auch dieses Foto haben die “Bild”-Leute ohne jegliche Verpixelung veröffentlicht. Den Tweet haben sie inzwischen gelöscht, das Foto bei Bild.de ersetzt – durch jenes, das Christian Eriksen auf der Trage zeigt.

Nachtrag, 13. Juni: Noch als Ergänzung: Neben den oben genannten Aufnahmen veröffentlichte Bild.de auf der Startseite auch ein Foto auf dem aus etwas Entfernung die Reanimation zu sehen ist. Dazu die Überschrift: “Grausame Bilder bei der EM – Dänemark-Star kämpft um sein Leben”. “Der Westen” zeigt ein ähnliches Foto, auf dem auch Eriksens schockierte Mitspieler zu sehen sind, die sich als Sichtschutz vor ihren Teamkollegen positioniert haben, und schreibt dazu: “Spieler und Fans konnten nicht hinsehen, als Christian Eriksen wiederbelebt wurde.”

KW 23: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, endlich Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Samstagsausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

***

1. Wie kann man noch aus Belarus berichten?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 36:57 Minuten)
Holger Klein hat sich mit Demian von Osten unterhalten, dem Korrespondenten im Moskauer ARD-Studio, der als einer der wenigen Journalisten überhaupt noch aus Belarus berichten kann und darf. Wie lässt es sich in einer Diktatur als Journalist arbeiten, und welche Folgen haben die Einschränkungen für von Ostens Arbeit? Der ARD-Reporter antwortet abwägend: “Die Menschen vor Ort stehen viel mehr unter Druck als wir. Das Schlimmste, was mir passieren kann, als privilegiertem Westeuropäer, ist, dass ich ausgewiesen werde und die Akkreditierung verliere. Aber ich kann es mir eigentlich nicht vorstellen, dass man es riskieren würde, jetzt einen westlichen Journalisten ewig lang festzuhalten und sozusagen als Geisel zu benutzen.”

2. MW166 – die Rückkehr des Claas Relotius
(soundcloud.com, Medien-Woche, Christian Meier & Stefan Winterbauer, Audio: 56:15 Minuten)
In der aktuellen Folge des Podcasts “Die Medien-Woche” sprechen Christian Meier und Stefan Winterbauer schwerpunktmäßig über das “Reportagen”-Interview mit Claas Relotius (nur nach Registrierung lesbar): Was folgt daraus? Wie ist es einzuschätzen? Und ist das Kapitel Relotius für den Journalismus damit erledigt? Im Gespräch entstehen gute Gedanken und weiterführende Fragen, die auch den Kern des ursprünglichen Skandals betreffen.

3. Zwei Herren mit Hund #68: Das Medium unterwirft sich
(podcastc82418.podigee.io, Audio: 50:00 Minuten)
In der neuesten Ausgabe von “Zwei Herren mit Hund” beschäftigen sich Werbefachmann Thomas Koch und TV-Experte Kai Blasberg unter anderem mit den Veränderungen bei RTL sowie ProSieben und Sat.1. Die Sender schrauben an ihrem jeweiligen Image und wollen ernster werden. Aber den zwei Herren geht es auch um die Öffentlich-Rechtlichen: Vor allem dem ZDF werfen sie eine “Quotenfixierung” vor – das Zweite verhalte sich wie ein Privatsender.

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4. ARD und ZDF reformieren – so plant die Politik
(youtube.com, Zapp – Das Medienmagazin, Video: 29:49 Minuten)
“Zapp”-Autor Daniel Bouhs hat die Verantwortlichen für Medienpolitik nach der Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks befragt: Was ist zeitgemäß? Und was kann nach gut 70 Jahren ARD weg? In den Staatskanzleien kursiere bereits ein erster grober Entwurf für einen neuen Medienstaatsvertrag. Demnach sollen sich die Sender stärker abgrenzen von den Privaten und teilweise selbst entscheiden, welche Kanäle sie noch klassisch bespielen und welche nicht.

5. Wahl in Sachsen-Anhalt und Medien-Druck auf Sportler
(wdr.de, Sebastian Sonntag, 41:01 Minuten)
Im WDR5-Medienmagazin geht es um folgende Themen: Wenn aus Umfragen Schlagzeilen werden; “Ostdeutsche Perspektiven fehlen”; Sportler unter medialem Druck; Vorsicht bei Cookie-Abfragen; Mit Sehbehinderung auf Instagram; Medienphänomen Kim Kardashian. Und natürlich gibt es zum Schluss, wie gewohnt, die Medienschelte. Diesmal heißt es dort: “Sommer, Sonne, Sendepause”.

6. Wie Lanz “reihenweise Leute auseinanderf*ckt”
(youtube.com, Walulis Story, Video: 15:11 Minuten)
Philipp Walulis preist den ZDF-Talkmaster Markus Lanz: “Der Moderator wurde lange als Witzfigur verschrien, aber spätestens seit dem Armin-Laschet-Interview ist er Talkmaster Nummer eins in Deutschland.”

“It may also be wrong data”, aber “Bild” ist sich schon sicher

Vergangene Woche kramten die gedruckte “Bild” und Bild.de einen China-Besuch der Bundeskanzlerin aus dem Archiv:

Ausriss Bild-Zeitung - Asien-Reise im September 2019 - Als Merkel Wuhan besuchte, war die Seuche schon im Anflug

Damals, im September 2019, hatten die allermeisten Menschen auf diesem Planeten wohl noch nie etwas von Coronaviren gehört, die Begriffe “Corona” und “Astra” vermutlich vor allem mit Biermarken in Verbindung gebracht. “Bild” fragt sich nun:

Grassierte Corona schon, als die Kanzlerin in Wuhan war?

Kurze Antwort: Es ist kompliziert. Manche Wissenschaftler sind der Ansicht, dass es schon deutlich früher Fälle von Corona-Infektionen gegeben haben könnte als allgemein bekannt. Eine italienische Studie, die nahelegt, das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 sei schon im September 2019 in Italien unterwegs gewesen, ist unter Wissenschaftlern umstritten. Peter Forster, der an einer phylogenetischen Analyse des Virus beteiligt gewesen ist, ist laut Deutsche Welle der Ansicht, dass es “zwischen Mitte September und Dezember 2019 zu einer erfolgreichen Ausbreitung beim Menschen gekommen sein muss”. Auch Forsters Untersuchung ist unter Wissenschaftlern umstritten.

Während die Wissenschafts-Community also noch diskutiert, sind sie sich bei “Bild” schon sicher: Im September 2019 habe sich “eine 61-jährige Frau in Wuhan” mit Corona infiziert – “nur 1500 Meter vom virologischen Institut entfernt”, schreibt die Redaktion.

Sie bezieht sich dabei auf einen Text aus dem britischen Boulevardblatt “Daily Mail”. Denn das berichtet von einem Interview der chinesischen Zeitschrift “Health Times” mit einem chinesischen Wissenschaftler, das kurz nach der Veröffentlichung von der staatlichen Zensur kassiert worden sein soll. Die “Daily Mail” erwähnt in ihrem Artikel drei mögliche Corona-Fälle, die in diesem Interview zur Sprache kommen sollen: zwei im November 2019, einer im September desselben Jahres. Zum Fall im September geht aus dem Text der “Daily Mail” allerdings weder das Geschlecht der betroffenen Person noch deren Wohnort oder Alter hervor.

Es scheint, als hätte die “Bild”-Redaktion den Text der “Daily Mail” schlicht nicht richtig gelesen: Darin ist durchaus die Rede von einer 61-jährigen Patientin, die angeblich in der Nähe eines Labors in Wuhan lebte. Dabei handelt es sich laut “Daily Mail” aber um einen der Fälle aus dem November 2019. Diese Patientin vermischt “Bild” einfach mit dem angeblichen Verdachtsfall aus dem September 2019. Inhaltlich also schon mal falsch, aber dafür laut “Bild” ganz sicher:

Am Wochenende enthüllte die britische Zeitung “Daily Mail”, dass sich bereits am 29. September eine 61-jährige Frau in Wuhan mit Corona infizierte. Nur 1500 Meter vom virologischen Institut entfernt.

Was bei “Bild” mit keinem Wort zu lesen ist: Die “Daily Mail” schreibt bei allen drei Fällen von “suspected cases”, Verdachtsfällen also, bei denen nicht gesichert ist, ob es sich tatsächlich um Corona-Fälle handelt. Besonders deutlich wird das beim angeblichen Fall aus dem September 2019, aus dem die “Bild”-Redaktion ihre Schlagzeile ableitet, und zu dem die “Daily Mail” den chinesischen Wissenschaftler mit der Aussage zitiert, dass die infizierte Person nicht getestet worden sei. Und: “The data has not been confirmed”. (Übrigens, kurzer Exkurs: Bild.de und auch bz-berlin.de betiteln weitere Texte zum “Daily-Mail”-Bericht mit: “China wusste schon seit September 2019 von Corona”. Nur gibt der “Daily-Mail”-Artikel eine derartige Schlussfolgerung gar nicht her – sondern sagt lediglich, dass ein Wissenschaftler nachträglich einen Verdachtsfall im September 2019 identifiziert haben soll.)

Und auch die “Daily Mail” lässt eine wichtige Aussage des chinesischen Wissenschaftlers weg. Das Blatt bezieht sich in seinem Artikel auf ein Mitglied der Recherchegruppe “Drastic”. Dieser Blogger sagt, er habe zumindest Teile des inzwischen zensierten Interviews der chinesischen Zeitschrift sichern können (Hinweis: Die Echtheit des Interviews beziehungsweise der Übersetzung durch das “Drastic”-Mitglied können wir nicht verifizieren). Darin auch eine nicht ganz unbedeutende Einordnung, die weder in der “Daily Mail” noch bei “Bild” zu lesen ist: “It may also be wrong data”, zitiert die chinesische Zeitschrift laut “Drastic” den Wissenschaftler, der damit die Daten der möglicherweise infizierten Person aus dem September 2019 meint.

Im “Bild”-Artikel kommt außerdem noch der renommierte Nano-Physiker Roland Wiesendanger (der sich allerdings bis zur Coronapandemie noch nie wissenschaftlich mit Viren befasst hat) zu Wort, der davon ausgeht, dass sich das Coronavirus schon im September 2019 in Wuhan verbreitet hat. “Bild” verweist auf eine Veröffentlichung Wiesendangers, die allerdings umstritten ist, weil sie, so der Vorwurf, nicht wissenschaftlichen Standards entspreche und beispielsweise keinen Peer-Review durchlaufen hat. Wiesendanger greift in seinem Paper die sogenannte Labortheorie auf, die davon ausgeht, das Coronavirus komme aus einem Labor in Wuhan. Das Dekanat der Uni Hamburg, an der auch der Physiker tätig ist, distanzierte sich von dem Papier und sprach sich dagegen aus, es überhaupt als “Studie” zu bezeichnen, sondern eher als “nichtwissenschaftlichen Aufsatz oder Meinungsäußerung”.

Das heißt nicht, dass die Labortheorie widerlegt wäre. Es gibt aber momentan eben keine handfesten Beweise dafür (und plausibel klingende Argumente dagegen). Um mehr Klarheit zu schaffen, hat US-Präsident Joe Biden unlängst die US-amerikanische Intelligence Community beauftragt zu untersuchen, ob das Virus aus einem Labor stammt. Die “Bild”-Redaktion ist sich hingegen schon jetzt ziemlich sicher:

Doch nun wurde bekannt: Corona wütete bereits lange VOR den offiziellen Meldungen in Wuhan.

Weil das Virus offenbar nicht – wie von Peking behauptet – plötzlich vom Tier auf den Menschen übersprang, sondern aus dem Labor kam.

Die US-Geheimdienste sind sich über den Ursprung des Virus hingegen nicht im Klaren, wie Joe Biden in einer Presseerklärung bekannt gab. Aber vielleicht ist die “Bild”-Redaktion der CIA ja auch einfach zwei Schritte voraus.

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Unglaubliche Podcast-Umfragen, Staatstrojaner, Kreml unsportlich

1. Russland verweigert ARD-Journalist Zugang zu EM-Spielen
(sueddeutsche.de)
Dem ARD-Journalisten Robert Kempe wurde nach Angaben des WDR die Zulassung zu den Fußball-EM-Spielen in St. Petersburg entzogen. Anscheinend ist man im Kreml äußerst nachtragend: Kempe hatte in der Vergangenheit kritisch über die WM 2018 in Russland und über das Wirken des Internationalen Olympischen Komitees berichtet. Für den Reporter sei es nicht das erste Mal, dass ihm die Berichterstattung bei Sportereignissen erschwert beziehungsweise unmöglich gemacht wird. Vor ein paar Jahren habe ihm Bahrain die Einreise und den Besuch eines anderen Fußball-Events verweigert.

2. RSF strebt Verfassungsbeschwerde an
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen (RoG) hat Verfassungsbeschwerde gegen den gestern im Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition genehmigten Einsatz von Staatstrojanern angekündigt: “Ungeachtet aller Warnungen der Sachverständigen wollen die Regierungsfraktionen nun allen Nachrichtendiensten die Möglichkeit zum Hacking vertraulicher Kommunikation und Daten einräumen. Journalistinnen und Journalisten schließen sie dabei als potenzielle Ziele bewusst nicht aus”, so RoG-Geschäftsführer Christian Mihr: “Einen so massiven Angriff auf die Vertraulichkeit journalistischer Recherchen und die Anonymität von Quellen dürfen wir nicht hinnehmen.”

3. Unglaubliche Umfragen und trickige Schlüsse
(verdi.de, Kai Rüsberg)
Der Podcastmarkt ist schwierig einzuschätzen und noch schwieriger zu messen, da es verschiedenste Verbreitungswege und Plattformen gibt. Der Erfolg von Podcasts werde daher gerne über Umfragen von Meinungsforschungsinstituten wie YouGov abgefragt. Kai Rüsberg sind dabei interessante Dinge aufgefallen: Die “Wirtschaftswoche” habe in ihrer Kolumne “Digitale Welt” wortwörtlich YouGov-Formulierungen verwendet, und das sei in diesem speziellen Fall besonders bemerkenswert, so Rüsberg: “Wer ist Autor? Unglaublich: Philipp Schneider, Kolumnist der Wiwo ist Marketing-Chef bei YouGov.”

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4. “Natürlich wird es satirische Angebote weiterhin geben”
(deutschlandfunk.de, Sebastian Wellendorf, Audio: 7:59 Minuten)
Am 1. Januar 2023 soll der neue Medienstaatsvertrag in Kraft treten. Dirk Schrödter (CDU) war als Chef der Staatskanzlei in Schleswig-Holstein von Anfang an beteiligt am Gesetzentwurf und sei “für mehr Information, Bildung und Kultur und weniger Unterhaltungsangebote”. Der Deutschlandfunk hat mit Schrödter über die anstehenden Änderungen des Staatsvertrags gesprochen.

5. “Klima Update”: RTL arbeitet für neues Format mit Klimainitiative zusammen
(rnd.de)
Der Privatsender RTL strahlt ab dem 8. Juli zweimal wöchentlich das Format “Klima Update” aus. Das Format soll in Partnerschaft mit der Zeitschrift “Geo” und der im August 2020 gegründeten Initiative “Klima vor acht” entstehen. Letztere hatte sich bei der ARD lange Zeit vergeblich für ein eigenes Klimaformat eingesetzt.

6. Wo keine Villa ist, ist auch kein Weg
(uebermedien.de, Olivier David)
Nach langem Kampf sollen ab dem 1. Juli alle ZDF-Praktika mit 350 Euro pro Monat vergütet werden. Immer noch zu wenig, findet Olivier David: “Liebe Kolleg*innen des ZDF, ich habe eine schlechte Nachricht für euch: Wer Vielfalt will, sollte bereit sein mehr zu zahlen als die Miete eines 13 Quadratmeter großen Zimmers in Mainz-Bretzenheim.”

Alles hat ein Ende, nur der Billigwurst-Knaller von “Bild” nicht

Screenshot Bild.de - Ist jetzt Schluss mit Billigfleisch?

fragte die “Bild”-Redaktion im Juni vergangenen Jahres, nachdem sich beim Fleischproduzenten Tönnies über 1000 Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert hatten. Damals entstand eine Debatte über die unwürdigen Verhältnisse, in denen viele von ihnen arbeiten und leben müssen. Billigfleisch – für “Bild” ein “wichtiges Thema”.

Bereits einen Tag zuvor berichtete die Redaktion über eine Forderung des CSU-Politikers Georg Nüßlein:

Screenshot Bild.de - Forderung von Unionsfraktionsvize - Schluss mit Werbung für Billigfleisch!

“Wir müssen Fleisch endlich so wertschätzen, wie es dem Töten von Tieren angemessen wäre. Der wöchentliche Preiskampf der Supermärkte steht dem entgegen, ist unanständig und muss aufhören”, zitiert Bild.de den Politiker.

Nur wenige Wochen später erzählte Schlagersängerin Stefanie Hertel bei “Bild”:

Screenshot Bild.de - Schlager-Star Stefanie Hertel - Tierleid kommt mir nicht auf den Teller

Ungefähr zur selben Zeit berichtete Bild.de vom …

Screenshot Bild.de - Kaum Kohle, astronomische Auflagen - Bauernaufstand gegen Billigpreise

Und auch in den Jahren zuvor thematisierten die “Bild”-Medien immer wieder die verschiedensten Probleme rund ums Billigfleisch. Im Mai 2019:

Würden die Grünen in Berlin regieren, müssten sie den Deutschen das Fleisch nicht verbieten. Sie würden es, das erwarten viele Grünen-Anhänger, nur viel teurer machen – durch ein Verbot von Massentierhaltung. Und das ist gut so.

Es gibt kein Grundrecht auf Billigfleisch! Tiere sind keine Fleischlieferanten. Sondern Lebewesen.

Im Dezember 2018 sogar Franz Josef Wagner:

Am Tag des Welt-Endes wird man auch Deutschland zu den Schuldigen zählen. Eisbären, die auf den Schollen verhungern. Inseln mit Menschen, die überschwemmt werden. Marokko, Litauen, Rumänien, Indien tun mehr für die Umwelt als wir.

Im Klima-Ranking ist Deutschland auf Platz 27 abgerutscht. Was ist der Grund? Wir wählen zwar Grün, aber leben nicht grün. Wir fahren SUV anstatt mit der U-Bahn. Wir fliegen mit dem Billigflieger nach Mallorca, wir essen Billigfleisch. Wir haben weltweit den größten Kohleverbrauch.

Schon im Juni 2017 prangerte “Bild” den “PREIS-IRRSINN IM SUPERMARKT” an:

Fleisch billiger als Obst!

Morgen beginnt die Fußball-Europameisterschaft der Männer, am Dienstagabend startet die deutsche Nationalmannschaft ins Turnier. Beim Discounter Lidl gibt es ab kommenden Montag ein neues Angebot: “DEIN EM-PAKET”, bestehend aus sechs Pullen Bier und fünf Rostbratwürsten. Preis: 3,39 Euro – und damit 29 Prozent billiger als sowieso schon. Alles was man für dieses Angebot tun muss: Einen Coupon ausschneiden, der am Sonntag in “Bild am Sonntag” beziehungsweise am Montag in “Bild” abgedruckt wird. Denn Kooperationspartner der Lidl-Aktion sind die Billigfleisch-Kritiker der “Bild”-Medien:

Ausriss Bild-Zeitung - Montag gibt's Fan-Pakete von Lidl, Bild und Bild am Sonntag

Das sei der “erste Knaller dieser Europameisterschaft”, jubelt “Bild”. Es ist auch die Antwort auf die eingangs zitierte Frage der Redaktion, ob jetzt “SCHLUSS” ist mit Billigfleisch: Nee.

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Laschet beschäftigt Koch, “False Balance”, Trumps Deplatforming

1. Laschet engagiert Tanit Koch als Wahlkampfberaterin
(spiegel.de)
Der CDU-Vorsitzende und Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet hat die frühere “Bild”-Chefredakteurin Tanit Koch als Wahlkampfberaterin angeheuert. Sie soll nach dpa-Informationen Laschets Wahlkampfkommunikation leiten und dessen Pressearbeit koordinieren. Koch stand von 2016 bis 2018 an der Spitze der “Bild”-Zeitung, hatte sich jedoch mit ihrem Co-Chefredakteur Julian Reichelt überworfen und war zu RTL gewechselt. Wegen “unterschiedlicher Auffassungen über die künftige Struktur und den weiteren Weg” des Senders laufe ihr Vertrag dort Ende Juni aus.

2. Journalisten sollen einordnen
(deutschlandfunk.de, Marina Weisband, Audio: 4:08 Minuten)
Marina Weisband beschäftigt sich in ihrer aktuellen Kolumne mit dem Phänomen der “False Balance” und dem Schaden, den diese vermeintliche Ausgewogenheit anrichten kann: “Journalisten bemühen sich, alle Aspekte einer Sache zu beleuchten und verschiedene Seiten zu Wort kommen zu lassen – und können im Zweifel zu einer ‘False Balance’ beitragen. Das geschieht, wenn sie einen anderen Teil ihres Jobs vernachlässigen: das Einordnen. Es ist ihre Aufgabe, einzuordnen, wer von wissenschaftlichem Konsens gedeckt ist, wer echte Expertise und Relevanz im Konflikt hat – und wer nur Bücher verkaufen will.”

3. Fair und transparent im digitalen Wahlkampf
(verdi.de, Julia Hoffmann)
Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis fordert die Parteien dazu auf, im Bundestagswahlkampf 2021 die Vorgaben eines “Leitfadens für Digitale Demokratie” einzuhalten. Zu den Unterzeichnern zählen Organisationen wie der DGB, die dju, Reporter ohne Grenzen, Transparency International, LobbyControl, Wikimedia Deutschland und die Stiftung Neue Verantwortung (SNV). Julian Jaursch, Projektleiter “Stärkung digitaler Öffentlichkeit” bei der SNV, erläutert die Vorschläge für einen demokratischen und fairen Digitalwahlkampf.

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4. Anglizismen sind besser als ihr Ruf
(jetzt.de, Leonie Sanke)
Englischsprachige Begriffe in deutschen Sätzen sind bei vielen verpönt, um nicht zu sagen: ein No-Go. Dabei machen sie unsere Sprache einfach nicer, findet Leonie Sanke. Und für alle, die das nicht so sehen, hat sie einen Tipp: “Vielleicht versöhnt es ja manche, die sich um die Reinheit der deutschen Sprache gebracht fühlen, daran zu erinnern, dass englischsprachige Menschen sich auch gerne mal deutsche Wörter ausleihen: ‘Weltschmerz’, ‘Schadenfreude’ oder ‘Hinterland’ zum Beispiel. Tolle Wörter sollten einfach allen gehören.”

5. Trump erreicht nur noch selten die alte Lautstärke
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Die “New York Times” ist der Frage nachgegangen, wie sich das Deplatforming im Fall von Donald Trump ausgewirkt hat. Die Redaktion hat in einer Datenanalyse untersucht, wie Trump vor und nach seiner Sperre seine Botschaften in den Sozialen Medien verbreiten konnte. Markus Reuter fasst die Ergebnisse zusammen und stellt am Ende fest: “Die oft rassistischen, hetzerischen und inhaltlich falschen Botschaften von Trump haben genügend Anlass geboten, die eine Sperrung nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Plattformen rechtfertigen. Trump war vor seiner Sperrung von diesen Regeln ausgenommen und wurde damit anders behandelt als gewöhnliche Nutzer:innen.”

6. Khaby Lame – ein Influencer ohne Filter
(rnd.de, Geraldine Oetken)
Zum Schluss noch etwas leichte Kost: Der 21-jährige Khaby Lame entwickelte sich dank seiner komischen Kurzvideos mit persiflierten Lifehacks binnen kürzester Zeit zum Influencer mit dem weltweit größten Zuwachs. Geraldine Oetken stellt ihn vor.

Wahlforschungs-Debakel, Exodus bei “Tagesschau” und Co., Ärgermacher

1. Ganz weit daneben
(zeit.de, Christian Endt)
Die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt war ein Debakel für einen Großteil der Wahlforschung: Mehrere Institute hatten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und AfD vorhergesagt, am Ende lag die CDU mit mehr als 16 Prozentpunkten vorne. Um festzustellen, wie es zu dieser eklatanten Diskrepanz kam, hat sich “Zeit Online” die Zahlen der Institute etwas genauer angeschaut. Christian Endt vermutet: “Die nachlassende Verlässlichkeit von Umfragen könnte mit dem Erfolg der AfD und der zunehmenden Zersplitterung des Parteienspektrums zusammenhängen. Zugleich fällt es den Demoskopen immer schwerer, Menschen für die Teilnahme an Telefonumfragen zu gewinnen. Außerdem haben die Institute lange auf Festnetzanschlüsse gesetzt und tun sich mit der Verbreitung von Mobiltelefonen schwer”.
Weiterer Lesehinweis: Beim “Spiegel” erklärt der Wahlforscher Rüdiger Schmitt-Beck: “Ostdeutschland ist einfach ein Sonderfall” (spiegel.de, Sophie Garbe).

2. Anja Reschke: “‘Panorama’ muss auch Ärger machen”
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Die ARD-Sendung “Panorama” ist das älteste politische Magazin im deutschen Fernsehen: Sie wird dieses Jahr stolze 60 Jahre alt. Seit zwanzig Jahren wird “Panorama” von Anja Reschke moderiert. Bei “DWDL” spricht Reschke darüber, wie die Sendung auch intern hinterfragt wird, auf welche Erfahrung sie gerne verzichtet hätte und worin sich “Panorama” von anderen Polit-Magazinen unterscheidet.

3. Wenn die Polizei Berichterstattung behindert
(deutschlandfunk.de, Antje Allroggen, Audio: 5:58 Minuten)
Immer wieder werfen Redaktionen der Polizei vor, an der Berichterstattung über Umweltproteste gehindert zu werden, ob im Hambacher Forst, am Steinkohlekraftwerk Datteln oder bei den jüngsten Protesten gegen den Ausbau der Autobahn 100 in Berlin. Dort sollen rund ein Dutzend Medienschaffende eingekesselt und mit Platzverweisen sowie Anzeigen wegen Hausfriedensbruch überzogen worden sein. Wie konnte es dazu kommen? Und wie ist das Vorgehen der Polizei zu bewerten? Darüber hat sich Antje Allroggen mit ihrem Kollegen Sebastian Engelbrecht unterhalten.

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4. Der dezentrale Newsroom
(journalist.de, Kathi Preppner)
Die Corona-Pandemie hat viele Journalistinnen und Journalisten ins Home-Office gezwungen. Die Arbeit von zu Hause wird von ihnen sehr unterschiedlich empfunden: Die einen schätzen sie, den anderen fehlt der direkte Austausch mit den Kollegen und Kolleginnen. Die Medienjournalistin Kathi Preppner hat ein Stimmungsbild eingeholt und geht dabei auch auf die Frage ein, ob und wie sich die redaktionelle Arbeit verändern wird.

5. Exodus bei “Tagesschau” und “Tagesthemen”: Was zieht Linda Zervakis, Jan Hofer und Pinar Atalay zu RTL und Pro7?
(rnd.de, Imre Grimm)
Nach Linda Zervakis und Jan Hofer zieht es mit Pinar Atalay nun das dritte prominente Team-Mitglied von “Tagesschau” und “Tagesthemen” ins Privatfernsehen. Imre Grimm kommentiert: “Drei Abgänge in wenigen Monaten – es ist schon ein vergleichsweise spektakulärer Exodus, den das Team von ‘ARD Aktuell’ verkraften muss. Man darf zweifellos von schwierigen Wochen für das ARD-Nachrichtenteam in Hamburg-Lokstedt sprechen.” Bei der Motivlage der Wechselwilligen vermutet Grimm schlicht zwei Dinge: “Geld und Glamour.”

6. Hildmann-Hetze auf Apple- und Android-Geräten gesperrt
(t-online.de, Lars Wienand)
Seit Dienstag sind sowohl auf Apple- als auch auf Android-Geräten in der Telegram-App bestimmte Inhalte nicht mehr sichtbar. Von den Sperren betroffen ist auch der Kanal von Attila Hildmann (circa 100.000 Abonnenten). Dieser hatte dort über einen beunruhigend langen Zeitraum Hass und Hetze betrieben, Bilder mit Hakenkreuzen gepostet und zum Umsturz aufgerufen. Hildmann soll sich Anfang des Jahres in die Türkei abgesetzt haben.

“Maaagdeburg”, Berliner Polizei in Erklärungsnot, Leistungsschutzrecht

1. Wie Medien ostdeutsche Namen verhunzen
(meedia.de, Tobias Singer)
“‘Maaagdeburg’ – während der Name bei Marietta Slomka immer länger wird, zieht sich bei mir innerlich etwas leicht zusammen. Es ist ein bisschen wie dieses unschön quietschende Kratzgeräusch auf der Tafel. Warum? Die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts wurde rund um die Wahl phonetisch wiederholt gefoltert, nicht nur am Wahlabend im ‘Heute Journal’, das Phänomen begleitete die ganze Wahlkampfphase.” Tobias Singer sind bei der Berichterstattung über die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt einige sprachliche Schnitzer aufgefallen. Böse Absicht, mangelnde Professionalität oder Ignoranz gegenüber dem Osten?
Anne Haeming kommentiert bei “Übermedien” in eine ähnliche Richtung: “Halb fassungslos, halb wütend: Anders konnte ich den gestrigen Abend nicht verfolgen. Als sei in den vergangenen Jahren nichts passiert!”
Weiterer Lesehinweis: Sachsen-Anhalt und die Lehren für Medien: “Ein ZDF-Reporter bezeichnet die AfD als Teil einer ‘konservativen Mehrheit’, Wahlsieger Reiner Haseloff von der CDU kritisiert eine ‘westdeutsche Medienwelt’: Die Wahl in Sachsen-Anhalt legt altbekannte Probleme offen.” (deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 6:18 Minuten)

2. Berliner Polizei gerät in Erklärungsnot
(verdi.de, Helma Nehrlich)
Jörg Reichel, Landesgeschäftsführer der Journalistengewerkschaft dju Berlin-Brandenburg, hat anlässlich der Proteste gegen die Erweiterung der Autobahn 100 etwa 20 Journalistinnen und Journalisten bei ihrer Arbeit begleitet. Reichel ist unzufrieden mit dem Verhalten der Polizei und bezeichnet es als “eine Mischung aus fehlendem Überblick, pressegegnerischer Einstellung und zum Nachteil von Journalist*innen ausgelegter Rechtsprechung”. Seine Forderung: “Es muss auf jeden Fall politisch Druck auf die Berliner Polizei gemacht werden, um presserechtliche Standardfragen etwa auch bei Platzbesetzungen für die Zukunft eindeutig zu klären.”

3. Fake News mit ihren eigenen Waffen schlagen
(de.ejo-online.eu, Roman Winkelhahn)
Viorela Dan vom Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU München hat einen ungewöhnlichen Vorschlag, wie man “Fake News”, Desinformation und Falschmeldungen begegnen könne: Mit Richtigstellungen, die nach demselben Konzept funktionieren sollen wie die Fehlinformationen selbst. Roman Winkelhahn erklärt die unkonventionelle Idee.

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4. Journalismus & Netz | Mai: Facebook News startet in Deutschland: Trau, schau, wem
(blog.torial.com, Alex Sängerlaub & Simon Hurtz)
Was hat sich in Sachen Journalismus und Netz im Mai 2021 getan? Alex Sängerlaub und Simon Hurtz fassen die wichtigsten Diskussionen, Highlights, Entwicklungen und Erkenntnisse zusammen. Lesenswert – auch wegen der verlinkten Quellen und weiterführenden Beiträge.

5. “Das wird vor Gericht gehen”
(deutschlandfunk.de, Audio: 5:27 Minuten, Christoph Sterz)
Deutsche Verlage wollen von den Tech-Giganten wie Facebook und Google Geld für ihre Inhalte. Die Chancen dafür stehen dank des neuen Leistungsschutzrechts eigentlich nicht schlecht, doch die Sache ist knifflig. Der Deutschlandfunk hat sich mit Christoph Schwennicke, Geschäftsführer von Corint Media, einer Art Gema für Verlage, über das weitere Vorgehen unterhalten. Eher skeptisch zeigt sich Urheberrechts-Experte und Rechtsanwalt Till Kreutzer: “Das wird garantiert vor Gericht gehen. Und wenn das vor Gericht geht, dann dauert es halt fünf Jahre, vielleicht zehn Jahre, dann geht das bis zum EuGH und wieder zurück.”
Weiterer Lesehinweis, zwar nicht zum Leistungsschutzrecht, aber zu einem der Protagonisten: Google in Frankreich zu hoher Strafe verurteilt: “Frankreichs Kartellamt hat Google ein Bußgeld von 220 Millionen Euro auferlegt: Das US-Unternehmen habe seine marktbeherrschende Stellung im Anzeigensektor missbraucht.” (zeit.de)

6. Schauspielerin Eva Herzig lehnt Impfung ab
(faz.net)
Die Schauspielerin Eva Herzig (“Steirerkrimi”, ORF & ARD) lehnt die Impfung gegen das Coronavirus ab. Darauf lehnt die Produktionsfirma das weitere Engagement der Schauspielerin ab und lässt das Drehbuch überarbeiten.

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