Archiv für Juli 18th, 2018

Umsatzrechnung von Bild.de ist kein Gewinn

Wenn ein so prominenter und kostspieliger Transfer über die Bühne geht wie der von Fußballer Cristiano Ronaldo zum italienischen Klub Juventus Turin, hört man oft, dass der neue Verein die Ablösesumme doch eh bald wieder drin habe, allein durch Trikotverkäufe. Zu diesem Argument passt diese Geschichte von Bild.de aus der vergangenen Woche:

Screenshot Bild.de - Die Hälfte der Ablöse schon wieder reingeholt - Juve verkauft über 500.000 Ronaldo-Trikots an einem Tag

Nur ist die Schlussfolgerung leider falsch. Der Punkt mit den 500.000 Ronaldo-Trikots mag stimmen Schon der Punkt mit den 500.000 Ronaldo Trikots scheint nicht zu stimmen*. Dass Juventus Turin damit die Hälfte der Ablöse von 112 Millionen Euro schon wieder reingeholt hat, stimmt allerdings nicht. Schließlich gibt es einen Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn.

Die Bild.de-Rechnung ist recht simpel, zu simpel:

Juventus Turin profitiert schon vor Saison-Beginn von seinem neuen Mega-Star Cristiano Ronaldo (33)! In den ersten 24 Stunden nach Bekanntgabe des Transfers sollen die Norditaliener bereits über eine halbe Mio Ronaldo-Trikots verkauft haben. Das berichtet “Yahoo Sport Italy”, spricht von 520 000 verkauften Exemplaren.

Ein Trikot kostet je nach Edition zwischen 84,95 Euro (Kinder) und 144,95 Euro (“Home Authentic Jersey”).

84,95 Euro beziehungsweise 144,95 Euro multipliziert mit 520.000 ergibt 44,17 Millionen Euro beziehungsweise 75,37 Millionen Euro.

Nur: Verkauft Juventus Turin im eigenen Onlineshop ein Trikot für 84,95 Euro oder für 144,95 Euro, bleiben nicht 84,95 Euro oder 144,95 Euro bei Juventus Turin. Die Mehrwertsteuer, die in Italien für Fußballtrikots bei 22 Prozent liegt, geht davon ab. Die Näherinnen und Näher bekommen einen kleinen Anteil. Adidas als Produzent einen größeren. Das Material kostet was. Und so weiter. Wurde das Trikot in einem Sportgeschäft verkauft, bekommt der Händler noch was ab. Am Ende bleibt Juventus Turin zwar ein ordentlicher Betrag pro Trikot, allerdings deutlich weniger als von Bild.de behauptet.

Die Seite Sparwelt.de hatte zur Fußball-Europameisterschaft 2016 mal aufgeschlüsselt, wie sich der Preis für ein Trikot der deutschen Nationalmannschaft zusammensetzt:

Screenshot Sparwelt.de -
(Draufklicken für größere Version)

Mit Dank an Daniel S. für den Hinweis!

*Nachtrag, 19:47 Uhr: Da waren wir wohl etwas zu leichtgläubig. Uwe Ritzer schreibt bei Süddeutsche.de zum Gerücht, dass Juventus Turin bereits am ersten Tag 300.000 oder sogar 500.000 Cristiano-Ronaldo-Trikots verkauft habe: “Alles Quatsch.” Er hat für dieses deutliche Urteil unter anderem mit Leuten von Adidas gesprochen, von dem einer sagt: “‘Kein Verein der Welt kann einen Top-Spieler allein durch Trikotverkäufe finanzieren.'”

Mit Dank an @pukitonator, @ichmeinjanur und Hannes S. für die Hinweise!

Rundfunkbeitrag legal?, Selfie-Forschung, Naidoo und das Gift

1. Ist der Rundfunkbeitrag verfassungskonform?
(sueddeutsche.de, Carolin Gasteiger)
Heute wird in Karlsruhe über vier Verfassungsbeschwerden gegen den Rundfunkbeitrag entschieden. Carolin Gasteiger stellt die Kläger und ihre Beweggründe vor und erklärt, welche Folgen das Urteil haben könnte.

2. “Die großen Sender haben ihr Publikum jahrelang nicht gut behandelt”: Kalkofes bittere Bilanz der vergangenen zehn Fernsehjahre
(meedia.de, Nora Burgard-Arp)
Bei “Meedia” zieht Oliver Kalkofe Bilanz der vergangenen zehn Fernsehjahre und rechnet mit den Fernsehsendern ab: “Die großen Sender haben ihr Publikum jahrelang nicht gut behandelt — und das zahlt sich jetzt zurück. Die Zuschauer wechseln zu den Streamingdiensten. Das heißt, die Fernsehanstalten müssen sich jetzt besinnen und anfangen, auch inhaltlich anders zu denken. Erfolg neu definieren, und zwar nicht mehr nur über diese imaginäre, nicht existente Quote, die einfach nur ein Schätzwert ist und die auf einem Fernsehverhalten basiert, das in dieser Form seit 30 Jahren nicht mehr existiert. Nur dann haben sie eine Chance.“

3. Man muss das Gift benennen
(spiegel.de, Andreas Borcholte)
Das Landgericht Regensburg hat einer Klage des Mannheimer Popsängers Xavier Naidoo stattgegeben, mit der dieser sich gegen eine Äußerung wehrte, nach der er Antisemit sei (“das ist strukturell nachweisbar”). Andreas Borcholte kommentiert die Entscheidung: “Xavier Naidoo darf nicht Antisemit genannt werden, obwohl seine Texte antisemitische Klischees enthalten. Zu den Risiken und Nebenwirkungen muss man keinen Arzt oder Apotheker befragen, um zu ahnen, dass mit dieser juristischen Dialektik viel Spielraum für all jene entsteht, die in ihren Songtexten oder sonstigen Kunstwerken mit Ressentiments, kruden Theorien und Hass zündeln wollen.”

4. Jeder ist abhängig vom Rechts­staat
(lto.de, Klaus F. Gärditz)
In einem Gastbeitrag für “Legal Tribune Online” beschäftigt sich der Jurist Klaus F. Gärditz mit dem Phänomen der Justizverweigerung als mediale Selbst-Inszenierung. Aus politischem Opportunismus würden gerichtliche Entscheidungen ignoriert. Dies untergrabe das institutionelle Vertrauen in die Institutionen des Rechtsstaats, von deren Funktionieren im Ernstfall alle abhängig seien.

5. UN müssen Journalisten retten
(reporter-ohne-grenzen.de)
Mehrere Dutzend Journalisten sitzen im Südwesten Syriens auf der Flucht vor der Regierungsarmee fest: Die Grenze zu Israel ist geschlossen, Jordanien nimmt keine syrischen Flüchtlinge mehr auf und der Grenzübergang zu Jordanien ist seit Anfang des Monats unter Kontrolle der syrischen Armee. “Die UN und die Nachbarländer müssen sofort die Evakuierung der 69 eingeschlossenen Journalisten in die Wege leiten”, so ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. “Jede Stunde zählt. Den Journalisten droht Lebensgefahr, wenn sie in die Hände der Regierungstruppen gelangen.”

6. Die Macht des Selfies
(deutschlandfunk.de, Stefan Koldehoff, Audio, 5:22 Minuten)
Die Wissenschaftlerin Kristina Steimer leitet das neugegründete Selfie-Forschungsnetzwerk in München, das an das Zentrum für Ethik der Medien und der digitalen Gesellschaft angegliedert ist. Das Selfie sei mehr als ein Produkt narzisstischer und aufmerksamkeitssüchtiger Millennials: “Ich glaube, dass diese Zuschreibung eher eine Art von Kapitulation ist, vor der Komplexität und Unüberschaubarkeit des Selfie-Phänomens.” Mit dem “Deutschlandfunk” hat Steimer über die verschiedenen Aspekte der Selfie-Forschung gesprochen.