Archiv für Februar 28th, 2008

Journalismus mit PR-Antrieb

Wir haben in folgender Grafik einmal all das zusammengefasst, was heute in der “Bild”-Zeitung über die angeblich drohende Gefahr von tagelangen Stromausfällen im Sommer steht:

Dabei hätte es soviel zu erzählen gegeben, nicht zuletzt wegen “Bild”. Das Blatt hatte gestern nämlich dem RWE-Chef Jürgen Großmann eine halbe Seite Platz geschenkt, auf der er — ungestört von fachkundigen Nachfragen — für den verstärkten Bau insbesondere von Braunkohle- und Atomkraftwerken werben konnte. Andernfalls drohten im Sommer “mehrtägige Stromausfälle”. Die “Bild”-Zeitung malte sich und ihren Lesern gleich mal aus, was das bedeuten würde: kaum Züge, keine Tankstellen, keine Waschanlagen, kein Licht, kein Warmwasser, kaum Operationen, keine Ampeln, keine Bohrmaschinen. Das to-ta-le Chaos.

Mehr zum Thema


im “Klima-Lügendetektor” von “Greenpeace Magazin” und wir-klimaretter.de: “Wie BILD und RWE Ängste schüren”.

Das “Bild”-Interview fand große Aufmerksamkeit. Großmanns Warnungen wurden von den Nachrichtenagenturen dpa und Reuters, AFP und AP verbreitet. Aber je weiter der Tag fortschritt, um so mehr Widerspruch und Zweifel an Großmanns Thesen wurde laut. Das Bundesumweltministerium erklärte, es sehe keine Gefahr von Stromengpässen und verwies darauf, dass es bei uns keine Stromlücke gebe, sondern im Gegenteil Deutschland Stromexporteur sei. Der Bundesverband der Energieverbraucher kritisierte Großmanns Äußerungen als “politisch motivierten Theaterdonner”, das Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung als “Panikmache”. Greenpeace und wir-klimaretter.de verwiesen darauf, dass in den vergangenen Jahren “erheblich mehr Erzeugungskapazitäten ans Netz gingen als zeitgleich stillgelegt wurden” und warnten, dass Großkraftwerke, wie Großmann sie fordere, “wegen ihres immensen Bedarfs an Kühlwasser die ersten sind, die in trockenen Sommern abgeschaltet werden müssen”.

Nachdem “Bild” gestern so unkritisch die Lobby-Arbeit für RWE erledigte, hätte die Zeitung heute immerhin die andere Seite der Geschichte nachreichen können, um nicht den Eindruck zu erwecken, sich als Sprachrohr für die großen Konzerne missbrauchen zu lassen. Andererseits: Wenn man sich als Sprachrohr für die großen Konzerne missbrauchen lassen will, ist es natürlich konsequent, auf Informationen zu verzichten, die die Leser nur unnötig verwirren.

6 vor 9

«Blick ist die erste visuelle Zeitung» (+)
(werbewoche.ch, René Worni)
Im Gespräch erläutert Daniel Pillard, Leiter von Ringier Schweiz ad interim, was er sich vom neuen Blick erhofft, wie er seine Mannschaft drillen lässt und weshalb eine Formatveränderung das Dessert nach dem Hauptgang wäre.

Der Blogger-Schreck
(sueddeutsche.de, Stephan Weichert, Leif Kramp und Alexander Matschke)
Trotz digitaler Trends hat sich der Herausgeber Tyler Brûlé mit seinem Magazin Monocle durchsetzen können: Im Interview spricht er über seine trickreichen Print-Strategien.

«Ich möchte grosszügiger mit mir werden»
(schweizerfamilie.ch)
Er hat in seiner Karriere erreicht, was andere in fünf Leben nicht schaffen. Roger Schawinski erzählt, was ihn antreibt, wieso ihn Nichtstun tödlich langweilt und welchen Geist er vorleben will – auch mit Radio 1.

Hugo Egon Balder: “Mir fehlen die Spielwiesen”
(derwesten.de, Jürgen Overkott)
Sat.1 hat dem ZDF ein Schnippchen geschlagen. Beide Sender suchen Musicalstars. Und die Berliner starten zuerst – am Freitag, 20.15 Uhr, mit der zehnteiligen Castingshow “Ich Tarzan, Du Jane”. Ein Gespräch mit Sat.-Moderator Hugo Egon Balder.

SPD-Kurswechsel – Das Mediendebakel des Kurt Beck
(ndr.de, Video, 12:23 Minuten)
Sie trafen sich im piekfeinen Restaurant “Parlament” in Hamburg – sechs Tage vor der Wahl: Kurt Beck, Michael Naumann, Günter Grass und sechs Journalisten. In der vertraulichen Runde plauderte Beck auch über die Möglichkeit, Andrea Ypsilanti in Hessen mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Ein Journalist der Runde berichtete über das, was eigentlich vertraulich bleiben sollte. Die Hamburger SPD geriet so kurz vor dem Urnengang unter Druck und die Bundes-SPD erlebte ihr mediales Desaster. Zapp über vertrauliche Hintergrundgespräche und die Folgen für die Hamburg-Wahl.

NZZ zieht Artikel über Ospel zurück
(cash.ch)
Die NZZ schrieb kritisch über Ospel. Jetzt wurde der Artikel vom Archiv entfernt.

Sachverstand im Heck

Sonderlich viel hat Bild.de über den neuen Maserati GranTurismo S ja nicht zu berichten:

(…) In die Vollen gegangen ist Maserati beim Motor: Der Achtzylinder im Heck hat nun 4,7 Liter Hubraum und leistet 440 PS (GT: 405 PS).

Neu ist auch das elektrisch geschaltete Getriebe an der Hinterachse.

Die Fahrleistungen des Maserati GT S bleiben bis zum Autosalon (6.-16. März) noch Geheimsache.

Wie geheim die Fahrleistungen waren, als Bild.de sie zur “Geheimsache” machte, zeigt beispielhaft ein Blick auf die italienische Website autoblog.it. Dort ließen sich bereits einen Tag vor Veröffentlichung des Bild.de-Artikels Details zu Bremssystem, Beschleunigung, Höchstgeschwindigkeit nachlesen — und der (verlinkte!) Hinweis, dass all das auch auf der offiziellen Maserati-Website nachgelesen werden könne.

Nirgends außer auf Bild.de findet sich indes die Aussage, dass sich der Achtzylinder beim GT S “im Heck” befinde. Woran das wohl liegt?

Mit Dank an Gerold für den Hinweis.