Archiv für Februar 21st, 2008

Müller-Vogg verharmlost Steuerhinterziehung

"Gregor Gysi kann sich nicht so gut erinnern"

Unter dieser Überschrift schreibt “Bild”-Kolumnist Hugo Müller-Vogg (der schon gestern fand, “SED/PDS soll vor der eigenen Tür kehren”) darüber, dass die Linke “auf Wolke sieben” schwebe wegen jüngster Umfrageergebnisse. Die “geben ihr bundesweit 12 Prozent”, und in Hamburg, wo am kommenden Sonntag gewählt wird, “winkt der Einzug ins zehnte Landesparlament”.

Grund genug für Müller-Vogg, Gregor Gysi mit Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel zu vergleichen, dem vorgeworfen wird, eine Million Euro an Steuern hinterzogen zu haben, indem er Teile seines Vermögens in eine Stiftung nach Liechtenstein verschob. Und was hat Gysi nun wieder Schlimmes angestellt, werden Sie sich vielleicht fragen? Er “nennt die Entdeckung der Schwarzgeldkonten ‘Offenbarungseid der reichen Eliten'”. Und Müller-Vogg meint dazu:

Seinen eigenen Offenbarungseid hat Gysi freilich 2002 geleistet, als er in der Bonusmeilen-Affäre vom Amt des Berliner Wirtschaftssenators zurücktrat. Gleich neun private Flüge hatte der damalige PDS-Bundestags-Abgeordnete auf Kosten des Steuerzahlers gebucht: (…). Öffentlich räumte Gysi damals seinen Fehler ein. “Sicherlich kein dramatischer Vorgang”, redete er gleichzeitig die Affäre schön. “Sicherlich kein dramatischer Vorgang”, das könnte auch Klaus Zumwinkel gedacht haben, als er einen Teil seines Vermögens nach Liechtenstein verschob.

Gysis Rücktritt
Gregor Gysi gab Ende Juli 2002 zu, in den Jahren 2000 und 2001 Bonusmeilen privat genutzt zu haben, “insbesondere für meine Angehörigen”. Damit habe er einen Fehler begangen, “den ich mir nicht verzeihen will” und der ihm gezeigt habe, “dass ich mich entfernt habe von meinen Wählerinnen und Wählern, dass ich begonnen habe, Privilegien als Selbstverständlichkeit hinzunehmen, (…) dass ich dabei bin, so zu werden, wie ich nicht werden wollte, verbunden mit einem Verlust an Ansehen und Glaubwürdigkeit.” Die Tatsache, dass nicht einmal Vertreter der Berliner Opposition seinen Rücktritt forderten, habe ihm erleichtert, eine “selbstbestimmte Entscheidung” zu treffen.

Nun mag man ja die private Nutzung von dienstlich erworbenen Bonus-Meilen durch Abgeordnete für verwerflich halten. Diesen Vorgang aber mit schwerer Steuerhinterziehung auf eine Stufe zu stellen, ist ähnlich gewagt, wie schweren Diebstahl dem Falschparken gleichzusetzen.

Steuerhinterziehung gilt Müller-Vogg Manchem zwar offenbar als Kavaliersdelikt, tatsächlich handelt es sich aber um eine Straftat, die in besonders schweren Fällen (und um einen solchen würde es sich bei Zumwinkel wohl handeln) mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bestraft werden kann. Die private Nutzung von dienstlich erworbenen Bonus-Meilen hingegen verstößt (nur) gegen Richtlinien des Bundestages.

Deshalb wurde Gysis Rücktritt im Jahr 2002 auch von vielen Politikern (nicht nur von SPD und Linkspartei) als überzogen beurteilt. Der Berliner FDP-Vorsitzende Günter Rexrodt vermutete damals in der “FAZ”, die Bonusmeilen-Affäre sei nur ein Vorwand für dessen Rücktritt gewesen. Der damalige Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber, sagte, Gysis Rücktritt sei zwar ein “konsequenter Schritt”, ob er jedoch angemessen sei, müsse er selbst beurteilen. Nicht mal die Berliner Opposition hatte Gysis Rücktritt gefordert. Der damalige Vorsitzende der Berliner Unions-Fraktion, Frank Steffel sagte, er wolle nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen.

Wolf schneidert sich ins eigene Fleisch

Anlässlich des heutigen “Internationalen Tags der Muttersprache” hat “Bild” ein Interview mit dem Sprachkritiker Wolf Schneider geführt.

Schneider, der “Bild” in seinen Büchern gerne für die “kurze, klare Sprache” lobt, nennt in dem Interview Beispiele für englische Begriffe im deutschen Sprachgebrauch:

BILD: Fordert die Internationalität von Großunternehmen nicht englische Fachausdrücke? Schneider: (...) Wo es Landesgesetze verlangen, wird in die Landessprache übersetzt. Warum nicht auch hier? Dass die Deutsche Post ihre deutsche Pressestelle im deutschen Bonn "Central Editorial Team" nennt, ist kein Ausdruck von Internationalität, sondern einfach nur dämlich.

Zwar gibt es bei der Deutschen Post tatsächlich ein “Central Editorial Team”; es ist aber als Unterabteilung der “Internen Kommunikation” (die ihrerseits eine Unterabteilung der “Konzernkommunikation” ist) für englischsprachige Mitarbeiterkommunikation zuständig, wie man uns in der Pressestelle der Deutschen Post auf Anfrage erklärte.

6 vor 9

Hektik im Blätterwald – Journalisten jagen Steuersünder (Tipp)
(ndr.de, Video, 7:49 Minuten)
Zumwinkel-Razzia wurde von Montag auf Donnerstag vorgezogen – für die Medien.

Kassenfurz
(blogs.radio24.ch/christoph)
Gestern Dienstag habe ich wohl den lächerlichsten ?Kassensturz?-Beitrag der letzten Jahre gesehen: ?Werbespots: Schwindel mit unechten Kunden?. Dabei zeigten die Journis vom Schweizer Farbfernsehen anhand des TV-Spots der Krebsliga auf, wie wir Kunden ?getäuscht werden?.

Generation Netz-Naiv
(telepolis.de, Stefan Weber)
Zweifelhafte Informationen in einem Bestseller und ein vermutliches Plagiat im Spiegel verweisen auf den schmalen Grat zwischen schlechter Internet-Recherche und Plagiat.

“Danke für den Spam!”
(zeit.de, Torsten Kleinz)
Mit einer ungeschickten Internetkampagne versuchte die Hamburger FDP vor den Bürgerschaftswahlen zu punkten. Statt Interesse erntet sie Spott – und eine Abmahnung vom Anwalt.

Intimes der Baumstammwerferin
(taz.de, Ilija Trojanow)
Schmerzensgeld ist ein ziemlich hilfloser Versuch, die Härten des Lebens auszugleichen.

Kummer, Kracht und das Copy-Shop-Feeling bei »Tempo«
(umblaetterer.de, Marcuccio)
“Mein erster Gedanke beim Betreten der Redaktionsräume war dieser: Habe ich mich im Eingang geirrt? Hier sah alles wie in Copyland aus.”