Archiv fü 2006

Goldfische würden Video-Spiele schenken

Kindern sollte man statt Video-Spielen einen Goldfisch im Glas schenken. Echtes Leben zu betrachten ist spannender als virtuelles“Bild am Sonntag”-Kolumnist Wolfgang Joop hat heute eine schöne Empfehlung für rat- und geschenklose Eltern: einen “Goldfisch im Glas” (Ausriss rechts).

Was Goldfische von diesem Rat halten, kann man dem abgebildeten Exemplar deutlich von den Lippen ablesen: Virtuelles Leben zu quälen ist besser als echtes. An einem Goldfischglas ist für sie ungefähr alles entsetzlich (die Enge, die fehlenden Rückzugsmöglichkeiten, der geringe Gasaustausch, der fehlende Wasserfilter, der verzerrte Spiegel-Effekt, die Temperaturschwankungen, die fehlende Abdeckung). In Deutschland ist die Haltung von Goldfischen in Goldfischgläsern deshalb verboten in der Regel nicht zulässig. Sie brauchen mindestens ein 200-Liter-Aquarium (das entspricht locker 16 Goldfischgläsern), um sich wohlzufühlen.

Danke an Theo H.

Bild.de im freien Fall

Unter der Überschrift “84 Prozent Gefälle! Die steilsten Skipisten für Kamikazewedler” zeigt man derzeit bei Bild.de mal wieder, dass man keine Ahnung hat. Wir zitieren:

Laber-Nordhang, Harakiri-Piste und Co.: Wer hier wedelt, braucht starke Waden. Und jede Menge Mut. Denn steile Abhänge mit Gefällen von bis zu 84 Prozent verursachen sogar beim größten Pistenproleten noch Nervenflattern. Garantiert!
(…) Die steilste aller Pisten liegt in Deutschland. Nahe des beschaulichen Ortes Oberammergau in Bayern erhebt sich der Berg Laber. Sein Nordhang ist berüchtigt. Mit einem Gefälle von 84 Prozent rasen die mutigen Wedler gen Tal, als befänden sie sich auf einer Sprungschanze. Fast senkrecht geht der Abhang in die Tiefe.

Rasant geschrieben. Und wenn man keine Ahnung hat (zur Illustration aber ein im Original gewagt verdrehtes und von Bild.de offenbar zusätzlich zurechtmontiertes PR-Foto eines Tourismusunternehmens verwendet), könnte man so ein “Gefälle von 84 Prozent” tatsächlich für “fast senkrecht” halten.

Um allerdings zu zeigen, wie “senkrecht” so ein “84 Prozent”-Abhang wirklich ist, hier unser alternativer Illustrationsvorschlag:

Mit Dank an Roland L., Frank S., Oliver S., Wikipedia und Andreas G. für den Link zum Steigungskonverter.

Totales Pensions-Durcheinander bei “Bild”

Die Regelungen zu den Pensionsansprüchen von Politikern sind aber auch wirklich verflixt kompliziert. Wer steigt da eigentlich noch durch? Wir kennen jemanden, der es offensichtlich nicht tut: Dirk Hoeren. Das ist, gelinde gesagt, ungünstig. Hoeren fungiert bei “Bild” nämlich als eine Art Experte für das Thema Politikerpensionen.

Aber der Reihe nach: Gestern fand sich diese Schlagzeile auf Seite 1 der “Bild”-Zeitung:

"Der nächste gierige: Eichel will 7000 euro mehr Pension!"

Und im dazugehörigen Text auf der Seite zwei, für den neben Dirk Hoeren auch noch zwei weitere Autoren verantwortlich waren, wurde “Bild” noch genauer:

Mit Klagen vor dem Verwaltungsgericht Kassel will der hessische SPD-Bundestagsabgeordnete [Hans Eichel] sich jetzt zusätzliche Pensionsansprüche sichern: insgesamt 7626 Euro!

"Spar-Eichel ist jetzt Gier-Eichel"Und als wollte “Bild” sichergehen, dass auch ja niemand diesen Teil übersieht, hieß es etwas später über die 7626-Euro-Klagen:

Bei den Klagen geht es Eichel um zusätzliche Pensionsansprüche. Denn schon heute stehen ihm mehrere Pensionen zu.

Diese “Bild”-Berichterstattung hat nun für einigen Wirbel gesorgt, wie “Bild” heute zutreffend schreibt:

"Riesen-Wirbel um Pensions-Prozess"

Einleitend heißt es:

Totales Pensions-Durcheinander bei Ex-Finanzminister Hans Eichel (64).

Bemerkenswert an dem heutigen Artikel von Dirk Hoeren ist, dass plötzlich nirgendwo mehr auftaucht, was noch einen Tag zuvor so groß auf der Seite 1 stand: Kein Wort davon, dass Eichel vor Gericht über 7000 Euro zusätzliche Pension erstreiten wolle. Auch nennt “Bild” Hans Eichel heute gar nicht mehr “Gier-Eichel”.

Wie kommt’s? Die “Bild”-Titelgeschichte über Eichels Klagen war offenbar falsch. Der heutige “Bild”-Artikel basiert in weiten Teilen auf einer Pressemitteilung Hans Eichels von gestern, deren Inhalt zusammengefasst in etwa so lautet: “Bild” lag voll daneben. Denn:

Bei diesen Klagen geht es also nicht um eine zusätzliche Pension von 7626.-€ sondern um die Klärung, wer welchen Pensionsanteil zu tragen hat.

Das kann man auch aus dem heutigen Artikel herauslesen. Obwohl “Bild” sich mal wieder alle Mühe gibt, zu verschleiern, dass es sich dabei eigentlich um eine Korrektur handelt. So heißt es im Text:

Der SPD-Politiker bestätigte gestern, dass er beim Verwaltungsgericht Kassel zwei Klagen eingereicht hat (BILD berichtete), um die Höhe seiner Polit-Pensionen feststellen zu lassen!

“Bild” verschweigt allerdings, dass das so ziemlich das Einzige ist, was Eichel an dem “Bild”-Bericht bestätigte. Schon der erste Satz seiner Pressemitteilung lautet:

Die Behauptung in der Bild-Zeitung am 14.12.2006, ich strebe mit meinen Klagen vor dem Verwaltungsgericht Kassel gegen das Land Hessen und gegen die Stadt Kassel die Zahlung einer zusätzlichen monatlichen Pension von insgesamt 7.626,00 € an, ist falsch.

Und auch den letzten Satz sucht man in “Bild” vergebens:

BILD hat wider besseres Wissen die heutige falsche Darstellung gebracht, ich werde deshalb presserechtlich dagegen vorgehen.

Ob Dirk Hoeren und seine Kollegen es wirklich besser wussten, können wir nicht beurteilen. Es erscheint uns aber durchaus vorstellbar, dass sie schlicht und einfach keine Ahnung haben.

Viele sind besser

wenige — manche — einige — mehrere — viele… Die deutsche Sprache kennt eine ganze Reihe Wörter, mit denen sich nicht genauer bezifferte Mengenangaben machen lassen. Das ist insofern ganz praktisch, als man durch die Wahl des entsprechenden Wortes zumindest ungefähr andeuten kann, wie groß die Menge ist.

Heute morgen um kurz nach 8 Uhr hat eine U-Bahn in Frankfurt einen Müllwagen gerammt, die Nachrichtenagentur dpa berichtete über den Unfall bereits um kurz vor 9 Uhr und vermeldete “mehrere Verletzte”. Und darum steht es so auch seit “08:51 Uhr” im “News-Ticker” von Bild.de:

Im Frankfurter Stadtteil Eckenheim ist eine U-Bahn mit einem Müllwagen zusammengestoßen. Dabei wurden mehrere Menschen verletzt.

Doch das ist für Bild.de kein Grund, die Nachricht nicht mit folgender, dramatischer Überschrift unzubieten:

PS: Gegen 9.30 Uhr haben die Polizei und andere Nachrichtenagenturen die “mehreren Verletzten” der dpa-Meldung dahingehend präzisiert, dass “der U-Bahn-Fahrer als auch der Fahrer des Müllwagens leicht verletzt” wurden, sonst aber “nach ersten Erkenntnissen” niemand. Mit anderen Worten: “Mehrere” waren es, “viele” nicht. Bild.de bleibt dennoch bei seiner Darstellung.

Mit Dank an Mephon für den Hinweis.

Nachtrag, 13.13 Uhr: Bild.de hat die “U-Bahn rammt Müll-Laster”-Meldung von “08:51 Uhr” aus dem “News-Ticker” entfernt.

6 vor 9

 

Eingeklemmtes Aushängeschild
(taz, Silke Burmester)
Der Schriftsteller Joseph von Westphalen schreibt im Playboy die Kolumne “Augenblick”.
(Playboy 01.07, Artikel nicht online verfügbar.)

Steinbrück ist meine letzte Hoffnung
(Tagesspiegel Online, Markus Ehrenberg)
Moderator Helmut Pfleger über den missachteten Fernsehsport Schach, “Deep Fritz” und Stefan Raab.

Bild.T-Online startet Zeitung in «Second Life»
(Werbewoche)
Am 21. Dezember lanciert Bild.T-Online eine eigene Zeitung in der virtuellen Internet-Welt «Second Life» – kostenpflichtig.
(Die Website existiert auch schon, aber noch auf “Coming Soon”.)

Inside Spiegel Online
(SpiegelKritik, Julia Seeliger)
Julia Bönisch hat während ihres Studiums vier Monate lang als Praktikantin bei Spiegel Online gearbeitet und ihre Erfahrungen und Erlebnisse in einem Buch niedergeschrieben.

Hässlich, unzivilisiert und böse
(sueddeutsche.de, Stefan Holtel & Konrad Buck)
Der Internet-Pionier, Künstler und Gegenwartsphilosoph Jaron Lanier gilt als härtester Kritiker der anschwellenden Euphorie über das Web 2.0. Er sagt, das neue Internet führt ohne Individualität über kurz oder lang statt zu kollektivem Fortschritt zu einer neuen Form von digitaler Unterdrückung.

Wissenschaft als Web-Sampling
(Telepolis, Stefan Weber)
An Universitäten ist eine Textkultur ohne Hirn entstanden. Die neue Textkultur führt systematisch zu Texten, die nicht selbst geschrieben wurden und auch nicht von anderen gelesen werden.
(Artikel ist Teil 3 einer Serie. Teil 1: Textueller Missbrauch, Teil 2: Die abschreibende Zunft).

“Riesen-Zoff um Unterhalt”: Jetzt spricht Bohlen

Es ist schon einen Monat her. Dieter Bohlen war noch nicht überfallen worden, hatte es aber trotzdem auf die Titelseite der “Bild am Sonntag” geschafft. In einem faktenarmen, suggestiven Artikel berichtete die “BamS” über einen angeblichen “Riesen-Zoff um Unterhalt” und schrieb:

“Der Pop-Produzent äußerte sich (…) nicht zu dem Fall.”

Jetzt hat er’s doch getan.

Obwohl er am vergangenen Montag überfallen wurde und Bild.de bereits drei Stunden nach dem Überfall als Allererstes berichten durfte, findet sich dort heute — zusätzlich zu den großen “Überfall auf Bohlen”-Ankündigungen (siehe rechts) — auch noch ein etwas kleinerer Teaser mit Bohlens Namen:

"13.12.2006 - Gegendarstellung: Dieter Bohlen"

Bild.de hatte nämlich (ganz ähnlich wie die “Bild am Sonntag” damals) bei besagtem “Riesen-Zoff”-Artikel einfach so die (verkürzte) grundsätzliche Einschätzung irgendeines “BamS”-Experten derart neben ein Foto von Dieter Bohlen montiert, dass sie aussah wie ein wörtliches Bohlen-Zitat.

Und deshalb stellt Bohlen nun auf Bild.de fest:

“Etwas Derartiges habe ich weder
wörtlich noch sinngemäß je gesagt.”

BILDblog-Leser wissen das schon länger. Jetzt wissen’s auch die Bild.de-Leser. Ob und wann die “BamS”-Leserschaft davon erfährt, bleibt abzuwarten. Und warum der beanstandete Bild.de-Teaser noch immer online ist, weiß wahrscheinlich nur Bild.de selbst.

6 vor 9

“Vieles wird vom Boulevard geprägt”
(FR online, Wolfgang Hettfleisch)
Der Ausschluss von Journalisten bei Sportvereinen spiegelt die verschärften Bedingungen des Mediengeschäfts.

Yahoo und Reuters kooperieren
(HORIZONT, D. Rasshofer)
Der US-Internkonzern Yahoo und die britische Nachrichtenagentur Reuters starten das Gemeinschaftsprojekt “You Witness” – auf Deutsch: Du bist Zeuge.

Roger Köppel ist “Journalist des Jahres”
(persoenlich.com)
Eine Jury des Branchenmagazins “Schweizer Journalist” (Artikel online nur als Thumbnails einsehbar) vergab zum zweiten Mal ihre Preise für “die besten Journalistinnen und Journalisten”. Roger Köppel wurde für seine aussergewöhnlichen Leistungen in der Deutschschweiz in diesem Jahr ausgezeichnet.

Die hundert besten Sites
(FACTS ONLINE)
Nützliches und Sehenswertes – die Tipps der FACTS-Redaktion.
Facts wie 1997… Mit Wikipedia!

Bildblog im Abo
(Bildblog)
Seit gestern gibt es BILDblog im Abo für 12 Euro pro Jahr. Die Gegenleistung ist ein BILDblog-Abonnentenausweis 2007.

Überflüssiger Wirbel um Forresters iTunes Store-Bericht
(fscklog, Leo)
Aus einer kleinen Studie wird ein Medienereignis, wenn Jounalisten herauslesen wollen, dass die iTunes-Umsätze rückläufig seien, so wie hier. Die Blogs sind bereits einen Schritt weiter in der Analyse der Zusammenhänge. (pho)

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