Archiv für Juni, 2006

Peter Hahne denkt zu viel

Paul McCartney wird heute 64, und Peter Hahne hat sich dazu in der “Bild am Sonntag” mal ein paar “Gedanken am Sonntag” gemacht. Zum Beispiel diesen hier:

1967 stürmten die “Beatles” mit “When I’m Sixty-Four” weltweit die Hitparaden.

Leider falsch gedacht, Herr Hahne. Die “Beatles” haben “When I’m Sixty-Four” nämlich nie als Single veröffentlicht und deshalb auch nie die Hitparaden damit gestürmt. Nicht in Deutschland, nicht in Großbritannien, nicht in den USA und also schon gar nicht weltweit.

Schwer nachvollziehbar ist auch dieser Sonntags-Gedanke über Paul McCartney:

Ohne dieses verrückte Viertel jener legendären “Fab Four” hätten wir nicht Songs wie “All You Need Is Love” oder “Give Peace A Chance”.

Dabei wurde “All You Need Is Love” von John Lennon geschrieben, und McCartneys Anteil daran war wohl eher gering bis nicht vorhanden. Und wieso Hahne denkt, dass wir “Give Peace A Chance” ohne McCartney nicht hätten, ist gänzlich unklar. Das Lied ist ja nicht mal von den “Beatles”, sondern die erste SoloSingle von John Lennon. Ebensogut könnte man also sagen, ohne McCartney hätten wir den George-Harrison-Hit “Give Me Love (Give Me Peace on Earth)” nicht. Aber wahrscheinlich brauchte Hahne einfach zwei Songs, die Liebe und Frieden im Titel tragen, und das waren die ersten, an die er gedacht hat. Und so irgendwie hat er ja auch recht.

Mit Dank an Daniel T., Klaus S. und Philip W. für den Hinweis.

Nachtrag, 25.6.2006: Zumindest eine der Unstimmigkeiten aus Hahnes Text wird heute in der “Korrektur”-Rubrik der “BamS” korrigiert. Dort heißt es über “Give Peace a Chance”:

“Richtig ist, daß der Song nicht von den ‘Beatles’, sondern im Juli 1969 von John Lennon und seiner ‘Plasic Ono Band’ herausgebracht wurde.”

Kurz korrigiert (118-119)

Übrigens: Anders als Bild.de am Ende des Textes über die Gerry Weber Open schreibt, wäre ein Sieg beim morgigen Finale des Tennisturniers nicht Roger Federers 40. Sieg auf Rasen in Folge, sondern sein 41. Womit er immerhin tatsächlich Björn Borgs “Uraltrekord” einstellen würde.

Völlig daneben liegen die Leute von Bild.de allerdings, wenn sie über Federer schreiben:

Da würden sich die Veranstalter sicher freuen, wenn sie diese Summe alleine an den Sieger verteilen könnten. Tatsächlich ist jedoch das gesamte Turnier bloß mit 680.250 Euro dotiert, wie man auf der Internetseite des ATP nachlesen kann. Der Sieger erhält davon lediglich 96.000 Euro.

Mit Dank an Toni für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 18.6., 0.09 Uhr: Der Tennisbeauftragte von Bild.de hat die Fehler mittlerweile korrigiert.

“Bild” verleumdet Sozialarbeiterin (2)

“Im Fall der Kreuzberger Sozialarbeiterin Fatma Celik, die laut Bild-Zeitung eine von einem Schüler geschlagene Lehrerin in der taz ‘verhöhnt’ haben soll, hat das Berliner Landgericht dem Axel Springer Verlag untersagt, diese Behauptung weiter zu verbreiten. Zudem muss die Zeitung eine Gegendarstellung veröffentlichen, wie Celiks Anwalt Johannes Eisenberg gestern mitteilte.”

(Zitiert aus der “taz” vom 16.6.2006, Link von uns.)

Der Kern unserer Erde besteht aus purem EISEN

Zugegeben, unsere Überschrift klingt nicht sehr spannend. Ist ja auch schon lange bekannt. Wie wär’s also mit “Forscher berechnet die Menge des Goldes im Erdkern”? Auch nicht knackig genug? “Das goldene Herz der Erde”? Nein?

Dann vielleicht so:

Jedenfalls steht’s so unübersehbar in der heutigen “Bild”. Und klingt natürlich viel besser. Ist dafür aber Quatsch.

Der Kern der Erde besteht nach wie vor zu sehr großen Teilen aus Eisen – der innere und feste Kern fast vollständig, der äußere und flüssige zu großen Teilen. Daneben finden sich in letzterem auch einige andere Elemente. Nickel vor allem. Und sogar ein bisschen Gold. Ganz aus Gold, wie übrigens auch die “Bild”-Illustration und Bild.de suggerieren, ist der Kern nicht.

Unfreiwilliger Urheber der “Bild”-Sensation ist der Wissenschaftler Bernard Wood. Der hat nämlich in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift “Nature” ein Modell veröffentlicht, wie der eisenhaltige Erdkern entstanden sein mag — und nebenbei auch die Anteile anderer Metalle berechnet. Diesbezüglich kam Wood unter anderem zu dem Schluss:

“99 Prozent allen Goldes steckt im Kern der Erde.”

Und diesen Kernsatz hat “Bild” zwar offensichtlich nicht kapiert, aber dafür wenigstens korrekt zitiert.

Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber.

Jetzt XII

Hat da etwa jemand auf der Suche nach einer geilen Story für Bild.de ein bislang noch ungelesen auf seinem Schreibtisch herumliegendes Exemplar der Zeitschrift “PM Fragen & Antworten” durchgeblättert? In der Mai-Ausgabe des populärwissenschaftlichen Magazins heißt es nämlich:

“Onanie wirkt sich offenbar positiv auf die Gesundheit aus. Jedenfalls stellte jetzt das australische Forscherteam um Graham Giles vom Cancer Council Victoria in Melbourne fest: Bei Männern, die im Alter von 20 bis 30 mehr als fünfmal pro Woche onanierten, reduzierte sich das Risiko von Prostatakrebs um ein Drittel.”
(Hervorhebung von uns.)

Und ähnlich steht’s jetzt, also einen Monat später, groß angekündigt (und mit Datum von heute) auch bei Bild.de:

“Mediziner bestätigen jetzt: Sex beugt auch gefährlichen Krankheiten vor.

Ein Forscherteam um den Australier Prof. Graham Giles von der Universität Melbourne hat das Sexualverhalten von rund 2300 Männern untersucht und dabei festgestellt:

Je häufiger die Männer einen Samenerguß hatten, desto geringer ist die Gefahr, an Prostatakrebs zu erkranken.”
(Hervorhebung von uns.)

Stimmt. Nur neu ist das alles nicht: Über die Ergebnisse der australischen Studie wurde bereits im Jahr 2003 berichtet und die Ergebnisse selbst wurden von einer großangelegten US-Studie im Jahr 2004 bestätigt.

Mit Dank an Jörg F. und Gunter K. für den Hinweis.

Vom Lesen, Rechnen und Schreiben

Vielleicht ist es ein weitverbreiteter Irrtum, dass, wer als Journalist über ein Thema schreibt, davon auch was verstehen sollte. Anders gesagt: Wir sind keine Experten fürs deutsche Gesundheitswesen. Aber: Wir schreiben auch nicht drüber.

Ganz anders “Bild”. Dort hieß es gestern auf Seite 2 unter der Überschrift “Kleine Krankenkassen sollen verschwinden”:

“Für rund 100 Krankenkassen könnte die Gesundheitsreform das Aus bedeuten! SPD und Union wollen bei der Reform durchsetzen, daß gesetzliche Krankenkassen mindestens eine Million Mitglieder haben müssen. (…) Derzeit gibt es in Deutschland 253 Krankenkassen — davon 199 Betriebskrankenkassen. Rund 100 von ihnen haben weniger als eine Million Mitglieder.”

Und eigentlich hätte den “Bild”-Autoren “rok/bre” hier schon beim Schreiben klar sein müssen, dass da was nicht stimmt: Denn wenn rund 100 BKKs “weniger als eine Million Mitglieder” haben, dann müssten die verbleibenden 99 mehr als eine Million haben, richtig? Bei einer Gesamtbevölkerung von rund 80 Millionen bzw. gut 70 Millionen Krankenversicherungsmitgliedern in Deutschland) ist das aber ausgemachter Unsinn (siehe Rechnung) — zumal, wie uns eine Sprecherin des BKK-Bundesverbandes mitteilt, keine einzige BKK mehr als eine Million Mitglieder hat und die Gesamtzahl von 10 Millionen BKK-Mitgliedern bereits in einer BKK-Pressemitteilung stand, auf der offenbar die “Bild”-Meldung basiert.

Aber, hey, die “Bild”-Überschrift immerhin stimmt.

Mit Dank an Andreas J. und Hardy S. für den Hinweis.

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Die Wunderheiler vom Axel-Springer-Platz

“Bild” hat ein Wunder gesehen. Ein Babywunder:

Und es ist ohne Zweifel wundervoll, dass es dem Neffen von Ottfried Fischer wieder gut geht. Der inzwischen Einjährige war vor einem Jahr nach einer Hirnblutung ins Koma gefallen und nach rund vier Wochen wieder erwacht. Nach allem, was man weiß, in erster Linie aus “Bild” und “Bild am Sonntag”, war die Lage ursprünglich reichlich aussichtslos. Ganz so aussichtslos, wie “Bild” heute, fast ein Jahr später, schreibt, war sie damals aber mit Sicherheit nicht. Schon in der Unterzeile steht, “sein Neffe war hirntot”, und im Text dann:

Die furchtbare Diagnose: Hirntod!

Aha, Hirntod also. Die Bundesärztekammer, schreibt in ihren Richtlinien zur Feststellung des Hirntods folgendes:

Mit dem Hirntod ist naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen festgestellt.

Demnach wäre Fischers Neffe also von den Toten auferstanden, und man fragt sich, warum “Bild” dieses “Wunder” nicht auf der Titelseite bringt, sondern bloß im Innenteil.

Aber eigentlich weiß “Bild” ja selbst, dass Fischers Neffe nie hirntot war. Schließlich titelte sie schon am 20. Juni 2005: “Ottfried Fischers Neffe im Koma”. Und einen Tag später: “Mutter stillt ihr Koma-Baby jeden Tag”. Sie hatte sogar einen kleinen Kasten im Blatt, in dem ein Neurologe die Frage beantwortet, “Wie kann ein Kind trinken, das im Koma liegt?”:

“Bei einem sogenannten Wachkoma arbeitet der Hirnstamm normal, d.h. der Patient kann atmen, schlucken, sich bewegen. (…) Es besteht eine geringe Chance, daß sich Hirnschäden zurückbilden (…)”

So gesehen hatte “Bild” das Ganze am 11. Juli letzten Jahres schon mal besser zusammengefasst:

Mit Dank an Frank R. und Mike S. für den sachdienlichen Hinweis.

“Bild” und die unoversale Sprache der Musik

“Bild” veröffentlicht heute auf Seite 2 eine Art Special Edition, womöglich auch nur eine Extended Version der “Post von Wagner”. Franz Josef Wagner schreibt dort nämlich einen “Liebesbrief an Deutschland” (siehe Ausriss) und ist ganz aus dem Häuschen vor Liebesglück (“Ich glaube, man muss sein Land lieben wie eine Frau” usw.). Allerdings ist “Bild” und Wagner in ihrem Liebestaumel ein Fehler unterlaufen. Heißt es dort doch:

“Die Uno hat Beethoven zu ihrer Hymne erkoren, Schiller hat den Text geschrieben.”

Das ist (selbst wenn’s offenbar auch Alexander Kluge behauptet) Unsinn. Die UNO hat keine Hymne.

“Obwohl viele Lieder über die Vereinten Nationen oder verwandte Themen geschrieben wurden, gibt es keine offizielle Hymne der Organisation”, heißt es auf der UNO-Website [PDF]. Und es werde auch zu offiziellen Anlässen kein Beethoven als UNO-Hymne gespielt, wie ein UNO-Sprecher auf unsere Nachfrage betont.

Tatsächlich gab es Anfang der 70er Jahre mal den Versuch, eine quasi-offizielle UNO-Hymne zu etablieren. Ihr Text stammt allerdings von einem Briten, die Musik von einem Spanier.

PS: Sollte Wagner in seinem Liebesbrief womöglich gar nicht die UNO, sondern die EU gemeint haben, müssen wir ihn allerdings abermals enttäuschen. Zwar sind die Takte 164 bis 179 des letzten Satzes (“Ode an die Freude”) aus Ludwig van Beethovens 9. Symphonie seit 1972 offizielle Hymne des Europarates und seit gut 20 Jahren auch der Europäischen Union. (Seit 2004 gibt es sogar eine offizielle CD mit Techno-, Trance-, Jazz- und Kirchenorgelversionen und eine “Hip-Hop-Interpretation” für Events und Zeremonien sowie als Hintergrundmusik für Radio- und Fernsehbeiträge mit europäischen Themen.) Doch ist Schillers “Freude schöner Götterfunken”-Text ausdrücklich “nicht offizieller Teil der Hymne!” Die nämlich wurde von Herbert von Karajan arrangiert — “ohne Worte, in der universalen Sprache der Musik”.

Mit Dank auch an Frank S., Hanno S. und insbesondere Dominik B. für Hinweis und Links.

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Lieber diensthabender Praktikant von Bild.de,

wir haben eine schlechte Nachricht: Es könnte heute abend später werden. In diesem Artikel müssen fast 120 Zahlen korrigiert werden.

Denn es stimmt zwar: Die deutschen Großkonzerne sind im internationalen Vergleich kleine Nummern. Aber soweit ist es dann doch noch nicht gekommen, dass der deutsche Spitzenreiter Siemens keine 100.000 Euro Umsatz im Jahr macht.

Und, ja, die Entwicklung der T-Aktie ist eine Enttäuschung. Aber noch ist die Deutsche Telekom an der Börse ein klein bisschen mehr wert als 72.000 Dollar.

Nämlich 72.000.000.000 Dollar.

Es war natürlich auch ein bisschen unfreundlich von der “Financial Times”, ihr Ranking der 500 größten Unternehmen nach Marktkapitalisierung ohne genaue Erklärung der Einheiten online zu stellen, so dass man als Laie denken könnte, es handele sich bei den angegebenen Zahlen um Dollar und nicht um Millionen Dollar.

Aber spätestens bei Platz 46 in Deutschland hätte doch jemand stutzen können, dass diese Axel Springer AG im Jahr nur einen Umsatz von 2900 Dollar und 70 Cent machen soll.

Danke für die Millionen Hinweise.

Nachtrag, 20.57 Uhr. Ah, hat dann sogar noch rechtzeitig bis zum Spiel geklappt, überall “Mio.” einzufügen. Auf die Schnelle sind natürlich diverse andere Fehler unkorrigiert geblieben: Unter Südzucker steht der Umsatz von TUI, über Platz 48 steht “Platz 28”, über Platz 49 steht “Platz 1”, usw.

Nachtrag, 14. Juni. Ts. Nun ist der ganze Artikel verschwunden.

Nachtrag, 13.15 Uhr. Da isser wieder, unter neuer Adresse und mit weiteren Korrekturen.

Nachtrag, 15. Juni. Nur dass niemand auf die Idee kommt, da hätte jetzt jemand gründlich gearbeitet: Bei Altana, Porsche, Puma, Karstadt Quelle und Fraport fehlen noch die “Mio.”, dafür steht bei Metro jetzt zweimal “Mio.”, die Depfa Bank ist nicht in der Elektronik-Branche tätig und bei der Deutschen Telekom gibt’s einen lustigen Buchstabendreher.

Nachtrag, 16. Juni. Schon wieder ist der komplette Artikel aus dem Angebot von Bild.de verschwunden. Endgültig? Wir sind gespannt.

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