Archiv für Juni 13th, 2006

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Lieber diensthabender Praktikant von Bild.de,

wir haben eine schlechte Nachricht: Es könnte heute abend später werden. In diesem Artikel müssen fast 120 Zahlen korrigiert werden.

Denn es stimmt zwar: Die deutschen Großkonzerne sind im internationalen Vergleich kleine Nummern. Aber soweit ist es dann doch noch nicht gekommen, dass der deutsche Spitzenreiter Siemens keine 100.000 Euro Umsatz im Jahr macht.

Und, ja, die Entwicklung der T-Aktie ist eine Enttäuschung. Aber noch ist die Deutsche Telekom an der Börse ein klein bisschen mehr wert als 72.000 Dollar.

Nämlich 72.000.000.000 Dollar.

Es war natürlich auch ein bisschen unfreundlich von der “Financial Times”, ihr Ranking der 500 größten Unternehmen nach Marktkapitalisierung ohne genaue Erklärung der Einheiten online zu stellen, so dass man als Laie denken könnte, es handele sich bei den angegebenen Zahlen um Dollar und nicht um Millionen Dollar.

Aber spätestens bei Platz 46 in Deutschland hätte doch jemand stutzen können, dass diese Axel Springer AG im Jahr nur einen Umsatz von 2900 Dollar und 70 Cent machen soll.

Danke für die Millionen Hinweise.

Nachtrag, 20.57 Uhr. Ah, hat dann sogar noch rechtzeitig bis zum Spiel geklappt, überall “Mio.” einzufügen. Auf die Schnelle sind natürlich diverse andere Fehler unkorrigiert geblieben: Unter Südzucker steht der Umsatz von TUI, über Platz 48 steht “Platz 28”, über Platz 49 steht “Platz 1”, usw.

Nachtrag, 14. Juni. Ts. Nun ist der ganze Artikel verschwunden.

Nachtrag, 13.15 Uhr. Da isser wieder, unter neuer Adresse und mit weiteren Korrekturen.

Nachtrag, 15. Juni. Nur dass niemand auf die Idee kommt, da hätte jetzt jemand gründlich gearbeitet: Bei Altana, Porsche, Puma, Karstadt Quelle und Fraport fehlen noch die “Mio.”, dafür steht bei Metro jetzt zweimal “Mio.”, die Depfa Bank ist nicht in der Elektronik-Branche tätig und bei der Deutschen Telekom gibt’s einen lustigen Buchstabendreher.

Nachtrag, 16. Juni. Schon wieder ist der komplette Artikel aus dem Angebot von Bild.de verschwunden. Endgültig? Wir sind gespannt.

Großfahndung, oder was?

Am vergangenen Samstag gegen 21.02 Uhr ist in Paderborn eine Polizistin von einem Taxi touchiert und leicht verletzt worden, als sie versuchte, es in einer Fußgängerzone anzuhalten. Ungefähr so steht’s in einem Pressebericht der Paderborner Polizei, stand’s gestern auch in “Bild”. Exklusiv in “Bild” stand außerdem der vielsagende Satz:

“Der Fahrer konnte ermittelt werden.”

Und es stimmt: Der Fahrer konnte ermittelt werden. Wie uns die Polizei Paderborn mitteilt, hat er nämlich nach dem Unfall “unverzüglich angehalten”.

Mit Dank an taxi-blog.de für Hinweis, “Bild”-Zeitungskauf & Scan.

“Alberto” zum Hurrikan hochgeschrieben

Wir haben wirklich nicht die geringste Ahnung, wie Bild.de auf die Idee gekommen sein könnte, der Tropensturm “Alberto”, der sich auf die Küste Floridas zu bewegt, sei zum Hurrikan hochgestuft worden. Doch es steht dort. Und zwar mit heutigem Veröffentlichungsdatum und inklusive Teaser auf der News-Seite:

“Alberto” wurde nicht zum Hurrikan hochgestuft. Ganz im Gegenteil. Heute, um 12.00 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ), gab das Nationale Hurrikan Zentrum der USA (NHC) eine Mitteilung heraus, in der u.a. dies steht:

Alberto’s chances of becoming a hurricane are evaporating.

Das heißt frei übersetzt: Die Chance, dass Alberto zum Hurrikan wird, wird zunehmend geringer. Und so steht es auch seit dem frühen Nachmittag in diversen OnlineMedien.

Nun gut, möglicherweise ist Bild.de mit der Aktualisierung ihrer Hurrikan-Meldung etwas spät dran. Und gestern war die Lage ja tatsächlich noch etwas ernster. Aber falsch war die Bild.de-Meldung von heute auch gestern schon. Ein Hurrikan war “Alberto” nämlich zu keiner Zeit. In einer Mitteilung des NHC von Montag, 17.00 Uhr MESZ hieß es lediglich:

Given the uncertainties in predicting intensity change we must now allow for the distinct possibility that Alberto could become a hurricane.

Es war also lediglich gut möglich, dass “Alberto” zu einem Hurrikan werden könnte, weshalb das NHC eine Hurrikan-Warnung herausgab, die übrigens auch um 23.00 Uhr MESZ noch aufrecht erhalten wurde, als die Intensität des Sturmes wieder nachgelassen hatte. Natürlich war auch in jener Mitteilung nicht die Rede davon, dass “Alberto” zum Hurrikan geworden sei. Und, soweit wir wissen, auch sonst nirgends – außer eben bei Bild.de.

P.S.: Übrigens: Die Geschwindigkeit von “Alberto”, die Bild.de mit “über 110 Kilometer pro Stunde” angibt, hat der Sturm wohl tatsächlich mal gehabt. Ein Hurrikan muss aber Windgeschwindigkeiten von mindestens 119 Kilometern pro Stunde erreichen, um als solcher klassifiziert zu werden.

Mit Dank an Christian N. für den sachdienlichen Hinweis.

Kurz korrigiert (117)

“Bild” hat ein dpa-Foto von Angelina Jolie gefunden und vergrößert, auf dem — ziemlich unscharf — ihr neustes Tattoo (“zwei rätselhafte Zahlenreihen”) zu erkennen ist. Es gibt davon bessere Fotos. Aber, so “Bild”:

“Millionen Fans fragen sich, was es wohl bedeuten könnte.”

Und diesen Fan-Millionen (bzw. denjenigen, die das nirgends sonst nachgelesen haben), erklärt nun auch “Bild” die “geheime Tattoo-Botschaft” der Angelina Jolie:

“Die Ziffern ‘N11 33′ 0” E104 51′ 00’ bedeuten: Längengrad Nord 11, 33 Minuten, Breitengrad Ost 104, 51 Minuten).”
(Links von uns.)

Und sähe unsere Weltkugel ein wenig anders aus (siehe Illustration), hätte “Bild” damit womöglich sogar Recht.

Mit Dank an Karsten T. für den Hinweis.

Was “Bild” verschweigt

Keine Frage, der tödliche Herzinfarkt einer an Diabetes leidenden Patientin des bestreikten Göttinger Universitäts-Klinikums ist tragisch: Sie starb, nachdem ihre Behandlung — vermutlich streikbedingt — verschoben wurde. Öffentlich gemacht wurde der anderthalb Wochen zurückliegende Fall gestern vom “Göttinger Tageblatt”, das u.a. von der Wut des Ehemannes der Patientin erzählte. “Weil sie vielleicht noch leben könnte”, so das “Tageblatt”.

Und nachdem inzwischen offenbar die Staatsanwaltschaft in Göttingen ermittelt (laut Spiegel Online routinemäßig, wegen eines sehr vagen Anfangsverdachts), ist das womöglich Anlass genug, darüber zu berichten. “Bild” tut dies heute unter der Überschrift “Ärztestreik! Jetzt gibt es die erste Tote” (siehe Ausriss) und schreibt:

“Bereits Anfang Mai klagte die Frührentnerin über Bauchschmerzen, wurde im Uni-Klinikum Göttingen untersucht.

Das EKG fiel schlecht aus, eine Herzkatheter-Untersuchung wurde angeordnet. Da auch die Kardiologen streikten, mußte das Opfer drei Wochen auf den nächsten Termin warten. (…)”
(“Bild” vom 13.6.2006)

Was “Bild” verschweigt: Nach dem EKG kümmerte sich der behandelnde Arzt um einen Folge-Termin für die Patientin, weil diese nicht gleich im Krankenhenhaus hatte bleiben mögen. So jedenfalls stand es bereits gestern im “Tageblatt”, und so ähnlich steht es seither auch anderswo:

“(…) Schon am 7. Mai habe sie sich mit Herzbeschwerden im Klinikum gemeldet, eine sofortige stationäre Aufnahme jedoch abgelehnt.”
(RP Online vom 12.6.2006)

“(…) Nach einer Untersuchung sei ihr eine sofortige stationäre Aufnahme empfohlen worden. Die Frau habe dies jedoch abgelehnt.”
(Focus Online/dpa vom 12.6.2006)

“(…) Nach einer Untersuchung habe man ihr seinerzeit zu stationärer Aufnahme geraten. Auf Wunsch der Frau sei die Aufnahme jedoch auf den 2. Juni verschoben worden. Vor dem Aufnahmetermin sei die Patientin dann noch einmal von einem Oberarzt befragt worden. Sie habe dabei erklärt, es ginge ihr nicht schlechter.”
(N24.de/Stern.de/AP vom 12.6.2006)

Aber, wie gesagt: Kein Wort davon in “Bild”. Dort findet man es offenbar wichtiger für die Berichterstattung, ein Foto der Toten abzubilden.

Mit Dank an Christoph H. und andere für den Hinweis.