Autoren-Archiv

Schlecht, schlechter, Geschlechtertrennung

Gestern Abend lief im WDR ein interessanter Reisebericht: “Eberl entdeckt den Iran — Reform unter Beobachtung”. TV-Journalist Jens Eberl ist mit seiner Kollegin Zoya Ghoraishi durch den Iran gereist, rausgekommen ist eine knapp 30-minütige “Weltweit”-Reportage.

Darin auch dieser Dialog an einer Bushaltestelle (ab Minute 6:14):

Ghoraishi: Na, fällt Dir bei den Bussen was auf?

Eberl: Haben schon ein paar Jahre auf dem Buckel, würde ich sagen.

Ghoraishi: Aber was anderes meine ich jetzt.

Eberl: Was denn?

Ghoraishi: Guck mal, wo die Frauen sitzen und wo die Männer sitzen. Wenn der Fahrer ein Fahrer und nicht eine Fahrerin ist, dann sitzen Männer vorne und Frauen hinten. Wenn der Bus aber von einer Frau gefahren wird, dann sitzen Frauen vorne und Männer hinten.

Schnitt. Ab in die U-Bahn in Teheran …

… dazu sagt ein Sprecher:

Strikte Trennung auch in der U-Bahn: Frauen links, Männer rechts.

Das Social-Media-Team der “Tagesschau” hat diese kurze Passage aus Eberls Iran-Beitrag genommen und bei Facebook gepostet. Dazu eine deutliche Ansage, wie es mit der Geschlechtertrennung im öffentlichen Nahverkehr im Iran aussieht:

Ganz so einfach ist es allerdings nicht. In Stadtbussen gilt in der Tat eine klare Trennung nach Geschlechtern. Bei Nacht- und Reisebussen scheinen die Iraner diese Trennung nicht ganz so genau zu nehmen — jedenfalls berichten einige Touristinnen, dass sie bei Fahrten neben Männern saßen.

In der U-Bahn in Teheran wird, anders als vom WDR im TV und von der “Tagesschau” bei Facebook behauptet, nicht “strikt getrennt”. Es gibt im Iran zwar — wie in anderen Ländern — “women only”-Abteile, Frauen dürfen sich aber auch in alle anderen Waggons setzen oder stellen. So steht es in Reiseblogs, bei “Wikipedia”, im “Guardian” und so ist es in Videos zu sehen.

Es gibt sicher einiges, was man an der rechtlichen Situation der Frauen im Iran kritisieren kann. U-Bahn-Fahrten gehören aber nicht dazu. Die “women only”-Waggons könnte man sogar als Zusatzangebot für Frauen interpretieren, die in überfüllten Zügen nicht zwischen Männern eingeklemmt sein wollen.

Der Videoclip im Facebook-Post der “Tagesschau” hat inzwischen mehr als 250.000 Aufrufe. Im Kommentarbereich darunter regen sich zahlreiche User auf:

Das stimmt einfach mal nicht!

Im Iran ist bei Leibe nicht alles Friede Freude Eierkuchen und mit Frauenrechten ist es nicht weit her aber dieser Bericht ist schlicht falsch!

Das stimmt doch gar nicht, ich war in Teheran, bin mit der U Bahn gefahren und stand zwischen Männern und Frauen.

Diese Art der Berichterstattung ist schlicht und ergreifend eine Unverschämtheit. Dass selbst die Tagesschau sich auf dieses Niveau herab lässt ist wirklich traurig und armselig.

Ach du meine Güte! Ich bin leider gerade etwas schockiert über die Berichterstattung der tagesschau.

Wow… Wieder einmal verlogene hetze von den öffentlich Recht-lichen???

LügenMedien halt!

Andere User glaubten dem Beitrag, fanden den Inhalt aber trotzdem blöd und kommentierten im “Danke Merkel”-Stil:

Die bringen so ein Post weil se uns das Schmackhaft machen wollen… bald wird es hier auch so sein #wirschaffendas

Na das werden wir auch bald einführen müssen. Besonders für Frauen die allein unterwegs sind, wird das wohl interessant. Andererseits würde es bei uns aber eigentlich nichts bringen, da es keine Strafen geben würde wenn sich jemand nicht dran hält. Es sei denn wir führen die Scharia Polizei ein. Allerdings müssten wir vorher erstmal alle zum Islam konvertieren. Genau, das ist doch die Idee. Nicht die Migranten passen sich an, sondern die Deutschen müssen sich anpassen, oder?

Kommt bei uns auch bald. Deutschland soll sich ja under dieser Regierung gefälligst an den Islam besser anpassen.

Nach etwa 400 Kommentaren, von denen geschätzt 70 Prozent den Inhalt des Videos als falsch bezeichnen, reagierte das Social-Media-Team der “Tagesschau”:

Nach der “Konkretisierung” des “Teasertextes” heißt es nun nicht mehr “Im Iran gilt eine strikte Geschlechtertrennung in Bussen und U-Bahnen”, sondern:

Mit Dank an Helena und Kai für die Hinweise!

“Bild” spricht Reisewarnung für Bochum aus

Es klingt ja fast nach echter Empörung, wenn Bild.de heute auf der Startseite fragt:

In der Ruhrgebiets-Ausgabe der “Bild”-Zeitung wird auf den ersten Blick immerhin etwas klarer, worum es bei dem möglichen China-Bochum-Zwist überhaupt geht:

Zum Hintergrund: Vergangene Woche wurde eine chinesische Studentin der Bochumer Ruhr-Universität in der Nähe des Campus vergewaltigt. Die Polizei sucht noch mit Phantombild nach dem Täter. Inzwischen hat sich auch das chinesische Generalkonsulat in Düsseldorf eingeschaltet und den in Deutschland lebenden Chinesen auf der eigenen Website einige Sicherheitshinweise in der Landessprache gegeben.

Daraus stricken “Bild” und Bild.de (als kostenpflichtiger “Bild plus”-Artikel) nun eben ihre Geschichten. Das chinesische Konsulat warne “Frauen vor NRW-Stadt”, heißt es bei Bild.de in der Dachzeile. Und “Bild” schreibt:

Jetzt hat sich die Botschaft der Volksrepublik China eingeschaltet: Sie warnt chinesische Frauen vor dem Sex-Täter von Bochum!

Das stimmt nicht. Die Veröffentlichung des Konsulats vom vergangenen Freitag resultiert natürlich aus dem Vorfall in Bochum, es handelt sich aber um eine allgemeine Warnung und nicht um eine konkrete vor der Stadt Bochum oder “vor dem Sex-Täter von Bochum”. Das haben einige Medien auch verstanden. “Der Westen” schreibt beispielsweise:

Verschiedene Medien berichteten, das chinesische Generalkonsulat habe konkret vor Bochum oder dem Täter vom 16. November gewarnt. In der Mitteilung heißt es allerdings allgemein: “Aufgrund der aktuellen öffentlichen Sicherheitssituation in seinem Zuständigkeitsbereich weist das Generalkonsulat erneut die chinesischen Staatsbürger darauf hin, auf ihre persönliche Sicherheit zu achten, insbesondere an abgelegenen und unbelebten Plätzen.”

Den “Bild”-Medien ist das wurscht. Sie machen gleich die ganz große Nummer draus und tun so, als hätte das chinesische Generalkonsulat in Düsseldorf eine “Reisewarnung” für Bochum oder für Deutschland oder für wasauchimmer ausgesprochen:

Gleichzeitig veröffentlichte das Generalkonsulat einen “konsularischen Hinweis”: Alle Chinesen werden darin aufgefordert, “ernsthaft auf die persönliche Sicherheit zu achten, insbesondere wenn sie sich an entlegenen Orten befinden”. Das entspricht einer Reisewarnung, wie sie auch das deutsche Außenministerium für bestimmte Regionen oder Länder aussprechen kann.

Um es kurz zu machen, liebe “Bild”-Reiseführer: nein. Der “konsularische Hinweis” sei nicht mit einer Reisewarnung zu vergleichen, sagte eine Sprecherin der chinesischen Botschaft dem WDR.

Mit Dank an Lukas H. für den Hinweis!

“Die Sensation liegt in der Luft”

Es gibt ja das hartnäckige Gerücht, dass beim Wrestling alles geplant und abgesprochen sei. Die Schläge seien gar keine richtigen Schläge, die Fehden nur ausgedacht. Also nix da mit großen sportlichen Überraschungen, stattdessen ein bis ins kleinste Detail ausgeklügeltes TV-Spektakel.

Und so könnte man die Nachricht, dass der frühere Wrestling-Superstar Bill Goldberg nach zwölf Jahren Ring-Abstinenz sein Comeback gibt und dabei mal eben den normalerweise alles dominierenden Brock Lesnar in gerade mal 90 Sekunden fix- und fertigmacht, schulterzuckend zur Kenntnis nehmen und sich denken: “Nun gut, ist eben alles nur Show und soll ja Quote bringen.”

Man könnte aber auch so tun, als wäre bei der Veranstaltung “Survivor Series” in der Nacht von Sonntag auf Montag wirklich was passiert. Etwas Ungewöhnliches. Etwas Bemerkenswertes. Eine “WRESTLING-SENSATION”:

“Bild”-Redakteur Enrico Ahlig schrieb gestern dazu:

Die Wrestling-Welt steht unter Schock!

Die Sensation liegt in der Luft.

Jetzt diese Szenen!

Der Ringrichter zählt … 1…2…3! Die Sensation ist perfekt.

Das Match war so kurz, die WWE konnte alle Aktionen in der Wiederholung zeigen. Das gab es noch nie!

Das ist so, als würde man aus dem Theater kommen und völlig aufgelöst in den WhatsApp-Familienchat tippen: “Oh Gott, oh Gott, Ihr glaubt es nicht! Da haben sich gerade zwei junge Menschen das Leben genommen 😢😭”

Ahlig fragte dann noch: “Was steckt hinter dem kurzen Match?” Wir würden vermuten: Der Wunsch des Veranstalters, der sogenannten “WWE”, dass möglichst viele Medien den Goldberg-Auftritt zu einer “WRESTLING-SENSATION” hypen. Der “Bild”-Redakteur hat aber noch eine andere Idee:

Außerdem sieht jetzt alles nach einem weiteren Match von Goldberg aus. Denn obwohl er zunächst nur für einen Kampf unterschrieben hat, wird die WWE alles tun, um die beiden erneut aufeinander loszulassen.

Und heute dann die Nachricht bei Bild.de:

Man könnte fast meinen, beim Wrestling ist alles geplant und abgesprochen.

Mit Dank an @ralfheimann für den Hinweis!

Hohe Fehlerquote

Heute Abend, in gut einer Stunde, spielt RB Leipzig in der Fußball-Bundesliga bei Bayer 04 Leverkusen. Beim Bezahlsender “Sky” werden sich vermutlich einige Hunderttausend Leute das Spiel anschauen. Und das könnte dann für “Bild”-Sportchef Walter M. Straten der nächste ultimative Beweis sein, dass der ziemlich umstrittene Fußballklub aus Sachsen gar nicht so doof ist, wie ihn viele Fans anderer Vereine finden. Doch der Reihe nach.

Ende Oktober schrieb Straten in seiner Kolumne “Die Lage der Liga” in “Bild am Sonntag” und bei Bild.de:


Das Interesse an den Leipzigern ist bereits fast so groß wie an den alteingespielten Klubs der Liga. In der Einschaltquoten-Tabelle von Sky (Stand 8. Spieltag) rangiert Leipzig bereits auf Platz sechs. Hinter Bayern, Dortmund, Schalke, Köln und Hertha.

Heißt: Die Fans in ganz Deutschland wollen den frechen Großstadt-Neuling spielen sehen. Ob sie ihn nun mögen oder nicht.

Wer steht in der Quoten-Rangliste am Ende?

Ingolstadt, Leverkusen, Augsburg, Hoffenheim — und ganz hinten Darmstadt.

Damit ist die Frage beantwortet, wer für die Liga wertvoller ist. Also: Schluss mit dem primitiven Leipzig-Bashing!

(Straten dürfte sich auf die “Sky”-Einschaltquoten-Tabelle von “Meedia” beziehen.)

Mal davon abgesehen, dass es vielleicht nur von begrenzter Weitsicht zeugt, in einem Beitrag gegen das Bashing eines Fußballklubs andere Fußballklubs als weniger wertvoll darzustellen, übersieht Walter M. Straten in seiner Argumentation einen ziemlich wichtigen Punkt: den Bundesliga-Spielplan und dessen Auswirkungen auf die Einschaltquoten bei “Sky”.

Jeder Bundesliga-Spieltag besteht aus neun Partien. In der Regel findet eine davon am Freitagabend um 20:30 Uhr statt, fünf weitere parallel am Samstagnachmittag um 15:30 Uhr, eine am Samstag um 18:30 Uhr, eine am Sonntag um 15:30 Uhr und die neunte zwei Stunden später um 17:30 Uhr.

Am Samstag um 15:30 Uhr gucken viele “Sky”-Abonnenten die Konferenz mit allen fünf Spielen, und nur jene Fans, die ausschließlich ihren Verein sehen wollen, entscheiden sich am Samstagnachmittag für das Einzelspiel mit ihrem Klub. Bei den Spielen am Freitagabend, Samstagabend, Sonntagnachmittag und -abend gibt es diese Auswahl hingegen nicht. Es findet ja jeweils nur ein Spiel statt. Und deswegen sind die Einschaltquoten bei diesen Partien meist höher als bei den einzelnen Spielen am Samstagnachmittag.

Schaut man sich nun den Spielplan der bisherigen Bundesligasaison an, sieht man, dass RB Leipzig einer der Vereine ist, die die meisten Einzelspiele abbekommen haben. Zum Zeitpunkt, als Walter M. Straten seinen Text veröffentlich hat, waren es sechs Stück. Und das nach lediglich neun Spieltagen. Am vergangenen Spieltag ist noch ein weiteres Einzelspiel hinzugekommen.

Gut möglich also, dass “die Fans in ganz Deutschland” gar nicht unbedingt “den frechen Großstadt-Neuling spielen sehen” wollen, “ob sie ihn nun mögen oder nicht”, wie Straten schreibt. Vielleicht wollen sie einfach nur Fußball gucken, unabhängig davon, wer da nun spielt.

Dafür spricht auch die Einschaltquote der Partie, um die es in Walter M. Stratens Beitrag hauptsächlich geht: SV Darmstadt gegen RB Leipzig. Das Spiel an einem Samstagnachmittag — also mit Konkurrenz von vier anderen Partien und der Konferenz — haben weniger als 5000 Leute eingeschaltet. In der offiziellen Messung heißt das: 0,00 Million.

Mit Dank an Patrick B. für den Hinweis!

Lob im Tarnanzug

Seit Anfang des Monats läuft die Youtube-Serie “Die Rekruten”, mit der die Bundeswehr versucht, junge Leute für sich und die Grundausbildung zu begeistern. Und das scheint ganz gut zu klappen — jedenfalls hat der zugehörige Kanal inzwischen mehr als 200.000 Abonnenten, einzelne Videos wurden bereits hunderttausendfach angeschaut. Ob sich die Youtube-Nutzer alle direkt bei der Bundeswehr bewerben, ist freilich eine andere Sache.

Und auch von Seiten der Medien gibt es positive Rückmeldungen. Also, von zwei Medien zumindest. Die hat die Bundeswehr jedenfalls auf ihre “Rekruten”-Webseite gestellt:

“Bild am Sonntag” — geschenkt.
Aber die “ARD”?

Es gibt dieses Zitat (“Geheimnis, Spannung, Abenteuer”) tatsächlich. Der Text, in dem man es nach kurzer Suche findet, ist im Blog des “ARD”-Hauptstadtstudios erschienen:

Interessanter als die drei Schlagworte, die die Bundeswehr als Lobpreisung daraus übernommen hat, ist allerdings das, was danach kommt:

Geheimnis, Spannung, Abenteuer — das ist der Sound der neuen Reality-Doku “Die Rekruten”. Wie der Vorspann einer angesagten amerikanischen Serie. Dabei geht es um etwas, was eigentlich so spannend gar nicht klingt: die Grundausbildung bei der Bundeswehr.

Und etwas weiter hinten im Beitrag heißt es:

Betten machen, früh aufstehen, Ausrüstung schleppen — natürlich wirkt das angesichts der knalligen Aufarbeitung in den Filmchen deutlich spannender als es in Wahrheit ist.

Und noch mal etwas weiter hinten:

Die Bundeswehr hat sich diese Reality-Doku übrigens einiges kosten lassen, nämlich 1,7 Millionen Euro. Dafür gab es schon Kritik.

Von all dem ist auf der Seite der Bundeswehr nichts zu lesen. Sie reißt ein paar Schlagworte aus dem Zusammenhang, wirft so den Tarnanzug über einen durchaus kritischen Beitrag des “ARD”-Hauptstadtstudio-Blogs und schmückt sich mit dem Endprodukt.

Mit Dank an Ole für den Hinweis!

Spannerfotos von Kindern? Das wird man ja wohl noch andeuten dürfen

Gestern, auf der Facebookseite von “Bild München”:

Linus Förster sitzt für die SPD im Bayerischen Landtag. Er ist dort jugendpolitischer Sprecher seiner Fraktion, stellvertretender Vorsitzender des Europaausschusses, außerdem ist Förster Vorsitzender der SPD im Bezirk Schwaben. Und jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Augsburg gegen ihn, wegen des “Verdachts der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen und der vorsätzlichen Körperverletzung” — klar, dass so gut wie alle Medien berichten.

Bild.de auch. Und das gestern auf die ganz eigene Art und Weise:

Bei den Ermittlungen geht es laut Staatsanwaltschaft um den Verdacht der vorsätzlichen Körperverletzung und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen.

Der Strafrechtsparagraf zum letztgenannten Vorwurf bezieht sich auch auf voyeuristische Spannerfotos und insbesondere Nacktaufnahmen von Kindern und Jugendlichen.

Im Artikel hat die Redaktion — es sollen schließlich “Erinnerungen an den Fall Edathy” wach geworden sein — auch noch einige Links zu Beiträgen über Sebastian Edathy eingeblockt:

Um schon mal jetzt aufzulösen: Die Vorwürfe gegen Linus Förster haben rein gar nichts mit “Spannerfotos von Kindern” oder Kinderpornographie oder irgendetwas Vergleichbarem zu tun, auch wenn Bild.de an verschiedenen Stellen versucht, es so wirken zu lassen. Das hat Försters Anwalt dem Reporter offenbar auch so gesagt. Im Artikel steht:

Derartige Spekulationen [Nacktaufnahmen von Kindern und Jugendlichen] wies Anwalt Schmid jedoch klar zurück: “Dies ist falsch!”

Und dennoch bringt Bild.de das Thema mal eben so fröhlich ins Spiel.

Heute dann die Auflösung bei Bild.de und in der München-Ausgabe der “Bild”-Zeitung:


Sex-Skandal um den Augsburger Landtagsabgeordneten Linus Förster (51, SPD). Er soll Anfang September im Bett einer Hure heimlich die Handy-Kamera mitlaufen lassen haben. Danach flogen offenbar die Fetzen …

Das sind natürlich immer noch heftige Vorwürfe. Sie haben aber eben nichts Kinderpornographie zu tun. Dass Bild.de das Thema überhaupt ins Spiel bringt, könnte an dem Paragraphen liegen, um den es bei den Ermittlungen gegen Linus Förster geht: 201a Strafgesetzbuch, die “Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen”. In Absatz 3 heißt es dort:

Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Bildaufnahme, die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand hat, herstellt oder anbietet, um sie einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen

In den zwei Absätzen davor geht es um das, womit die “Bild”-Medien sonst eigentlich zu tun haben: unbefugte Bildaufnahmen einer Person in dessen Wohnung, die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs, unbefugt Bildaufnahmen von hilflosen Personen, das Zurschaustellen von Personen.

Mit Dank an Marcus D. für den Hinweis!

Donald Trump will weiter einen Einreisestopp für Muslime

In völliger Verzweiflung klammern sich Menschen ja auch mal an Sprichwörter. Aktuell und mit Bezug auf den Wahlsieg von Donald Trump zum Beispiel: Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Soll heißen: Trumps wildeste Ankündigungen im Wahlkampf — Bau einer Mauer an der mexikanischen Grenze, genereller Einreisestopp für Muslime und so weiter — waren eben nur wilde Ankündigungen im Wahlkampf und keine ernsthaften politischen Vorhaben.

Da passte eine Neuigkeit in den “Tagesthemen” (ab Minute 4:50) gestern Abend ganz gut ins Beruhigungsprogramm:

Doch die meisten seiner Pläne sind bisher nicht viel mehr als Gedankenspiele und Worthülsen. Zwei seiner umstrittensten Forderungen sind inzwischen von der Homepage verschwunden: der Einreisestopp für Muslime und die Kündigung des Klimapaktes.

Und nicht nur im “Ersten” wurde über das Verschwinden der Trump-Forderungen berichtet. “Zeit Online” hatte ebenfalls eine Meldung dazu auf der Seite:

Von der Wahlkampfseite des künftigen Präsidenten sind einige brisante Punkte verschwunden. Dazu zählt das von Trump geforderte Einreiseverbot für Muslime.

Genauso n-tv.de:

Einige der umstrittensten Forderungen des künftigen US-Präsidenten Donald Trump sind von dessen Wahlkampf-Website entfernt worden. Dazu zählt der Aufruf, Muslimen die Einreise in die USA zu verbieten und sein Versprechen, das Pariser Klimaabkommen zu kippen. Auch eine Liste mit potenziellen Richtern für den Obersten Gerichtshof sowie diverse Details seiner Wirtschafts-, Verteidigungs- und Regulierungsvorhaben finden sich nicht mehr auf der Seite.

Die Quelle für diese Artikel ist eine “Reuters”-Meldung. Durch die Agentur ist die Info, dass das Team von Donald Trump einige ausgewählte Ankündigungen und Pressemitteilungen gelöscht haben soll, auf vielen Nachrichtenseiten in die Ticker zur US-Wahl gerutscht.

Schauen wir uns mal die Sache mit dem Einreisestopp für Muslime genauer an. Anders als von “Tagesthemen”, “Zeit Online”, n-tv.de und allen anderen behauptet, kann man Trumps “Statement On Preventing Muslim Immigration” vom 7. Dezember 2015 aktuell auf seiner Wahlkampf-Website abrufen. Es war allerdings tatsächlich mal für eine Weile nicht abrufbar — das zeigt ein Test mit der “Wayback Machine”, bei der man ältere Versionen einer Webseite abrufen kann.

Es zeigt sich: Am 8. November um 8:52 Uhr ist das Statement noch abrufbar. Am gleichen Tag um 23:43 Uhr erscheint eine sogenannte “HTTP 302 response” und man wird automatisch zu donaldjtrump.com weitergeleitet. So bleibt es den gesamten Wahltag über, und erst gestern um 19:40 Uhr ist Trumps Statement zu den Muslimen wieder abrufbar.

Also: Die umstrittene Ankündigung von Donald Trump war zwischenzeitlich tatsächlich nicht abrufbar, allerdings nicht erst nach der erfolgreichen Wahl, sondern schon vor und am Wahltag.

Manche Medien haben erkannt, dass Trumps Aussage inzwischen wieder online einzusehen ist. Handelsblatt.com zum Beispiel. Erst hieß es dort:

Und nun:

Dazu schreibt die Redaktion:

Die meisten Kernforderungen Trumps fanden sich durchweg auf der Website, etwa sein Versprechen, eine unüberwindbare Mauer an der Grenze zu Mexiko hochzuziehen, für deren Bau das Nachbarland zahlen solle.

Dieser Aspekt stammt ebenfalls aus der “Reuters”-Meldung. Und er dürfte nicht stimmen. Die “Washington Post” hat einen Kampagnensprecher zu dem Thema befragt:

“The website was temporarily redirecting all specific press release pages to the homepage. It is currently being addressed and will be fixed shortly,” the campaign told The Post in a statement.

Da die “Wayback Machine” nicht für alle Statements von Donald Trump hinreichend viele Vorgänger-Versionen abgespeichert hat, ist es nicht möglich, diese Aussage komplett zu überprüfen. Es gibt aber Hinweise, dass nicht nur die kontroversesten Pressemitteilungen für eine gewisse Zeitspanne nicht abrufbar waren, sondern deutlich mehr, vielleicht sogar alle.

Nehmen wir mal die drei aktuellsten Trump-Statements:

Die Ursache dafür, dass die Forderung nach einem Einreisestopp für Muslime zwischenzeitlich nicht auf der Trump-Website zu finden war, dürfte also tatsächlich technischer Natur gewesen sein. Oder anders gesagt: Donald Trump hat sich keineswegs von seinen radikalen Forderungen verabschiedet.

Mit Dank an Stefan N. für den Hinweis!

“Breitbart”, Leonard Cohen, Neuköllner Neonazis

1. “Breitbart News” will expandieren
(zeit.de)
Mit seinen Angriffen auf Hillary Clinton gehörte das rechtspopulistische Medium “Breitbart News” im US-Wahlkampf zu den Garanten für Donald Trumps Erfolg. Jetzt könnte es auch nach Deutschland und Frankreich kommen: “Breitbart, das bereits eine Website in Großbritannien betreibt, führt nach Angaben seines Chefredakteurs bereits Gespräche mit deutschen und französischen Journalisten. Ziel sei es, gewählte rechtspopulistische Politiker in Frankreich und Deutschland zu unterstützen.” Als Reaktion auf die Expansionsdrohung von “Breitbart” entwickelt Johannes Kuhn auf seiner Seite kopfzeiler.org eine Empfehlung für die Berichterstattung über den im kommenden Jahr anstehenden Wahlkampf in Deutschland: “Die Lösung für publizistische Portale kann nur lauten, möglichst viele Mitarbeiter weg vom Bildschirm und raus in die deutsche Realität zu schicken, aufzuschreiben, was ist. Normalen Menschen das Wort zu geben, sie erzählen zu lassen, wie es ihnen geht, was sie denken, hoffen, fühlen.”

2. Trump-Wähler scheren sich nicht um die Wahrheit? Du doch auch nicht!
(t3n.de, Lisa Hegemann)
Ob nun die irrtümliche Bebilderung der “Simpsons”-Vorhersage, ein vermeintlicher Titelblatt-Fauxpas der “Märkischen Allgemeinen” oder ein Donald-Trump-Zitat von 1998, das aber gar nicht von Donald Trump stammt — obwohl das alles faktisch falsch ist, verbreitet es sich in den Sozialen Netzwerken wie blöd. Ziemlich problematisch, findet Lisa Hegemann: “Wenn wir Links von Texten teilen, die wir nicht gelesen haben, wenn wir Bilder teilen, deren Ursprung wir nicht geprüft haben, dann prägen wir die postfaktische Ära mit — dann gehen wir nach Gefühl und nicht nach Tatsachen.”

3. Neonazis posten Karte mit Adressen
(juedische-allgemeine.de)
Eine rechtsextreme Gruppierung aus Berlin-Neukölln hat vor zwei Tagen — also zum Jahrestag der Pogromnacht — auf einer Facebook-Seite “eine Grafik mit jüdischen Einrichtungen in Berlin veröffentlicht”: “In Frakturschrift steht auf der Grafik der Satz: ‘Juden unter uns!’. Darauf sind rund 70 Einrichtungen samt Adressen aufgelistet, darunter Kitas, Schulen, Synagogen, Geschäfte, Friedhöfe und Restaurants. Daneben steht die Anmerkung: ‘Heut ist so ein schöner Tag’.” Inzwischen sei die Seite von Facebook gelöscht worden, berichtet “Spiegel Online”.

4. Marxismus im Dauerminus
(taz.de, Judith Freese)
Der “jungen Welt”, in der DDR “das Medium der Freien Deutschen Jugend, kurz FDJ, und mit millionenstarker Auflage zeitweise die meist gelesene Tageszeitung im Osten”, geht es finanziell ziemlich mies: Judith Freese schreibt von einem “nicht gedeckten Fehlbetrag von 953.000 Euro”. Die aktuell 17.000 Abonnenten seien 2000 zu wenig, “um weiterhin die Zeitung produzieren zu können.” Noch solle aber nicht Schluß sein.

5. Leonard Cohen Makes It Darker
(newyorker.com, David Remnick, englisch)
Vor gut einem Monat erschien dieses 60.000-Zeichen-Stück über Leonard Cohen, geschrieben vom “New Yorker”-Chefredakteur David Remnick. Wenn man einen Text zum Tod von Leonard Cohen lesen will, dann diesen.

6. Heisse News vom Vortag
(operation-harakiri.de, Ralf Heimann)
Ralf Heimann wundert sich über die Titelseite der “Augsburger Allgemeinen”, die noch am Donnerstag damit aufmachte, dass Donald Trump “neuer US-Präsident” ist: “Früher war das immer so. Wenn am späten Freitagabend etwas passiert ist, das am Samstagmorgen keinen Platz mehr in der Zeitung fand, na, dann kam es eben am Montag auf die Titelseite.”

7. Liebe Leserinnen und Leser. Wir müssen reden.
(netzpolitik.org)
Heute ausnahmsweise mal ein siebter Link, denn die Kollegen von netzpolitik.org brauchen Hilfe: Die Zugriffszahlen seien zwar 1A, und zu wenig Themen gebe es auch nicht, aber das Geld werde bald knapp. “Sollten sich die Spenden nicht monatlich um 5.000 bis 10.000 Euro erhöhen, werden wir recht bald gezwungen sein, wieder Stellen abzubauen”, schreibt das Team, das nach der “Landesverrat-Affäre” aufgestockt wurde, und bittet um finanzielle Unterstützung.

Atomkoffer! Trump! Apokalypse!

So, der erste Schock über die Wahl von Donald Trump zum kommenden US-Präsidenten könnte langsam verdaut sein. Vielleicht mal Zeit für eine sachliche, durchdachte Analyse.

Hättet ihr da was im Angebot, liebe Mitarbeiter von krone.at?

Sein Aussehen ist unscheinbar, doch sein Inhalt könnte die Apokalypse auslösen: Ein Lederkoffer, von einem Adjutanten getragen, wird auch den gerade erst gekürten 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten auf Schritt und Tritt begleiten.

Na ja, einen Versuch war’s wert.

Mit Dank an @i_am_fabs und @coralandmauve für Screenshot und Hinweis!

Wie haben die Fake-Promis reagiert?

Zum klassischen Journalismus-Abspulprogramm nach Großereignissen gehört auch die Antwort auf die Frage: “Wie haben Promis reagiert?” Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten ist ohne Zweifel so ein Großereignis.

Also, express.de und berliner-kurier.de, wie haben denn nun die Promis reagiert?


Puh, ziemlich heftig. Die Aussage “‘F*** deine Eltern'” soll von der Sängerin Cher stammen:

Besonders heftige Reaktionen kamen von Cher. Sie setzte mehrere Tweets voller Verachtung ab. Die Sängerin fühlte sich gar an das Deutsche Reich erinnert: “So wie in Deutschland in den 30ern haben Ärger und Wut die USA erfasst.” Am Ende wurde die 70-Jährige ganz schön ausfällig: “Fick deine Eltern, Trump!”

Den Tweet mit “Deutschland in den 30ern” hat Cher tatsächlich geschrieben:

Die wüste Beschimpfung in Richtung der Trump-Eltern stammt hingegen von einem anderen Account. Den Tweet haben die beiden Schwester-Portale express.de und berliner-kurier.de dankenswerterweise sogar in ihren Artikeln eingebettet:

Nun könnte der Name “PARODY CHER ACCOUNT” schon ein Hinweis darauf sein, dass es sich nicht unbedingt um den offiziellen Twitter-Kanal von Cher handelt. Ziemlich sicher ist die Sache dann, wenn man sich die Beschreibung des Accounts ansieht:

*I AM NOT CHER* PARODY ACCOUNT Please Follow CHER HERE @Cher

Bei shz.de ist das falsche Cher-Zitat ebenfalls aufgetaucht:

Nach der Entscheidung in der Nacht zu Mittwoch twitterte Cher beinahe im Minutentakt — mit zum Teil heftigen Reaktionen. “Fick dich, Donald Trump” schrieb sie ebenso wie “Fick deine Eltern, Trump”.

Unter den Artikeln von express.de und berliner-kurier.de steht als Quelle übrigens “dpa”. In weiten Teilen stimmt das auch — die “dpa” hat tatsächlich eine Zusammenstellung mit Promi-Reaktionen auf Trumps Sieg rausgeschickt. Die Stelle mit der falschen Cher haben die beiden Redaktionen aber selber hinzugefügt.

Mit Dank an Michael W. für den Hinweis!

Blättern:  1 ... 94 95 96 ... 111