Posts Tagged ‘BILD und Jürgen Klinsmann’

“Bild” streicht “Bild”

Uli Hoeneß, der Manager von Bayern München, hat dem “Stern” ein Interview zur öffentlichen Debatte um Bundestrainer Jürgen Klinsmann gegeben. Seine Aussagen kann man unterschiedlich interpretieren. Der “Stern” selbst moderierte sie in seiner Vorabmeldung mit den Worten an: “Der Manager des FC Bayern München, Uli Hoeneß, unterstützt den umstrittenen Bundestrainer Jürgen Klinsmann und stellt in Aussicht, dass die Bundesliga sogar weitere Länderspiele vor der WM möglich machen könnte.” “Bild” wählte die Variante: “Hoeneß faltet Klinsi zusammen.”

“Bild” zitiert Hoeneß aus dem “Stern” unter anderem so:

Klinsmann braucht diesen großen Befreiungsschlag. Er muß einsehen, daß Sturheit und Eigensinn keine Chance haben. Da steht ein Volk von knapp 80 Millionen Leuten dagegen, mit all deren Bataillonen, die jetzt aufgefahren werden. Das hält kein Mensch aus. Die Mächte sind gegen ihn.”

Doch das Original-Zitat ist länger. “Bild” hat es u.a. in der Mitte gekürzt. Im “Stern” nennt Hoeneß Namen:

Da steht ein Volk von knapp 80 Millionen Leuten dagegen, mit all den Bataillonen, die jetzt aufgefahren werden. Von der “Bild”-Zeitung bis zur “Süddeutschen”. Alle. Das hält kein Mensch aus.

Ja, die eigene Rolle fand “Bild” da wohl nicht so relevant. Man fährt ja bekanntermaßen keine Kampagne gegen Klinsmann.

PS: “Focus Online” hat Hoeneß’ Zitat auf die gleiche Art gekürzt. Dort tauchte das Thema auch erst heute auf, nachdem “Bild” darüber berichtete — und nicht schon gestern nach der Meldung des “Stern”. “Focus Online” zitiert aus dem langen “Stern”-Gespräch nichts, was nicht in dem viel kürzeren “Bild”-Artikel stand. Grad so, als hätte man die “Stern”-Zitate nicht aus dem “Stern”, sondern aus “Bild” abgeschrieben.

Danke an Michael L. für den Hinweis!

Lange Feindschaft

Das NDR-Medienmagazin “Zapp” berichtete gestern in einem ausführlichen Beitrag über “das Geben und Nehmen zwischen Profi-Fußball und “Bild”-Journaille” und die erstaunliche Macht, die die “Bild”-Zeitung in diesem Bereich hat und mit zweifelhaften Methoden aufrecht erhält. Unter anderem ging es dabei auch um die Hintergründe der Kampagne gegen Jürgen Klinsmann, mit dem “Bild” eine jahrelange Feindschaft verbindet.

Freddie Röckenhaus, Sportjournalist: “Die ‘Bild’-Zeitung ist natürlich gewöhnt, dass die wichtigen Figuren im deutschen Fußball mit ihr besonders kooperieren. Das heißt, dass die ‘Bild’-Zeitung Zugang zu besonderen Informationen hat, diese Informationen früher bekommt und so weiter. Das hat sich ja über die Jahrzehnte eingeschliffen, weil eigentlich alle wichtigen Personen im deutschen Fußball immer kooperationsbereit waren. Klinsmann ist das von Anfang nicht gewesen.”

Moritz Müller-Wirth, “Die Zeit”: “Das beste Beispiel ist, dass die ‘Bild’-Zeitung immer schon am Spieltag der Länderspiele die korrekte Mannschaftsaufstellung im Blatt hatte – als einzige Zeitung und als einziges Medium. Klinsmann hat das abgeschafft und hat die Mannschaftsaufstellung seither immer am Spieltag allen Journalisten gleich zur Kenntnis gegeben.”

(Die Sendung wird am Freitag um 15.30 Uhr auf 3sat wiederholt.)

Warum hat er “Bild” das nicht vorher gesagt?

Es hat dann doch noch jemand Franz Josef Wagner Bescheid gesagt, dass nicht die Sonne und die Temperaturen ausschlaggebend dafür waren, dass Jürgen Klinsmann die vergangene Woche an seinem Wohnsitz in Kalifornien verbracht hat. Und “Bild”-Kolumnist Wagner, der den Bundestrainer gestern noch beschimpft hat, schreibt deshalb heute einfach nochmal an Klinsmann.

Die Frage, ob man es Klinsmann als Ausrede durchgehen lassen kann, dass er den einjährigen Todestag seines Vaters mit seiner Mutter verbringen wollte, beantwortet Wagner klar mit Ja (“Eine Mutter ist immer mehr wert als ein Pokal”) und Nein (“Es geht nur um die WM”). Und findet einerseits, “daß Klinsmann seine Mutter aus dem Spiel herauslassen muß”, und fragt andererseits, “warum haben Sie uns das nicht vorher gesagt?”

Nun ja, auf diese letzte Frage hätte Wagner eine Antwort finden können. Im ZDF-Interview, das Klinsmann am Sonntag gab:

Ich hab’ meine privaten Gründe, und möchte die niemandem weitererzählen. (…)

Alles, was ich immer [gegenüber dem DFB] kommuniziert habe, stand am nächsten Tag in der Zeitung. Und das sind Dinge, die gehören nicht in die Zeitung. Das sind Dinge, die gehören ins Familienleben. In Deutschland nimmt man sich das Recht heraus, über Leute zu urteilen, die man zum einen nicht kennt, und zum anderen auch die Inhalte nicht weiß. Ich ziehe über irgendjemanden her, nur weil ich Lust habe oder weil ich irgendein Gerücht höre, dann hab ich das Recht, den zu verurteilen. (…)

Wenn es ins Private geht oder soweit geht, dass dann mir Journalisten hinterherfahren in Los Angeles vorm Haus, dich verfolgen, wie du den Kleinen in die Schule bringt, rumschnüffeln in Deiner Nachbarschaft, um zu erfahren, was macht der eigentlich in seinem normalen Alltag, wie jeder andere Mensch auch, ich finde, irgendwo hast du ‘ne Grenze überschritten und das ist jetzt halt passiert.

Zum Vergleich: “Bild” schrieb vor zehn Tagen in einer Art Porträt über Klinsmann (“Wer steckt hinter der Grinsi-Maske?”):

Sein Haus, seine Burg: “Die Öffentlichkeit hat kein Recht auf mein Privatleben.” So hielt es der ehemalige Bäckergeselle aus Geislingen schon immer: den öffentlichen Ruhm als Torschütze ließ sich Jürgen Klinsmann mit Millionen belohnen.

Doch der Mensch klappte zu wie eine Auster.

Keine Frage: Die “Bild”-Kampagne gegen Jürgen Klinsmann dient den eigenen Interessen der Zeitung.

Der mächtigste Mann des deutschen Sports

Die Titelgeschichte des aktuellen “Spiegel” beschäftigt sich mit Bundestrainer Jürgen Klinsmann. In dem langen Stück geht es unter anderem auch um die “Bild”-Zeitung und ihren stellvertretenden Chefredakteur und Sportchef Alfred Draxler:

Zwei Tage nach dem Spiel [gegen Italien] schrieb er in “Bild”: “Wenn Klinsmann jetzt wirklich in dieses Flugzeug steigt, dann sollte er am besten gleich ganz in Amerika bleiben.” (…)

Draxlers Büro liegt im zehnten Stock des Axel-Springer-Hauses in Hamburg. Er hat einen wunderbaren Blick über die Stadt, in seinem Regal stehen ein kleiner Humidor und ein Großer Brockhaus, von dem die Bände 13 bis 22 fehlen. Er trägt ein weißes Hemd, eine schwarze Hose und hellbraune Schuhe. Sein Haar ist nach hinten gekämmt. Er ist der mächtigste Mann des deutschen Sports.

Gleichzeitig ist er die ganz große Unschuld des deutschen Sports. Seine beiden zentralen Sätze lauten: “Der Vorwurf einer Kampagne gegen Klinsmann ist völlig absurd.” Und: “Wir berichten sachlich.”

Ist “Grinsi-Klinsi” sachlich?

“Grinsi-Klinsi ist eine Boulevard-Zeile.”

Da ist er natürlich fein raus, wenn alles, was eine Boulevard-Zeile ist, nicht im Widerspruch zur Sachlichkeit steht. Da kann er fleißig holzen, und das macht er auch. (…)

Es gibt verschiedene Gerüchte. “Bild” führe eine Kampagne gegen Klinsmann, weil man für dessen alten Widerpart Matthäus ist, weil es vor zehn Jahren mal einen Rechtsstreit wegen eines Fotos gab. In Wahrheit geht es wohl wieder um Unabhängigkeit. Draxler ist es gewöhnt, dass die Größen des Fußballs eng mit “Bild” zusammenarbeiten, Kolumnen schreiben oder jederzeit Informationen ausplaudern.

“Bild” ist Teil des Fußballbetriebs, Klinsmann nicht. Wenn etwas ausgeplaudert wird, nennt er das “Informationskorruption”. Er steht “Bild” nicht jederzeit zur Verfügung, schon gar nicht mit privaten Geschichten. Er will in seinem Umfeld keine Leute, die mit “Bild” eng verbunden sind. Er will die traditionelle Macht von “Bild” über die Nationalmannschaft brechen.

Draxler bleibt auch in diesem Punkt geschmeidig: “Wir arbeiten sehr gut zusammen, sehr professionell, wir haben jederzeit Zugang.”

Heute, nach vielen, vielen, vielen, vielen, vielen, vielen, vielen bissigen Bemerkungen über den Sonnenschein und die Temperaturen in Kalifornien, räumt “Bild” übrigens ein, dass Klinsmann einen auch für “Bild” akzeptablen Grund dafür hatte, nach dem Italien-Spiel nicht in Deutschland zu bleiben. Einen privaten Grund, den er gestern gegenüber dem ZDF und auf der DFB-Homepage nannte und den “Bild” zitiert:

“In dieser Woche (am 8. März – die Red.) war der erste Jahrestag des Todes meines Vaters. Und ich hatte meiner Mutter schon lange versprochen, daß wir diese für sie schweren Tage gemeinsam in Kalifornien verbringen.”

“Bild” kommentiert das mit den Worten:

Klinsi hätte sich viel Ärger ersparen können, wenn er früher seinen Grund für das Schwänzen des FIFA-Workshops verraten hätte.

Klar: Wenn er sowas nicht mit “Bild” abspricht, muss er halt die Konsequenzen tragen und wilde Unterstellungen von “Bild” über seinen Sonnenhunger in Kauf nehmen.

Ach, und leider hat gestern niemand rechtzeitig Franz Josef Wagner Bescheid gesagt.

Blind abgeschrieben

Außer auf seine Auflage ist “Bild” ganz besonders stolz darauf, die meistzitierte deutsche Zeitung zu sein. Und warum ist “Bild” die meistzitierte deutsche Zeitung? Weil sie so viele Exklusivmeldungen hat? Vielleicht. Vielleicht aber auch nur, weil alle anderen so blöd sind, bei ihr abzuschreiben. “Spiegel Online” zum Beispiel:

“Das Mittelfeld ist nicht kreativ genug. Wir haben keinen Häßler und Littbarski mehr. Und wir sind nicht mehr schnell genug”, sagte [Klinsmann] der “Bild”-Zeitung, “da kann nur Lahm mithalten. Das ist zu wenig. Da ist einiges versäumt worden, das korrigiert werden muss.”

Ja, all das stand in “Bild”. Aber erzählt hat es “Klinsi”, wie gesagt, vor knapp drei Wochen dem Sport-Informations-Dienst (sid). Bei dem ist auch der “Spiegel” Kunde. Obwohl er sich das Geld sparen könnte — er hat ja “Bild” abonniert.

Geheimplan enthüllt

Jürgen “Klinsi” Klinsmann wird neuer Bundestrainer. Und wer “enthüllt seinen Geheimplan für den DFB”? “Bild” natürlich. Woher wissen die immer diese Geheimgeschichten?

Oliver Bierhoff (36) wird den neuen [Manager-]Job übernehmen. Bierhoff: „Jeder weiß, dass ich mit Jürgen gut kann und eine Nähe zum DFB und zur Nationalmannschaft habe.“

Ah, okay, das steht in der “Süddeutschen Zeitung”.

Klinsi: „Man braucht ein Team mit Fachleuten für jeden Bereich.“

Ja, das stand schon letzte Woche Freitag in der “SZ”.

„Man muss fragen, wer arbeitet mit den Jüngsten, wer mit den Mittleren, das muss man rauf bis zur U23 ansehen.“

Das stand auch letzte Woche Freitag schon in der “SZ” (hier gibt “Bild” sogar die Quelle knapp an, aber nicht das Datum).

„Das Mittelfeld ist nicht kreativ genug. Wir haben keinen Häßler und Littbarski mehr. Und wir sind nicht mehr schnell genug. Da kann nur Lahm mithalten. Das ist zu wenig. Da ist einiges versäumt worden, das korrigiert werden muss.“

Das ist nicht aus der “SZ”. Das ist aus einem über zwei Wochen alten Interview der Nachrichtenagentur sid.

Kahn wird sein starker Mann. … Kahn lobt: „Mit Jürgen habe ich noch selber zusammengespielt. Er ist ein intelligenter, sehr erfahrener Mann.“

Sagte Kahn. Ganz aktuell. Aber natürlich nicht der “Bild”-Zeitung, sondern Sat.1.

Ja, hallo? Sind denn die Toten die einzigen, die noch mit “Bild” sprechen?

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