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Kommissar Reichelt und die “Bild”-Sheriffs üben Titelseiten-Selbstjustiz

Auch für Idioten gilt die Unschuldsvermutung. Auch Idioten müssen sich keine Vorverurteilung gefallen lassen. Auch Idioten sind nicht gleich “Verbrecher”, nur weil jemand ein Foto von ihnen gefunden hat, aus dem man ableiten könnte, dass sie eine Straftat begangen haben. Auch Idioten haben Persönlichkeitsrechte. Auch Idioten haben ein Recht am eigenen Bild.

Wir schreiben das so deutlich, weil die “Bild”-Redaktion das alles anders zu sehen scheint:


(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns. Bei “Bild” und Bild.de waren die Gesichter aller Personen zu erkennen.)

So sah gestern die Titelseite der “Bild”-Zeitung aus. Die Fahndung nach den “G20-Verbrechern” erstreckte sich auch aufs Internet, prominent platziert bei Bild.de:

Insgesamt 18 Personen, die am vergangenen Wochenende irgendwas in Hamburg gemacht haben sollen, haben die “Bild”-Medien an den Pranger gestellt, mit vergrößerten Gesichtern und der Beschreibung von besonderen Merkmalen. Manche von ihnen sind beim Werfen eines Steins zu sehen, manche beim Tragen eines Steins. Eine Frau ist kurz davor, eine leere Cola-Flasche wegzuschleudern. Eine andere hat zwei volle Flaschen Kindersekt unter den Arm geklemmt. Was die Leute davor gemacht haben oder danach, wohin die Steine und Flaschen fliegen, die sie in den Händen halten, ob sie bei manchen überhaupt fliegen oder nicht doch wieder fallen gelassen werden — nichts davon ist bekannt, und nichts davon lösen “Bild” oder Bild.de auf.

Das alles ist gleich aus mehreren Gründen mindestens problematisch, teilweise wohl auch rechtswidrig. Es fängt an mit der Vorverurteilung durch die “Bild”-Medien. Bereits in der Titelzeile steht fest, dass es sich um “Verbrecher” handele (wobei schon das Wort “Verbrecher” falsch ist, weil es sich erst dann um ein Verbrechen handelt, wenn die Mindestfreiheitsstrafe ein Jahr beträgt, etwa bei Mord oder schwerer Körperverletzung, nicht aber bei schwerem Landfriedensbruch — dort spricht man von einem Vergehen). Die Unschuldsvermutung, die für jeden Menschen gilt, gilt nicht bei “Bild”. Während man normalerweise erst nach einer rechtskräftigen Verurteilung ein Straftäter ist, reicht für die Redaktion schon eine Momentaufnahme, um ein Urteil zu sprechen. Ein möglicher Kontext ist dabei völlig egal.

Und das ist dann auch schon das nächste Problem: Die “Bild”-Medien nehmen Rollen ein, die nichts mehr mit der normaler Berichterstatter zu tun haben. In guten Momenten werden Medien zur vierten Gewalt, weil sie die drei anderen Gewalten — Legislative, Exekutive und Judikative — überwachen. “Bild” reicht das offenbar nicht mehr. Stefan Niggemeier schreibt bei “Übermedien” dazu:

Die Zeitung übernimmt die Rolle des Fahnders, und sie maßt sich dabei gleichzeitig die Rolle des Richters an. Ihr Urteil über die Menschen, nach denen sie öffentlich fahnden lässt, ist schon gefällt, und ein Teil der Strafe in Form des öffentlichen Prangers schon vollstreckt.

Dass “Bild” überhaupt öffentlich nach Personen fahndet, sei “klar rechtswidrig”, sagt Dr. Marcel Leeser, Medienanwalt bei der Kölner Kanzlei “Höcker Rechtsanwälte”:

Öffentliche Fahndungsaufrufe müssen immer durch einen Richter angeordnet werden. Sie sind nur zulässig bei Straftaten von erheblicher Bedeutung. Nur in Notfällen dürfen auch Staatsanwaltschaft und Polizei die öffentliche Fahndung anordnen. Keinesfalls dürfen Private oder Medien im Alleingang Menschen zur Fahndung ausrufen.

Und dann gibt es noch das Recht am eigenen Bild. “Fotos von Demonstrationen oder der Begehung von Straftaten können zwar in vielen Fällen veröffentlicht werden”, sagt Leeser. Die Art und Weise, wie der “Bild”-Medien die Fotos präsentieren, mit Zoom auf die Gesichter, verletzte “aber eindeutig deren Recht am eigenen Bild.”

“Bild” und Bild.de tun den abgebildeten Personen Unrecht. Ohne dass je ermittelt wurde, was diese tatsächlich getan haben, stellen sie sie an den Pranger. Gerade erst am vergangenen Wochenende, ebenfalls aufgrund von Berichten über die Geschehnisse rund um den G20-Gipfel, konnte man sehen, wie das Missachten der Unschuldsvermutung nach hinten losgehen kann. Bild.de schrieb am Freitag über einen Böller, der vor einem Polizisten explodiert ist. Dazu veröffentlichte die Redaktion dieses im Original unverpixelte Foto:

Im Artikel steht dazu:

Auf einem der zahlreichen Randale-Bilder vom Freitag ist zu sehen, wie einer der Tausenden G20-Chaoten vor einem Beamten steht, der schwer verletzt in die Knie geht – der Mann hat dem Polizisten kurz zuvor einen Böller direkt ins Gesicht geworfen!

Das stimmt allerdings gar nicht. Der Mann, der auf dem Foto zu sehen ist, hat mit dem Böllerwurf nichts zu tun. Die Hamburger Polizei griff — auch wegen des Bild.de-Berichts — bei Twitter ein, weil man “einen Unschuldigen vor einer ‘Online-Hetzjagd’ schützen” wolle:

Bild.de fügte der Bildunterschrift später die Information hinzu, dass der Böller-Werfer nicht auf dem Foto zu sehen sei. Gelernt haben die “Bild”-Medien aus diesem Fall aber offenbar nichts, wie die Titelseiten von Montag eindrucksvoll zeigt.

Die “GESUCHT!”-Aktion hat bereits konkrete Folgen. Heute meldete “Bild” — sicher nicht ohne Stolz — auf der Titelseite: “GESTELLT!”, nachdem sich einer der Abgebildeten bei der Polizei gemeldet hat:

Max Hoppenstedt schreibt bei “Vice”, dass es auch erste Kopfgelder gibt, die von rechten Internetseiten ausgelobt wurden, auf Grundlage der bei der “Bild”-Fahndung gedruckten Fotos.

Stefan Koldehoff sieht beim “Deutschlandfunk” “die Unabhängigkeit der Presse” durch die “Bild”-Zeitung “massiv beschädigt”:

Ohne damit die Hamburger Gewalttäter auch nur ansatzweise verstehen und verteidigen zu wollen: Wer sich so verhält, wie es die “BILD-Zeitung” heute tut, bestärkt all jene, die in Medien ohnehin nur den verlängerten Arm des Staates – die angebliche “Staatspresse” — sehen. Und das kann ernsthaft niemand wollen. Die Unabhängigkeit der Presse hat “BILD” heute massiv beschädigt.

Und Medienanwalt Ralf Höcker weist im Interview mit “Meedia” darauf hin, dass die Vorverurteilung durch “Bild” und der mediale Pranger sich bei einem möglichen Strafverfahren gegen die abgebildeten Personen auf das Strafmaß auswirken könnte:

Mit ihrer journalistischen Amtsanmaßung machen die Chefredakteure Julian Reichelt und Tanit Koch es am Ende alles nur noch schlimmer. Sie tun möglicherweise Unschuldigen unrecht und sorgen gleichzeitig dafür, dass tatsächliche Täter mit einer geringeren Strafe davonkommen.

Trotz all dieser Bedenken findet “Bild”-Chefredakteurin Tanit Koch die Aktion ihrer Zeitung völlig in Ordnung. Sie beruft sich bei ihrem Urteil auf die “Vedachtsberichterstattung”:

Nun bedeutet “Verdachtsberichterstattung” eigentlich, dass man besonders zurückhaltend berichtet und extra kenntlich macht, dass es sich lediglich um einen Verdacht handelt. “Bild” macht das exakte Gegenteil und spricht von “Verbrechern”. Entweder weiß Tanit Koch nicht, was “Verdachtsberichterstattung” bedeutet. Oder sie stellt sich extra blöd. Egal wie — es wäre recht traurig.

Ebenfalls zum Thema:

Mit Dank an Martin, Jan, Christian M., Daniel W., Viktor F., Jens A. L., Kenneth W., Ion L., @r_ebener, @rainerzufall_le, @DJ_anzen und @gamgeaDavid für die Hinweise!

Medien verbreiten Ehe-für-alle-Unsinn der AfD

Wenn Sie gestern eine Runde auf deutschen Online-Nachrichtenseiten gedreht haben, ist es nicht unwahrscheinlich, dass Sie auch auf diese Schlagzeile hier gestoßen sind:


(“Spiegel Online”)

Oder auf diese:


(Stern.de)

Oder diese:


(Welt.de)

Oder auf eine von diesen:


(FAZ.net)

(“Focus Online”)

(Morgenpost.de)

(“Deutschlandfunk”)

(derstandard.at)

(Express.de)

(FR.de)

(rp-online.de)

(Merkur.de)

(derwesten.de)

(maz-online.de)

(rbb-online.de)

(orf.at)

Die Liste ließe sich noch lange weiterführen — es stand gestern so gut wie überall, auch weil Agenturen die Nachricht übernommen und verbreitet haben: Die AfD prüfe, ob sie die gerade erst im Bundestag beschlossene “Ehe für alle” vor dem Bundesverfassungsgericht verhindern könne.

Als Ursprung für diese Neuigkeit nennen die Artikel, die hinter den oben aufgeführten Titelzeilen stecken, alle die gleiche Quelle: “Bild am Sonntag”. Die “BamS”-Redaktion hatte die AfD-Info gestern, beziehungsweise online bereits vorgestern am späten Abend, exklusiv:

Die AfD plant, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen und die am Freitag im Bundestag beschlossene “Ehe für alle” zu kippen. AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland (76) zu BamS: “Wir prüfen derzeit eine Klage beim Bundesverfassungsgericht. Ich bin für einen solchen Schritt. Die Ehe für alle bedeutet eine Wertebeliebigkeit, die unserer Gesellschaft schadet.”

Nun kann die AfD das so sehr wollen und planen und prüfen, wie sie mag — sie kann nicht wegen der “Ehe für alle” vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Wie Patrick Gensing bereits gestern am Nachmittag beim ARD-“Faktenfinder” schrieb, gibt es verschiedene Wege, die dazu führen, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit einem Gesetz beschäftigt. Im Fall der “Ehe für alle” kommt eigentlich nur die abstrakte Normenkontrolle in Frage. Und die kann nicht von jedem einfach so beantragt werden. Das Bundesverfassungsgericht schreibt dazu:

Der Antrag kann nur von der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages gestellt werden. Bürgerinnen und Bürger sind in dieser Verfahrensart nicht antragsberechtigt.

Die AfD sitzt zwar in einigen Landesparlamenten, sie gehört aber weder der Bundesregierung noch einer Landesregierung an, und keiner ihrer Mitglieder ist aktuell Bundestagsabgeordneter. Über die abstrakte Normenkontrolle kann sie eine Überprüfung der “Ehe für alle” durch das Bundesverfassungsgericht derzeit nicht beantragen.

Eine Verfassungsbeschwerde, die auch einzelne AfD-Mitglieder initiieren könnten, macht bei der “Ehe für alle” auch keinen Sinn. Denn dazu schreibt das Bundesverfassungsgericht:

Die beschwerdeführende Person muss selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihren Rechten betroffen sein.

Und wer soll schon ernsthaft in seinen Rechten betroffen sein, weil nun auch Frauen Frauen und Männer Männer heiraten können sollen und sonst durch die “Ehe für alle” niemandem etwas weggenommen wird?

All das hätten auch die zwei “Bild am Sonntag”-Autoren herausfinden können, bevor sie (und in der Folge all die anderen Redaktionen, die auch nicht recherchierten) der AfD riesige Werbeflächen für eine Null-und-nichtig-Ankündigung einräumten.

NetzDG reloaded, Asymmetrische Fakten, Twitters Blockadeverhalten

1. Hate-Speech-Gesetz: Neuer Entwurf gefährdet weiterhin die Meinungsfreiheit
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Die große Koalition hat sich offenbar geeinigt und einen neuen, in einigen Punkten entschärften Entwurf zum sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz vorgelegt. Markus Reuter von Netzpolitik.org hält das Gesetz immer noch für eine Gefahr für die Meinungsfreiheit. Und er ist damit nicht allein: Ein breites Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, Verbänden und Rechtsexperten appelliert an die große Koalition, das fragwürdige NetzDG nicht zu verabschieden.

2. Asymmetrische Fakten
(taz.de, Jörg Wimalasena)
Angela Merkel lässt ihren Mitbewerber ums Bundeskanzleramt Martin Schulz oftmals ins Leere laufen: Auf konkrete Wahlversprechen der Gegenseite reagiert sie mit Schweigen. Der Chef der Forschungsgruppe Wahlen nannte es einst „asymmetrische Demobilisierung“: Zu kontroversen Themen keine Stellung beziehen und hoffen, dass die Wähler der anderen Parteien am Wahltag einfach zu Hause bleiben. Schulz sprach in diesem Zusammenhang von einem „Anschlag auf die Demokratie“. Das „ZDF heute journal“ wollte dem etwas entgegensetzen und wies im Faktencheck auf eine um 0,7 Prozent gestiegene Wahlbeteiligung hin. Was richtig wäre, wenn da nicht die Sache mit dem betrachteten Zeitraum wäre…

3. Meinungsfreiheit? Was Twitter alles blockiert
(spiegel.de, Philipp Hummel)
Das neue Netzwerkdurchsetzungsgesetz sieht drastische Strafen für Plattformbetreiber vor, die rechtswidrige Inhalte nicht innerhalb kurzer Fristen entfernen. Dies kann nach Ansicht von Kritikern zu Überreaktionen auf Seiten der Betreiber führen. “Spiegel Online” hat sich das Löschverhalten Twitters angeschaut und dazu eine Datenanalyse durchgeführt. Das Resümee: “Trotz der vielen fragwürdigen Eingriffe durch Twitter: Wer nicht gerade “Trusted Reporter” ist – in Deutschland hat diesen Rang offenbar nur jugendschutz.net – oder prominent wie Jan Böhmermann, hat es bei Twitter offenbar schwer, Gehör zu finden.”

4. Boulevard = Fake?
(deutschlandfunk.de, Dietrich Mohaupt)
Gymnasiasten in Niedersachsen haben im Unterricht eine App getestet, die ihnen beibringen soll, Fake News zu erkennen. 19 Fragen sollen helfen, auffällige Meldungen aus dem Internet schnell auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu überprüfen, doch die Methode ist umstritten. Der Vorsitzende des niedersächsischen Philologenverbandes will z.B. die typischen Stilmittel der Boulevardpresse nicht als ein Kriterium für Fake News gelten lassen.

5. Wie die Regierung in Mexiko Aktivisten und Journalistinnen ausspioniert
(boell.de, Caroline Schroeder)
Mexiko ist eines der gefährlichsten Länder für Journalisten. Laut der Menschenrechtsorganisation “Article 19” wurden seit dem Jahr 2000 einhundertsechs Medienvertreter umgebracht. Nun wird bekannt, dass die Regierung in den letzten anderthalb Jahren Journalisten mit einer israelischen Software ausspioniert hat, die eigentlich für den Kampf gegen Terrorismus bestimmt ist. Es liegt ein Bericht vor, in dem 12 Fälle ausführlich dokumentiert sind.

6. Reden wir darüber
(sueddeutsche.de, Hannah Beitzer)
“Wege aus der Filter Bubble” hieß die Veranstaltung, zu der u.a. “Gruner + Jahr”, “Spiegel” und “Zeit” nach Berlin geladen hatten. Justizminister Heiko Maas und einige Journalisten diskutierten über Hass im Netz, Fake News, Filterblasen und die Verantwortung sozialer Medien. “Wir wollen miteinander statt übereinander reden” hieß das Motto der Veranstaltung, das jedoch laut Hanna Beitzer von einem bestimmten Netzwerk unterlaufen wird: “Reden kann man mit Facebook, aber es bringt nicht viel.”

Böse Übersetzung

Fangen wir mit drei Binsenweisheiten an: 1) US-Präsident Donald Trump spricht Englisch. 2) Deutsche Medien berichten in der Regel auf Deutsch. 3) Wenn deutsche Medien über eine Aussage von Donald Trump berichten wollen, müssen sie diese Aussage vom Englischen ins Deutsche übersetzen. Und da liegt das Problem.

Aktuell macht das Trump-Zitat “Die Deutschen sind böse, sehr böse” die ganz große Medien-Runde:








“Spiegel Online” hatte gestern zuerst über Trumps Deutschland-Schelte berichtet. Die Aussage stammt aus einem nicht-öffentlichen Treffen des US-Präsidenten mit Vertretern der EU in Brüssel. “Spiegel Online” schreibt:

US-Präsident Donald Trump hat sich bei seinem Treffen mit der EU-Spitze in Brüssel heftig über den deutschen Handelsbilanzüberschuss beklagt. “The Germans are bad, very bad”, sagte Trump. Dies erfuhr der SPIEGEL von Teilnehmern des Treffens.

Nun kann das englische Wort “bad” vieles bedeuten: schlecht (so beispielsweise von süddeutsche.de übersetzt), schlimm, schwierig, schädlich, mangelhaft und auch ungezogen oder böse. Dass Trump mit “The Germans are bad, very bad” sagen will, dass “die Deutschen” “böse, sehr böse” seien, ist nicht so eindeutig, wie die Titelzeile bei “Spiegel Online” es darstellt. Hätte er “The Germans are evil, very evil” gesagt, wäre es etwas anderes.

Apropos “evil”: Die Nachricht, die “Spiegel Online” gestern Abend exklusiv veröffentlichte, griffen auch englischsprachige Medien auf. Bei der Rückübersetzung vom Deutschen ins Englische machten sie mitunter aus “Die Deutschen sind böse, sehr böse” interessanterweise “The Germans are evil, very evil”:



EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der beim Treffen mit Donald Trump dabei war, hat die Worte des US-Präsidenten inzwischen bestätigt. Juncker sagt allerdings auch:

Ich bin kein Spezialist im Englischen, wie man weiß, aber: “Bad” heißt nicht böse, schlecht reicht.

Mit Dank an Jolf B. für den Hinweis!

AfD-Baiting, Print lebt (manchmal), Hexenverbrennung

1. Die AfD als Platzhalter für…alles Mögliche
(fr.de, Patrick Schlereth)
Bedient sich „Spiegel Online“ unseriöser Clickbating-Methoden, um mit reißerischen Überschriften Klicks zu erzeugen? Das könnte man unterstellen, wenn man sich einige Überschriften anschaut, die mit den Begriffen „AfD“ und „Alternative für Deutschland“ falsche Fährten legen.

2. “Das sind die größten Fachzeitschriften Deutschlands”
(horizont.net, Roland Karle)
Im Gegensatz zu Publikumsmedien brummt bei Fachzeitschriften das Anzeigengeschäft: Der Werbeumsatz der 150 größten deutschen Fachzeitschriften steigt laut „Horizont“-Erhebungen 2016 auf 626,5 Millionen Euro. Spitzenreiter ist das „Deutsche Ärzteblatt“ mit einem Bruttowerbeumsatz von 41,3 Millionen Euro. Die Top-150-Fachzeitschriften hätten mit 626,5 Millionen Euro 0,9 Prozent mehr an Anzeigengeld eingenommen hätten, bei den ersten zehn der Rangliste war es gar ein Plus von 3,9 Prozent.

3. “Correctiv”-Stellungnahme zur Einstweiligen Verfügung
(facebook.com/correctiv.org)
“Correctiv” wurde vom Landgericht Düsseldorf verboten, einen umstrittenen Artikel über eine AfD-Kandidatin in NRW weiter zu verbreiten. Dagegen will man Widerspruch einlegen: “Der Artikel hat auch innerhalb der CORRECTIV-Redaktion für große Diskussionen gesorgt. Mehrere Kolleginnen und Kollegen kritisierten die Veröffentlichung grundsätzlich, andere den Stil der Berichterstattung. Wir haben damit bereits in der vergangenen Woche auch den Ethikrat befasst und um ein Votum gebeten; und wir werden diese internen Debatten auch öffentlich machen, sobald sie abgeschlossen sind.”

4. Sich mit Deniz Yücel gemein machen? Aber ja!
(rnd-news.de, Ulrike Simon)
Die ARD konnte sich nicht zu einer Aktion für den inhaftierten Journalisten Denis Yücel durchringen und begründete dies mit dem oft strapazierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Zitat, wonach sich ein Journalist mit nichts gemein zu machen habe, auch nicht mit einer guten Sache. Medienkolumnistin Ulrike Simon hat einige der bekanntesten Kollegen, die Friedrichs gut kannten beziehungsweise sich in seiner Tradition sehen, um eine Stellungnahme gebeten. Darunter Thomas Roth, Claus Richter, Dagmar Reim, Nikolaus Brender, Stephan Lamby und Christoph Fröhder.

5. Bekommt Fox News Konkurrenz?
(sueddeutsche.de, Jürgen Schmieder)
Der amerikanische Medienkonzern „Sinclair Broadcast“ will seinen Rivalen „Tribune Media“ übernehmen, womit ein neuer Player rechts von „Fox News“ entstehen könnte. Momentan hätten die 139 regionalen und als erzkonservativ geltenden TV-Stationen von Sinclair nur eine geringe nationale Bedeutung. Durch den Zukauf würde das Unternehmen jedoch 42 Stationen in wichtigen Großstädten und Ballungsräumen dazu gewinnen und insgesamt 70 Prozent der amerikanischen Haushalte erreichen.

6. Hexen verbrennen fürs Klima? Journalisten entstellen AfD-Rede
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Derzeit geistert ein aus dem Kontext gelöstes Zitat des baden-württembergischen AfD-Abgeordneten Rainer Podeswa durch die Medien, das als Empfehlung zur Hexenverbrennung verstanden werden könnte. Um damit das Klima zu retten… Stefan Niggemeier hat sich die Rede des Abgeordneten angeschaut und kommt zum Schluss: „Wie auch immer man zu Podeswa und seinen haarsträubenden Schein-Argumenten und Vergleichen steht: Ihm zu unterstellen, er plädiere für das Verbrennen von Frauen oder glaube ernsthaft, dass das Verbrennen von Frauen den Klimawandel vor 500 Jahren gestoppt hat, ist falsch.“

6-vor-9-Sonderausgabe: Unsere Empfehlungen für den zweiten Tag der re:publica 2017

Tausende Blogger, Medienleute und Netzaktivisten sind nach Berlin zur re:publica gereist, um die Themen der digitalen Gesellschaft zu diskutieren. Auch wir konnten dem Lockruf nicht widerstehen und sind dort. Besonders interessieren uns natürlich alle Themen, die im weitesten Sinne mit Medien zu tun haben. Deshalb haben wir aus der Vielzahl von Vorträgen die für uns interessanten Veranstaltungen des zweiten Tags herausgepickt (was bei dem Überangebot nicht leicht war) und samt der offiziellen Beschreibungstexte hier aufgeführt. Vielleicht sieht man sich ja…

1. Flachsinn – über gute und schlechte Aufmerksamkeit, wie man sie bekommt, wer gewinnt und wohin alles führt (Stage 1 – 10:00 bis 11:00 Uhr)
(re-publica.com)
Früher war es nicht so gut, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. “Gehe nicht zum Fürst, wenn du nicht gerufen wirst.” Man wollte bestimmt nicht “auffällig” werden, weil Normabweichungen zu Nachteilen führten. Heute hat derjenige Erfolg, der Aufmerksamkeit auf sich zieht, “attraktiv” oder “visible” ist, also weithin “auffällig” wirkt und als “besonders” gilt. Die Aufmerksamkeit mausert sich seit Jahren zu einer Ersatzwährung.
Gunter Dueck (CEO Omnisophie)

2. Anonymous.Kollektiv & Migrantenschreck: Warum wir bei Rechten geklingelt haben (Stage 2 – 10:00 bis 11:00 Uhr)
(re-publica.com)
Hunderte Deutsche haben illegale Schusswaffen beim Online-Shop “Migrantenschreck” bestellt. Wir haben Dutzende besucht, viele von ihnen sind Menschen aus der Mitte der Gesellschaft. Das zeigt: Rechte Parolen sind im Mainstream angekommen, das Bild des angeblich kriminellen Flüchtlings verfängt. Wie können Journalisten damit umgehen? Wie ernst sollen wir die Ängste der besorgten Bürger nehmen?
Karolin Schwarz (Social Media Redakteurin & Journalistin Hoaxmap)
Max Hoppenstedt (Chefredakteur MOTHERBOARD)
Simon Hurtz (Redakteur SZ.de)

3. »Wir hab’n Polizei!« – Chancen & Herausforderungen beim Einsatz sozialer Medien in der Polizeiarbeit (Stage 2 – 11:15 bis 12:15 Uhr)
(re-publica.com)
Aufgezeigt werden soll, wie ein ganzer Berufsstand durch seine Kommunikation in den sozialen Medien eine Art Imageaufschwung von »dislikable« zu »loveable« erfahren hat, welche positiven Signale dies für unsere Gesellschaft, den Rechtsstaat und die Zukunft der digitalen Präsenz der Polizei haben kann, vor welche Herausforderungen der offene Dialog die Beamten aber auch stellt (Stichworte: Falschmeldungen, Hatespeech, Whistleblowing, Terrorwarnungen …) und wie diese Weise der »neuen Kommunikation« anderen Berufsgruppen zum Vorbild gereichen kann.
Alexa Brandt (Digitalredakteurin I Head of PR & Social Media result gmbh)
Katharina Kleinen-von Königslöw (Professor University of Hamburg)
André Karsten (Social Media Communicator / Polizeisprecher Soziale Medien Polizei Frankfurt am Main)
Thomas-Gabriel Rüdiger (Kriminologe FHPol Brandenburg)

4. Survival of the fakest? ARD und andere Medien im Kampf gegen gezielte Falschinformationen im Netz
(re-publica.com)
Derzeit scheint das Netz von Fake News durchsetzt zu sein. Meldungen, die im Internet kursieren, können weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. Wie können wir uns gegen Falschmeldungen wappnen?
Stefan Niggemeier (Gründer Übermedien)
Juliane Leopold (Journalistin und Beraterin)
David Biesinger (Programmchef)
Patrick Gensing (Leiter Faktenfinder Tagesschau)
Richard Gutjahr (Journalist und Blogger G! blog)
Niddal Salah-Eldin (Head of Social Media WELTN24)

5. Exit Journalism: Dating-, Shopping-, und Vergleichsportale. Bestimmen sie die Zukunft der Medienkonzerne? (Stage 7 – 11:15 bis 12:15 Uhr)
(re-publica.com)
Springer macht in Immobilienanzeigen, Burda in Dating und P7S1 in Vergleichsportalen. Es scheint als ob die journalistischen Produkte nur noch als Startrampe für besser bezahlte Aktivitäten im Netz gesehen werden. Welche Rolle spielt Journalismus für die Konzerne? Wie kann sich das journalistische Kerngeschäft weiter entwickeln und eigenständig bestehen?
Hansi Voigt (Freier Medienberater)
Arne Wolter (Chief Digital Officer Gruner+Jahr GmbH + Co KG)
Caroline von der Groeben (Chief of Staff to the board Axel Springer SE)

6. What’s Up TV? Television from Abroad (Stage 6 – 12:30 bis 13:00 Uhr)
(re-publica.com)
Der Markt für Fernsehformate ist international, und TV-Trends verbreiten sich schnell über die ganze Welt. Trotzdem unterliegt jedes Land nationalen Eigenheiten und Geschmäckern. Was trotzdem Trend ist – oder zu einem werden könnte, welche Formate in der TV-Branche diskutiert werden und was für kuriose Auswüchse die TV-Produktion zuweilen zustande bringt, präsentiert die Session.
Marcel Amruschkewitz (Leiter Creative Unit VOX)

7. Beitragskürzung oder erweiterter Auftrag. Wohin entwickelt sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk? (Stage 7 – 12:30 bis 13:30 Uhr)
(re-publica.com)
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht unter Veränderungs- und Rechtfertigungsdruck, in Deutschland und in ganz Europa. Der Druck kommt nicht nur durch neue Medientechnologien und veränderte Medienrezeptionsgewohnheiten der Nutzer, sondern auch aus Politik und den eigenen Reihen. Innerhalb der Rundfunkanstalten wird in Arbeitsgruppen über zukünftige Strukturen, Reformansätze, Angebote und die Vorstellungen der Beitragszahler diskutiert.Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht unter Veränderungs- und Rechtfertigungsdruck, in Deutschland und in ganz Europa. Der Druck kommt nicht nur durch neue Medientechnologien und veränderte Medienrezeptionsgewohnheiten der Nutzer, sondern auch aus Politik und den eigenen Reihen. Innerhalb der Rundfunkanstalten wird in Arbeitsgruppen über zukünftige Strukturen, Reformansätze, Angebote und die Vorstellungen der Beitragszahler diskutiert.
Tabea Rößner (MdB Bündnis 90/Die Grünen)
Ulrike Simon (freiberufliche Medienjournalistin)
Hans Demmel (Vorsitzer / Geschäftsführer VPRT e. V. / n-tv)
Prof. Dr. Karola Wille (Intendantin des MDR und Vorsitzende der ARD)
Lauri Kivinen (CEO Yle – Finnish Broadcasting Company)

8. Jemand vor Ort? Lokaljournalismus zwischen Innovation, gesellschaftlicher Bedeutung und staatlicher Förderung. (Stage 7 – 15:00 bis 16:00 Uhr)
(re-publica.com)
In immer mehr Regionen in Deutschland gibt es nur noch eine Tageszeitung, auch im lokalen Rundfunk nimmt die Konzentration zu. Hyperlokale Blogs erschienen kurze Zeit als Alternative, die Finanzierung bleibt jedoch in den meisten Fällen schwierig. Um lokale Vielfalt zu erhalten, werden unterschiedliche Konzepte zur Weiterentwicklung und Förderung von Lokaljournalismus diskutiert und in einzelnen Bundesländern auch probiert.
Prof. Dr. Hansjürgen Rosenbauer (Vorsitzender des Medienrats Medienananstalt Berlin-Brandenburg)
Prof. Dr. Frank Lobigs (Professor für Journalistik, Schwerpunkt “Ökonomische Grundlagen des Journalismus” Inst. f. Journalistik, TU Dortmund)
Thomas Kralinski (Chef der Staatskanzlei & Beauftragter für Medien Staatskanzlei Land Brandenburg)
Patricia Schlesinger (Intendantin Rundfunk Berlin-Brandenburg)
Prof. Bascha Mika (Chefredakteurin Frankfurter Rundschau GmbH)
Isa Sonnenfeld (Head of Google News Lab DACH)
Andrea Hansen (Freie Journalistin und stellvertretende Landesvorsitzende DJV NRW)

9. Schöner Schein oder tiefgreifende Erkenntnisse? – Datenjournalismus im redaktionellen Alltag (Stage 4 – 16:15 bis 17:15 Uhr)
(re-publica.com)
Datenjournalismus schafft Ordnung im Chaos, zeigt komplexe Zusammenhänge auf und macht riesige Zahlenmengen auf einen Blick begreifbar. Datenjournalismus ist die Antwort auf die großen Datenmengen unserer Welt. Aber zeigt Datenjournalismus wirklich Neues? Interessieren sich die NutzerInnen dafür? Welche Reichweiten lassen sich damit erzielen? Und wie bindet man die Datenjournalisten sinnvoll in den Redaktionsalltag ein? Auf der Bühne: Macher und Experten mit Daten, Erfahrungen und Gedanken zu einem wichtigen Thema im Journalismus – nicht nur Online.
Lorenz Matzat (Journalist & Unternehmer Lokaler Infosystems)
Wolfram Leytz (Redaktionsleiter rbb|24 Rundfunk Berlin-Brandenburg)
Uli Köppen (BR Data)
Teresa Sickert (Journalistin Radiobüro)
Christina Elmer (Ressortleitung Datenjournalismus Spiegel Online)

10. Fake News und die Glaubwürdigkeitsdebatte. Wie dringt Journalismus noch durch? (Stage 7 – 17:30 bis 18:30 Uhr)
(re-publica.com)
Erst die Fake-News teilen, sich dann über die Gegenposition in den Medien aufregen, um sich schließlich bei Russia Today zu informieren. Der Kampf um Aufmerksamkeit im Social Web schafft schiefe Anreize für Medienmacher und Nutzer. Wie geht man mit den Unwahrheiten um? Wie stärkt der Journalismus seine Glaubwürdigkeit und dringt zu den Nutzern durch?
Dr. Barbara Hans (Chefredakteurin SPIEGEL ONLINE GmbH)
Jim Egan (CEO BBC Global News Ltd)
Dr. Joachim Huber (Leiter Ressort Medien Der Tagesspiegel)
Niddal Salah-Eldin (Head of Social Media WELTN24)
Dr. Maren Urner (Co-Founder and editor-in-chief Perspective Daily)
Dr. Rasmus Kleis Nielsen (Director of Research Reuters Institute, University of Oxford)

11. Fake sells: Eine wahre Geschichte in 2000 Facebook-Copys (Stage 1 – 18:45 bis 19:15 Uhr)
(re-publica.com)
Fake News sind immer die News der anderen? Unsere Datenanalyse zeigt, wie sich Falschmeldungen auszahlen und mit welchen Strategien Medien Fakes verbreiten: Jeder dritte Facebook-Post enthält Spuren von Unwahrheit. Um dem Problem beizukommen, gilt es zu differenzieren: zwischen Propaganda, Clickbait und Fahrlässigkeit. Wir präsentieren das Thema als interaktive Game Show mit zwei Kandidaten und einer Hydraulikpresse (Modell „Lügenpresse™“) auf der Bühne, die über Wahrheit und Fake richtet.
Theresa Locker (MOTHERBOARD)

12. Unfragen und Umfragen: Wenn Meinungsforschung Meinung macht
(re-publica.com)
Wir konsumieren Eindeutigkeit: 2,5 Milliarden Euro pro Jahr geben deutsche Politik und Wirtschaft für quantitative Meinungsforschung aus, 150 Umfragen beauftragt allein das Bundeskanzleramt jährlich. Doch nach Wahlkämpfen, die mitunter von Bots und sogenannten Fake News bestimmt wurden, scheint es immer schwieriger, diese Eindeutigkeit zu finden. Große Medien nutzen zur Steigerung ihrer Engagement-Raten häufig einfache Klick-Tools, um Meinungen abzufragen. Welche Meinungen diese Ergebnisse widerspiegeln ist fraglich.
Christian Humborg (Of Counsel CORRECT!V)
Janina Mütze (Co-Founder & COO Civey)

Foto-Klau, Brustvergrößerung, SnapNews

1. Woher stammen die Facebook-Bilder der AfD?
(ndr.de, Fiete Stegers)
Auf der Facebook-Seite der AfD gibt es für die aktuell 321.269 Nutzer, denen sie gefällt, immer wieder markige Partei-Botschaften, die auf Fotos gepackt wurden. Aber woher stammen diese Bilder, wenn sie gerade mal nicht Frauke Petry oder Alexander Gauland zeigen? Fiete Stegers hat einigen hinterherrecherchiert: “Für die Bebilderung bedient sich die Partei unter anderem bei ausländischen Fotografen, bei Wikipedia und auch mal bei der Deutschen Presseagentur (dpa). Einige dieser Fotografen sind verärgert und prüfen nach Hinweisen von ZAPP nun juristische Schritte.”

2. Medienfreiheit in Demokratien bedroht
(reporter-ohne-grenzen.de)
Die “Reporter ohne Grenzen” haben gestern ihre “Rangliste der Pressefreiheit” für das Jahr 2017 veröffentlicht und bieten in diesem ausführlichen Beitrag kompakte Überblicke zu den Arbeits- und Lebensbedingungen von Journalisten in vielen Ländern der Welt: von Polen über den Jemen und Burundi bis Nicaragua.

3. Wer bin ich?
(sueddeutsche.de, Katharina Riehl)
Der Printbranche geht es insgesamt nicht gut. Beim „Focus“ müssen jedoch besondere Umstände dazugekommen sein, denn es kriselt dort besonders: „Wahr ist aber auch, dass die Krisenmeldungen beim Focus noch ein bisschen häufiger sind als anderswo, die Zahlen noch ein bisschen schlechter — und dass das Heft publizistisch bei vielen aus der Wahrnehmung gerutscht ist.“ “SZ”-Autorin Katharina Riehl hat sich auf Ursachensuche gemacht.

4. Universität Leipzig bildet vorerst keine weiteren Journalisten aus
(flurfunk-dresden.de, Alexander Laboda)
Die Journalisten-Ausbildung an der Universität Leipzig stand schon länger in der Kritik, doch jetzt hat die Uni die Reißleine gezogen: Der Fakultätsrat verhängte am Dienstagnachmittag einen Immatrikulationsstopp. Grund dafür sind offenbar erhebliche Mängel bei der Qualität der Ausbildung und der Durchführung des Masterprogramms.

5. Spiegel Online, BILD & Co. NEU bei Snapchat Discover – Ich hab’s mir angesehen
(philippsteuer.de, Video, 6:47 Minuten)
Sie sind neugierig, wie sich „Spiegel Online“, „Bild“ & Co. neuerdings bei Snapchat präsentieren, haben die App aber nicht installiert? Dann lassen Sie sich von Philipp Steuer in einem kommentierten Video durch die neue bunte Snapchat-Medienwelt führen.

6. Und wieder grüßt der dicke Mops…
(radioszene.de, Wolf-Dieter Roth)
Immer wieder versuchen pfiffige Radiomacher, mit provokativen Aktionen ins Gespräch zu kommen. Der österreichische Radiosender “Kronehit” ist nun mit einer wenig originellen und geschmackvollen Idee um die Ecke gekommen und bietet eine Brustvergrößerung für Mutter und Tochter an. Ein Spiel mit dem einkalkulierten, ja vielleicht sogar erwünschten Shitstorm?

Wikitribune, Weinskandal, Rekruten-Pizza

1. Wie Jimmy Wales mit dem Wikipedia-Prinzip den Journalismus retten will
(wired.de, Greg Williams)
Nun sagt auch Wikipedia-Gründer Jimmy Wales den Fake News den Kampf an und startet eine Community-getriebene Online-Nachrichtenplattform mit dem Namen „Wikitribune“. Das neue Nachrichtenportal soll über eine Crowdfunding-Kampagne finanziert werden: „Wenn wir News mit Community-Beteiligung machen, sollte das auch mit Community-Beteiligung finanziert werden.“

2. IVW-Blitz-Analyse Zeitungen: Bild, BamS und WamS verlieren mehr als 10%, Gewinne für die Junge Freiheit und den Freitag
(meedia.de, Jens Schröder)
Die Verkaufsstatistik für überregionale Tageszeitungen im ersten Quartal fiel vor allem für das Haus Axel Springer schlecht aus: „Bild“ und „Bild am Sonntag“ verloren bei Abos und Einzelverkäufen laut IVW-Erhebung fast elf Prozent gegenüber dem Vorjahr, die “Welt am Sonntag” zehn Prozent.

3. Der «Blick» auf den Spuren der «Schweizermacher»
(medienwoche.ch, Nina Fargahi)
Die Schweizer Tageszeitung „Blick“ hat mit einer umstrittenen Aktion auf sich aufmerksam gemacht: Das Blatt forderte Flüchtlinge auf, einen „Integrationsvertrag“ abzuschließen, den man sich hat einfallen lassen. Nina Fargahi kommentiert: „Wenn das Anliegen wirklich ein einträchtiges Zusammenleben zum Ziel hat, dann sollte die schweizerische Bevölkerung als Ganzes in den Blick genommen werden, worunter auch die frisch zugezogenen Schutzsuchenden zählen. Weshalb dies hier nicht der Fall ist, lässt sich leider nur damit erklären, dass Kampagnenjournalismus auf Kosten der Schwächsten betrieben wird.“

4. Darum fahren Medien auf selbstzerstörende News ab
(welt.de, Christian Meier)
Snapchat hat seine ersten deutschen Partner vorgestellt, das sind „Bild“, „Spiegel Online“, „Sky Sport“ und „Vice“. Was den Snapchat-typischen Selbstzerstörungsmechanismus der Nachrichten anbelangt, bleibt Christian Meier in der „Welt“ gelassen und abgeklärt: „Wo sich der an klassischer Zeitungslektüre geschulte Mensch weiter abmüht, sein Lesepensum der vergangenen Woche abzuarbeiten, erleichtert hier eine Art informationeller Entschlackungsmodus das schlechte Gewissen. Was nicht innerhalb von 24 Stunden angeschaut wird, ist halt weg. Die nächste Nachricht kommt bestimmt.“

5. Sächsischer Weinskandal: DNN verklagt Sozialministerium
(flurfunk-dresden.de, Benjamin Kutz)
Der sächsische Weinskandal beschäftigt seit anderthalb Jahren die Medien. Nun geht es in die nächste Runde: Die “Dresdner Neusten Nachrichten” (“DNN”) verklagen das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz auf Herausgabe von Informationen. “DNN”-Chefredakteur Dirk Birgel: „Es wird Zeit, Ross und Reiter zu nennen. Das Ministerium muss endlich dem Verbraucherschutz genügen und die Namen der betroffenen Betriebe nennen. Das ist im übrigen auch im Sinne der vielen Betriebe, die sauberen Wein produzieren. Solange die schwarzen Schafe der Branche geschützt werden, liegt automatisch ein Generalverdacht auch auf allen, die keine Schuld trifft.“

6. Fast Food: Bundeswehrbung auf Pizzapackungen kostet 202.000 Euro
(netzpolitik.org, Arne Semsrott)
Mehr als sieben Millionen Euro hat sich die Bundeswehr ihre YouTube-Serie „Die Rekruten“ kosten lassen. Davon entfielen 6,1 Millionen Euro auf den Werbe-Etat. Und damit auf Pizza-Kartons: Wie aus einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz auf „FragDenStaat.de“ hervorgeht, hat die Bundeswehr mehr als 200.000 Euro für mit Werbung bedruckte Pizza-Kartons ausgegeben, die man kostenlos an Pizzabäcker verteilen ließ.

Ging es beim Anschlag auf den BVB wirklich um Millionen Euro?

Kein islamistischer Terror, keine Rechtsextremen, keine Linksextremen. Habgier soll das Motiv des Anschlags auf den BVB-Mannschaftsbus vor zehn Tagen gewesen sein. Heute früh wurde ein Mann festgenommen, der die drei Sprengsätze am 11. April in Dortmund gezündet haben soll. Dabei soll es ihm um die Aussicht auf viel Geld gegangen sein — die Bundesanwaltschaft schreibt in einer Pressemitteilung, dass der Tatverdächtige vor dem Anschlag Optionsscheine gekauft habe, mit denen er auf einen fallenden Kurs der BVB-Aktie spekuliert habe. Viele Medien schreiben, dass der Mann dadurch Millionen hätte machen können.

Bei ihrer Jagd nach großen Schlagzeilen mit großen Summen bringen die Redaktionen allerdings Zahlen ins Spiel, an denen es erhebliche Zweifel gibt. Der Ursprung des Übels ist dabei einmal mehr Bild.de:

Die zuständigen sieben Autoren schreiben:

Nach BILD-Recherchen fanden die Ermittler heraus, dass Sergej W. vom Hotel aus online ein Aktienpaket von 15 000 Optionsscheinen für 78 000 Euro kaufte. (…)

Im Falle eines deutlichen Kursverlustes der BVB-Aktie hätte Sergej W. einen Millionengewinn machen können. Nach den Ermittlungen des Bundeskriminalamtes hätte er einen Gewinn von bis zu 3,9 Millionen Euro erzielt.

Dafür musste die Aktie dramatisch fallen. Und genau das wäre nach einem Anschlag, bei dem ein Teil der Mannschaft schwer verletzt oder sogar getötet worden wäre, vermutlich passiert.

Andere Nachrichtenseiten übernahmen die Kennziffern 15.000 Optionsscheine, 78.000 Euro Einsatz, 3,9 Millionen Euro möglicher Gewinn. “Focus Online” zum Beispiel:

“Der Westen”:

“20 Minuten” aus der Schweiz:

Und viele weitere.

Erstmal zu den 78.000 Euro — wir vermuten, dass die Bild.de-Mitarbeiter durch eine simple Rechnung auf diese Zahl gekommen sind: Sie dürften die 15.000 Optionsscheine, von der die Bundesanwaltschaft berichtet, mit dem Basispreis von 5,20 Euro je Optionsschein multipliziert haben. Macht insgesamt 78.000 Euro.

Das Problem dabei: So funktioniert der Kauf von Optionsscheinen nicht. Man erwirbt die sogenannten Put-Optionsscheine, mit denen man auf fallende Kurse spekulieren kann, nicht zum Basispreis, sondern zu einem Kaufpreis des jeweiligen Optionsscheins. Und der lag bei den Put-Optionen zur BVB-Aktie am Tag des Anschlags bei nur wenigen Cents je Schein.

Die Put-Option zur BVB-Aktie mit dem Basiswert von 5,20 Euro, auf die sich Bild.de bei der 78.000-Euro-Rechnung vermutlich bezieht, hatte am Tag den Anschlags einen Kaufpreis von 0,18 Euro. Die 15.000 Optionsscheine, die der Tatverdächtige gekauft haben soll, haben also nur 2700 Euro gekostet.

Weiter zu den 15.000 Optionsscheinen — vermutlich hat der Verdächtige noch einige mehr gekauft. Sowohl boerse.ard.de (wo Detlev Landmesser übrigens bereits am 12. (!) April im Zusammenhang mit dem Anschlag in Dortmund auf “eine kleine Auffälligkeit aus Börsensicht” hingewiesen hatte) als auch die “Wirtschaftwoche” gehen davon aus, dass mehr Transaktionen getätigt wurden.

Es gibt 23 verschiedene Put-Optionen auf die BVB-Aktie, die man an deutschen Börsen kaufen kann. Sie haben unterschiedliche Basiswerte und unterschiedliche Kaufpreise. Bei insgesamt fünf von ihnen gab es am Tag des Anschlags Aktivitäten an der Frankfurter Börse (was laut Finanzexperten auffällig ist, da Optionsscheine von Privatanlegern in der Regel an der Stuttgarter Börse gehandelt werden):

1) Wertpapierkennnummer DG9CHE
Basiswert: 3,60 Euro
gehandeltes Volumen: 15.000 Optionsscheine
Kaufpreis: 0,09 Euro

2) DG7MN5
Basiswert: 4,00 Euro
gehandeltes Volumen: 15.000 Optionsscheine
Kaufpreis: 0,019 Euro

3) DGQ1VU
Basiswert: 4,40 Euro
gehandeltes Volumen: 15.000 Optionsscheine
Kaufpreis: 0,043 Euro

4) DGM51Y
Basiswert: 4,80 Euro
gehandeltes Volumen: 15.000 Optionsscheine
Kaufpreis: 0,12 Euro

5) DGQ1VV
Basiswert: 5,20 Euro
gehandeltes Volumen: 15.000 Optionsscheine
Kaufpreis: 0,18 Euro

Der Gesamtkaufpreis für diese 75.000 Optionsscheine liegt bei 6780 Euro.

Einen Tag später gab es ebenfalls an der Frankfurter Börse noch einmal Aktivitäten bei Put-Optionsscheinen zur BVB-Aktie. Wir konnten nicht endgültig klären, ob es sich auch bei ihnen ausschließlich um Käufe — und nicht um Verkäufe — handelt. Sollten es alles Käufe gewesen sein, und sollte für all diese Käufe der nun festgenommene Mann verantwortlich sein, hätte er insgesamt 123.000 Optionsscheine im Wert von 10.218 Euro erworben. Also immer noch weit entfernt von den 78.000 Euro, die Bild.de ins Spiel gebracht hat. Und auch nur ein Bruchteil des 79.000-Euro-Kredits, den der Tatverdächtige laut NRW-Innenminister Ralf Jäger aufgenommen haben soll. Bei süddeutsche.de und “Spiegel Online” ist die Rede von einem 40.000-Euro-Kredit.

Zuletzt noch zu den 3,9 Millionen Euro — konnte der Verdächtige auf so viel Geld hoffen? Höchstwahrscheinlich nicht. Detlev Landmesser schreibt bei boerse.ard.de, dass “der theoretisch maximale Gewinn” bei “gerade mal 276.000 Euro” läge. Dafür hätte der Wert der BVB-Aktie allerdings auf 0 Euro sinken müssen. Wäre er lediglich auf 3 Euro gesunken, hätte der Gewinn nur 96.000 Euro betragen. Die “Wirtschaftswoche” nennt zwar keine konkreten Zahlen, glaubt aber auch nicht, dass der nun festgenommene Mann Millionen hätte verdienen können: Die Annahme, dass sich mit dem Einsatz von einigen Tausend Euro “mithilfe von Put-Optionsscheinen Millionen verdienen lassen”, sei “vollkommen unrealistisch.”

Dazu auch:

Mit Dank an Tobi W. für den Hinweis!

AfD-Twitter-Analyse, Sterbebett, Buntstift-Lutscher

1. Treue Gefolgschaft – so twittert die AfD
(netzpolitik.org, Hendrik Lehmann & Lisa Charlotte Rost & Maria Fiedler & Markus Reuter & Michael Kreil)
In einer gemeinsamen Aktion haben Journalisten und Datenanalysten von “Tagesspiegel” und “netzpolitik.org” das Twitterverhalten der AfD und parteinaher Nutzer analysiert. Und sind dabei auf ein paar Merkwürdigkeiten gestoßen wie den zum Scheinriesen aufgeblähten Unterstützeraccount “Balleryna”.

2. „Die Aktuelle“ legt Caroline aufs Sterbebett
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Mats Schönauer über eine besonders verachtenswerte journalistische Unpraxis: “Ob die Mitarbeiter der „Aktuellen“ abends nach Hause kommen und stolz auf ihre Arbeit sind? Ob sie mit ihrer Familie beim Abendessen sitzen und sagen: „Heute war ein toller Tag, heute habe ich nämlich so getan, als würde Prinzessin Caroline bald sterben“?”

3. Wie ein Buntstift-Lutscher das Publikum von “Wetten, dass…?” foppte
(spiegel.de)
Am Ostersonntag ist der ehemalige “Titanic”-Chef Bernd Fritz im Alter von 71 Jahren gestorben. Fritz wurde vor allem als der “Buntstift-Lutscher” bekannt, der die Wetten-dass-Redaktion und Thomas Gottschalk mit einer aberwitzigen Wette narrte. “Spiegel Online” veröffentlicht nochmal das Interview mit Fritz, in dem dieser erklärt wie es zu der Wette kam und wie er damit durchkam.

4. Wie Rotlichtbars mit Samtvorhängen
(taz.de, Dirk Ludigs)
Das Aus der gedruckten „Männer“ beende die Ära der Schwulenmagazine, so Dirk Ludigs in der “taz”. Der Niedergang der Printmedien sei vielleicht nicht so schlimm, denn es stünden online zahlreiche Alternativen zur Verfügung. Dennoch: “Mehr denn je wird nach dem Ende der gedruckten Männer in Deutschland offenbar, wie sehr ein weithin sichtbares Leitmedium für die gesamte LGBTQ-Zielgruppe fehlt, ein Ort für gut gemachten Journalismus, für Reportagen und Porträts, aber auch für gesellschaftliche Debatten zu Genderfragen, Fragen des Umgangs mit Sexualität.”

5. Lettland: Mehr Vertrauen in Zeitschriften als in Zeitungen
(de.ejo-online.eu, Ainars Dimants)
Wie werden in Lettland Medien genutzt, welche Medien werden bevorzugt? Laut Ainars Dimants, Professor für Kommunikationstheorie an der Universität von Riga, haben vor allem die lettischen Zeitungen mit einem erheblichen Vertrauensverlust und schrumpfenden Werbeeinnahmen zu tun. Doch nicht alle Printmedien seien gefährdet: Special-Interest-Zeitschriften würden in Lettland höhere Umsätze als Tageszeitungen erzielen.

6. Fairytale Prisoner by Choice: The Photographic Eye of Melania Trump
(medium.com, Kate Imbach)
Melania Trump ist leidenschaftliche Instagrammerin. Kate Imbach hat sich mit den Bildern der Präsidentengattin befasst und einige höchst interessante Schlüsse gezogen.

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