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“Bild”, Kai Diekmann und der Wunder-Krebstest

Vor zwei Monaten verkündete die “Bild”-Zeitung eine “Weltsensation”, die jedoch gar keine war — und die sich zu einem wissenschaftlichen und journalistischen Skandal entwickelte, zu dem inzwischen sogar die Staatsanwaltschaft ermittelt. Beteiligte, unter anderem: die Uniklinik Heidelberg und ein chinesisches Pharmaunternehmen. Auch Ex-“Bild”-Chef Kai Diekmann spielt bei der Geschichte eine Rolle.

Eine Chronik.

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21. Februar 2019: Exklusiv bejubelt die “Bild”-Zeitung auf der Titelseite eine “Weltsensation aus Deutschland”:

Es sei “ein echter Durchbruch”, heißt es da, eine “medizinische Sensation”:

Seit vielen Jahren wird daran geforscht, Krebs im Blut zu erkennen. Ärzte der Universitätsklinik Heidelberg erreichten jetzt revolutionäre Ergebnisse: Sie weisen mit einem Test Brustkrebs im Blut nach. Und zwar mit einer Treffsicherheit, die vergleichbar ist mit der einer Mammografie! Wie BILD exklusiv erfuhr, soll der Bluttest noch in diesem Jahr auf den Markt kommen.

Im Innenteil: ein großes Interview mit Christof Sohn, dem Geschäftsführenden Ärztlichen Direktor der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg.

Darin darf er den Bluttest ausführlich bewerben: viel sicherer als bisherige Tests, hohe Treffsicherheit, besonders gut für Risikopatientiennen, und so weiter und so fort.

Am selben Tag gibt die Uniklinik eine Pressemitteilung heraus, in der sie die “neue, revolutionäre Möglichkeit” des Bluttests noch einmal selbst feiert: “Dies ist ein Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik”, schreibt sie.

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21. bis 27. Februar 2019: Andere Medien greifen die Geschichte auf. Dabei melden einige schon Zweifel an, etwa “Spiegel Online” oder die “Zeit”. Viele aber, etwa “Focus Online” oder “DerWesten”, verlassen sich blind auf “Bild” und bezeichnen den Bluttest ihrerseits als “Sensation”, “Durchbruch” oder “Revolution”.


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27. Februar 2019: Sieben renommierte Verbände, von der Deutschen Krebsgesellschaft über die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe bis zur Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, geben eine gemeinsame Stellungnahme heraus, in der sie die Berichterstattung kritisieren:

Eine Berichterstattung, die ohne Evidenzgrundlage Hoffnungen bei Betroffenen weckt, ist aus unserer Sicht kritisch zu bewerten und entspricht nicht den von uns vertretenen Grundsätzen medizin-ethischer Verantwortung.

Es sei einfach noch zu früh für Jubelstimmung, so die Experten: Die Studie sei “noch nicht abgeschlossen, die Ergebnisse sind nicht in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift publiziert und der Test noch nicht zugelassen”. Daher “halten wir Schlussfolgerungen über die Validität und den klinischen Nutzen für verfrüht und raten ausdrücklich davon ab, diagnostische oder therapeutische Entscheidungen basierend auf Blutuntersuchungen zu treffen, die nicht von nationalen oder internationalen Leitlinien empfohlen werden.”

In den nächsten Tagen häuft sich die Kritik an der “Bild”-Berichterstattung, aber auch am Vorgehen der Heidelberger Forscher. So schreibt etwa Gerd Gigerenzer vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung:

Nach üblichen wissenschaftlichen Standards veröffentlichen Forscher zuerst eine Studie in einer Fachzeitschrift, die dort begutachtet wird, und gehen erst dann an die Presse. Beim Bluttest wurde dieser Standard nicht eingehalten. Die Heidelberger Forscher sind zuerst medienwirksam zur BILD-Zeitung gegangen. Eine wissenschaftliche Veröffentlichung liegt nicht vor.

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8. März 2019: Der Journalist Jan-Martin Wiarda berichtet in seinem Blog und bei den “Riffreportern” ausführlich über den Fall und deckt weitere Merkwürdigkeiten auf. “Welche Rolle spielt das Joint Venture mit einem chinesischen Pharma-Unternehmen?”, fragt er unter anderem, denn: Partner der Uniklinik sei ein chinesisches Pharmaunternehmen, dessen Aktienkurs seit einigen Tagen, insbesondere seit der gehypten Berichterstattung über den Bluttest, einen steilen Anstieg zeige.

Erstmals äußert sich auch Christof Sohn, der Geschäftsführende Ärztliche Direktor der Universitäts-Frauenklinik, der von “Bild” groß interviewt wurde, zur Formulierung “Weltsensation”: Diese Schlagzeile sei nicht angebracht gewesen, er habe sie vor Veröffentlichung auch nicht gekannt, und er und seine Kollegen hätten sie “in dieser Form” nicht mitgetragen.

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20. März 2019: Die “Rhein-Neckar-Zeitung” (“RNZ”) steigt in die Berichterstattung ein und leistet in den darauffolgenden Wochen ausgezeichnete journalistische Arbeit; ihre zahlreichen Artikel sind unter rnz.de/heiscreen nachzulesen.

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22. März 2019: Der Aktienkurs des chinesischen Pharmaunternehmens erreicht den höchsten Stand seit acht Monaten. Seit dem 21. Februar, dem Erscheinungstag des “Bild”-Artikels und der Pressemitteilung der Uniklinik, ist der Kurs um fast 60 Prozent gestiegen:

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23. bis 29. März 2019: Die Kritik reißt nicht ab. Das Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg erklärt in der “RNZ”, dass die “verfrühte Kommunikation nicht den hohen Ansprüchen an eine verantwortungsvolle Wissenschaftskommunikation entspreche”. Gerade im medizinischen Bereich, “der für die Betroffenen mit so viel Ängsten und großer Hoffnung verbunden ist, darf es keine Effekthascherei geben”. Auch die Heidelberger Universität teilt mit, dass sie “eine umfassende Klärung der Vorgänge für zwingend erforderlich” halte.

Die Uniklinik ist derweil um Schadensbegrenzung bemüht. Sie “bedauert, dass es zu Irritationen gekommen ist” und verkündet die Gründung einer internen Arbeitsgruppe und einer externen Expertenkommission, die die Vorgänge aufarbeiten sollen.

Außerdem distanziert sie sich von der PR-Strategie zum Bluttest: Die Medienbegleitung habe die Heiscreen GmbH verantwortet, sagt die Kliniksprecherin der dpa. (Die Heiscreen GmbH wurde 2017 gegründet und soll den Bluttest in Deutschland vermarkten. Hauptanteilseigner ist eine Tochterfirma der Uniklinik, weitere Anteile hält über eine Beteiligungsgesellschaft der schillernde Unternehmer Jürgen Harder. Auch der von “Bild” interviewte Christof Sohn und eine weitere Ärztin der Uniklinik sind an der Heiscreen GmbH beteiligt.)

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30. März 2019: Der “Spiegel” berichtet über “Das Märchen vom Wundertest aus Heidelberg” und bringt einen alten Bekannten ins Spiel:

Wie die angebliche Weltsensation am Ende genau in der “Bild”-Zeitung landete, ist zwar nur schwer nachzuvollziehen. Fest steht aber: Ohne Zustimmung vonseiten des Universitätsklinikums ist dies nicht geschehen. Auch ein weiterer Bekannter Harders war daran offenbar beteiligt: Ex-“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann, der sich dazu nicht äußern will. Aber was wäre der Mann für ein Journalist, wenn er sich nicht dafür einsetzen würde, dass ein Thema, das ihm am Herzen liegt, in seine alte Zeitung kommt?

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4. April 2019: Die Uniklinik erstattet Anzeige gegen Unbekannt — warum genau, wird allerdings nicht klar. In einer Pressemitteilung teilt sie lediglich mit, dass sie sich “aufgrund der Anzeichen eines unlauteren Vorgehens bei der Entwicklung und Ankündigung” des Bluttests zu diesem Schritt veranlasst sehe. Der Sprecher der Heidelberger Staatsanwaltschaft erklärt in der “RNZ”, in der eingegangenen Anzeige stünden “weder der vermutete Tatbestand, noch weitere Hintergründe zum Sachverhalt, noch Personen, gegen die sich die Strafanzeige richtet.” Das sei sehr ungewöhnlich. Sollte sich jedoch ein Anfangsverdacht ergeben, werde die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufnehmen.

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6. April 2019: Die “RNZ” berichtet, dass Vorstand und Pressestelle des Klinikums “sehr frühzeitig in die unseriöse PR-Kampagne eingeweiht” waren. So sei das “Bild”-Interview …

sowohl von der Pressestelle der Uniklinik als auch von zwei Vorständen gegengelesen worden. Achtete die Ärztliche Direktorin Annette Grüters-Kieslich auf inhaltliche Korrekturen, so freute sich der Dekan der Medizinischen Fakultät, Andreas Draguhn, über die wissenschaftliche Korrektheit: “Präziser, als ich es ‘Bild’ zugetraut hätte”.

Auch die Pressemitteilung der Klinik sei “in großer Runde abgesprochen” worden. Der Entwurf sei unter anderem an Kai Diekmann geschickt worden.

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11. April 2019: Die “RNZ” geht genauer auf die Rolle Diekmanns ein:

Kai Diekmann war von 2001 bis 2015 Chefredakteur der “Bild”-Zeitung. 2018 startete er mit dem Investmentbanker Lenny Fischer den “Zukunftsfonds”. Die Markenstrategie für diesen Kapitalanlagefonds entwickelte die Digitalagentur “diesdas.digital” — die auch für die Heiscreen GmbH den Internetauftritt machte. Diekmann war “bei mehreren Treffen” in Sachen Brustkrebstest dabei, wie er der RNZ sagte, “aus Interesse”. Finanziell beteiligt sei er aber nicht. Jürgen Harder bezeichnet er gegenüber der RNZ als “persönlichen Freund”.

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11. April 2019: Die Staatsanwaltschaft nimmt die Ermittlungen auf. Genauer: die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Mannheim. Die Anweisung dazu habe die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe erteilt, schreibt die “RNZ”:

Hintergrund der Ermittlungen soll unter anderem der Verdacht auf Kursmanipulation und Insiderhandel mit Aktien sein. Die “Bild”-Schlagzeile “Weltsensation aus Heidelberg” könnte in diesem Szenario eine gewichtige Rolle spielen, weil sie womöglich den Kurs einer Aktie in China beflügelt hat. Zwar gibt man sich bei der Justiz bedeckt und verweist lediglich auf erste Erkenntnisse durch die Berichterstattung der RNZ — ermittelt wird schließlich “in allen rechtlichen Belangen”. Dennoch kam schnell der Verdacht auf, dass hinter dem “Bluttest-Skandal” im Grunde ein Verstoß gegen das Wertpapierhandelsgesetz stecken könnte.

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14. April 2019: In der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” (“FAS”) kritisiert die Leitende Ärztliche Direktorin des Klinikums, Annette Grüters-Kieslich, die Wortwahl der “Bild”-Zeitung:

“Die Schlagzeile einer Boulevardzeitung, die von einer Weltsensation in diesem Zusammenhang sprach, hat mich betroffen gemacht. Als Ärztin und Wissenschaftlerin hätte ich niemals von einer Weltsensation gesprochen; ich habe eine solche Wertung stets als vollkommen irreführend angesehen.” Man sei damit befasst, die Verantwortlichkeiten zu klären und werde die Öffentlichkeit so schnell wie möglich informieren.

Zudem deckt die “FAS” neue Details auf. So sei für die PR-Kampagne unter anderem Christina Afting zuständig gewesen — die frühere Büroleiterin von Kai Diekmann bei “Bild”. Mit der “Bild”-Berichterstattung, so Afting, habe sie jedoch nichts zu tun gehabt. Laut “FAS” soll die PR-Kampagne etwa 80.000 Euro gekostet haben.

Neben den Staatsanwälten aus Mannheim würden sich demnächst auch Spezialermittler des Landeskriminalamtes mit dem Fall befassen, schreibt die “FAS”.

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Heute: Noch sind eine Menge Fragen offen. Fest steht aber: Viele Details wären ohne die hartnäckige Arbeit einiger Journalisten, vor allem von “Riffreporter” Jan-Martin Wiarda und den Journalisten der “Rhein-Neckar-Zeitung”, wohl nie an die Öffentlichkeit gelangt. Und: Obwohl die Berichterstattung der “Bild”-Zeitung, insbesondere die Bezeichnung als “Weltsensation”, von Experten als verantwortungslos und selbst von der Klinikleitung als “vollkommen irreführend” gewertet wird, steht sie auch heute noch unverändert online.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

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Nachtrag, 26. April: Wir haben die Überschrift und den ersten Absatz geändert, weil der Eindruck entstehen konnte, dass die Staatsanwaltschaft in der Sache gegen Kai Diekmann ermittelt. Dem ist nicht so.

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Nachtrag 2, 26. April: Inzwischen liegt der “RNZ” die Rechnung für die PR-Kampagne vor, die die Düsseldorfer Beratungsagentur Deekeling Arndt Advisors an die Heiscreen GmbH geschickt hat:

79.420,78 Euro rechnen die Berater ab. Sie übernahmen das gesamte Projektmanagement rund um die PR-Kampagne: das Kommunikationskonzept, die Pressemitteilung, die Pressekonferenz am 21. Februar auf einem Kongress in Düsseldorf sowie die Beantwortung und Koordination von Medienanfragen.

Besonders intensiv abgestimmt wurde die Kampagne offenbar in den zehn Tagen vor dem großen Aufschlag am 21. Februar. “Tägliche Telefonkonferenzen zwischen dem 12. und 22. Februar 2019”, listet die Agentur auf. In Rechnung gestellt werden “enge telefonische Abstimmungen und Rücksprachen” unter anderen mit dem früheren “Bild”-Chef Kai Diekmann, Heiscreen-Geschäftsführer Dirk Hessel, den Bluttest-Erfindern Sarah Schott und Christof Sohn, Harders Anwalt Thomas Dörmer sowie Doris Rübsam-Brodkorb, der Pressesprecherin des Universitätsklinikums.

Bemerkenswert ist die enge Abstimmung mit Kai Diekmann, dem Ex-Chefredakteur der “Bild”-Zeitung und persönlichen Freund von Jürgen Harder. Dazu passt: Die Rechnung hat Christina Afting geschickt. Sie ist “Managing Director” bei der Agentur — und leitete früher das Büro Diekmann bei der “Bild”.

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23.Mai: Das Blog “Medwatch” berichtet, dass der Test “anders als bislang kommuniziert nicht nur nicht marktreif ist — sondern eigentlich wertlos.” Das gehe aus Unterlagen hervor, die “Medwatch” von der Pressestelle der Uniklinik erhielt.

Demnach erhält fast jede zweite gesunde Frau einen falsch positiven Befund — was bislang öffentlich nicht thematisiert wurde. Bei Frauen, die älter als 50 Jahre sind, ist der Wert etwas besser: Bei diesen erhält gut jede vierte gesunde Frau einen falschen Krebsbefund, doch übersieht der Test bei zwei von fünf Brustkrebspatientinnen über 50 den Tumor.

Als besonders vielversprechend bezeichnete die Uniklinik den Test für Frauen bis 50, sowie für Hochrisikopatientinnen mit genetischen Mutationen. Dabei schlägt der Test bei der jüngeren Gruppe von Brustkrebspatientinnen zwar in 86 Prozent aller Fälle korrekt an, doch liegt hier die Spezifität bei nur 45 Prozent: Der Test liefert also bei 55 Prozent der gesunden Frauen einen falsch positiven Befund. Bei Hochrisikopatientinnen liegt die Sensitivität bei 90 Prozent, doch wiederum erhält mehr als jede zweite gesunde Frau einen falschen Krebsbefund. Dies hieße, dass ein Großteil aller Frauen, die über den Bluttest einen Krebs-Befund erhalten, in Wahrheit gesund sind.

“Medwatch” kritisiert auch die Berichterstattung verschiedener Medien, etwa die des “Focus”, der auch noch einen Monat nach Lautwerden der Zweifel titelte: “Die Sensation aus Heidelberg: Mit Bluttest Brustkrebs erkennen”.

Focus-Titselseite: Wie wir den Krebs besiegen - Mediziner können immer mehr Krebsarten erfolgreich behandeln - kleiner Schlagzeile auf der Titelseite: Die Sensation aus Heidelberg - Mit Bluttest Brustkrebs erkennen

Die “Bild”-Zeitung habe ihre Leser “bislang noch nicht über die weiteren Entwicklungen” informiert, schreibt “Medwatch”. Auf “mehrere Fragen zur Berichterstattung über den Bluttest” habe der Axel-Springer-Verlag geantwortet: “Bitte haben Sie Verständnis, dass wir redaktionelle Prozesse und Entscheidungen grundsätzlich nicht kommentieren.”

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16. August: Der Deutsche Rat für Public Relations hat die “Täuschung der Öffentlichkeit im Fall HeiScreen” gerügt:

Nach intensiver Überprüfung und Anhörung aller beteiligten Parteien hat der Deutsche Rat für Public Relations dem Vorstand des Universitätsklinikums Heidelberg und der HeiScreen GmbH eine Rüge wegen bewusster Falschbehauptung und Täuschung der Öffentlichkeit ausgesprochen. (…)

Der Rat hatte sich zur Prüfung des Falles entschieden und sieht es als erwiesen an, dass beide Parteien bei der Vorstellung des „neuen“ Verfahrens zur Diagnose von Brustkrebs eine öffentliche Produktvorstellung zugelassen und begleitet haben, die weder in Wortwahl, Zeitpunkt und Format angemessen, noch im Hinblick auf abgeschlossene Studien und die angekündigte Marktreife der Wahrheit entsprochen hat.

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29. August: Nach mehrfacher Beschwerde beim “Ombudsmann” hat “Bild” nun eine Anmerkung unter den Artikeln veröffentlicht (Links im Original):

Aktualisierung – August 2019
Die Uniklinik Heidelberg hat mittlerweile zurückgenommen, dass der oben beschriebene Bluttest zur Erkennung von Brustkrebs noch dieses Jahr auf den Markt kommen wird.

Eine unabhängige Prüfkommission hat als Zwischenergebnis unter anderem veröffentlicht, dass der Test zu früh der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, es „Führungsversagen“ und „Machtmissbrauch“ an der Universitätsklinik gab.

Inzwischen sind der Medizin-Dekan der Heidelberger Uniklinik sowie zwei Mitglieder des Vorstandes zurückgetreten. Außerdem wurde dem Direktor der Unifrauenklinik für drei Monate die Lehr- und Forschungserlaubnis entzogen.

BILD veröffentlichte am 21. Februar 2019 einen Artikel über den neuen Bluttest. Der Text basierte auf einer offiziellen Pressemitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg, in der der neue Test als „revolutionäre Möglichkeit“ und als „Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik“ bezeichnet wurde, sowie auf einem autorisierten Interview. Der Test wurde am 21.2. außerdem auf dem Gynäkologen-Kongress in Düsseldorf vorgestellt.

Wie geht es mit dem Test nun weiter? Das ist im Moment unklar. Abzuwarten bleibt, was die angekündigten größeren Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit des Tests ergeben. Dass diese noch ausstehen, hatte Bild direkt zu Anfang geschrieben (siehe hier). Die Ergebnisse lassen aber weiterhin auf sich warten.

BILD informiert, sobald es neue, fundierte Angaben zum Test gibt.

Sonst hat sich aber nichts geändert. Überschrift, weiterhin: “Warum dieser Test eine Weltsensation ist”.

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13. September: Nun wurde die Berichterstattung auch vom Deutschen Presserat gerügt:

Eine Rüge erhielt BILD.DE für die Veröffentlichung einer Exklusiv-Geschichte unter der Überschrift „Erster Blut-Test erkennt zuverlässig Brustkrebs“ über einen von Heidelberger Forschern entwickelten Brustkrebs-Test. Der Beschwerdeausschuss stellte Verstöße gegen die gebotene Sorgfalt in der Medizin-Berichterstattung (Ziffern 2 und 14 des Pressekodex) fest. Der Artikel über das als „medizinische Sensation“ beschriebene Testverfahren beruhte allein auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums und Aussagen der beteiligten Forscher und war geeignet, unberechtigte Hoffnungen bei Betroffenen zu wecken. Wie sich später herausstellte, hatten die Forscher den Stand des Testverfahrens positiver dargestellt, als es dem Forschungsstand entsprach. Die Redaktion hatte bei ihrer exklusiven Berichterstattung versäumt, die gemachten Angaben durch weitere Quellen zu überprüfen.

6-vor-9-Sonderausgabe zur beschlossenen Urheberrechtsreform

1. Chance verpasst: Dieses Urheberrecht bleibt in der Vergangenheit stecken
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
Die Reform des EU-Urheberrechts biete falsche Antworten auf eine veränderte digitale Welt, findet Markus Beckedahl auf netzpolitik.org. Sie zementiere die Rechte von großen Verwertern und diene nur einem kleinen Teil der Urheber. Beckedahls gründliche Analyse wird von einem Stoßseufzer unterbrochen: “Ich habe viele netzpolitische Debatten in den vergangenen 20 Jahren erlebt. Keine davon war so verlogen wie diese. In Zeiten von gesellschaftlichen Debatten um Desinformation und sinkender Glaubwürdigkeit der Medien haben viele von diesen das Vertrauen vor allem der jungen Generation verspielt, indem sie zugunsten ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen die Wahrheit gedehnt und häufig selbst Desinformation betrieben haben. Allen voran: FAZ und Bild.”
In den “Tagesthemen” bringt Sascha Lobo seine Sorge zum Ausdruck, dass sich eine ganze digitale Generation nicht mehr von der Politik repräsentiert fühle. Junge Menschen könnten wegen des Gesetzes gar anfangen, Antipathien gegen die EU zu entwickeln.
Meike Laaf hat bei “Zeit Online” ähnliche Befürchtungen: Die Art, wie Befürworter der Urheberrechtsreform den Protest dagegen abgewertet haben, schwäche das Vertrauen in die Europapolitik: “Die Frage ist nun, was all diese Menschen machen werden mit ihrer Wut. Besonders Frustrierte werden daraus die Konsequenz ziehen, sich von der Europapolitik insgesamt angeekelt abzuwenden. Andere werden bei der Europawahl diejenigen abstrafen, die diese Reform vorangetrieben haben — und unter Beweis stellen, dass #NieWiederCDU für sie mehr ist als ein Hashtag.”
Peter Welchering kommentiert bei den “Riffreportern”: “Bei der Reform des europäischen Urheberrechts geht es um grundlegende Fragen, die auch darüber entscheiden, ob Journalisten und andere Urheber von ihrer Arbeit überhaupt noch leben können. Eigentlich ist es erstaunlich, dass wir Urheber nicht schon seit Wochen im Streik sind.”
Bei “Spiegel Online” schreibt Patrick Beuth: “Am 26. Mai, bei der nächsten Europawahl, wird sich nun zeigen, wie viele Menschen ihre Stimme als Abwehrmittel gegen diesen verordneten Stillstand verstehen.”
Jan Vollmer war als Reporter in Berlin auf der #SaveYourInternet-Demo, auf der viele junge Menschen gegen das neue Gesetz protestierten. Man merkt Vollmer den tief sitzenden Frust an, wenn er bei t3n.de zum Ende hin schreibt: “Vielleicht will die junge Generation Voss, Caspary und Co. auch etwas beibringen. Bei den Europawahlen kann man sich ab 18 Gehör verschaffen. Und einer der beliebtesten Slogans der Demonstranten am Samstag war: “Nie mehr CDU”.”
Und beim ZDF schlägt Kristina Hofmann einen Bogen zu den “Fridays for Future”-Demos: “Am Freitag werden wieder Zehntausende junge Leute auf die Straße gehen und zusammen mit Greta Thunberg für einen besseren Klimaschutz demonstrieren. Haben die Demonstranten wieder alle angeblich keine Ahnung? Sind sie von den Umweltorganisationen und Grünen instrumentalisiert und haben von dem Ausgleich zwischen Energiegewinnung und Sicherung von Arbeitsplätzen am Industriestandort Deutschland noch nie etwas gehört? Dann redet doch einfach weiter dauernd über die Schulpflicht!

2. YouTube, aber fair
(zeit.de, Heinrich Wefing)
Es gibt aber auch Gegenmeinungen. Heinrich Wefing schreibt bei “Zeit Online”: Das Ergebnis der Abstimmung werde “viele verbittern, die zum ersten Mal mit aller Leidenschaft für eine Sache auf die Straße gegangen sind. Und doch ist die Entscheidung am Ende richtig. Sie zwingt die Netzkonzerne in die Verantwortung. Und sie zeigt, dass Europa endlich anfängt, die Macht der Tech-Giganten einzuhegen.” Viel spreche dafür, “dass sich die Horrorszenarios der Reformgegner recht bald als übertrieben erweisen. YouTube wird nicht abgeschaltet werden, und auch die Meinungsfreiheit dürfte keinen Schaden nehmen.”

3. EU-Urheberrechtsreform: Abgeordnete drückten falschen Knopf
(futurezone.at)
Das Kopfschütteln findet kein Ende: Wie ein Europaabgeordneter twittert, hätte die Abstimmung über Upload-Filter und Leistungsschutzrecht auch anders ausgehen können. Korrekturlisten aus dem EU-Parlament würden zeigen, dass zehn Abgeordnete des EU-Parlaments einen “falschen Knopf” gedrückt hätten.

4. Das steht in der EU-Urheberrechtsrichtlinie
(golem.de, Friedhelm Greis)
Was steht eigentlich in der 149 Seiten umfassenden EU-Richtlinie zum “Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt”? Friedhelm Greis geht in seiner Analyse die entscheidenden Passagen durch.
Weiterer Lesehinweis: In einem weiteren Artikel schreibt Greis über den im Raum stehenden angeblichen Kuhhandel zwischen Deutschland und Frankreich in Sachen Uploadfilter (siehe dazu auch den “FAZ”-Beitrag Altmaier opfert Start-ups im Urheberrecht). Altmaier habe “wenigstens das Leistungsschutzrecht retten” wollen.

5. “Deut­sch­land hat eine lange Tra­di­tion, Euro­pa­recht falsch umzu­setzen”
(lto.de, Maximilian Amos)
Auf “Legal Tribune Online” hält der Zivilrechtsprofessor Michael Beurskens den Kompromissvorschlag für “evident europarechtswidrig”. Gegebenenfalls verstoße er sogar gegen das nationale Verfassungsrecht. Was “kreative” Umsetzungen des deutschen Gesetzgebers anbelangt, ist Beurskens mehr als skeptisch: “Deutschland hat eine lange Tradition, Europarecht falsch umzusetzen. Im Zweifel wird die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten oder ein Urheber, der seine Rechte nicht an eine VG übertragen hat, die Frage in einem Prozess dem EuGH vorlegen lassen.”

6. Artikel 13 kommt: Was du jetzt mit deiner Wut anfangen kannst
(vice.com, Sebastian Meineck)
Millionen Unterschriften und Zehntausende Protestierer haben nichts genutzt: Die meistgehasste EU-Reform ist seit gestern beschlossene Sache. Wie kann und wird es jetzt weitergehen? Sebastian Meineck stellt seinen persönlichen Drei-Punkte-Plan vor: “1. Nicht aufgeben, denn was genau aus Artikel 13 wird, ist noch offen. 2. Stolz sein, denn die Internet-Generation hat jetzt eine politische Stimme. 3. Kritisch bleiben, denn das freie Internet wird auch von anderer Seite bedroht.”

Lobbyismus und Dirty Campaigning, Axel V.s 500 Freunde, Inszenierungen

1. EU-Urheberrechtsreform: Zensur ist nicht der Zweck
(wolfgangmichal.de)
Als Musterbeispiel der Irreführung bezeichnet Wolfgang Michal den Streit um die europäische Urheberrechts-Reform: “Nicht die Zensur von Inhalten, sondern die Pflicht zur Lizenzierung ist der Kern der EU-Urheberrechtsreform: Handlungen sollen nicht verhindert, sondern zu Geld gemacht werden. Die entscheidenden Fragen sind also: Wohin fließt das Geld? Und: Wer macht durch fortschreitende Kommerzialisierung das “freie Internet” kaputt?”
Weiterer Tipp: Stefan Niggemeier hat sich im “Deutschlandfunk” zum Lobbyismus der Zeitungen in eigener Sache geäußert. Niggemeier kritisiert die einseitige und teilweise verzerrende Berichterstattung und nennt dafür auch Beispiele (deutschlandfunk.de, Audio: 5:44 Minuten).
Der Jurist Thomas Stadler kommentiert auf seinem Blog: “Das was wir hier beobachten können, ist nichts anderes als eine Form des Dirty Campaignings, bei dem die Grenzen zwischen politischem Lobbyismus und Journalismus verschwimmen. Diese Form der politischen und medialen Auseinandersetzung scheint endgültig auch hierzulande angekommen zu sein und sie benutzt dieselben Techniken, die einen Trump an die Macht gebracht und den Brexit ermöglicht hat.” (internet-law.de).
Und noch ein Lesetipp: Die “FAZ” konnte anscheinend Unterlagen einsehen, welche die Haltung der Bundesregierung in Sachen Urheberrechtsreform in ein neues Licht rücken würden: “Demnach soll Deutschland auch deshalb den Kompromiss mittragen, weil diese Haltung mit einem vollkommen anderen Projekt verknüpft wurde, nämlich mit einem Zugeständnis Frankreichs im Streit um die Nord-Stream-2-Gaspipeline. So schätzt es jedenfalls ein mit der Sache befasster Beamter ein.”

2. Das Axel-Voss-Interview von @frauhegemann, annotiert. Ein Drama in 13 Tweets.
(twitter.com/SimonHurtz)
Der Journalist Simon Hurtz nimmt auf Twitter das aktuelle “Zeit”-Interview mit Axel Voss (CDU), dem “Vater der Urheberrechtsreform”, auseinander. Die Lektüre des Gesprächs lohnt, wenngleich man im Verlauf immer fassungsloser wird. Zum Ende hin behauptet Voss nämlich, man könne für 500 Facebook-Freunde fremde Texte online stellen, weil dies ein “geschlossener Kreis” sei. Eine interessante rechtliche These und höchst fraglich, ob dies die Verleger ebenso sehen. Aber Voss hat ja eh interessante Internet- und Rechtsauffassungen. Siehe auch: Axel Voss will nicht sagen, ob er Fotos geklaut hat, und löscht stattdessen 12 der 17 fraglichen Facebook-Beiträge (buzzfeed.de, Karsten Schmehl & Marcus Engert).

3. “Wir bekommen wahnsinnig gute Kommentare auf Facebook und wahnsinnig beknackte”
(journalist-magazin.de, Leif Kramp & Stephan Weichert)
Das Medienmagazin “journalist” hat mit Torsten Beeck gesprochen, dem “Leiter Platform Partnerships & Engagement” bei “Spiegel Online”. Es geht um Nutzerbeteiligung und Partizipationskultur, vor allem auf den großen Plattformen wie Facebook. Beeck kritisiert den Umgang der deutschen Medien mit Kommentaren insgesamt: “Ich finde, dass es in Deutschland keiner schafft, Nutzern halbwegs auf Augenhöhe zu begegnen. Es geht oft nur um die Möglichkeit, Traffic zu generieren. Es ist nicht so, dass Redaktionen sich inhaltlich dafür interessieren, was ihre Nutzer da schreiben. Ich kenne keine.”

4. Angebliche Staatsgefährdung: Ministerien halten Namen von Lobbyisten unter Verschluss
(abgeordnetenwatch.de, Sabrina Winter)
Die Transparenz-Initiative abgeordnetenwatch.de hat bei den Ministerien nachgefragt, welche Lobbyisten dort ungehindert ein und aus gehen können, weil man ihnen einen sogenannten Hausausweis ausgestellt habe. Einige Bundesministerien würden ein großes Geheimnis daraus machen und brächten zweifelhafte Gründe dafür an. So antwortete das Verteidigungsministerium: “Das Bekanntwerden der Information [kann] nachteilige Auswirkungen auf militärische und sonstige sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr haben.”

5. taz durfte Namen nennen
(blogs.taz.de, Patricia Hecht)
Der Presserat hat entschieden: Die “taz” durfte den Namen des notorischen Ärzte-Anzeigers Yannic Hendricks nennen. Hendricks habe anonymisiert Interviews über seine Anzeigen gegeben “und damit eine breite öffentliche Diskussion zu diesem Thema befeuert”. Damit habe er sich zu einer Person des öffentlichen Interesses gemacht, so der Ausschuss.

6. Die Selbstinszenierung der Parteien
(zdf.de, Florian Neuhann, Video: 3:42 Minuten)
Die ZDF-Sendung “Berlin Direkt” berichtet über die Selbstinszenierung in der Politik: Immer mehr Parteien und Ministerien produzieren ihre Nachrichten selbst — teilweise in eigens dafür eingerichteten Studios unter professionellen Bedingungen. Die Absicht: Totale Kontrolle über Inhalte und Wirkung und das Vermeiden von lästigen Journalistenfragen.
Weiterer Lesetipp: Die Wissenschaftler Jan Rau (GESIS-Leibniz Institut für Sozialwissenschaften) und Felix M. Simon (Reuters Institute for the Study of Journalism) beschäftigen sich mit dem Thema Agenda Setting der Parteien im Internet, speziell mit der AfD, und den Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie: Agenda Setting im Internet: Rechts(außen) führt, der Rest folgt (hamburger-wahlbeobachter.de).

Vossnungsloser Fall, Harald Schmidts Bart, Apples Nachrichten-Abodienst

1. Axel Voss vs. Julia Reda: Stimmungsbild vor dem Urheberrechtsvoting
(futurezone.at)
Barbara Wimmer hat sich zusammen mit anderen Digital-Journalisten angehört, was der “Vater der Urheberrechtsreform” Axel Voss (CDU) zu den Bedenken gegen das Gesetzesvorhaben zu sagen hat. Leider verweigerte Voss die Freigabe einzelner Zitate, angeblich weil zu viel “aus dem Kontext” gerissen werde. So muss sich Wimmer auf die Schilderung ihres Eindrucks von Voss beschränken: “Oft genug war ihm vorgeworfen worden, das Internet nicht zu verstehen. Dieser Eindruck bestätigte sich bei unserem Gespräch, ohne auf die Inhalte näher eingehen zu dürfen.”
Weiterer Lesehinweis: Dieser Protest könnte Artikel 13 stoppen (sueddeutsche.de, Simon Hurtz).

2. Apples News-Abodienst: “New York Times” warnt andere Verlage vor Kontrollverlust
(heise.de, Ben Schwan)
Apple will demnächst einen Nachrichten-Abodienst starten. Das oft als “Netflix für Nachrichten” bezeichnete Projekt stößt auf Verlagsseite auf verhaltene Reaktionen bis deutliche Ablehnung. Der Chef der US-Tageszeitung “New York Times” gab nun Gründe für die Teilnahmeverweigerung an. Es bestehe das Risiko, die Kontrolle über das eigene Produkt zu verlieren. Dazu dürften auch finanzielle Gründe kommen: Apple verlangt dem Vernehmen nach relativ hohe Provisionen.

3. Disney schluckt Fox: Tabula rasa!
(beta.blickpunktfilm.de, Thomas Schultze)
Der Kampf um die Streaming-Vorherrschaft ist in vollem Gange. Netflix und Amazon Prime sind bereits am Start, der Gigant Apple wird wohl heute seinen Einstieg ins Business bekanntgeben. Derweil bringt sich der Disney-Konzern in Stellung und übernimmt das Filmstudio 20th Century Fox (u.a. “Avatar”). Disney hatte sich in der Vergangenheit bereits Marken wie Pixar, Marvel und Lucasfilm einverleibt.

4. Die Zeitung ist tot – es lebe die gedruckte Zeitschrift!
(infosperber.ch, Christian Müller)
Christian Müller empfiehlt fünf bislang eher wenig bekannte Zeitschriften: “Zeitpunkt”, “Makroskop”, “Neue Wege”, “Marxistische Blätter” und “Monthly Review”. Er begründet seine Auswahl wie folgt: “Manche Leserinnen und Leser mögen nun denken, dass die hier vorgestellten Zeitschriften politisch etwas gar einseitig positioniert sind. Sie haben recht. Wir leben in einer Zeit, da die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. (…) In einer solchen Zeit muss man nicht Zeitschriften empfehlen, die das propagieren, was wir schon haben: Unfriede und Ungerechtigkeit. Wir müssen uns damit beschäftigen, was wir ändern müssen, wenn auch unsere Enkelkinder noch glücklich leben können sollen.”

5. SUBSCRIBE 10
(media.ccc.de)
Am Wochenende haben sich ein paar Hundert Podcast-Begeisterte in Köln zur Subscribe 10 getroffen. Die Veranstaltung fand im Funkhaus des “Deutschlandfunks” statt, der die Podcast-Community mit seinen Räumlichkeiten und freien Getränken unterstützte. Inzwischen gibt es Video-Mitschnitte der meisten Sessions.

6. Harald Schmidt oder: Der ehemalige Großmeister
(dwdl.de, Hans Hoff)
Late-Night-Legende Harald Schmidt hat seit einiger Zeit ein neues mediales Zuhause: Im Bezahlbereich von “Spiegel Online” unterhält Schmidt eine tägliche Videokolumne. Hans Hoff macht sich Sorgen um den ehemaligen Großmeister. Das hat etwas mit den Inhalten der Filmchen zu tun, aber auch mit profanen Dingen wie dem Schmidtschen Bart. Hoff hofft auf eine Spendenaktion für den berühmten Video-Talker: Damit werde dann “ein Coach finanziert, der ihm erklärt wie man in Würde altert. Und wenn nicht genug für einen Coach zusammenkommt, müsste es doch wenigstens für einen Besuch im Barbershop reichen. Und für eine Creme gegen das Jucken im Bart.”

Impf-Lügen und Homöopathie-Unsinn, Wikimedias Replik, Geburtstagsfeier

1. Toxische Atmosphäre
(sueddeutsche.de, Bastian Obermayer)
Eine neue Medienallianz namens “One-Free-Press-Coalition” setzt sich für Journalistinnen und Journalisten ein, deren Freiheit oder gar Leben akut in Gefahr sind oder deren Fälle aktuell Gerechtigkeit verlangen. Zu dem Bündnis zählen internationale Medien wie “Time Magazine”, “Forbes”, “Financial Times”, Nachrichtenagenturen und weitere Medienhäuser, darunter auch die “Süddeutsche Zeitung”.

2. In der Krone waren Ausländer 2017 viel krimineller als in der Realität
(kobuk.at, Veronika Hribernik)
Die österreichische “Kronen Zeitung” berichtet deutlich häufiger über ausländische als über österreichische Täter. Das geht aus einer Analyse des Medienwatchblogs “Kobuk” hervor, in der die Berichterstattung mit Beispielen verdeutlicht und mit der offiziellen Kriminalstatistik verglichen wird. Man hätte gern die Begründung der “Kronen Zeitung” erfahren, doch eine entsprechende Anfrage sei unbeantwortet geblieben.

3. Facebook, Google, Pinterest: Plattformen wollen auch bei deutschsprachigen Impf-Lügen einschreiten
(medwatch.de, Hinnerk Feldwisch-Drentrup)
Facebook, Google, YouTube und Pinterest haben bislang relativ wenig gegen Falschinformationen zu Impfungen unternommen. Nicht freiwillig und nur unter teils erheblichem Druck soll sich dies nun, zumindest teilweise, ändern.
Weiterer Lesehinweis: Homöopathie-Unsinn auf morgenpost.de: Das stimmt wirklich (uebermedien.de, Feldwisch-Drentrup).

4. Filterblase an Filterblase: Eine Replik auf Michael Hanfelds Beitrag bei FAZ.net
(blog.wikimedia.de, John Weitzmann)
“FAZ”-Redakteur Michael Hanfeld hat vergangene Woche den Widerstand der Wikipedia gegen die Urheberrechtsreform der EU kritisiert. Die dabei vorgebrachten Argumente seien anmaßend, falsch und würden der Demokratie schaden. Mit den Worten “Das kann nicht unwidersprochen bleiben”, antwortet John Weitzmann für die Wikipedia-Community mit einer ausführlichen Replik. Der aktuelle Reformtext sei in zentralen Punkten weiterhin problematisch fürs freie Netz und fürs freie Wissen.

5. Wenn das Internet ver­gisst
(lto.de, Roland Schimmel)
Einige juristische Aufsätze und Urteile verschwinden irgendwann nach ihrer Veröffentlichung aus Datenbanken und Archiven. Im Fachjargon: Sie werden “depubliziert”. Warum das so ist und wie man mit solchen verschwundenen Quellen zum Beispiel in der Jura-Hausarbeit umgeht, zeigt Roland Schimmel.

6. Kontaktschuld
(spiegel.de, Jan Fleischhauer)
“Spiegel”-Kolumnist Jan Fleischhauer war auf der Geburtstagsfeier des mit ihm befreundeten rechtsdrehenden und verwirrten Bierkastenredners Matthias Matussek, bei dem auch viele Mitglieder der rechten Szene und ein Neonazi zugegen waren. An diesem Besuch gab es Kritik. Bei “Spiegel Online” rechtfertigt sich Fleischhauer und holt zum Gegenschlag aus. Das liest sich teilweise etwas komisch. Zum Beispiel, wenn es in der Einleitung heißt: “Darf man als SPIEGEL-Redakteur an einer Geburtstagsfeier teilnehmen, zu der auch Menschen mit rechter oder sogar rechtsradikaler Gesinnung eingeladen sind?”, als gehöre Fleischhauer nicht zu ersterer Gesinnungsgruppe. Lustig sind auch Fleischhauers Vorwürfe an Reinhold Beckmann, der sich nachträglich distanziert habe. Etwas, das Fleischhauer in gewisser Weise auch tut, wenn er Matussek in seiner Kolumne als nicht ernst zu nehmenden “Wirrkopf” bezeichnet und sagt, dieser sei “bestenfalls ein Bajazzo, im schlimmsten Fall ist er reif für die Klapsmühle.”

B.Z.  

Das sind keine “Sex-Vorwürfe”

In einer Berliner Kita gibt es einen Verdacht auf sexuelle Gewalt: Ein Erzieher soll eines der Kinder sexuell missbraucht haben. Der Mann wurde suspendiert, gegen ihn wurde Anzeige erstattet.

Die “B.Z.” berichtet heute über den Fall:

Ausriss BZ - Nach Sex-Vorwürfen! Kita-Mitarbeiter suspendiert

Die evangelische Kita Martin Luther King hat einen Mitarbeiter nach Sex-Vorwürfen suspendiert.

Schon bei erwachsenen Opfern von sexueller Gewalt ist es völlig daneben, von “Sex-Skandal” oder “Sex-Vorwürfen” zu sprechen. Solche Begriffe bagatellisieren die Tat, indem sie einen entscheidenden Teil von sexueller Gewalt einfach weglassen: den gewalttätigen. Spätestens, wenn das Opfer ein Kind sein soll, müsste doch jeder Redaktion klar werden, dass der Vorwurf nicht im Entferntesten etwas mit Sex zu tun hat.

Zur Verdeutlichung ein anderes Szenario: Hätte der Erzieher mit einer volljährigen Kollegin während der Arbeitszeit in der Kita einvernehmlichen Sex gehabt — dann wäre die “B.Z.”-Überschrift möglicherweise angemessen. Aber noch mal: Es geht hier um eine Gewalttat an einem Kind.

Gesehen bei @LauHofmann.

Nachtrag, 15. März: In einer ersten Version hatten wir selbst mehrfach von “sexualisierter Gewalt” geschrieben. Diese Stellen haben wir inzwischen in “sexuelle Gewalt” geändert. Ein Text bei “Spiegel Online”, den wir selbst mal in unseren “6 vor 9” verlinkt haben, erklärt, warum das eine gute Idee ist.

Mit Dank an andré und @spontifixus für die Hinweise!

Die Unfug-Sprachwächter, Rechtes Netzwerk visualisiert, Lobbyarbeit

1. Der Schwachpunkt der selbsternannten Sprachwächter
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Till Raether)
Medienkritiker Stefan Niggemeier hat den “Verein Deutsche Sprache” (“VDS”) einmal als “eine Art Sprach-Pegida” bezeichnet. Aktuell fordert der VDS in einem Manifest “Schluss mit dem Gender-Unfug”. Ein Manifest, das nicht nur entsetzlich schlecht geschrieben sei, sondern auch zahlreiche Argumentationsmängel aufweise, wie Till Raether ausführt: “Der Versuch, Sprache davor zu schützen, dass sie sich verändert, entspringt nicht der Liebe zur Sprache, wie ihre Vereinsmeier*innen glauben machen wollen, sondern der Liebe zum Hergebrachten, zum Immer-so-Gewesenen.”
Weiterer Lesetipp: Bei “Spiegel Online” setzt sich Margarete Stokowski ebenfalls mit den Argumenten gegen eine gendergerechte Sprache auseinander. Bezugnehmend auf eine Passage in einem aktuellen “Welt”-Text von Sibylle Lewitscharoff schreibt sie: “Ich weiß nicht, ob es je ein größeres Missverständnis über den Feminismus gab als die Idee, irgendwer würde Untenrumuntersuchungen durch Sibylle Lewitscharoff fordern, aber man sollte sich davon nicht abschrecken lassen, denn ihr Text ist so voller Perlen der Widersprüchlichkeit, dass es lohnt, ihn ganz zu lesen.”
Lohnenswert ist auch Mit Genderstern in den Weltuntergang (belltower.news, Stefan Lauer). Dort hat man sich den Unterstützerkreis der Petition angeschaut und wirft einen Blick auf die teilweise problematischen Verbindungen zur Rechtspopulismus-, Antifeminismus- und Männerrechteszene.

2. Das Netzwerk der neuen Rechten
(neuerechte.org, Christian Fuchs & Paul Middelhoff)
Als “patriotische Parallelgesellschaft” bezeichnen die Journalisten Christian Fuchs und Paul Middelhoff das von ihnen identifizierte und analysierte neurechte Netzwerk aus über 150 Stiftungen, Vereinen, Medien und Kampagnen. Eine Deutschlandkarte zeigt alle Standorte und Verbindungen und liefert auf Mausklick weitere Informationen.

3. Was wir aus dem Fall Relotius für den Journalismus lernen können
(journalist-magazin.de, Georg Löwisch)
Der Betrugsfall Relotius sei eine Chance für den Journalismus, so “taz”-Chefredakteur Georg Löwisch. In seinem “Handwerksmerkzettel” geht es um sechs Punkte: 1) Quellen nennen, 2) Recherchewege zeigen, 3) Zitieren, 4) Anonymisieren, 5) Rekonstruieren und 6) Zweifeln.
Weiterer Lesehinweis: So arbeiten wir mit anonymen Quellen aus dem “Welt”-Reportage-und-Investigativ-Ressort (investigativ.welt.de, Manuel Bewarder).

4. Die sieben Anti-EU-Kampagnen der Krone des Jahres 2018
(kobuk.at, Ida Woltran)
Ida Woltran hat sich die sieben Ant-EU-Kampagnen der österreichischen “Krone” angesehen und analysiert: “Vor allem im Zusammenhang mit neuen Regulierungsvorhaben ist es laut Krone meist die EU, die uns etwas wegnehmen, verbieten oder streichen will. Eine Differenzierung, wer eigentlich die EU ist, unterbleibt meist. Die Krone framed die EU negativ und geht kaum auf konkreten Vorgänge in den EU-Organen ein. Die jeweilige Gegenseite kommt nicht zu Wort.”

5. Lobbyarbeit pur: 228 Kreativ-Verbände für EU-Urheberrechtsreform
(tarnkappe.info, Lars Sobiraj)
228 europäische Kreativ-Verbände haben in einem gemeinsamen Schreiben (PDF) dazu aufgerufen, den umstrittenen geplanten Änderungen des EU-Urheberrechts zuzustimmen. Auch der Deutsche Journalisten-Verband befürwortet die Regelung, was Lars Sobiraj zu der Frage führt: “Warum fordert der DJV den Untergang der eigenen Branche?”
Weiterer Lesehinweis: Bei “Infosperber” kommentiert Matthias Zender den Kampf der Schweizer Verleger um ein Leistungsschutzrecht mit den Worten: “Das wäre, wie wenn die Landwirtschaft zur Käseunion zurückkehren würde.”
Und einen Hörtipp gibt es auch noch: Beim “Deutschlandfunk” besprechen Experten das Für und Wider von Uploadfiltern. Die Technik weise deutliche Grenzen auf: Warum Kritiker Angst vor Zensur haben (deutschlandfunk.de, Audio: 9:15 Minuten).

6. Nachdenkliche Töne zum Geburtstag
(tagesschau.de, Marcus Schuler)
Vor 30 Jahren legte der Physiker Tim Berners-Lee den Grundstein für das World Wide Web. Der damals 34-Jährige entwickelte HTML, programmierte einen Webserver und einen Browser — die Grundlagen für unser heutiges Web. 30 Jahre nach seiner Erfindung warnt Berners-Lee vor Datenmissbrauch, Desinformation, Hassreden und Zensur. Seine Forderung: “Unternehmen müssen mehr tun, um sicherzustellen, dass ihr Gewinnstreben nicht auf Kosten von Menschenrechten, Demokratie, wissenschaftlichen Fakten und öffentlicher Sicherheit geht.”

“Bild” lässt WDR Bernd Stelter zensieren

Flachwitzeerzähler Bernd Stelter machte neulich bei einer Karnevalssitzung Bernd-Stelter-Flachwitze über den Doppelnamen der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer. Eine Frau im Publikum, die ebenfalls einen Doppelnamen tragen soll, ärgerte sich darüber, ging auf die Bühne und geigte Stelter die Meinung. Diese Kleinigkeit wurde zu einer ziemlich großen Sache, vor allem in den sozialen Netzwerken.

Am 4. März steht die Ausstrahlung dieser Karnevalssitzung im Ersten an. Von der Frau wird dabei aber nichts zu sehen sein: Der WDR hat ihren Bühnenbesuch im Schnitt rausgenommen (wie auch viele weitere Passagen der zwei jeweils sechsstündigen Sitzungen, die auf insgesamt 3:15 Stunden gekürzt werden mussten), auch weil dieser “in vielen Teilen akustisch in der Aufzeichnung nicht hörbar und teilweise unverständlich” sei.

“Spiegel Online” schrieb dazu gestern bei Twitter:

Screenshot eines Tweets von Spiegel Online - Der WDR hat entschieden: Der Doppelnamen-Witz wird in der Ausstrahlung am Rosenmontag nicht zu sehen sein.

… was nicht stimmt und was die Redaktion später korrigierte. Stelters Auftritt wird samt Witz zu Kramp-Karrenbauers Doppelnamen im Ersten zu sehen sein. Dazu soll es ein eingeblendetes Laufband mit Infos zu dem Vorfall mit der Frau geben.

“Bild” macht es in der heutigen Ausgabe noch falscher. Das Blatt behauptet, Stelter sei komplett aus der Sendung geschnitten worden, und schreibt von Zensur:

Ausriss Bild-Zeitung - WDR zensiert Bernd Stelter - Komiker Bernd Stelter (57) wird aus der Sendung Karneval in Köln (ARD, 4. März, 20:15 Uhr) geschnitten. Hintergrund: Bei der Aufzeichnung einer Karnevalssitzung hatte sich Stelter über Doppelnamen lustig gemacht. Einer Zuschauerin gefiel das gar nicht, sie konfrontierte ihn auf der Bühne. Der WDR begründete seine Entscheidung damit, dass die Aufzeichnung in vielen Teilen akustisch nicht hörbar und teilweise unverständlich gewesen sei.

Diese Leistung der “Bild”-Redaktion ist ebenfalls ein schlechter Witz.

DuMont-Spekulationen, Grönemeyer-Paparazzi, Mindesthohn für Döpfner

1. Köln ohne DuMont-Dynastie – bis jetzt unvorstellbar
(welt.de, Christian Meier)
Gestern wurde bekannt, dass der DuMont-Konzern angeblich seine Zeitungen verkaufen wolle, darunter so bekannte Blätter wie “Kölner Stadt-Anzeiger”, “Express”, “Berliner Zeitung”, “Berliner Kurier”, “Mitteldeutsche Zeitung” und “Hamburger Morgenpost”. Christian Meier ist den Spekulationen nachgegangen und hat Experten befragt.
Weiterer Lesetipp: Auf “Spiegel Online” kommentiert Markus Brauck das Zeitungssterben und prognostiziert: Das Jahr 2019 wird bitter.

2. “Lieber Insolvenzen von Zeitungen als der subventionierte Verlust ihrer Unabhängigkeit”
(horizont.net, Roland Pimpl)
Axel-Springer-Boss Mathias Döpfner hat am Montagabend vor dem Hamburger Presseclub gesprochen. Es ging um den Strukturwandel im Journalismus, Springers neue “Bild Politik”-Postille und Debattenkultur. Natürlich gab es die üblichen Seitenhiebe wie: “Wenn eine Haltung zum aktionistischen Interesse selbst für etwas vielleicht Gutes wird, ist das ein Problem.” Nicht zu vergessen der Mindestlohn, der ihm große Sorgen bereite.
Dazu der passende Mindesthohn des 6-vor-9-Kurators: Hoffentlich reicht Döpfners geschätztes Jahreseinkommen von mehr als 19 Millionen Euro (“FAZ” vom 5. Juli 2017), dass er seine Sorgen, dass andere einen Mindestlohn bekommen könnten, wenigstens zwischendurch kurz vergessen kann.

3. “Hast du das aufgenommen?”
(zeit.de, Sebastian Kempkens)
Was Sebastian Kempkens über die vier Jahre zurückliegende Auseinandersetzung von Herbert Grönemeyer mit zwei Fotografen schreibt, liest sich wie ein spannender Krimi: Zwei Paparazzi-Knipser hatten dem Sänger und seiner Begleitung am Köln-Bonner-Flughafen aufgelauert, wo es zu Handgreiflichkeiten kam. Eine Eskalation, die von den Fotografen womöglich bewusst provoziert worden war, um das dabei entstehende Bildmaterial gewinnbringend an den Boulevard zu verhökern. Am heutigen Mittwoch soll vom Gericht das Urteil dazu gefällt werden.

4. Internet-Giganten müssen Druck widerstehen
(reporter-ohne-grenzen.de)
Russische Behörden wollen das Internet und die Online-Plattformen kontrollieren und sind damit leider erfolgreich: Laut “Reporter ohne Grenzen” sei bekannt geworden, dass sich Google dem Druck der russischen Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor beugt und einen Teil der in Russland blockierten Inhalte dort nicht mehr als Suchergebnisse anzeigt. Facebook und Twitter sollen per Gerichtsverfahren und Geldstrafen gefügig gemacht werden. “ROG”-Geschäftsführer Christian Mihr kommentiert: “Google macht sich zum Handlanger der Zensoren, wenn es verbotene Seiten in Russland nicht mehr anzeigt. Statt sich dem Druck zu beugen, sollten große Unternehmen ihre Marktmacht einsetzen, um Meinungs- und Pressefreiheit zu verteidigen und Nutzerdaten vor staatlichem Zugriff zu schützen. Internet-Giganten wie Google, Facebook und Twitter haben entscheidenden Einfluss darauf, ob sich Bürgerinnen und Bürger in Russland künftig noch frei im Internet äußern und informieren können oder ob die Regierung dem chinesischen Beispiel folgt und kritische Diskussionen im Keim erstickt.”

5. «Die Unternehmenskommunikation arbeitet heute journalistischer, hat aber einen ganz anderen Auftrag als Journalisten.»
(medienwoche.ch, Marie-Christine Schindler)
Viele Großunternehmen leisten sich für ihre Kommunikation einen eigenen Newsroom. Marie-Christine Schindler hat mit sieben Verantwortlichen aus unterschiedlichen Branchen über ihre Erfahrungen damit gesprochen: Kommen Beiträge, Themen und Botschaften mit Einführung des Newsrooms beim Publikum besser an? Was hat sich verändert gegenüber der traditionellen Unternehmenskommunikation?

6. “Sonst legt die Mafia mich doch sofort um”
(deutschlandfunk.de, Thomas Migge, Audio: 4:48 Minuten)
Journalisten führen in Italien ein gefährliches Leben, vor allem, wenn sie über die Mafia berichten. Roberto Saviano, einer der bekanntesten italienischen Journalisten, lebt seit seinen Enthüllungen unter Polizeischutz. Ein Schutz, den ihm Matteo Salvini, italienischer Innenminister und Politiker der rechtspopulistischen Partei Lega Nord, am liebsten entziehen würde. Weil er “ja viel Geld koste”.

Hart aber unfair, Rathausaffäre, Instaklum

1. #hartaberfair: Das wird man ja wohl noch fragen dürfen, oder?
(kattascha.de, Katharina Nocun)
Katharina Nocun ist Bürgerrechtlerin, Publizistin und Ökonomin und vielbeschäftigt in Sachen zivilgesellschaftliches Engagement. In einem Blogbeitrag setzt sie sich mit dem Titel der letzten “Hart aber Fair”-Sendung auseinander (“Heimat Deutschland — nur für Deutsche oder offen für alle?”). Nocun kommentiert: “Wie heißt es so schön: “Es gibt keine dummen Fragen”. Dem muss ich leider widersprechen. Wer grundlegende Basics des Zusammenlebens infrage stellt, wer Menschen wie mir die Zugehörigkeit abspricht, der macht sich — ob er will oder nicht — zum Handlanger von rechten Framing-Mustern.”
Weiterer Lesetipp: Arno Frank hat sich für “Spiegel Online” die Sendung angesehen. Auch er befindet: “Eine extrem ärgerliche Frage.”

2. Paid Content: Bedingt zahlungsbereit
(universal-code.de, Christian Jakubetz)
Mit “bedingt zahlungsbereit” fasst Journalismus-Experte Christian Jakubetz die Erkenntnisse einer Studie zum Thema “Paid Content” zusammen. Jakubetz schaut sich die wichtigsten Zahlen von verschiedenen Seiten an und leitet drei Erkenntnisse daraus ab.

3. Google, Facebook, Pinterest: Social-Media-Plattformen wollen gegen Falschinfos zu Impfungen vorgehen
(medwatch.de, Hinnerk Feldwisch-Drentrup)
Digitalkonzerne wie Google, Facebook und Pinterest wollen gegen Impfgegner-Videos und irreführende Beiträge über Wundermittel vorgehen. Gelöscht würden die Falschinformationen nicht. Je nach Plattform entziehe man den Videos jedoch die Möglichkeit der Monetarisierung durch eingeblendete Werbung, blende zur Aufklärung Wikipedia-Links ein oder sperre bestimmte Suchbegriffe. Nur in Deutschland scheint man nicht so vehement gegen die Falschinformationen vorgehen zu wollen.

4. Britische Verlage horten Farbe und Papier
(deutschlandfunk.de, Ada von der Decken, Audio: 4:32 Minuten)
Ada von der Decken berichtet von den Sorgen der britischen Printbranche vor einem harten Brexit (“No Deal”). Die Zeitungsverlage seien abhängig von Importen aus der EU. Wer kann, horte deshalb Druckfarbe und Zeitungspapier auf Vorrat. Für kleine und mittelständische Betriebe sei dies jedoch nicht leistbar, so ein Vertreter des Printverbands BPIF: “Bei denen gibt es nicht die finanziellen Möglichkeiten, so erheblich das Lager aufzustocken.”

5. #Rathausaffäre
(twitter.com, DJV Niedersachsen)
Der Deutsche Journalisten-Verband Niedersachsen meldet auf Twitter: “Die Stadt #Hannover darf einen Journalisten der @haz nicht verdächtigen, sich illegal Zugang zu Akten in einem Ermittlungsverfahren verschafft zu haben.“ In der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Hannover heißt es dazu: “Sofern die Stadt Verdachtsmomente äußert, müssen diesen eine sachgerecht ermittelte Tatsachengrundlage zugrunde liegen. Der bloße Umstand, dass eine Zeitung Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden veröffentlicht, welche unter Verstoß gegen Geheimhaltungsvorschriften nach außen gelangt sind, berechtigt die Landeshauptstadt insbesondere nicht zu der öffentlichen Äußerung des Verdachts, der verantwortliche Journalist habe an dem vorherigen Rechtsverstoß eines Amtsträgers mitgewirkt.”

6. Instagram-Storys: Die kreative Art des Geschichtenerzählens
(journalisten-training.de, Bernd Oswald)
Bernd Oswald erklärt in einem Kurzabriss, wie sich Journalisten Instagram und die “Story”-Funktion zu Nutze machen können.
Weiterer Lesetipp: Marc Baumann dokumentiert und kommentiert die öffentlich zelebrierte Instragram-Liebe des Promi-Paars Heidi Klum und Tom Kaulitz. Die beiden Social-Media-Turteltauben zeigten anschaulich, “warum man Handys und Hormone trennen sollte” (sz-magazin.sueddeutsche.de).

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