Die Beschwerdeausschüsse des Presserats haben vergangene Woche zum vierten und letzten Mal in diesem Jahr getagt und anschließend fünf öffentliche Rügen, eine nicht-öffentliche Rüge, 18 Missbilligungen und 21 Hinweise ausgesprochen.
Die “Maßnahmen” des Presserates:
Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:
einen Hinweis
eine Missbilligung
eine Rüge.
Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.
Die nicht-öffentliche Rüge erging an Bild.de. Das Portal hatte darüber berichtet, dass eine Landtagsabgeordnete in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden war. Bild.de nannte den Namen der Frau sowie den Hintergrund der Erkrankung und verstieß damit nach Ansicht des Presserats gegen Ziffer 8 des Pressekodex, die besagt, dass körperliche und psychische Erkrankungen zur Privatsphäre gehören.
Eine öffentliche Rüge bekam Bild.de für einen Artikel über die Therapie bei vorzeitigem Samenerguss. Dabei hatte die Redaktion laut Presserat “umfangreich” PR-Material “wörtlich übernommen und nicht entsprechend gekennzeichnet”, außerdem wurden Preis und Name des Medikaments genannt. Der Presserat sah darin einen Verstoß gegen das Schleichwerbungsverbot und die Sorgfaltspflichten im Umgang mit PR-Material (Ziffer 7). Details zu diesem Fall gibt es beim “Medien-Doktor”.
Daneben erhielt Bild.de zwei Missbilligungen — eine, weil die Redaktion gegen die Sorgfaltspflicht verstoßen hatte (Ziffer 2), und eine für die Spekulation über die Hintergründe eines Suizids (Ziffer 8) — sowie einen Hinweis wegen einer falschen Bildunterschrift.
Zwei weitere Hinweise gingen an die gedruckte “Bild”-Zeitung (Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht sowie unzureichende Anonymisierung einer Person).
Der “Dingolfinger Anzeiger” und die Modellbauzeitung “RC-Freizeit” wurden gerügt, weil sie die redaktionelle Berichterstattung von Anzeigenaufträgen abhängig gemacht hatten (Ziffer 7).
Die “Leipziger Volkszeitung” kassierte eine Rüge für einen Kommentar, in dem Demonstranten der NPD und der “Antifa” als “brauner und roter Abschaum” bezeichnet wurden. Der Begriff “Abschaum” sei eine Verletzung der Menschenwürde und damit ein Verstoß gegen Ziffer 9 des Pressekodex, erklärte der Presserat.
Gerügt wurde schließlich auch die “Junge Freiheit” für die Überschrift “Zigeuner können Sozialhilfe bekommen”. In dem Artikel ging es um eine Entscheidung des Landessozialgerichts NRW, nach der Einwanderer aus Rumänien und Bulgarien Anspruch auf Hartz IV-Leistungen haben. Dass sich diese Entscheidung auch auf Schweden, Luxemburger und alle anderen EU-Bürger in Deutschland bezog, verschwieg das Blatt allerdings. Mit der Überschrift habe die Zeitung “suggeriert, das Gericht habe eine Sonderregelung für eine bestimmte ethnische Minderheit im Sozialrecht geschaffen”, argumentierte der Presserat. Für die “willkürliche Heraushebung dieser Minderheit” habe der Ausschuss “keinen sachlichen Grund” gesehen. Sie wirke diskriminierend.
Wie die “willkürliche Heraushebung” von Minderheiten in solchen Fällen bei “Bild” und Bild.de funktioniert, können Sie übrigens hier nachlesen.
Nachtrag, 0.40 Uhr: Das Projekt “Medien-Doktor” hatte sich im September ausführlich mit dem Bild.de-Artikel zum vorzeitigen Samenerguss auseinandergesetzt und Beschwerde beim Presserat eingereicht. Näheres zu dem Fall gibt es hier.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Wem nutzt die Hatz auf Tebartz?” (cicero.de, Alexander Kissler)
Alexander Kissler stuft die Flut von aktuellen Berichten über den Bischof von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van Elst, als “mediales Empörungsgeheul” ein. Medien würden die “Maßlosigkeit des Maßlosen” verdoppeln: “Mittlerweile taugt es zur Schlagzeile, wenn der Bischof von Limburg etwas nicht tut. Wenn er anders handelt, als die Recherche es ergeben haben will, er einen Flug etwa nach Rom nicht oder später antritt oder einen Brief nicht oder später schreibt. Die Metaebene regiert: Berichtenswert ist, was sich auf Berichte bezieht. Journalismus bedeutet, dass Journalisten über Journalisten schreiben. Die Eskalation schreitet voran.”
2. “Richtigstellung” (dynamo-dresden.de)
Der Fußballverein Dynamo Dresden kritisiert einen Bericht der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ): “Die SG Dynamo Dresden kritisiert diese unsorgfältige und falsche Berichterstattung der größten Regionalzeitung Deutschlands mit aller Entschiedenheit, denn gerade solche Veröffentlichungen dienen immer wieder dazu, dass ein Zerrbild des Vereins in der überregionalen Medienöffentlichkeit transportiert und durch solchen unseriösen Journalismus verfestigt wird.”
3. “LVZ-Fußballkrieg: Offene Fragen” (ostfussball.com, om)
Ostfussball.com hat einige Fragen an die Sportredaktion der “Leipziger Volkszeitung”, die zunächst über “Ausschreitungen während des Leipzig-Derbys” schreibt, diesen Bericht dann aber aufgrund einer “fehlerhaften Pressemitteilung der Polizei” zurückzieht.
4. “RTL-2-Magazin ‘Hautnah!’: Nackte Niedertracht” (spiegel.de, Stefan Kuzmany)
Stefan Kuzmany schaut “Hautnah – Das Promimagazin” auf RTL II. “Ehemalige Trash-TV-Mitwirkende treffen auf Menschen, die deren Wirken im Trash-TV sahen und als vorbildhaft empfinden, und beraten diese nun beim Berühmtwerden im Trash-TV – woraus weiteres Trash-TV entsteht.”
5. “Verschenkt meine Filme!” (sueddeutsche.de, Fred Breinersdorfer)
Drehbuchautor Fred Breinersdorfer ruft in der Auseinandersetzung um Urheberrechte und Piraterie den Staat zu Hilfe, “um einen lebendigen Markt zu schaffen und die Illegalen endlich auszutrocknen”: “Hier und heute fordere ich den Gesetzgeber auf, mir meine eigenen Internetrechte gegen Vergütung abzunehmen und mich dabei bitte nicht um Erlaubnis zu fragen. Und alle anderen Filmkünstler auch nicht. Ich fordere eine umfassende Zwangslizenz für Filme im Internet.” Siehe dazu auch “Abmahnwahn bei Urheberrechtsverletzungen” (dradio.de, Stephanie Kowalewski).
6. “‘Die Armen haben immerhin Kabelfernsehen und Smartphones'” (zeit.de, Thorsten Schröder)
Ein Interview mit Ökonom Tyler Cowen zur Veränderung der Arbeit durch technischen Fortschritt: “Die alten Technologien haben die Körperkraft ersetzt. Das führte dazu, dass Leute mehr und mehr in Berufe gewechselt sind, in denen sie ihr Gehirn benutzen. Die Technologien von heute ersetzen das Denken. Wohin die Leute jetzt ausweichen können, um neue Jobs zu finden, ist aber eine viel schwierigere Frage.”
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2. “Wie sich der Konstanzer Südkurier der Werbewirtschaft unterwirft” (neues-deutschland.de, Holger Reile)
Der “Südkurier” führt ein Interview mit Wolfgang J. Koschnick, Autor des Buchs “Der große Betrug: Die hartnäckigsten Lügen und Irrtümer über Werbung”. Doch es erscheint nicht: “Der Südkurier hat offensichtlich Angst, Werbekunden zu verlieren und schweigt deshalb das Buch und seinen Verfasser lieber tot.”
3. “‘In Ägypten sind Medien nur Propagandamaschinen'” (welt.de, Andrea Backhaus) Hani Shukrallah spricht über Journalisten in Ägypten: “Ein Kollege war unter Mubarak aufs Engste mit dem Sicherheitsapparat verbunden. Als die Proteste auf dem Tahrir-Platz begannen, beschrieb er die Demonstranten als drogenabhängige, sexsüchtige, kommunistische Plage, die es zu bekämpfen gilt. Nach dem Sturz Mubaraks schrieb er Kommentare über die großartige Jugend. Er brachte Überschriften wie: ‘Ägypter, schaut auf diese Sieger.’ Als die Muslimbrüder kamen, erhob er sich während der Redaktionskonferenzen und sang für uns Suren aus dem Koran. Wie er ticken die meisten Journalisten.”
6. “‘America knows everything'” (vice.com, Johannes Niederhauser)
Johannes Niederhauser wird die Einreise in die USA verweigert, weil er “auf einem unangemeldeten Business-Trip sei. Die Bezahlung in Form eines warmen Essens bei einer der Shows in Nashville in einem Restaurant mit zehn Tischen ist anscheinend illegal.”
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1. “The man behind the great Dickens and Dostoevsky hoax” (guardian.co.uk, Stephen Moss, englisch)
Stephen Moss besucht AD Harvey, der ein angebliches Treffen zwischen Charles Dickens und Fjodor Michailowitsch Dostojewski im Jahr 1862 erfunden hatte. Siehe dazu den sehr ausführlichen Artikel “When Dickens met Dostoevsky” (the-tls.co.uk, Eric Naiman, 10. April, englisch).
2. “Sehnsucht nach dem guten König” (begleitschreiben.net, Gregor Keuschnig)
Was passiert eigentlich, wenn der Intellektuelle überrascht, fragt Gregor Keuschnig. “Klopfen dann nicht die gleichen, die das Engagement des Intellektuellen mit Verve gefordert haben, die entsprechenden Äußerungen auf ihre eigene Meinung ab? Und was passiert, wenn dies dann nicht mit dem längst vorgebildeten Urteil der Redaktion, der Partei, der NGO übereinstimmt? Mindestens winkt dann das Etikett ‘umstritten’, wenn nicht gar noch Schlimmeres: Der Ausstoß aus dem mehr oder weniger exklusiven Club der gutmeinenden Welterklärer.”
3. “‘Kate: Das Baby ist da!'” (tagesspiegel.de, Fritz Habekuß)
Schlagzeilen der deutschsprachigen Regenbogenpresse: “Als ‘der neue Mann an Heidi Klums Seite’ wurde Ralf Höcker Lesern einmal vorgestellt. Was daran stimmte: Höcker ist ein Mann. Und neu an der Seite der Moderatorin. Unterschlagen wurde: Er war nur ihr neuer Medienanwalt.”
4. “movie2k-Aus: Diese Portale protifieren” (meedia.de, Jens Schröder)
Die Streaming-Website Movie2k.to hatte etwa so viele Besucher wie Bild.de oder Spiegel.de. Jens Schröder versucht herauszufinden, wer davon profitierte, als die Plattform im Mai offline ging. “Die Fans der illegalen Portale werden im Umkehrschluss nicht auf legale Plattformen wechseln, so lang es dort eben nicht die neuesten Filme gibt.”
5. “Endlich raus aus dem Sachsensumpf” (taz.de, Michael Bartsch)
Thomas Datt und Arndt Ginzel werden rechtskräftig freigesprochen: “Beide Journalisten waren 2008 wegen übler Nachrede angeklagt worden. Es ging um zwei Beiträge in Spiegel und in Zeit online, in denen in Frageform die möglichen Verstrickungen sächsischer Justizbeamter in Leipziger Korruptionsnetzwerke beleuchtet wurde.”
6. “protestwahl” (wirres.net, Felix Schwenzel)
Die Bundestagswahl 2013: Felix Schwenzel hat sich entschieden, “das erste mal in meinem leben nicht wählen zu gehen”. “dann habe ich aber weiter drüber nachgedacht und mich erinnert, dass die enthaltung meistens genau die falschen stärkt. (…) deshalb wähle ich am 22. september die piratenpartei. nicht weil ich ihnen zutraue wirklich etwas zu ändern oder zu entern, nicht weil ich glaube, dass sie bald zu sinnen kommen und sich nicht mehr selbst oder gegenseitig zerreiben, sondern weil sie ein symbol dafür sind, dass sich etwas ändern muss und wir uns auf unsere demokratischen wurzel zurückbesinnen sollten. wer glaubt dass das naiv ist hat möglicherweise recht.”
Wir werden angegriffen. Eine grausame Splittergruppe von Extremistinnen mit perversen Fantasien und gewaltigem Manipulationsvermögen ist auf dem besten Wege, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Und wir lassen es ahnungs- und tatenlos geschehen.
So in etwa kann man den Text von Bettina Röhl zusammenfassen, der am Dienstag auf der Internetseite der “Wirtschaftswoche”erschienen ist. Er heißt:
Es geht um jenen Kreis von Menschen, den Bettina Röhl die “Gender-Mafia” nennt. Wahlweise auch die “Gender-Fanatiker”, die “Gender-Fighterinnen” oder die “Kreuzritterinnen der Gender-Ideologie”.
Zwar weiß die Autorin selbst nicht so genau, was dieses “Gender” überhaupt bedeutet, aber eines weiß sie umso besser: Dass es böse ist. Verdammt böse.
Was Gender wirklich ist, weiß Niemand so ganz genau. Dass Gender eine unwissenschaftliche, die Realität ganz offensichtlich auf den Kopf stellende, fanatische Ideologie einer Minderheit ist, die die Mehrheit in ihren Zangengriff genommen hat, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt, steht fest.
“Die Gender-Ideologie” sei “in Wahrheit ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit”, ihre Ziele seien “größenwahnsinnig”, “grausam” und “unmenschlich”, zuweilen gar “widernatürlich, verfassungsbrechend und kriminell”. Sie sei “die schmutzige Phantasie von einer kleinen Clique von Extremistinnen, die von der Frauenweltherrschaft, gemeint ist ihre persönliche Weltherrschaft, träumen.”
Es geht noch ewig so weiter. Ein 19.000 Zeichen langes Thesenfeuerwerk, das uns von zwei Dingen überzeugen soll.
Punkt 1, wie gesagt: Gender sei böse, denn die Gesellschaft werde entmännlicht. Im Übrigen kein neues Thema für Bettina Röhl: Schon vor acht Jahren befürchtete sie, der Mann könne vom “lautlos heranrollende[n] Tsunami namens ‘Gender Mainstreaming'” fortgespült werden.
Punkt 2: Gender gewinne an Macht.
“Gender Mainstreaming”, schreibt Röhl, sei “geistige Brandstiftung” und “eine menschenverachtende Fiktion, die nicht trotz dieser Tatsache, sondern mutmaßlich wegen ihres Irrsinns so grausam erfolgreich ist”.
Diesen grausamen Erfolg, diese “Machteroberung durch die Gender-Ideologie” macht Bettina Röhl an einem ganz bestimmten Ereignis fest. Ohnehin ist dieses Ereignis das einzige konkrete Beispiel im gesamten Artikel, der einzige Beleg, den Bettina Röhl anführt, um ihre wilde These von der “Entmännlichung unserer Gesellschaft” zu untermauern.
Und dieses Ereignis liest sich so:
An der Universität Leipzig wird seit kurzem ein (männlicher) Professor mit Herr Professorin angesprochen. Die Gender-Ideologen blasen zum Angriff auf die Sprache und leiten damit einen neuen Orbitalsprung bei der Durchgenderung der Gesellschaft ein.
Das ist er also, der große Erfolg der “Gender-Mafia”, der Meilenstein des Extremfeminismus: Herr Professorin!
Der Herr Professorin, die neue Anrede von Professoren an der Universität Leipzig und nun auch Potsdam, ist kein Scherz, keine Satire. Ironie ist Ideologen unbekannt, das gehört förmlich zur Definition von Ideologie dazu. Es handelt sich auch nicht um einen bloße Volte des Schicksals. Vielmehr wird hier ein Orbitalsprung im Wachstum der Genderkrake exemplarisch sichtbar.
Der Angriff auf die Sprache zwecks Manipulation der Realität ist nicht nur eine strategische Variante, sondern wird jetzt mit Macht getestet und voran getrieben. Herr Bundespräsidentin ist nicht mehr so weit entfernt. Und die Erzwingung der Akzeptanz, dass Männerunterdrückung keine Diskriminierung ist, sondern schlimmstenfalls berechtigte Strafe für 20 000 Jahre Männerdominanz […].
Die Professoren, die sich fröhlich Professorin nennen lassen, wissen nicht ganz genau, was sie mit dieser “Akzeptanz” tun und bewirken. Hier geht es ja nicht um einen Gag machen wir es doch zur Abwechslung einfach mal anders herum und machen die weibliche Form zum Gattungsbegriff für beide Geschlechter, sondern es geht im Kontext um die Machteroberung durch die Gender-Ideologie.
So. Und jetzt nochmal für alle. Die Anrede “Herr Professorin”ist ein Märchen! Fiktion! Reine Fantasie! Eine Erfindung der Medien! Sie hat nichts, aber auch gar nichts mit der tatsächlichen Entscheidung der Uni Leipzig zu tun. Und mit der an der Uni Potsdam genauso wenig.
Wenn am “Herrn Professorin” überhaupt irgendetwas “exemplarisch sichtbar” wird, dann ist es ein Orbitalsprung im Wachstum der Recherchefaulheit mancher Journalisten. Und Journalistinnen.
Mit Dank an Kai, Eberhart L. und NaturalBornKieler.
Am Montag haben wir gezeigt, dass die Ansprache “Herr Professorin”, die angeblich an der Uni Leipzig eingeführt werden soll, einzig und allein eine Erfindung von “Spiegel Online” ist – und nichts mit der tatsächlichen Entscheidung der Uni zu tun hat.
Einige Medien haben es aber immer noch nicht kapiert.
Die “Aachener Zeitung” schrieb am Mittwoch unter der Überschrift “Guten Tag, Herr Bürgermeisterin”:
An der Universität Leipzig müssen sich männliche Dozenten künftig “Herr Professorin” schimpfen. Kein Scherz.
Auch kein Scherz: Im ZDF-morgenmagazin wurde am Dienstag im “richtig oder falsch”-Gewinnspiel die Frage gestellt, ob sich die Ansprache an der Uni Leipzig in “Herr Professorin” ändern werde. Die “moma”-Tassen gab es dann für die Antwort “richtig”.
Und in einem Blogeintrag der “Leipziger Volkszeitung” findet sich dieser schöne Schlusssatz:
Putzende Jungs wären auf jeden Fall ein stärkeres Zeichen für Geschlechtergerechtigkeit im Alltag als ein Wissenschaftler, der sich mit “Herr Professorin” ansprechen lassen muss.
Und so gibt es immer noch Journalisten (und Journalistinnen), die sich über etwas lustig machen, das niemand (!) jemals (!) in Erwägung gezogen hat.
Besonders bescheuert aber sind jene Geschichten, in denen die Journalisten das Kunststück vollbringen, den Sachverhalt sowohl richtig als auch falsch wiederzugeben.
So heißt es im Feuilleton der aktuellen “Zeit”:
[…] das generische Femininum soll in der neuen Verfassung der Alma Mater verankert werden. Damit seien, so versichern Fußnoten, alle gemeint, Frauen wie Männer.
Das stimmt. Endlich mal. Und doch schafft es die “Zeit”, noch im selben Satz wieder alles kaputt zu machen:
In Leipzig wird es bald “Herr Professorin” heißen […].
Ein paar Sätze später heißt es:
In Leipzig etwa, wo es bald “Herr Professorin” heißt […].
Die “Rheinische Post” machte es nicht besser und schrieb am Montag:
[…] in der Grundordnung der Universität soll künftig nur noch die weibliche Personenbezeichnung stehen. Eine Fußnote ergänzt, dass diese Bezeichnung sowohl für Personen männlichen als auch weiblichen Geschlechts gilt.
Das ist korrekt. Im Gegensatz zu dem Unsinn, der im nächsten Satz folgt:
In Leipzig lehrt also der Herr Professorin den Herrn Studentin demnächst die Germanistik.
Die “Bunte” haut derweil mal richtig auf den Putz:
Und auch die “Stuttgarter Zeitung” schafft es in einer verschwurbelten Kolumne, Realität und Fiktion bedenkenlos zu verquicken:
[An der Leipziger Universität] hat ein Senatsbeschluss für die neue Verfassung den Professoren männlichen Geschlechts zumindest sprachlich den Garaus gemacht. Sie werden nun alle als Professorinnen geführt, auch wenn das, wie die Rektorin jetzt verkündet, keine Auswirkung im alltäglichen Umgang haben wird. Trotzdem gilt: So besiegt man mit Sprache die Wirklichkeit.
Die Kolumne trägt den Titel: “Grüß Gott, Herr Professorin”. Tja – so besiegt man mit Sprache die Wirklichkeit.
Wir haben am Donnerstag bei “Spiegel Online” nachgefragt, warum die irreführende Überschrift, auf der dieser ganze “Herr Professorin”-Quatsch beruht, immer noch nicht geändert wurde.
“Spiegel Online” antwortete uns:
[…] die Zeile “Guten Tag, Herr Professorin” ist keine Nachrichtenüberschrift, sondern lediglich unser Versuch, humorvoll mit dem Thema der verweiblichten Grundordnung der Universität Leipzig umzugehen. Als Überschrift ist sie eine Anspielung auf die häufig verwendete Formulierung “Frau Professor”. Ähnlich wie die Uni Leipzig in ihrer neuen Grundordnung haben wir die Geschlechterrollen für die Überschrift spielerisch vertauscht und eine Zeile gewählt, die leider mehrfach missverstanden und abgeschrieben wurde. Ein Grund, die Überschrift zu ändern, ist das nicht. Darüber hinaus wurde im Text sowohl das Verfahren als auch die künftige Verwendung der Begriffe genau beschrieben.
Soso.
Die ganze Aufregung um die Entscheidung der Leipziger Uni wirkt noch viel absurder, wenn man sieht, dass an der Universität Karlsruhe schon vor einigen Jahren das generische Femininum eingeführt wurde. Dort ist seither nicht von “Studenten” die Rede, sondern ausschließlich von “Studentinnen”. Zumindest in der Studien- und Prüfungsordnung (PDF) des Studiengangs Maschinenbau.
Übrigens: Auch die Entscheidung aus Leipzig ist eigentlich keine Neuigkeit mehr. Schon im Dezember 2011 berichteten die “Leipziger Volkszeitung” (PDF) und die Leipziger Hochschulzeitung “student!” über die Pläne des Senats. Einen Aufschrei gab es damals nicht.
Mit Dank auch an die vielen Hinweisgeber.
Nachtrag, 16. Juni: Wie uns einige Leser mitgeteilt haben, hat das “Morgenmagazin” seinen Fehler am nächsten Tag richtiggestellt. Und “Spiegel Online” hat den Teaser schon vor der Veröffentlichung unseres Eintrags geändert. Statt “setzt [die Uni Leipzig] nur noch auf weibliche Bezeichnungen” heißt es jetzt: “setzt [die Uni Leipzig] in ihrer Grundordnung nur noch auf weibliche Bezeichnungen”.
Ein Shitstorm ist für die, die drinstehen, keine angenehme Sache. Doch wenn sie zu Unrecht drinstehen, wird es besonders beschissen.
Die Uni Leipzig muss sich derzeit viele Vorwürfe gefallen lassen. Der Stammtisch ist entsetzt, die Feuilleton-Chefs genauso, die sozialen Netwerke schreien auf. Und das alles wegen einer ziemlich banalen Entscheidung.
Rektorin, Dozentinnen, Wissenschaftlerinnen – da, wo früher in der Grundordnung der Universität Leipzig die sogenannte Schrägstrich-Variante genutzt wurde, also etwa Professor/Professorin, steht künftig ausschließlich die weibliche Personenbezeichnung. Eine Fußnote ergänzt, dass diese feminine Bezeichnung sowohl für Personen männlichen als auch weiblichen Geschlechts gilt.
Bevor es jetzt zu Missverständnissen kommt, wollen wir das mal kurz erklären.
Der erweiterte Senat der Uni Leipzig hat in seiner Sitzung unter anderem über die Grundordnung, also die Verfassung der Hochschule diskutiert. Dabei ging es auch um die Frage, wie man die Personen bezeichnen soll, die in diesem Dokument vorkommen.
Bisher hatte die Uni die Schrägstrich-Variante genutzt. Das sah dann so aus:
Die Vertreter/innen der Gruppe der Hochschullehrer/innen, der Gruppe der akademischen Mitarbeiter/innen und der Gruppe der sonstigen Mitarbeiter/innen im Fakultätsrat, die Dekane/Dekaninnen, Prodekane/Prodekaninnen und Studiendekane/Studiendekaninnen sowie die Gleichstellungsbeauftragten werden für eine dreijährige Amtszeit gewählt.
Statt “Vertreter/innen” könnte die Uni auch “Vertreter_innen” schreiben. Oder “VertreterInnen”. Oder “Vertreter/Vertreterinnen”. Oder “Vertreterinnen und Vertreter”. Sie könnte auch — wie es bisher jahrzehntelang üblich war — einfach nur “Vertreter” schreiben und in einer Fußnote klären, dass damit auch Frauen gemeint sind.
Sie könnte aber auch — und damit kommen wir zur neuen Variante an der Uni Leipzig — einfach nur “Vertreterinnen” schreiben und in einer Fußnote klären, dass Männer damit auch gemeint sind.
In der Grundordnung – und zwar nur in diesem Dokument – sollen künftig also ausschließlich weibliche Personenbezeichnungen benutzt werden. Dies sei eine “spontane Entscheidung ohne politische Ziele” gewesen, sagte der Professor, der die Variante vorgeschlagen hatte.
So viel zum Kern der Geschichte.
Nachzulesen war das alles erstmals in einem Artikel der Universitätszeitung “duz”:
Der Artikel erschien am 31. Mai, danach geschah ein paar Tage lang erst mal gar nichts. Kaum jemand nahm Notiz von den Neuigkeiten aus Leipzig.
Bis der “UniSpiegel” kam. Der übernahm den Text zu Beginn der Woche. Und “Spiegel Online” verpasste ihm gleich mal eine knackigere Überschrift:
Fatalerweise hat sich der Erfinder dieser Schlagzeile den Artikel nicht richtig durchgelesen. Denn sie hat rein gar nichts mehr mit der eigentlichen Nachricht zu tun. Geschweige denn mit der Wahrheit.
Der Teaser macht es nicht gerade besser:
Das ist ein Novum in Deutschland: Nach 600 Jahren Männerdominanz schwenkt die Uni Leipzig radikal um und setzt nur noch auf weibliche Bezeichnungen: Der Titel “Professorin” gilt künftig auch für Männer. “Jetzt läuft das mal andersrum”, freut sich eine Befürworterin im Hochschulmagazin “duz”.
Der “UniSpiegel” erweckt in der Überschrift und im Teaser den Eindruck, als müssten die Studierenden künftig auch die männlichen Professoren als “Professorin” ansprechen.
Doch das größte Problem ist: Einige haben diesen Unfug tatsächlich geglaubt.
Dass die Männer an den Universitäten dominieren, das war einmal. In Leipzig denkt man jetzt völlig neu: An der Uni heißen jetzt auch die Männer “Professorin”.
Es klingt wie ein Kalauer aus der Emanzen-Ecke: Ab sofort heißen männliche Dozenten an der Uni Leipzig nicht mehr “Herr Professor”, sondern “Herr Professorin”.
Mehr noch: Die neue weibliche Personenbezeichnung soll von nun grundsätzlich an der Uni verwendet und sogar im Statut der 600 Jahre alten Alma Mater festgeschrieben werden.
Jörg Junhold übernimmt eine Honorarprofessur an der Uni Leipzig. Eine neue Regel an der Uni legt fest, dass künftig alle Dozenten mit Herr Professorin angesprochen werden – also auch Junhold. […] Die Bezeichnung Professorin ist künftig an der Leipziger Uni vorgeschrieben, unabhängig vom Geschlecht.
Alle männlichen Professoren sind jetzt Professorinnen. Der Rektor wird zur Rektorin – zumindest an der Universität Leipzig. Hier werden die männlichen Kollegen künftig mit weiblichen Titeln angeredet, auch in offiziellen Schreiben.
Mit einer kleinen Begriffsreform will die Universität Leipzig als erste in Deutschland umständliche sprachliche Gleichstellungsversuche beenden. In Texten künftig soll es nur noch eine Form geben: Professorin.
Kein Scherz! Die Universität in Leipzig (D) orderte jetzt an, außschließlich weibliche Bezeichnungen zu verwenden. Mit dem Wort “Professorin” sind künftig auch Männer gemeint.
An der Uni Leipzig werden männliche Dozenten jetzt als “Herr Professorin” bezeichnet. Problematisch ist daran nicht die falsche Grammatik, sondern das Sprach-Opfer im Namen des Feminismus.
All diese Journalisten und Kommentatoren waren also entweder zu faul, den ganzen Artikel zu lesen — oder sie haben ihn einfach nicht verstanden.
Doch selbst solche Medien, die die Entscheidung der Uni korrekt wiedergegeben haben, konnten sich nicht von dieser bescheuerten Formulierung lösen:
Genau. Nicht in Essen, nicht in Leipzig, nicht in Sonstwo. “Herr Professorin” gibt es nicht und wird es auch nicht geben! Ein für allemal: Diese Ansprache ist nichts weiter als eine Erfindung von “Spiegel Online”.
Dennoch entwickelte sich vergangene Woche eine hitzige Debatte, die zu großen Teilen auf diesem Trugschluss basierte. Viele Kommentatoren ereiferten sich über die (nie dagewesenen!) Pläne, “alle Fachkräfte nur noch als Frauen” anzusprechen, in sozialen Netzwerken forderten Tausende den Rücktritt der Uni-Rektorin.
Selbst der Dekan der Juristenfakultät ließ in einer Erklärung (PDF) verkünden:
Wir missbilligen den Beschluss des Senats. Wir werden ihm nicht folgen. Kein männlicher Student der Juristenfakultät Leipzig muss damit rechnen, als “Studentin” angesprochen zu werden.
Ähm, ja.
Natürlich darf man die Entscheidung der Uni kritisieren. Aber dann sollte man doch bitteschön bei den Fakten bleiben.
Die Uni sah sich jedenfalls gezwungen, eine Richtigstellung zu veröffentlichen. Darin heißt es, bei der “umfangreichen Berichterstattung zur neuen Grundordnung der Universität” sei “ein klares Missverständnis zu Tage getreten”. Die Rektorin schreibt:
“Da wird von vielen ein Missverständnis gesät, als ob die neue Grundordnung so furchtbar viel verändern würde. Zur Klarstellung möchte ich sagen, dass diese Neuerung auf den Alltag an der Universität und auf den universitären Sprachgebrauch keinerlei Auswirkungen haben wird.”
Doch das Märchen vom deutschen “Herrn Professorin” wird inzwischen sogar schon imAuslanderzählt.
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1. “‘B.Z.’ bringt Prozess zum Platzen” (taz.de, Plutonia Plarre)
Der Prozess um den Todesfall Jonny K. vor dem Landgericht Berlin: “‘Berlins mutigster Schöffe spricht’ – die B.Z.-Schlagzeile sprang Richter Schweckendieck am Montagmorgen in der S-Bahn an. ‘Weil ein Laienrichter das sagte, was alle dachten, droht das Verfahren zu platzen’, heißt es im Text. Genau das ist nun passiert: weil das Springer-Blatt kräftig nachgeholfen hat.”
2. “‘Das ist unsere Antwort auf die Krise'” (journalist.de, Hans Hoff)
Ein ausführliches Interview mit taz-Chefredakeurin Ines Pohl: “Wir setzen uns immer wieder auch mit den eigenen Rollenbildern auseinander und zwar nicht verhaftet im grünen Muff der 80er. Wir sind schon sehr kritisch auch mit dem, woher wir kommen. Manche sagen, wir sind zu wenig links. Das sehe ich anders.”
4. “Where are we now?” (kreuzer-leipzig.de, Juliane Streich)
Juliane Streich stellt fest, dass sie über westdeutsche Themen besser Bescheid weiß als über ostdeutsche: “Löblich, dass es Die Zeit inzwischen auch als Ost-Ausgabe gibt. Doch liegt dahinter ein bezeichnendes Problem: Unser Postbote steckt uns manchmal statt der SZ versehentlich die FAZ in den Briefkasten, weil er beide nicht kennt, wie er selbst einmal erklärte. Denn hier abonniert kaum einer die überregionalen großen Zeitungen der alten Republik, was daran liegen könnte, dass sie die neuen Bundesländer hauptsächlich in Artikeln über Neonazis oder Hartz IV thematisieren. Dann doch lieber die SuperIllu oder MDR. Die von hier. Aber Berichte über die Befindlichkeiten von Achim Menzel, Kati Witt und Manfred Krug können es ja nun nicht gewesen sein.”
5. “‘Schlimmer als erwartet’: Wie der ‘Brennpunkt’ Katastrophen-Rhetorik zelebriert” (ulmen.tv, Peer Schader)
Der ARD-“Brennpunkt” mit Sigmund Gottlieb zum Hochwasser: “Es ist ja richtig: Das Hochwasser richtet großen Schaden an. Darüber sollte das Fernsehen berichten. Im Gegensatz zu den besonnen agierenden Helfern, die derzeit in den Beiträgen porträtiert werden, wirken Journalisten mit übertriebener Sensationsrhetorik, die genüsslich das Wort ‘Katastrophengebiet’ betonen und sich mit Höchststandmeldungen übertrumpfen, aber besonders fehl am Platze. Erst recht in einem Sender, der so sehr die eigene Nachrichtenkompetenz vor sich herträgt.”
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1. “Schränkt der deutsche Staat die Pressefreiheit ein?” (zeit.de, Martin Kotynek)
Martin Kotynek fürchtet aufgrund eines noch ausstehenden Gerichturteils eine Einschränkung der Pressefreiheit in Deutschland. “Bundesbehörden sollen nicht mehr länger verpflichtet sein, Journalisten nach den Pressegesetzen Auskunft zu erteilen. Das will das Innenministerium vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig durchsetzen. Gelingt es, wäre die Pressefreiheit stark beschnitten.”
2. “Richtig, aber altbekannt” (spiegel.de, Carsten Holm)
“Bild” schreibt, RAF-Mitglied Verena Becker habe mit dem Verfassungsschutz zusammengearbeitet. “Das ist alles richtig – aber schon seit Jahren im Detail bekannt.”
4. “Die einvernehmliche Täuschung des Publikums” (journalist.de, Jens Bergmann)
PR-Termine im Journalismus: “Für Journalisten, die noch nicht total verdrängt haben, warum sie den Beruf einst ergriffen haben, ist der Job des Werbe-Onkels für Berühmtheiten natürlich sehr unbefriedigend, von der Bezahlung ganz abgesehen.”
Es ist selbst für “Bild”-Verhältnisse eine etwas überraschende Überschrift:
Andersalssonst geht es in diesem “Rocker-Krieg” nicht um irgendwelche Motorrad-Gangs, sondern um Rockmusiker:
Wüste Beschimpfungen, Anwälte, verbotene Videos! Die deutsche Rock-Szene ist in Aufruhr: Ausgerechnet Heino singt Hits von “Rammstein” oder “Die Ärzte” nach – obwohl die ihm KEINE Genehmigung dafür gaben.
Dass Heino gar keine, Verzeihung: gar KEINE Genehmigung gebraucht hätte, erklärt “Bild” im Artikel eigentlich sogar selbst:
Heino nutzt ein rechtliches Schlupfloch. Solange er Komposition und Text des Original-Songs nicht verändert, können die Rocker nichts machen.
Details dazu entnehmen Sie bitte einfach der Wikipedia.
Das viele Gerede von Gesetzen wirkt überhaupt sehr kalkuliert — immerhin nennt die Plattenfirma Heinos (zufälligerweise nächste Woche erscheinende) CD offiziell “Mit freundlichen Grüßen — Das verbotene Album”, obwohl nichts an dem Album “verboten” ist.
Auch sonst wirkt der “Bild”-Artikel wie genau geplante Krawall-PR:
Kein großes Plattenlabel traute sich an die Veröffentlichung, weil die Multimillionen-Rocker den Firmen mit Kündigung drohten.
… weswegen das Album jetzt bei Sony Music erscheint, einer der drei größten Plattenfirmen der Welt, wo es zuvor schon für Oktober 2012 angekündigt gewesen war.
Aber zurück zum “Rocker-Krieg”, der für “Bild” sogar ein “irrer Rocker-Krieg ist:
“Diesen Dreck muss man sofort löschen, das ist respektlos!”
“Das Letzte, dass dieser A…. unsere Lieder singt!”
“Was denkt sich dieser Schunkel-Opa, der soll seine Rentner-Schnulzen trällern!”
Reaktionen deutscher Rockstars. Die Namen sind der Redaktion bekannt.
Nun würde man ja von einem “Krieg” irgendwie erwarten, dass beide Seiten öffentlich auftreten und die eine nicht so seltsam von der “Bild”-Redaktion gedeckt wird.
Andererseits nennt die Zeitung ja dann doch noch Ross und Rocker:
Aus dem “Rammstein”-Umfeld heißt es, die Band fände das “zum Erbrechen!” Und: “Wir könnten kotzen.”
Wobei “Bild” da offensichtlich aufs falsche Pferd gesetzt hat. Die Band Rammstein sah sich nämlich auf ihrer Website und bei Facebook zu einer Richtigstellung verpflichtet:
Rammstein haben mit Befremden die heutige Berichterstattung der Bild-Zeitung zur Kenntnis genommen, die Band befände sich in einer Auseinandersetzung mit Heino zu seiner Coverversion des Rammstein Titels “Sonne”.
Das ist nicht der Fall. Rammstein hat sich hierzu nicht geäussert. Die im Text genannten Zitate, die der Band in den Mund gelegt werden, spiegeln ausdrücklich nicht das Meinungsbild von Rammstein wieder.
Auch eine andere Band wusste offenbar noch nichts von ihrer Verwicklung in den “Rocker-Krieg”, wie dpa schreibt:
Auch die Plattenfirma der Ärzte, Hot Action Records in Berlin, widersprach dem Artikel. Dass Heino auf der Platte den Ärzte-Hit “Junge” zum Besten gibt, habe bei den Punk-Rockern nicht für Aufregung gesorgt, hieß es am Donnerstag. Die Band habe Heino auch nicht mit rechtlichen Schritten gedroht, sollte er ein Video seiner “Junge”-Version herausbringen, wie die Zeitung berichtet hatte.
Heino-Manager Jan Mewes: “‘Die Ärzte’ drohten Heino mit einer sechsstelligen Schadenersatz-Klage, falls er sein bereits produziertes Musik-Video ‘Junge’ veröffentlicht.”
Ein solches Video können Sie natürlich bei Bild.de sehen.