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Voll für’n Eimer

“Bild”-Sommerloch-Regel Nummer 1: Malle geht immer. Völlig wurscht, worum es geht, Hauptsache, es spielt auf “unserer Lieblingsinsel”.

Es begann vor einem Monat mit dem “‘Who is Who’ am Ballermann” und ging weiter mit Artikeln über das “Schampus-Verbot für Georgina”, das “Sing- und Sprechverbot” für Willi Herren, die “Unten-ohne-Panne bei Bachelor-Melanie”, die Flitterwochen von Olivia Jones’ Assistent und die neue Liebe von Micaela Schäfer. Dann noch mal Georgina (“als Djane gefeuert”), noch mal Frau Schäfer (Gastauftritt bei “Alarm für Cobra 11”), zwischendurch immer mal wieder “Bild”-Hampelmann Matze Knop, dann die “Lieblingsrestaurants der Promis”, dann ein “Bildplus”-Spezial zum “Universum Schinkenstraße”.

Als tatsächlich mal etwas halbwegs von Belang passierte, als nämlich ein “Nacht-Suff-Verbot” verhängt wurde, fuhr Bild.de gleich die dicken Geschütze auf: Das “Saufverbot am Ballermann” wurde mit mehreren Artikeln, einer Live-vor-Ort-Reportage, noch einer Live-vor-Ort-Reportage sowie einer Bilanz gewürdigt.

Doch so richtig zehren konnte “Bild” von diesen Skandälchen nicht. Die Aufregung, so sie denn überhaupt entstand, verpuffte zu schnell, um mehrere Tage lang darüber berichten zu können. Etwas Größeres musste her. Und es kam auch:  Politiker will unseren Ballermann dichtmachen!

Zwei “Bild”-Reporter hatten diese Schlagzeile von einem Treffen mit “Mallorcas wichtigstem Tourismus-Politiker” mitgebracht, dem Vize-Bürgermeister Álvaro Gijón. Er wolle den Ballermann “plattmachen”, heißt es in dem Artikel. “Luxus statt Sangria-Eimer”.

Bild.de fackelte nicht lange und erklärte die Aussagen Gijóns gleich mal zum “Angriff auf die deutsche Urlaubs-Seele”. Und “Bild” holte am nächsten Tag zum Gegenschlag aus:
hier kämpft der König von Mallorca um unseren Ballermann

Wenn einer unseren Ballermann retten kann, dann ER!

[…] In seiner politischen Mission besucht Ballermann-Retter Drews gestern Nachmittag in roter Königsrobe den Strand von Arenal. Das Gespräch mit dem verärgerten Partyvolk suchen.

“Bild” war natürlich mit von der Partie und hat alles fleißig dokumentiert. Im Artikel (und im Video und in der Klickstrecke) fordert  Jürgen Drews den Politiker dazu auf, seine Pläne zu überdenken. Nebenbei erwähnt er noch kurz, wie sein neues Lied heißt.

Das “verärgerte Partyvolk” posiert mit Riesenstrohhalm und “Bild”-Zeitung und sagt Dinge wie: “Nur weil wir hier mal einen Tag Wodka-Maracuja aus einem Eimer trinken, sind wir ja nicht gleich unzivilisierte Menschen.”

Auch andere “Ballermann-Stars” folgten der “Bild”-Zeitung in den Kampf gegen die Politikerpläne, Sänger Tim Toupet etwa schlug in feinster “Bild”-Manier vor, der “Vize-Heini” solle sich “doch in Griechenland bewerben, da passt er hin.”

Bild.de kramte unterdessen wehmütig im Fotoalbum, stellte die “schönsten Ballermann-Bilder” zusammen und fragte: “Soll es DAS alles etwa nicht mehr geben?”

So wäre es wahrscheinlich noch ein paar Tage weitergegangen. Vielleicht hätte sich Heino noch eingeschaltet, vielleicht hätte Franz Josef Wagner dem “lieben Ballermann” einen Abschiedsbrief gewidmet, wer weiß. Doch dazu kam es nicht, denn wie sich wenig später herausstellte, hatte der der Tourismus-Politiker in Wahrheit niemals vor, “unseren” Ballermann dichtzumachen.

Am Mittwoch sagte er der “Mallorca Zeitung” (auch bei 6 vor 9 verlinkt), seine Aussagen seien von den “Bild”-Reportern “völlig verdreht” worden. Von einer Abschaffung des Ballermann “könne keine Rede sein.”

Er habe lediglich betont, dass auch Paare, Familien und Senioren ein Recht hätten, ihren Urlaub in dem beliebten Touristenort ungestört verbringen zu können. Ziel sei es, den Anteil kaufkräftiger Urlauber, die das ganze Jahr über auf die Insel kommen, anzuheben. Trotzdem: “Die Playa ist für alle da”.

Aber kein Problem für die Leute von “Bild”. Die haben sich nämlich schon längst dem nächsten Skandal zugewandt:So machen Rocker Millionen auf Mallorca!

Malle geht eben immer.

Vom Bordstein bis zur Headline

Sie haben es vielleicht mitbekommen: Bushido ist zurück. Und weil er in einem neuen Song Politiker bedroht und weil gerade Sommerloch ist, drehen die Medien jetzt völlig am Rad.

Die Berichterstattung nimmt aktuell dermaßen besorgniserregende Züge an, dass es Zeit ist, sich den Fall mal etwas näher anzuschauen. Damit wir nicht durcheinanderkommen, fangen wir am besten gleich bei der Wahrheit an:Morddrohungen als PR-Masche - Die billige Wahrheit hinter Bushidos Hass

Zuletzt inszenierte sich Bushido als braver Familienvater. Doch in einem neuen Video bepöbelt und bedroht der Rapper Politiker und Prominente. BILD am SONNTAG enthüllt die abgefeimte Marketingstrategie hinter der Hass-Attacke

Die “Bams”-Reporter sind zu der Erkenntnis gelangt, dass Bushido dieses Video vor allem deshalb veröffentlicht hat, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Und um sein Gangster-Image mal wieder ein bisschen aufzupeppen. Nach der “altbewährten Methode: ‘gut ist, was provoziert'”. Kurzum: Bushido benutze die “Morddrohungen als PR-Masche”.

Im Hause Springer sind sie sich also völlig im Klaren darüber, dass es Bushido “bei der ganzen Sache vor allem um PR geht”. Und trotzdem schenken sie ihm seit Tagen genau das, was er will: Aufmerksamkeit.

Los ging es am Freitag mit dieser Schlagzeile auf Bild.de:Hass-Song auf Youtube - Bushido droht Politikern mit Mord

Am Tag darauf legte die gedruckte “Bild” mit einer Titelgeschichte nach:Neues Hass-Video mit Mord-Drohungen gegen Politiker - Strafanzeige gegen Bushido

Im Innenteil sah der Artikel so aus:Bushido in seinem neuen Hass-Video - "Du Schwuchtel wirst gefoltert!"

Die härtesten Passagen des Songs hat “Bild” natürlich abgedruckt — stilecht samt Einschussloch.

Auch auf Bild.de werden die bösen Zitate ausführlich wiedergegeben, zum Beispiel in diesem Artikel:Hass-Video! Strafanzeige! - Jetzt spricht der Politiker, dem Bushido den Tod wünscht

Oder in diesem:"Clip verstößt gegen unsere Richtlinien" - YouTube sperrt Bushidos Hass-Video

(Auf Bild.de waren einige der umstrittenen “Hass-Video”-Passagen bis heute übrigens immer noch zu sehen.)

Am Wochenende schickte “Bild” dann extra zwei Reporter auf Recherchereise in eine “Dorf-Disko”. Dort hatte Bushido nämlich seinen ersten Auftritt “nach der Veröffentlichung seines Skandal-Videos”. Zurückgekommen sind die Autoren mit einem Video des Auftritts (in dem die besonders bösen Stellen säuberlich untertitelt sind), einer neunteiligen Fotostrecke (davon neun Mal Bushido in Aktion) und jeder Menge aufgeschnappter “Hassparolen”, die sie im Artikel ausführlich zitieren:

Vor nur 400 Zuschauern - Bushido hetzt in Dorf-Disko

Dazu gibt’s nochmal die Szenen aus dem Video, eine Umfrage unter Jugendlichen, zwei weitere Fotos (einmal Bushido, einmal Bushido und Shindy) und die Einschätzung eines Rechtsexperten.

Am Montag folgte dann die nächste Titelgeschichte der “Bild”-Zeitung, Kategorie: Höchstform.

Heino geht auf Proll-Rapper los - Bushido gehört ins Gefängnis! ... oder in die Psychiatrie

Und selbst Franz Josef Wagner richtete am Montag seinen Brief an die “dumme Wurst” Bushido, obwohl es seiner Meinung nach ja eigentlich mehr Sinn machen würde, “an Brüllaffen oder lärmende Frösche zu schreiben”. Das Video sei jedenfalls “so eklig, wie Ratten essen”.

Bild.de setzte die Artikelflut im Laufe des Tages fort und veröffentlichte vier weitere Texte:

Nach Hass-Video und Anzeige - Jetzt spricht Bushido! ++ Klaus Wowereit stellt Strafanzeige gegen Bushido ++

Autogrammstunde abgesagt - Saturn lädt Bushido-Kumpel Shindy ausErstes Interview nach dem Skandal - Bushido bricht sein Schweigen ++ Ich werde mich nicht entschuldigen ++ Ich schieße nur mit Worten ++ Der Song ist kein Aufruf zur Gewalt ++Bushido - "Ich schieße nur mit Wörtern"

Gestern musste sich Bushido zwar mit etwas weniger Platz auf der Titelseite der “Bild”-Zeitung zufrieden geben, im Innenteil spendierte ihm das Blatt aber erneut einen großen Artikel:

Hass-Video - Was sagen Bushidos Freunde jetzt?

Auch online ging es munter weiter:FDP-Politiker Serkan Tören zeigt Rapper an - "Bushidos Rechnung wird nicht aufgehen"

Skandal-Song - Das denken die Promis über Bushido

Künstler, Familienvater, Geschäftsmann - Bushido - Sein lauter Weg zum Pöbel-Rapper

Im TV-Interview - Bushido zofft sich mit ORF-Moderatorin

Hass-Video - Was verdient Bushido an dem Skandal?

Skandal-Album "NWA" indiziert - Bushidos Hass-Rap kommt auf den Index

Und so dreht sich bei “Bild” seit Tagen und auf allen Kanälen alles nur um einen. Und Bushido selbst lacht sich währenddessen ins Fäustchen — wenn er denn eine Hand frei hat:

Screenshot: http://instagram.com/p/btLkDyILyL/#

In einem Fernseh-Interview sagte er am Montag, das Album sei mittlerweile “in den Trends auf Platz 1”. Aus “Geschäftsmann-Perspektive” sei die Sache also “super gelaufen”.

Aber Bushido ist schon lange nicht mehr der Einzige, der den “Wirbel” um den Song als “PR-Masche” nutzt.

Die “Bild”-Zeitung macht es im Grunde genauso. Nur eben auf ihre Weise. Das ist spätestens seit dieser Aktion klar:

Hey, Bushido! Jetzt rappt BILD zurück - Wir suchen IHRE Rap-Antwort an den Rüpel-Rapper +++ 1000 Euro Belohnung

BILD.de veröffentlicht die besten Ideen. Zusätzlich darf sich der kreativste Kopf über eine Belohnung von 1000 Euro freuen.

Jetzt geht sie erst richtig los, die wilde Fahrt auf dem Trittbrett: Die Leser werden dazu aufgefordert, zurückzuschlagen. Auf die Idee muss man erst mal kommen. Die “BundesRAPublik” ließ sich jedenfalls nicht lange bitten und schickte “tausende Texte, Videos und Audio-Dateien” an die Redaktion, wie “Bild” heute stolz mitteilte:

Bushido bekommt Gegenwind aus dem Internet - Deutschland rappt zurück!

(Unkenntlichmachung von uns.)

In den veröffentlichten “Raps” finden sich dann solche Zeilen:

Guten Tag Bushido, Seit wann bist du denn Salafist? Dein Gandalf-Bart ist echt der letzte Mist.

Oder solche:

Bildleser zersägen dich wie eine Fräse, und jetzt kriegst DU Löcher wie ein Schweizer Käse!

Oder solche:

[…] die Zunge dir in den Hals zu stecken, du kannst mich mal an meinem schwulen Arschloch lecken.

Den vorläufigen HöheTiefpunkt dieser irrsinnigen Geschichte lieferte aber ein ganz besonderer Pöbel-Poet:

Sprechen möchte der Kolumnist nicht mit Bushido, aber auf die Bitte von BILD hat Franz Josef Wagner den Brief vorgelesen, seine Stimme wurde mit Musik unterlegt. Wagners erster eigener Rap – im VIDEO oben!

“Wagners erster eigener Rap” — oder anders:Post von Wagner - Franz Josef Wagner im Gangsta-Style

Das hat womöglich nicht mal Bushido verdient.

taz.de  

Das kommt ihm nordkoreanisch vor

Harald Martenstein möchte nicht, dass wir ihn “den Franz Josef Wagner vom ‘Zeit Magazin'” nennen. Womöglich hat es Deniz Yücel von der “taz” auch nicht gefallen, dass wir ihn in einem einzigen Satz schon mit Wagner, Martenstein und Henryk M. Broder verglichen haben. Andererseits hat sich Yücel seinen Platz in der Ruhmeshalle der meinungsstarken, aber faktenschwachen Lautsprecher redlich verdient. Zum Beispiel mit seiner aktuellen Kolumne auf taz.de.

Yücel beginnt gewohnt wortgewaltig:

Professionelle Lügner verfälschen die Realität und manipulieren unser Denken. Wir werden abgelenkt, eingelullt, ruhiggestellt. Man bringt uns dazu, ständig vor dem Fernseher zu sitzen, Klatschmagazine zu lesen und große Mengen giftiger Nahrung zu essen. Wir geben uns jeder neuen Mode und jedem neuen Trend hin. Und natürlich Shopping, immer wieder Shopping. All das dient aber nur dazu, uns zu kontrollieren und zu betäuben, damit die Herrschenden ungestört ihre Kriege führen und ihren imperialistischen Interessen nachgehen können.

Den ganzen nächsten Absatz verwendet er dann darauf, zu erklären, woher diese Thesen nicht stammen (“Flugblatt der Ortsgruppe Hildesheim der Linkspartei”, “versprengte Basisgrüne”, “Ökumenischer Kirchentag”, “an der 9/11-Forschung geschulte Internetspinner”, “Zitate aus einem im Nachlass von Stéphane Hessel gefundenen Text”, “Leserbriefschreiber”).

Nein:

All diese Erkenntnisse stammen vielmehr aus einem nordkoreanischen Propagandafilm. Es ist kein Propagandafilm der üblichen Sorte, keine kämpferischen Soldaten, fröhlichen Arbeiter und winkende Kims. Denn in diesem Film geht es nicht um Nordkorea, jenes geheimnisvolle Land, über das Christopher Hitchens einmal geschrieben hat, man habe dort eine neue Spezies von Mensch erschaffen.

Ob dem wirklich so ist, kann niemand überprüfen. Dafür gewährt dieser Film einen Einblick darin, wie die nordkoreanische Staatspropaganda die westliche Welt sieht. Das erstaunliche Ergebnis: Etwa so wie ein guter Teil der Linken in Deutschland und anderswo.

Yücel hat den ersten Teil der deutschsprachigen Synchronfassung des Films bei taz.de eingebettet, beschreibt aber sicherheitshalber noch mal ausführlich, was es dort alles zu sehen gibt:

Der irgendwann zwischen 2009 und 2011 entstandene Film wurde von freiwilligen Helfern erst ins Englische und dann ins Deutsche übersetzt. Er kommt wie eine Mischung aus Videoclip und Dokumentation im History Channel daher; Bilder von vorzugsweise amerikanischen Politikern werden mit Kriegsbildern und Szenen aus der “Konsumwelt” zusammengeschnitten und natürlich darf auch der Führer nicht fehlen, weil erst durch ihn eine Condoleezza Rice ins rechte Licht gerückt wird. Die Sprache ist kein spätstalinistischer Barock, es fehlt auch der hysterisch-schwülstige Ton, in dem nordkoreanische Nachrichtensprecherinnen gelungene Raketenstests vermelden.

Wie es sich für eine ordentliche Doku gehört, kommt zwischendurch ein Experte zu Wort, dessen Gesicht aber in der Bearbeitung verpixelt wurde – offenbar damit dieser nordkoreanische Borat auch weiterhin unerkannt in Südkorea auf Safari gehen kann. […]

Wie also sehen sie aus, die tatsächlichen Zustände im Westen? Die Propagandisten der Herrschenden haben uns durch ihre Lügen, durch Mode, Musik, Technologie und Sex zu Konsumsklaven verwandelt, die härter und härter arbeiten, um Dinge zu kaufen, die wir nicht brauchen. Drogensüchtige Popstars wie Elvis Presley gehören ebenso zu ihren Machtinstrumenten wie Sneakers und iPhones.

Mit seiner Formulierung vom “nordkoreanischen Borat” war Yücel der Wahrheit so nahe wie selten, denn der Film mit dem Titel “Propaganda” ist (ebenso wie “Borat”) eine Mockumentary, eine als Dokumentation getarnte Fiktion, ein Fake.

Auf der offiziellen Website des Films deutet der neuseeländische Regisseur Slavko Martinov dies eher nur an, aber in einem Video-Interview erzählt er, er habe nach einem besonderen Kniff gesucht, um seine Dokumentation über Propaganda außergewöhnlicher zu machen, und sei so auf die Idee gekommen, den Film als fiktive nordkoreanische Dokumentation aufzuziehen.

Seine Wahl sei unter anderem deshalb auf Nordkorea gefallen, weil über das Land (anders als etwa über Kuba oder den Iran) im Rest der Welt so gut wie gar nichts bekannt sei und der Film deshalb nicht so schnell als Fake identifiziert werden konnte. Da der Erzähler von “Propaganda”, ein Bauunternehmer aus Neuseeland, der in Nordkorea geboren wurde, aber inzwischen von der südkoreanischen Gemeinde in Christchurch für einen nordkoreanischen Spion gehalten und ausgegrenzt wird, hat Martinov inzwischen eine Kampagne gestartet, um den Ruf des Mannes zu retten.

All dies hätte Deniz Yücel mit ein paar Minuten Googeln herausfinden können, aber es hätte ihm natürlich seinen schönen Gesinnungsaufsatz mit dem Titel “Wir Linkskoreaner” kaputtgemacht. Denn nur unter der Prämisse, dass das Video tatsächlich ein nordkoreanischer Propagandafilm ist, kann er den ideologischen Schulterschluss, den er auf Grundlage dieses Films zwischen dem Regime in Nordkorea und “der Linken in aller Welt” vermutet, beschreiben:

Und spätestens, als im vierten Teil die Gründung des Staates Israel geschildert wird, ein “bösartiges wie unnötiges” Unterfangen, das die britischen Imperialisten gemeinsam mit den “Rothschild-Zionisten” ausgeheckt haben, um die arabische Bevölkerung zu kolonialisieren, als – natürlich nicht ohne jüdische Kronzeugen – in Wort und Bild nahegelegt wird, die Israelis seien die Wiedergänger der Nazis und als schließlich erläutert wird, wie Israel den Holocaust dazu ausnutzt, um Kritik an seiner Politik als antisemitisch abzuschmettern, spätestens dann also fragt man sich: Warum nur bleibt die Linke in aller Welt so teilnahmslos angesichts der imperialistischen Bedrohung, der die Genossinnen und Genossen im friedliebenden Nordkorea ausgesetzt sind? Herr Augstein, übernehmen Sie!

Ja. Oder halt irgendein Nervenarzt.

Mit Dank an Peter.

Nachtrag, 6. April: Bereits gestern hat Deniz Yücel seinem Text einen Nachtrag hinzugefügt, den wir gerne vollständig wiedergeben:

Nachtrag: Einige Leser sowie der “Bild-Blog” behaupten nun, mir sei ein Fehler unterlaufen. Der Film “Propaganda” sei in Wirklichkeit kein nordkoreanischer Propagandafilm, sondern ein Film des neuseeländischen Regisseurs Slavko Martino [sic!] über Propaganda.

Das ist richtig. Und doch nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich ist die Erzählperspektive als nordkoreanischer Dokumentarfilm, der in einer Umkehrung des Wortes vom “Schurkenstaat” die westliche Welt als Ansammlung von Schurkenstaaten dämonisiert, fiktiv.

Aber der entscheidende Punkt ist: Was hier dargestellt wird, ist die nordkoreanische Sicht auf die westliche Welt. Man vergleiche beispielsweise die Einlassungen des Films über den Staat Israel mit den Tiraden der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA. Und man vergleiche beides mit dem Zuspruch, auf den diese propagandistisch verzerrte Sicht in den Kommentaren bei Youtube oder auch bei taz.de trifft. Das Ergebnis ist ein Maß an Übereinstimmung, das auch im Text beschrieben wird.

Regisseur Martino [sic!] sagt, dass er seinen Film als nordkoreanischen Propagandafilm ausgegeben habe, damit der Fake nicht sofort als solcher erkennbar wird. Ob er nur die Funktionsweise von Propaganda darstellen wollte oder sich eine – unter Linken, aber ebenso unter Rechten und religiösen Fundamentalisten – verbreitete Kritik an der kapitalistischen Konsumgesellschaft wenigstens teilweise zueigen macht, ist weniger interessant. Viel interessanter ist, dass der Film durch diesen Trick eben nicht als fiktive Dokumention zu erkennen ist.

Einen Text über einen fiktiven Film zu schreiben und diesen als fiktiv auszuweisen, wäre eine gewöhnliche Besprechung. Aber wenn man einen solchen Film so authentisch darstellt, wie er sich selber gibt, eine gefakte Rezension über eine gefakte Dokumentaion, wird daraus ein soziales Experiment: In den Raum wird die Behauptung gestellt, dass das Denken vieler Linker nicht so weit entfernt ist von der Propaganda einer völkisch-stalinistischen Diktatur wie Nordkorea. Die Überprüfung dieser Behauptung findet in der Realität statt.

Googeln, liebe Erbsenzähler vom “Bildblog”, kann ich genauso gut wie ihr. Deniz Yücel

Martenstein, ein Opfer seiner selbst

Harald Martenstein, der Franz Josef Wagner vom “Zeit Magazin”, wäre in seiner Schulzeit gerne sitzen geblieben. Dann wäre er jetzt traumatisiert und ein “Opfer” und würde sich besser fühlen. So zumindest der Tenor seiner typisch durcheinanderen Kolumne über Sitzenbleiber.

Martenstein erklärt:

Fast alle Leute, die ich kenne und die mal sitzen geblieben sind, haben ganz ordentliche Karrieren hingelegt, richtig gestört wirkt keiner von denen. Die politische Elite Deutschlands besteht sogar aus auffällig vielen Sitzenbleibern, Stoiber, Westerwelle, Wowereit, Kretschmann, alle sitzen geblieben. Peer Steinbrück sogar zweimal.

Ja, nee.

Denn Guido Westerwelle und Klaus Wowereit sind nie sitzen geblieben. Ihre Namen stehen zwar auf vielen Listen berühmter “Sitzenbleiber”, die immer wieder – wie jetzt von Martenstein – abgeschrieben werden, aber zu Unrecht, wie wir letzte Woche aufgeschrieben hatten: Beide haben ihr Abitur regulär nach 13 Jahren gemacht.

Interessanterweise hat “Bild” diesem Fehler am Montag sogar eine “Berichtigung” gewidmet — erst die zweite in diesem Jahre:

Berichtigung: Am 19. Februar 2013 berichtete BILD, dass Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (59, SPD) und Bundesaußenminister Guido Westerwelle (51, FDP) in ihrer Schulzeit einmal sitzen geblieben seien. Das ist falsch. Wir bedauern den Fehler.

In der Bildergalerie auf Bild.de taucht Westerwelle allerdings immer noch auf:

Sie alle blieben einmal sitzen: Guido Westerwelle (51, FDP), Außenminister

Netzwerke, Nahverkehr, Sonnenschein

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Journalismusforschung: ‘Ganz auf Linie mit den Eliten'”
(heise.de/tp, Marcus Klöckner)
Ein Interview mit Uwe Krüger, der im Buch “Meinungsmacht” die Netzwerke von Journalisten und Eliten untersucht: “Ich vermute folgendes: Journalisten mit Eliten-kompatiblen Werten und Meinungen haben höhere Chancen, Zugang zu den höchsten Kreisen zu bekommen, und die Einbindung in das Elitenmilieu verstärkt dann über die Zeit hinweg die Konformität.”

2. “Die Finsternis einer Behinderung”
(jule-stinkesocke.blogspot.de, Jule)
Jule liest eine Kolumne von Franz Josef Wagner: “Könnte dieser Mensch mal aufhören, seine verrückten Vorstellungen über das Volk zu gießen? Finsternis! Glaubt wirklich irgendjemand, dass ein Rollstuhlfahrer auf eine Party fährt, um davon zu träumen, wie es wäre, jetzt tanzen zu können?”

3. “Im Mund rumgedreht: Fahrscheinlos oder kostenlos?”
(blogs.taz.de, Sebastian Heiser)
Sebastian Heiser erklärt, warum er von “kostenlosem” Nahverkehr schreibt, und nicht von “fahrscheinlosem” oder “umlagefinanziertem”. Einige Kommentarschreiber halten das aber nicht für korrekt.

4. “Muster-Leserbriefe an die Redaktion der ‘Nordwestschweiz’ geschickt”
(aargauerzeitung.ch, Anna Wanner)
Die Redaktion der “Nordwestschweiz” erhält “Tipps zum Verfassen von Leserbriefen”.

5. “Fox News Claims Solar Won’t Work in America Because It’s Not Sunny Like Germany”
(slate.com, Will Oremus, englisch)
Bei “Fox News” diskutiert man über Unterschiede zwischen der Solarenergie in Deutschland und in den USA. Eine Expertin kommt zum Schluss (youtube.com, Video, ab 2:55 Minuten): “They got a lot more sun than we do”.

6. “Angela Merkels Vertrau-o-Meter (Papst-Edition)”
(saschalobo.com)
“Volles Vertrauen” und “vollstes Vertrauen”, ausgesprochen von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Wie viel Brüderle erträgt die Bundeswehr?

Spätestens seit sich der Quizmaster Günther Jauch am Sonntagabend in der nach ihm benannten ARD-Talkshow an dem Thema versuchte, lässt es sich nicht mehr ignorieren: Es gibt in Deutschland eine Debatte über Alltagssexismus. Auslöser war ein Artikel in der Illustrierten “Stern”, in dem eine Journalistin dem FDP-Politiker Rainer Brüderle vorwarf, sich ihr an einer Hotelbar in einer Weise genähert zu haben, die sie unangenehm fand.

Schon am Samstag hatte “Bild” die zentrale Frage gestellt:

Wie viel Brüderle ist erlaubt? 100 Frauen in BILD: Flirt oder Belästigung — wo ist die Grenze?

Eine Frage, die “Bild”-Redakteurin Stephanie Bilges erstaunlich klar zu beantworten wusste:

BILD-Redakteurin Stephanie Bilges (36, Berlin): "Wer nicht in der Lage ist, mit deftigen Sprüchen umzugehen, sollte vielleicht besser nicht berufstätig sein."

Gestern dann bedachte Franz Josef Wagner die “liebe Sexismus-Debatte” mit einem Brief, der selbst für seine Verhältnisse eher exzentrisch wirkte.

Heute schließlich erklärte “Bild”-Reporter Wilfried Pastors (“seit 36 Jahren mit der gleichen Frau verheiratet, zweifacher Vater und Opa von vier Enkeln [drei Mädchen]”), er lasse sich als Mann “nicht unter Generalverdacht stellen”:

Wenn jetzt allerdings eine Geschlechtsforscherin im Frühstücksfernsehen unwidersprochen sagen darf, der Fall Kachelmann sei Beleg für alltäglichen Sexismus in Deutschland, stellen sich mir die Nackenhaare hoch.

Das war ein mit allen Mitteln des Rechtsstaats geführter Prozess, der anders ausging, als es manche gerne gehabt hätten. Aber so, und nur so, funktioniert Rechtsstaat.

Pastors widerspricht damit überraschend offen der bisherigen “Bild”-Linie, die den Ausgang des “mit allen Mitteln des Rechtsstaats geführten Prozesses” damals so kommentiert hatte:

Kachelmann: Freispruch, aber ...

Und damit kommen wir zum Jahresbericht des Wehrbeauftragten der Bundesregierung. Oder, wie Hanno Kautz, “Bild”-Parlamentskorrespondent, ihn auf Bild.de nennt, dem “Jammer-Bericht der Bundeswehr”:

SEXUELLE ÜBERGRIFFE: Der Bericht über eine vergewaltigte Soldatin in der Heeresfliegerwaffenschule Bückeburg im August 2012 sei eine Ausnahme, heißt es in dem Bericht. Es ginge um Einzelfälle, die festgehalten werden, sagte Königshaus, doch mit einer "nicht unerheblichen Dunkelziffer" sei zu rechnen.

​Kautz zitiert aus dem Bericht, in dem von bekannten 50 Fällen “mit sexuellem Bezug” die Rede sei, und schließt:

“Bei der überwiegenden Anzahl der Taten”, so heißt es aber in dem Bericht, “handelte es sich um unangemessene Berührungen und verbale sexuelle Belästigungen.”

“Aber”. Aha. Na, dann ist ja alles halb so schlimm, die betroffenen Soldatinnen (oder Soldaten) sollten vielleicht besser nicht berufstätig sein und mit dem Jammern aufhören.

Mit Dank auch an Jürgen L.

taz, taz.de  

Alte Kotze, neu erbrochen

Deniz Yücel hat bei der “taz” ungefähr den Posten inne, den bei “Bild” Franz Josef Wagner, beim “Tagesspiegel” Harald Martenstein und bei der “Welt” Henryk M. Broder bekleiden: Er pfeift als Kolumnist auf Politische Korrektheit, Logik oder auch einfach nur Fakten, bricht mit Konventionen und in die Tastatur und gefällt sich als Mischung aus Wutbürger, Stammtischgänger und ADHS-Grundschüler.

Vom Deutschen Presserat bekam Yücel im Dezember eine “Missbilligung”, weil er über Thilo Sarrazin geschrieben hatte:

So etwa die oberkruden Ansichten des leider erfolgreichen Buchautors Thilo S., den man, und das nur in Klammern, auch dann eine lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur nennen darf, wenn man weiß, dass dieser infolge eines Schlaganfalls derart verunstaltet wurde und dem man nur wünschen kann, der nächste Schlaganfall möge sein Werk gründlicher verrichten.

(Das mit dem “Schlaganfall” war auch noch sachlich falsch.)

Nach der Landtagswahl in Niedersachsen schreibt Yücel heute einen Abgesang auf den vermutlich scheidenden Innenminister Uwe Schünemann, den er, wie es so seine Art ist, mit “Tschüss, Kotzbrocken!” überschrieben hat.

Yücel bezeichnet Schünemann als “beste[n], weil dümmste[n] Innenminister der westlichen Welt” und führt aus:

Ob Handyverbote für Terroristen, Bundeswehreinsätze gegen Killerspiele oder Fußfesseln für Schulschwänzer, ob Nachtischverbot für Stützeempfänger, Arbeitsdienst für Fünfjährige oder Hymnenpflicht für Blogger – keine Forderung, die zu absonderlich oder zu faschistoid gewesen wäre, als dass Schünemann im Laufe seiner zehnjährigen Amtszeit sie nicht erhoben hätte oder bei der man hätte sicher sein können, dass er sie nicht noch irgendwann erheben würde.

Wer das zweifelhafte Vergnügen hatte, Anfang Juli 2012 Yücels Kolumne über den niedersächsichen Innenminister Uwe Schünemann lesen zu müssen, könnte an dieser Stelle ein Déjà-vu erlitten haben, denn damals hatte Yücel geschrieben:

Ob Handyverbote für Terroristen, Bundeswehreinsätze gegen Killerspiele, Fußfesseln für Schulschwänzer, Knast für Fünfjährige, Nachtischverbot für Stützeempfänger – keine Forderung, die nicht zu abwegig oder autoritär wäre, als dass Schünemann sie nicht schon erhoben hätte oder sie nicht noch erheben würde.

Wenig später fährt Yücel heute fort:

“Lieber ein harter Hund als ein Warmduscher”, sagte er über sich und bekannte sich, um auch mal so etwas wie eine menschliche Seite zu zeigen, zu seiner “Leidenschaft für Gummibärchen”.

Vor einem halben Jahr klang das bei ihm so:

“Lieber ein harter Hund als ein Warmduscher”, sagt er über sich. Und um sich auch mal von einer menschlichen Seite zu zeigen, bekennt er sich auf seiner Homepage zu seiner “Leidenschaft für Gummibärchen” – und spätestens jetzt weiß man, dass die einzige Leidenschaft, zu der so einer fähig ist, der präfaschistische Furor des entfesselten Kleinbürgers ist.

Heute witzelt Yücel vor sich hin:

Doch während andere niedersächsische Politiker später Karriere machten und Bundesminister (Trittin, von der Leyen), Bundesvorsitzende (Rösler, Gabriel), Bundeskanzler (Schröder) oder Wulff (Wulff) wurden, blieb Schünemann in Niedersachsen.

Im Sommer hatte er geschrieben:

Er hadert damit, dass andere niedersächsische Politiker später Karriere machten. Sie wurden Bundesminister (Trittin), Bundeskanzler (Schröder) oder Wulff (Wulff). Nur Schünemann blieb, was er immer war. Und seit dort eine Frau Ö. oder Ü. am Kabinettstisch sitzt, ist er nicht einmal mehr der bekannteste niedersächsische Minister der Welt.

Sogar den – auf Aygül Özkan bezogenen – Umlaut-Kalauer hat er heute an anderer Stelle noch einmal aufgewärmt:

Denn der war kein Dutzendminister in der deutschen Provinz; er ist auch nicht so leicht zu ersetzen wie die andere (zumindest in Fachkreisen) halbwegs bekannte niedersächsische Ministerin, für die sich gewiss eine andere Frau Ö. oder ein Herr Ü. finden lassen wird.

Nun ist es nicht so, dass Deniz Yücel seine gesamte Kolumne aus dem Juli 2012 recycelt hätte: Ein paar Passagen hat er nicht wiederholt — vielleicht, weil er sie zuvor schon einmal wiederholt hatte.

So schrieb er vor einem halben Jahr:

Doch Schünemann genügt sein toller Job in Niedersachsen und die Freizeit, die er im Sportschützen-Club Holzminden vielleicht auch mit ein paar Betriebsräten von VW verbringt, nicht.

Also ziemlich genau das, was er schon im Januar 2006 in der “Jungle World” in einem Text über Schünemann geschrieben hatte:

Doch Uwe Schünemann (CDU) genügen sein toller Job in Niedersachsen und die Freizeit, die er im Sportschützen-Club Holzminden, vielleicht auch mit ein paar Betriebsräten von VW verbringt, nicht.

“taz”, 2012:

Vielleicht wird seiner Ehefrau Ines im Supermarkt hinterhergetuschelt: “Die Ärmste, ihr Mann ist schon bald 50 und immer noch nur Landesminister!” – “Wie sie das bloß aushält?” – “Wenn meiner immer nur so was bliebe, würde ich die Kinder nehmen und gehen.”

Darum gibt Schünemann alles, damit sich seine Frau Ines (47) und die Kinder Milena (17) und Timo (13) nicht für den Papi (sie dürften ihn alle drei so nennen) schämen müssen.

“Jungle World”, 2006:

Mög­lichweise wird im Supermarkt hinter seiner Ehefrau getuschelt: “Die Ärmste, ihr Mann ist nur Landesminister!” – “Wie sie das aushält?” – “Wenn meiner immer nur sowas bliebe, würde ich die Kinder nehmen und gehen.”

Doch Schünemann gibt alles, damit sich seine Ehefrau Ines (40) und die Kinder Timo (6) und Milena (10) für den Papa (vermutlich werden alle drei ihn so nennen) nicht schämen müssen.

So gesehen ist Deniz Yücel doch nicht der Broder oder Wagner, sondern nur der Wolfram Weimer der Linken.

Mit Dank an Michael F. und ungeruehrt.

Wie man aus Kinskis Untaten Kapital schlägt

Im aktuellen “Stern” erhebt die Schauspielerin Pola Kinski schwere Vorwürfe gegen ihren 1991 verstorbenen Vater Klaus: Er habe sie als Kind und Jugendliche jahrelang sexuell missbraucht und vergewaltigt.

Auf der medialen Welle, die diese Enthüllungen auslösten, surften auch “Bild” und Bild.de von Anfang an mit: Am Mittwoch waren die Vorwürfe Titelgeschichte in “Bild” und Franz Josef Wagner schrieb einen Brief an Pola Kinski (“Klaus Kinski gehörte eigentlich ins Gefängnis, er ist leider tot”). Pola Kinskis Halbschwester Nastassja erklärte “exklusiv in BILD”, dass sie stolz auf ihre Schwester sei, und in “Bild am Sonntag”, dass ihr Vater sie “viel zu sehr angefasst” habe. Am Freitag exzerpierten die “Bild”-Reporter Mark Pittelkau und Dora Varro eine Autobiographie Klaus Kinskis von 1975, in der dieser bereits “alles” aufgeschrieben habe, und “Bild am Sonntag” druckte (wiederum “exklusiv”) Passagen aus Pola Kinskis neuem Buch, das am Montag erscheint.

Dass sich selbst aus einer solchen schlimmen Familiengeschichte noch Kapital schlagen lässt, zeigte dann am Wochenende Bild.de:

Sein Tochter wirft ihm vor, sie missbraucht zu haben. Klaus Kinski: Zwischen Genie und Wahnsinn. Schauen Sie sich seine Filme bei BILD MOVIES an!

Mit Dank an Mario S., Daniel und Linus W.

WAZ, Thomas Tuchel, Fritz Wolf

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Es gilt das gesprochene Wort – nur nicht bei WAZ, DerWesten & Co.?”
(pottblog.de, Jens)
Jens prüft, ob Peer Steinbrück in seiner Rede am Bundesparteitag der SPD von sich selbst als “wohlhabender Sozialdemokrat” gesprochen hat, wie man durch die Lektüre von Zeitungen den Eindruck haben muss.

2. “Franz Josef Wagners Weisheiten (13)”
(mediensalat.info, Ralf Marder)
Franz Josef Wagner schreibt über Schnee: “Vor fast drei Jahren war lt. Wagner die Durchschnitts-Schneeflocke also 5mm groß und heute hat sich die Größe um das Fünfzigfache verringert.”

3. “Medienkritiker: Verlage machen öffentlich-rechtlichen Sendern das Leben schwer”
(dradio.de, Brigitte Baetz, Audio, 4:56 Minuten)
Fritz Wolf spricht im Deutschlandfunk zur “Bild”-Schlagzeile “Das alles von unseren Gebühren!”.

4. “Tuchel: ‘Respektlos gegenüber Stevens'”
(sky.de, Video, 1:46 Minuten)
Fußball: Mainz-05-Trainer Thomas Tuchel nimmt Stellung zur Frage, was an den Gerüchten über einen Wechsel zu Schalke 04 dran ist.

5. “Die Datenbank ist die neue Zeitung”
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Die neue Zeitung im digitalen Zeitalter heiße “Datenbank” und das neue Geschäftsmodell heiße “Zugriff”, verkündet Christian Jakubetz: “Zugriff auf Datenbanken, bezahlt in Form einer Flatrate.”

6. “Ein Vorschlag zur Güte”
(schmalenstroer.net, Michael Schmalenstroer)
Michael Schmalenstroer wird ab sofort Werbung als Flattr-Button missbrauchen: “Gefällt mir ein Artikel, dann klicke ich auf die Werbung und werde deren Inhalte natürlich auch weiterhin ignorieren.”

Das Weltall ist zu weit (2)

Gestern wollte der Extremsportler Felix Baumgartner aus einem Ballon in 36 Kilometern Höhe (“36 576 Meter”, Bild.de) springen.

Oder, wie manche Medien es ausdrückten:

“Bild”:
Die letzten Stunden vor dem Sprung aus dem Weltall

Bild.de:
Der irre Sprung aus dem All

Tatsächlich fängt das Weltall – je nach Definition – zwischen 80 und 100 Kilometer Höhe an. Aber das wissen Sie ja schon.

Nach mehrfacher Verschiebung mussten Ballonfahrt und Sprung für gestern dann abgesagt werden, worüber “Bild” heute beinahe zurückhaltend schreibt:

Rekord-Sprung vom Rand des Alls abgeblasen

Wobei Baumgartner mit den 36 Kilometern nicht mal die Hälfte der Strecke bis zum eigentlichen “Rand des Alles” zurücklegt.

Bei Bild.de geht der All-Wahn aber sowieso unvermindert weiter:

Findet derWeltall-Sprung nie statt?

Und für Franz Josef Wagner ist der Fallschirmsprung aus der Stratosphäre ein “Todessturz aus dem Weltall”.

Mit Dank an Dani, Martin und Max.

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