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Bild.de zeigt Vergewaltigungsopfer

Die “Bild”-Redaktion zeigt alles, ohne Rücksicht auf irgendwas oder Empathie für irgendwen: Sie zeigt Tatverdächtige unverpixelt, Täter unverpixelt, falsche Täter unverpixelt, Opfer unverpixelt, falsche Opfer unverpixelt, getötete Kinder unverpixelt, den WhatsApp-Chat eines Elfjährigen, der gerade erfahren hat, dass seine fünf Geschwister getötet wurden, unverpixelt; sie zeigt auch ein Foto, auf dem eine Frau zu sehen ist, die kurz zuvor vergewaltigt wurde, unverpixelt.

Vor etwa zwei Wochen hat der Deutsche Presserat wieder einen Schwung Rügen verteilt. Insgesamt 15 Stück, sechs davon gingen an “Bild” beziehungsweise Bild.de (eine davon übrigens für die Berichterstattung, um die es oben bei “falsche Täter unverpixelt” geht). Vor allem über eine Rüge berichteten mehrere Medien: die zum “Bild”-Artikel “Fragwürdige Methoden: Drosten-Studie über ansteckende Kinder grob falsch” über den Virologen Christian Drosten. Eine andere Rüge, die der Presserat gegen Bild.de aussprach, wird in der Berichterstattung hingegen nur nebenbei erwähnt, wenn überhaupt. Dabei war das Vorgehen von Bild.de ausgesprochen skrupellos: “Redaktion zeigt Vergewaltigungsopfer”, schreibt der Presserat dazu. Den Fall wollen wir hier nachträglich noch einmal dokumentieren.

Am 23. März auf der Bild.de-Startseite:

Screenshot Bild.de - Plötzlich bricht eine Welt zusammen - Mein Papa hat mir gesagt, dass er ein Vergewaltiger ist
(Unkenntlichmachung der Augen des Jungen durch Bild.de, weitere Verpixelung durch uns.)

Ein Junge habe seinen Vater im Gefängnis besucht. Der 43-jährige Mann habe seinem neunjährigen Sohn bei diesem Besuch erzählt, dass er “ein Vergewaltiger und ein ­Mörder, ein versuchter Mörder” sei, so der Junge laut Bild.de. Daher die Überschrift.

Im dazugehörigen Artikel zeigt Bild.de auch ein Foto, auf dem ein Polizeiauto, ein Rettungswagen, Polizisten und eine Frau zu sehen sind. Die Frau ist in eine Decke eingewickelt. In der Bildunterschrift steht:

Am Morgen des 12. Oktober 2019 wurde eine Studentin (20) gefesselt in einem Gebüsch gefunden. Sie wurde sofort ins Krankenhaus gebracht

Die Studentin wurde entführt, vergewaltigt, ausgesetzt und nur per Zufall von einem Mann entdeckt, der anschließend die Polizei rief. Auf dem Foto, das den Polizeieinsatz zeigt und das Bild.de veröffentlichte, ist das Opfer zu erkennen. Der Presserat schreibt dazu:

BILD.DE erhielt eine Rüge für die Berichterstattung “Mein Papa, hat mir gesagt, dass er ein Vergewaltiger ist”. In der Berichterstattung zeigte die Redaktion das unverpixelte Fotos eines Vergewaltigungsopfers kurz nach seinem Auffinden durch die Polizei. Der Ausschuss sieht in der erkennbaren Abbildung einen schweren Verstoß gegen den Opferschutz nach Richtlinie 8.2 des Pressekodex.

Am vergangenen Freitag veröffentlichte der Presserat eine detailliertere Dokumentation zu der Rüge (hier zu finden unter dem Aktenzeichen 0311/20/2). Demnach reagierte die “Bild”-Redaktion erst überhaupt nicht auf die Aufforderung, zu der Beschwerde Stellung zu nehmen; nach erneuter Aufforderung antwortete die Rechtsabteilung des Springer-Verlags, dass die Veröffentlichung des Fotos zulässig sei, da die Frau bei der vorhandenen Bildauflösung überhaupt nicht zu erkennen sei.

Das sah der Beschwerdeausschuss des Presserats anders:

Anders als die Zeitung ist der Ausschuss der Meinung, dass die Frau auf einem der beiden Fotos erkennbar abgebildet worden ist. Die Abbildung eines Opfers unmittelbar nach der Straftat stellt einen schweren Verstoß gegen dessen Persönlichkeitsschutz dar. Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Nur weil jemand zufällig Opfer eines Verbrechens wird, darf er nicht automatisch identifizierbar in den Medien gezeigt werden. Die Frau ist keine Person des öffentlichen Lebens. Die Redaktion kann auch keine Einwilligung vorlegen, die eine Ausnahme von Richtlinie 8.2 begründen könnte.

Inzwischen ist das Gesicht der Frau bei Bild.de verpixelt.

Ein Teil der Beschwerde richtete sich auch gegen die Abbildung des Neunjährigen auf der Bild.de-Startseite und im Artikel. Seine Augen wurden von der Redaktion zwar etwas verpixelt, aber erstens ist die Verpixelung so klein, dass ihn viele, die ihn ab und zu mal sehen, auf dem Foto wiedererkennen dürften. Zweitens wird sein Vorname genannt, der abgekürzte Nachname, Bild.de schreibt, in welche Klasse er geht, nennt den Vornamen des Vaters und den Vornamen der Mutter. Und drittens ist die Mutter auf dem Foto unverpixelt zu sehen, wodurch jede Person, die die Mutter kennt, auch weiß, um welches Kind es sich handelt. Dennoch gab es dafür keine Rüge, da der Redaktion eine Erlaubnis der Mutter vorlag. Der Presserat bewerte “die Abbildung des Sohnes durchaus kritisch”, …

… sieht jedoch keinen Anlass dafür, die Selbstbestimmung der Mutter und deren Entscheidung zur Einwilligung in Frage zu stellen.

Bleibt die Frage, ob eine Redaktion unbedingt alles machen muss, was sie darf.

Mit Dank an Horst W. für den Hinweis!

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Kein Schutz für den Angeklagten, kein Schutz für die Opfer

Vor dem Landgericht Wiesbaden läuft derzeit ein Prozess gegen einen Mann, dem unter anderem schwerer sexueller Missbrauch von vier Kindern vorgeworfen wird. Die “Bild”-Zeitung berichtet heute groß in ihrer Bundesausgabe über das Verfahren und druckt dazu zwei Fotos: Das eine zeigt den Angeklagten, der sich das Gesicht mit einem Briefumschlag verdeckt, im Gerichtssaal. Das andere, eine ältere Aufnahme, zeigt ihn am Schreibtisch sitzend, das Gesicht klar erkennbar. “Bild” hat nichts verpixelt:

Ausriss Bild-Zeitung - Ein Opfer war erst elf Monate alt - Familienvater soll eigene Töchter missbraucht haben
(Unkenntlichmachung durch uns.)

Auch bei Bild.de ist das Schreibtisch-Foto unverpixelt zu sehen.

Die fehlende Unkenntlichmachung ist natürlich kein Versehen, kein Flüchtigkeitsfehler, sondern genau so von der “Bild”-Redaktion gewollt. Sie hat es noch nie sonderlich interessiert, dass ein Angeklagter kein verurteilter Täter ist, und dass in Deutschland die Unschuldsvermutung gilt (und selbst eine eventuelle Verurteilung bedeutet nicht automatisch, dass man das Gesicht des Mannes einfach zeigen darf).

Neben dem Schutz des Angeklagten kommt in diesem Fall aber noch, zumindest indirekt, ein weiterer Aspekt hinzu, den “Bild” missachtet: der Schutz der Opfer. In der “Bild”-Überschrift ist nicht zu überlesen, dass es sich bei den Opfern um die Töchter des Angeklagten handele. Wer den Angeklagten kennt und dank der “Bild”-Redaktion auf dem Foto erkennt, weiß direkt, um wen es sich bei den Opfern handeln muss. Da bringt es auch nichts, dass im Artikel bei Bild.de die Vornamen der Opfer von der Redaktion geändert wurden.

Der Prozess in Wiesbaden findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt – auf Antrag der Nebenklage und zum Schutz der Opfer. Der “Spiegel” schreibt: “Zu groß sei die Gefahr, dass sich eine Veröffentlichung negativ auf die weitere Entwicklung der Kinder auswirken könnte, sagte die Vorsitzende Richterin Annette Honnef.”

Mit Dank an @MartinTheRookie, @Wooloo_Mooloo und @Diag72 für die Hinweise!

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Geldsegen für Verlage, Nazi-Tattoo, Upskirting und Unfallfotos

1. Verlage bekommen 200 Millionen Euro Fördergelder
(wuv.de, dpa)
Die Große Koalition will die deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage in den nächsten Jahren mit maximal 220 Millionen Euro fördern. Das gehe aus einem Entwurf der Fraktionen für den zweiten Nachtragshaushalt 2020 hervor, der dieser Tage beschlossen worden ist. Hintergrund sei die “Förderung der digitalen Transformation des Verlagswesens zur Förderung des Absatzes und der Verbreitung von Abonnementzeitungen, -zeitschriften und Anzeigenblättern”. Die für dieses Jahr ursprünglich geplanten Förderung der Zeitungszustellung mit 40 Millionen Euro solle es stattdessen doch nicht geben.
Weiterer Lesehinweis: ver.di fordert “klare Kriterien und Bedingungen für die Verteilung der am 2. Juli vom Deutschen Bundestag beschlossenen staatlichen Fördergelder für Verlage in Höhe von 220 Millionen Euro. ‘Wer von öffentlichen Geldern profitieren will, der muss auch die Einhaltung tariflicher Standards, gute Arbeitsbedingungen und eine angemessene Vergütung nachweisen’, verlangte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz.” – Geldsegen für Verlage nicht bedingungslos (verdi.de).

2. WDR zeigt Urlauber mit Nazi-Tattoo
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
Ein WDR-Team ist nach Mallorca geflogen, um sich anzuschauen, unter welchen Bedingungen deutsche Durchschnitts-Touristinnen und -Touristen dort derzeit urlauben. Natürlich musste auch ein Interview vom Ballermann dabei sein, und an dieser Stelle beginnt das Problem: Ein interviewter deutscher Tourist trug deutlich sichtbar Tätowierungen aus dem rechtsextremen Umfeld – darunter ein Symbol, dessen Verwendung teilweise strafbar sei. Das RedaktionsNetzwerk Deutschland hat beim WDR nachgefragt, wie es dazu kommen konnte.

3. Helden der Informationsfreiheit
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen hat eine Liste der “Heldinnen und Helden der Informationsfreiheit” (PDF, englisch) veröffentlicht. Dort werden Medienschaffende gewürdigt, die sich in der Corona-Krise in besonderem Maß für freie Berichterstattung eingesetzt haben. Die Liste umfasse exemplarisch 30 Journalistinnen, Whistleblower, Medien und Vereinigungen, die mit besonderem Mut und Hartnäckigkeit über die Pandemie berichtet hätten.

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4. Wo Ziesel wetzen und Vögel fischen
(faz.net, Kai Spanke)
“FAZ”-Redakteur Kai Spanke hat in die gestern ausgestrahlte Arte-Naturreportage “Die Moldau – Der goldene Fluss” reingeschaut und war wenig begeistert. Als störend empfand Spanke die geringe Sorgfalt beim Umgang mit dem Material und die offensichtlichen Schummeleien: “Hat wirklich ein Adler den Fisch fallen gelassen oder ein Mitglied des Filmteams? Wie viel Zeit verging zwischen den einzelnen Teilen der Sequenz? Ist sie überhaupt an der Moldau gedreht worden? Gerade mal die Hälfte der Dokumentation haben wir zu diesem Zeitpunkt geschafft, ihre Glaubwürdigkeit ist jedoch schon verloren.”

5. Bundestag stellt Upskirting und Unfallfotos unter Strafe
(spiegel.de)
Der Bundestag hat eine Gesetzesverschärfung verabschiedet, die das sogenannte Upskirting unter Strafe stellt. Darunter versteht man heimliche Fotos unter den Rock oder in den Ausschnitt. Auch das Fotografieren und Filmen von Unfalltoten ist nun verboten – die bisherigen Regeln bezogen sich nur auf lebende Unfallopfer. Zudem habe der Bundestag nach jahrelangen Diskussionen die Werbung fürs Rauchen beziehungsweise für Tabakprodukte weiter eingeschränkt.

6. Offen­sicht­liche Wer­bung muss nicht gekenn­zeichnet werden
(lto.de)
Die Rechtsprechung zur Kennzeichnung von Influencer-Werbung ist an deutschen Gerichten nicht einheitlich. Dies mag daran liegen, dass die Materie neu und die Lage nicht immer eindeutig ist. In einem aktuellen Urteil habe das Oberlandesgericht Hamburg entschieden, dass offen­sicht­liche Wer­bung nicht unbedingt und in jedem Fall gekennzeichnet werden müsse. Anlass war eine Instagrammerin mit 1,7 Millionen Followerinnen und Followern, die verschiedene Anpreise-Posts nicht als Werbung gekennzeichnet hatte und deswegen von einem Wettbewerbsverband abgemahnt worden war.

Falscher Täter, aber mit Foto

Die Tatwaffe jemand anderem unterzuschieben, das versuchte schon die skrupellose Lady Macbeth. Nachdem ihr Gemahl Macbeth König Duncan ermordet hatte, drückte sie die blutigen Dolche den schlafenden Wachen des Königs in die Hände. So wollte sie den Verdacht von Macbeth lenken. Doch der Plan ging nicht auf: Macduff, Macbeths Widersacher, schöpfte Verdacht und brachte Macbeth schließlich zur Strecke.

Auch außerhalb des Shakespeareschen Universums kommen solche Dinge vor, so kürzlich in Starnberg. Der Unterschied zu Shakespeare: Damals gab es noch keine “Bild”-Zeitung, die aus einem irrtümlichen Anfangsverdacht eine Tatsache macht und den vermeintlichen Täter mit Foto anprangert. Auch der Landesdienst Bayern der dpa und die “Abendzeitung” aus München sehen in diesem Fall nicht gut aus.

Am 12. Januar entdeckte die Polizei eine Familie tot in deren Wohnhaus in Starnberg: die beiden Eltern und deren 21-jährigen Sohn. Die Polizei fand den Sohn offenbar mit einer Pistole in der Hand und zog daraus ihre Schlüsse. In einer Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord vom 13. Januar heißt es:

Nach aktuellem Ermittlungsstand geht die Kripo davon aus, dass der 21-jährige Sohn am Wochenende zunächst seine Eltern (60 bzw. 64 Jahre) und dann sich selbst getötet hat. Vor Ort wurden zwei Faustfeuerwaffen als mutmaßliche Tatwaffen sichergestellt.

Zum Motiv der Tathandlung können derzeit keine Angaben gemacht werden. Die Ermittlungen stehen noch am Anfang.

Während die Kripo sich also noch zurückhält mit endgültigen Urteilen, von “mutmaßlich” und vom “aktuellen Ermittlungsstand” spricht, gibt es bei “Bild” (am 14. Januar) und Bild.de (am 15.) Tatsachen:

Ausriss Bild-Zeitung - Drei tote im feinen Starnberg - Kinder-Psychologin und Ehemann von Sohn erschossen
Screenshot Bild.de - Familiendrama in Starnberg - ... schoss auf Eltern und auf Familienhund Rocco
(Die Unkenntlichmachung des Namens stammt von uns.)

Genauso sicher klingt es bei der “Abendzeitung” und beim bayerischen Landesdienst der dpa:

Screenshot abendzeitung-muenchen.de - Drei Leichen gefunden - Starnberg unter Schock: Sohn tötet seine Eltern
Screenshot Welt.de mit einer Meldung der dpa - Sohn erschießt Eltern und tötete sich selbst mit Kopfschuss

Andere Redaktionen waren vorsichtiger. Süddeutsche.de etwa titelte: “Sohn soll Eltern und sich selbst erschossen haben”. Und auch der Basisdienst der dpa baute ein “soll” in seine Überschrift.

Die “Bild”-Medien hatten das Urteil hingegen schon gefällt. Und sie schreckten auch nicht davor zurück, gleich noch ein Foto des 21-jährigen Sohnes zu veröffentlichen, unverpixelt versteht sich.

Gut eineinhalb Wochen später stellt sich allerdings heraus: Nicht der Sohn hat seine Eltern umgebracht, ein 19-jähriger Freund des Sohnes soll die Familie getötet haben. Der geständige Tatverdächtige legte dem 21-Jährigen offenbar eine Pistole in die Hand, um einen Suizid vorzutäuschen.

Der Pressekodex rät, in der Berichterstattung auch bei Tatverdächtigen die “schutzwürdigen Interessen von Betroffenen” zu berücksichtigen. Bei der Abwägung sei unter anderem der Verfahrensstand einzubeziehen. Dieser war bei den Veröffentlichungen durch “Bild”, Bild.de, dpa-Landesdienst und “Abendzeitung” wenige Tage nach der Tat noch nicht sehr weit fortgeschritten.

Der Fall aus Starnberg ist ein trauriges Beispiel dafür, warum es hochproblematisch ist, dass “Bild” und Bild.de regelmäßig unverpixelte Fotos von Tatverdächtigen veröffentlichen. Hier zeigt sich die Wichtigkeit der Unschuldsvermutung: Auch bei einem Tatverdacht mit scheinbar klaren Indizien kann sich der Tatverdächtige als unschuldig erweisen, so wie nun geschehen. Den neuen Tatverdächtigen zeigen die “Bild”-Medien wieder unverpixelt.

Bei Opfern ist der Presserat sowieso unmissverständlich: “Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen.” Auch hier, leider wenig überraschend, halten sich “Bild” und Bild.de nicht an den Pressekodex und veröffentlichen unverpixelte Fotos der Getöteten.

***

Solltest Du Suizid-Gedanken haben, dann gibt es Menschen, die Dir helfen können, aus dieser Krise herauszufinden. Eine erste schnelle und unkomplizierte Hilfe bekommst Du etwa bei der “TelefonSeelsorge”, die Du kostenlos per Mail, Chat oder Telefon (0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222 und 116 123) erreichen kannst.

Fotos Getöteter zeigen? Für Ernst Elitz “eine richtige Entscheidung”

E. Behrendt (“Bild”-Leser) hatte neulich eine ziemlich gute Frage:

Nach dem Mord an einer jungen Frau in Thailand schrieb Leser E. Behrendt: “Können Sie mir erklären, warum Bilder des Opfers in unverpixelter Form gezeigt werden?”

Von dieser Zuschrift berichtete “Bild”-Ombudsmann Ernst Elitz am vergangenen Samstag im Blatt und bereits am Abend zuvor bei Bild.de. Der Leser bezieht sich auf die Berichterstattung von Anfang April über den Tod einer 26-Jährigen, für die die “Bild”-Medien mehrere Fotos von der Facebookseite des Opfers genommen und ohne jegliche Unkenntlichmachung veröffentlicht haben.

Natürlich findet Ombudsmann Elitz auch für diese Schweinerei eine Erklärung, damit er am Ende seines Textes einmal mehr verkünden kann, dass die Redaktion alles richtig gemacht habe:

Hier die Erklärung: Das Foto war aus dem öffentlichen, für jeden einsehbaren Sektor von Facebook, nicht aus einer geschlossenen Community übernommen worden. Es zeigt die Frau glücklich und lebensfroh. So wie sie sich selber sah.

Die Redaktion wollte, dass sie mit dieser sympathischen Ausstrahlung und nicht als anonymes Opfer eines Verbrechers in Erinnerung bleibt. Deshalb wurde sie auf dem Foto nicht unkenntlich gemacht.

Für mich war das eine richtige Entscheidung.

Nur spielt es bei den beiden Rechten, die in solchen Fällen wichtig sind — dem Persönlichkeits- sowie dem Urheberrecht –, überhaupt keine Rolle, ob das abgebildete Opfer “glücklich und lebensfroh” aussieht oder nicht. Es ist egal, wie sympathisch dessen Ausstrahlung auf den Fotos sein mag. Nicht die ästhetische Abwägung der “Bild”-Redaktion ist bei der Frage, ob die Aufnahmen gezeigt werden dürfen, relevant, sondern die Entscheidung der Familie.

Aus Erzählungen wissen wir, dass das Zeigen von Fotos, dazu noch unverpixelt, einen zusätzlichen, tiefen Schmerz bei Angehörigen hinterlassen kann — auch wenn die Personen auf Titel- und Startseiten “glücklich und lebensfroh” ausschauen. Den Familien wird von “Bild” die Kontrolle darüber entrissen, wie ihre Söhne und Töchter wahrgenommen werden. Manche von ihnen bringen die Kraft auf und wehren sich gegen diese Methoden von “Bild”. Erst vor wenigen Monaten hatten wir über zwei Fälle berichtet. In beiden hatten die Abgebildeten eine ausgesprochen “sympathische Ausstrahlung”. Und dennoch sind die Angehörigen gegen die Veröffentlichungen vorgegangen.

“Bild” richtet Mittelfinger auf Unfallopfer

Kurz vor Weihnachten fuhr ein 20-Jähriger nahe Aachen (mutmaßlich mit stark überhöhter Geschwindigkeit) in das Auto einer Familie — die Mutter und ihre beiden Kinder starben noch am Unfallort. Zwei Mitfahrer des 20-Jährigen starben ebenfalls.

Doch das Schicksal der Menschen, die bei dem Crash völlig unverschuldet ums Leben kamen, interessiert ihn offenbar nicht.

… schrieb “Bild” gestern, denn:

Ausriss Bild-Zeitung - Marvin H. verursachte Crash mit fünf Toten - Er beleidigt die Opfer mit dem Mittelfinger
Screenshot Bild.de - Fünf Menschen sind tot, weil er ein illegales Rennen fuhr - Marvin zeigt allen den Mittelfinger

(Augenbalken von “Bild”, restliche Unkenntlichmachung von uns. Ob es ein illegales Rennen war, steht im Übrigen noch gar nicht fest.)

Doch das Foto hat er nicht etwa öffentlich gepostet oder an die Hinterbliebenen der Opfer gesendet, wie “Bild” in den Überschriften suggeriert — sondern privat per Whatsapp an Freunde geschickt.

Das erfahren aber nur zahlende Kunden, alle anderen müssen davon ausgehen, dass er den Mittelfinger “allen” zeigt oder gar gezielt “die Opfer beleidigt”. Schaut man sich die Facebookseite von “Bild” an, wird auch klar, dass viele Leser es genau so verstanden haben: Dass er das Foto öffentlich gepostet oder sogar direkt an die Hinterbliebenen geschickt hat. Und dann malen sie sich aus, auf welche Weise sie ihn foltern und ermorden würden, und fragen, ob jemand die Adresse des Krankenhauses hat, damit man die Sache selbst in die Hand nehmen könne.

Dass “Bild” dieses Foto aus einem privaten Chat veröffentlicht, ist übrigens auch insofern bemerkenswert, als “Bild”-Chef Julian Reichelt erst vor wenigen Tagen im Zuge der “Hacker”-Berichterstattung sagte:

Dass wir dabei auch höchst private Daten bis zu Familienfotos oder privaten Chats sichten müssen, gefällt uns selbst nicht. Nutzen werden wir solche sensiblen Daten aber in keinem Fall, nicht jetzt und nicht in Zukunft.

Mit Dank an Feli D. für den Hinweis!

Bild  

Reichelts Schmutz-Dossier über ein mögliches Vergewaltigungsopfer

Im ihrem sehr lesenswerten Text über “Bild”-Chef Julian Reichelt (hier für den Preis eines Kinder-Schokoriegels abrufbar) erzählen “Spiegel”-Redakteurin Isabell Hülsen und ihr Kollege Alexander Kühn von einem bemerkenswerten “Bild”-internen Vorgang:

Diekmann wohnt in Potsdam in einer Villa am Jungfernsee. Nach einer Klausurtagung in einem nahe gelegenen Hotel grillten die “Bild”-Leute bei ihm. Man trank und badete im See, Diekmann auch nackt. Am Ende dieser Nacht stand ein ungeheurer Vorwurf im Raum: Diekmann wurde von einer Mitarbeiterin beschuldigt, sie im See vergewaltigt zu haben.

Einige Wochen später zog Diekmann Reichelt ins Vertrauen, fast verzweifelt. Der war zwar beim Baden im See nicht dabei gewesen, aber auf der Party. Und Reichelt wusste offenbar, was zu tun war.

Reichelt fertigte ein Gedächtnisprotokoll über seine Erfahrungen mit der Kollegin an, das einer charakterlichen Vernichtung gleichkommt: Sie habe etwa während der Recherche über den Absturz einer Germanwings-Maschine damit geprahlt, einen Pilotenschein zu besitzen, um später davon wieder abzurücken. Er sei schon vorher zu dem Schluss gekommen, sie sei eine “unfassbare, gefährliche Hochstaplerin”.

Ein Mitarbeiter Reichelts schrieb auf dessen Bitte hin zusammen, welche Erfahrungen er bei der Zusammenarbeit mit der Kollegin im Haus gemacht habe. Ein weiterer “Bild”-Mitarbeiter erkundigte sich an ihrer Universität nach ihrer Dissertation. Die Recherche lief wie eine “Bild”-Kampagne im eigenen Haus.

Reichelt schickte Diekmann zudem ein Foto. Er hatte es in jener Nacht um kurz vor vier Uhr gemacht, im Hotel, wo die Belegschaft einquartiert war. Zu sehen ist darauf besagte Mitarbeiterin, die nach der Party mit Kollegen auf der Terrasse noch etwas trinkt, vermeintlich gut gelaunt.

Springer schaltete einen externen Anwalt ein, der Zeugen und Kollegen befragte. Das Prozedere gipfelte in einer absurden Szene, die wohl in keinem anderen Konzern vorstellbar wäre: Die Mitarbeiterin und Diekmann wurden, nacheinander, vor dem Vorstand und Verlegerin Friede Springer befragt. Döpfner persönlich stellte Fragen. Er kannte dabei augenscheinlich auch die Informationen aus Reichelts Niederschrift.

Erst danach gab der Konzern den Fall an die Staatsanwaltschaft ab.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat das Verfahren gegen Diekmann bereits vor Monaten eingestellt, man habe keinen hinreichenden Tatverdacht ermitteln können.

Das Vorgehen von Julian Reichelt und seiner zwei Helfer — das Zusammenstellen einer Art Dossier, um die Reputation eines vermeintlichen oder tatsächlichen Opfers einer Vergewaltigung zu zerstören, noch bevor die zuständigen Strafverfolgungsbehörden ihre Arbeit aufnehmen — ist aber erschreckend: Was hat eine etwaige Lüge zu einem Pilotenschein mit einer möglichen Vergewaltigung zu tun? Was hat eine Dissertation mit einer möglichen Vergewaltigung zu tun? Können Frauen, die schon mal gelogen haben, nicht vergewaltigt werden? Reichelt und seine zwei Minions mögen von Beginn an davon überzeugt gewesen sein, dass die heftigen Vorwürfe gegen Kai Diekmann nicht haltbar sind. Falsche Vergewaltigungsvorwürfe können schreckliche Folgen haben und ganze Leben zerstören. Und natürlich gilt auch für Diekmann die Unschuldsvermutung. Aber gilt nicht genauso, dass man einen Vorwurf eines möglichen Vergewaltigungsopfers ernst nehmen sollte? Ist das Vorgehen von Julian Reichelt nicht das exakte Gegenteil? Und was ist das für ein merkwürdiges Verständnis einer ordentlichen Ermittlungsarbeit, wenn man noch vor Start dieser Ermittlung ein mögliches Opfer mit Schmutz überschüttet?

Was für einen (berechtigten) Skandal würde “Bild” wohl daraus machen, wenn bei den aktuellen Belästigungs-Vorwürfen beim WDR rauskommen würde, dass beispielsweise WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn noch vor jeder Aufklärung erstmal Schmutz-Dossiers über die Frauen angefertigt hat, die sich beim Sender beschwert haben?

Das haben wir auch Julian Reichelt gefragt. Er hat darauf nicht geantwortet. Er hat auch nicht auf die Frage geantwortet, ob die vom “Spiegel” geschilderten Vorgänge stimmen. Und auch nicht darauf, ob er es für einen angemessenen Vorgang hält, ein mögliches Opfer eines sexuellen Missbrauchs erstmal zu diskreditieren und erst dann den Fall aufklären zu lassen. Bei Kai Diekmann haben wir nachgefragt, ob Reichelts Dossier in seinem Auftrag erstellt wurde. Es kam keine Antwort. Auch nicht auf unsere Frage an Diekmann, ob das Ganze so abgelaufen ist, wie vom “Spiegel” behauptet. Springer-Chef Mathias Döpfner haben wir all das auch gefragt und dazu noch, ob die von Julian Reichelt zusammengetragenen Informationen bei der Befragung durch ihn eine Rolle spielten. Verlagssprecherin Edda Fels antwortete, dass man zum “Spiegel”-Bericht keine Stellung nehme und der Fall mittlerweile für alle Beteiligten abgeschlossen sei. Springer habe den Vorwurf und die eigene Aufklärungspflicht sehr ernst genommen, ebenso die Fürsorgepflicht beiden Personen gegenüber. Die Betroffenen hätten absolut freiwillig an der internen Aufklärung mitgewirkt und seien von eigenen Anwälten beraten und begleitet worden. Es sei niemand diskreditiert worden.

Bolz-Account, Palandt-Tätergedenken, Bitte keine Unfallfotos

1. Social Media März
(pop-zeitschrift.de, Jörg Scheller & Wolfgang Ullrich)
Die Autoren Jörg Scheller und Wolfgang Ullrich haben sich den Twitter-Account des Medientheoretikers und Philosophen Norbert Bolz näher angeschaut. Und das auf interessante Weise: Das formal wie auch inhaltlich lesenswerte Gespräch könnte der Beginn eines neuen Genres von Twitter-Profil-Rezensionen sein. Im Kern gehe es bei Bolz um die Geschichte einer Radikalisierung. “In Bolz’ Tweets waltet der “Thymos”, also der von der Neuen Rechten beschworene “Zorn” und “Stolz”, in Beamtengestalt. Aus komfortabler Distanz, umhegt von Väterchen Staat, gut abgesichert durch ein unkündbares Beschäftigungsverhältnis, das Bolz all seinen Klagen über das Elend der Universitäten zum Trotz aufrechterhält.“

2. An Unglücksstellen besser nicht fotografieren
(lawblog.de, Udo Vetter)
Strafrechtler Udo Vetter macht in seinem Blog darauf aufmerksam, dass das Fotografieren von hilflosen Personen an Unglücksstellen geahndet werden kann. Möglich macht dies ein eigener Straftatbestand, nämlich § 201a Abs. 1 Ziff. 2 StGB. Wichtig: Bei Fotos von Unfallopfern spiele es keine Rolle, ob Rettungs- oder sonstige Einsatzkräfte behindert wurden.

3. “Die Konsumenten schauen genauer hin”
(deutschlandfunk.de, Bettina Köster)
Seit 1972 kann man sich mit Beschwerden über Werbung an den “Deutschen Werberat” wenden, eine von der Werbewirtschaft eingerichtete Institution. Im Jahr 2017 gingen dort 1389 Beschwerden ein, 135 davon rügte der Rat bei den Unternehmen. Einen Großteil dieser Beanstandungen macht sexistische Werbung aus. Der “Deutschlandfunk” hat sich deshalb mit Julia Busse vom “Werberat” über geschlechterdiskriminierende Werbung, Humor und Provokation unterhalten.

4. Hat Uwe Tellkamp recht – oder nicht?
(spiegel.de, Almut Cieschinger)
Almut Cieschinger von der “Spiegel”-Dokumentation hat drei von Uwe Tellkamps Dresdner Behauptungen zur Flüchtlingspolitik auf ihre Richtigkeit beziehungsweise Falschheit überprüft.

5. Beck to History
(verfassungsblog.de, Andreas Fischer-Lescano)
Juristen kennen ihn seit dem ersten Semester: den nach Otto Palandt benannten Kurzkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). An dem Standardwerk geht im Recht kein Weg vorbei. Doch Namensgeber Otto Palandt hat eine unselige NS-Vergangenheit, auf die der Verlag zwar mittlerweile eingeht, diese aber nicht zum Anlass nimmt, das Werk umzubenennen. Andreas Fischer-Lescano, Professor für Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht an der Uni Bremen, kritisiert den Vorgang als eine Form von Tätergedenken im Namen „aufgeklärter Erinnerungskultur“: „Zu Zwecken aufgeklärter Erinnerungskultur in Adolf Eichmann-Zügen zu reisen, Rechtsprechung in Rudolf Freisler-Justizpalästen zu üben, die Bundeswehr in Generalfeldmarschall-Rommel-Kasernen zu stationieren oder über Rudolf Heß-Plätze zu flanieren, ist ein absurder Gedanke — an den sich der Verlag offenbar allein deshalb klammert, weil er den Markennamen seines Bestsellers konstant halten möchte.“

6. Über 1.000 Menschen drohten, ihn zu töten. Freunde wandten sich ab: “Ich würde es wieder tun”, sagt Sebastian Frankenberger.
(vice.com, Tim Geyer)
Wenn jemand weiß, wie es sich anfühlt, im Zentrum eines Shitstorms zu stehen, dann ist es Sebastian Frankenberger, der den Volksentscheid zum Nichtraucherschutz mit in Gang setzte. Acht Jahre sind seit der Abstimmung vergangen und immer noch trudeln bei ihm Hassbotschaften ein, darunter auch Morddrohungen. „Vice“ hat sich mit Frankenberger getroffen (natürlich in einer Raucherkneipe) und ihn gefragt, wie er mit all dem Hass umgeht.

Facebooks Gedankenlese, Unfallopfer, schleimiges Geldverdienen

1. Facebook will Gedanken lesen
(zeit.de)
Auf Facebooks hauseigener Entwicklerkonferenz „F8“ wird über spektakuläre Dinge gesprochen: Das Unternehmen arbeite daran, Hirnsignale direkt in Schrift umzuwandeln. Man wolle jedoch nicht wahllos Gedanken ausforschen. Dazu habe niemand das Recht, sagte die zuständige Facebook-Managerin. Ähnlich wie man viele Fotos mache und nur einige davon anderen zeige, “haben Menschen viele Gedanken und beschließen, nur einige davon zu teilen”. Nur solche Gedanken, die an das Sprachzentrum weitergeleitet würden, seien gemeint.

2. Fake News spielen im Alltag von Redaktionen eine große Rolle. Daniel Fiene berichtet
(blmplus.de, Elena Lorscheid)
Daniel Feine ist Journalist bei der „Rheinischen Post“ und dort auch für die „Digitalstrategie“ zuständig. In einem kurzen Interviewschnipsel berichtet er, wie Fakenews in den Alltag von Redaktionen eindringen und wie teilweise gezielt Falschinformationen über Journalisten verbreitet werden.

3. Beifahrer auf der Überholspur
(faz.net, Michael Hanfeld)
Jüngst wurde gemeldet, dass der frühere „Bild“-Herausgeber Kai Diekmann die Taxi-Konkurrenz „Uber“ berät. Nun stellt sich heraus, dass Diekmanns früherer Arbeitgeber Axel Springer Anteile an dem Fahrdienst erworben hat. Michael Hanfeld fragt sich in der “FAZ”, wo das hinführt und ob die Kombination Sinn macht.

4. Augen auf bei der Bildauswahl: LVZ, DNN und Tag24 zeigen Unfallopfer unverpixelt
(flurfunk-dresden.de, Benjamin Kutz)
Bei der Berichterstattung über einen tödlichen Verkehrsunfall in Sachsen zeigten verschiedene Medien Bilder vom Unfallort, auf denen auch das Opfer unverpixelt zu sehen war. Die “LVZ” hat ein entsprechendes Bild auf Facebook gepostet, es später gelöscht, sich dafür entschuldigend, um es dann am nächsten Tag unverpixelt und im Großformat in der Zeitung abzudrucken.

5. Gut verdienen? Dis kannste nich bezahlen!
(schnipselfriedhof.de, Volker Strübing)
Immer wieder machen Statistiken die Runde, nach denen die Top-Verdiener als steuerlich schwerst belastete Menschen dargestellt werden. So auch in einer Studie des “Instituts der deutschen Wirtschaft”, das wie folgt mitteilt: “Diese knapp zehn Prozent der Top-Verdiener in Deutschland sind mit 48,2 Prozent fast für die Hälfte des gesamten Einkommensteueraufkommens verantwortlich, die 30 Prozent Spitzenverdiener demnach sogar für 79 Prozent.” Volker Strübig erklärt, warum er das Ganze für ein schönes Beispiel für „Tatsachenverdrehung durch Auslassung“ hält.

6. Wie Teenager Tausende von US-Dollar verdienen, indem sie Schleim über Instagram verkaufen
(onlinemarketingrockstars.de, Roland Eisenbrand)
Ein neuer Trend durchzieht Instagram: Schleim! Mittlerweile lassen sich dort mehr als 2,6 Millionen Posts zum Hashtag #slime finden und es haben sich „Slime-Influencer“ herausgebildet: 47.000 Posts stammen von Accounts mit mehr als 15.000 Followern. Roland Eisenbrand erklärt, was es mit dem rätselhaften Phänomen auf sich hat.

Die Fotobeschaffer von Hameln

Eigentlich wollten wir hier im BILDblog schon vor knapp zwei Wochen über den Fall berichten. Es geht um die erschreckende Tat eines Mannes, der erst auf seine Frau einstach, ihr dann ein Seil um den Hals band und sie anschließend an seinem Auto hinter sich herzog.

Damals, am 23. November, veröffentlichte “Bild” diesen großen Artikel:


(Unkenntlichmachungen durch uns.)

Und auch Bild.de berichtete (auf einen Link verzichten wir ganz bewusst) mit einem kostenpflichtigen “Bild plus”-Artikel:

In den Tagen zuvor hatten die “Bild”-Medien das Geschehen im niedersächsischen Hameln schon intensiv begleitet. Sie hatten unverpixelte Fotos des Opfers gezeigt (vermutlich mit Zustimmung der Familie), sie hatten unverpixelte Fotos des geständigen Täters gedruckt, sie hatten Fotos von Blutspuren veröffentlicht. Das volle Programm.

Am 23. November sind sie noch einen Schritt weiter gegangen: “Bild” und Bild.de (bereits einen Tag zuvor) verbreiteten eine Aufnahme des Opfers Kader K. aus dem Krankenbett auf der Intensivstation, riesengroß, wie man oben erahnen kann. Zu dieser Zeit lag sie in der Universitätsklinik in Hannover im Koma, hilflos, angeschlossen an viele Schläuche. Die “Bild”-Mitarbeiter verzichteten auf jegliche Unkenntlichmachung.

Dass die Veröffentlichung dieses Fotos eines lebensgefährlich verletzten Opfers auf Kritik stoßen könnte, dürften auch “Bild” und Bild.de geahnt haben. Jedenfalls stellten sie bereits in der Unterzeile klar, dass “der Bruder von Kader K.” “in BILD” spreche, und ihren Artikel begannen die Autoren direkt so:

“WIR WOLLEN DER WELT ZEIGEN, WAS DIESER HUND KADER ANGETAN HAT.”

Das sagt Maruf K. (35), der Bruder von Verbrechensopfer Kader K. (28).

Ein paar Absätze später schreiben sie:

Ihr Bruder fotografierte sie auf der Intensivstation, gab BILD das Foto — weil die Familie dokumentieren will, was geschehen ist.

Deswegen hatten wir das Thema erstmal nicht aufgegriffen: Wenn eine Familie sich dazu entscheidet, das Foto eines Angehörigen an “Bild” zu geben, kann die Zeitung es auch drucken. Natürlich hätte sich die Redaktion dazu entschließen können, aus Pietät auf den Abdruck zu verzichten oder das Opfer zumindest zu anonymisieren. Aber bei einer solchen Entscheidung geht es um Anstand. Und es geht um “Bild” und Bild.de.

Heute ist in der “Süddeutschen Zeitung” ein Artikel zu der “Gewalttat in Hameln” erschienen. Tim Neshitov hat die Familie von Kader K. besucht und mit ihr über den tragischen Fall gesprochen. Neshitov zitiert in seinem Text auch den Bruder, der “Bild” das Foto seiner Schwester im Krankenbett gegeben hatte:

Die Bild-Zeitung hat ihr obligatorisches Opferfoto abgedruckt, sogar mit Beatmungsschläuchen, wofür Kaders älterer Bruder auf der Intensivstation sein Handy zücken musste (“Ich war verwirrt, wie im Nebel, und die sagten noch, so ein Foto würde Kader nützen”).

Der Bruder von Kader K. bereue es inzwischen, bei dieser “Bild”-Geschichte mitgemacht zu haben, sagte uns Tim Neshitov auf Nachfrage.

Wir werden ab und zu gefragt, warum wir “Bild” und Bild.de immer noch beobachten und regelmäßig kritisieren. Dazu kommt oft der Satz: “Die Leute von ‘Bild’ sind doch gar nicht mehr so schlimm wie früher.” Vielleicht nicht alle. Einige aber schon.

Mit Dank an Rosemarie H., Thomas S., Fab und @HoechDominik für die Hinweise!

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