Suchergebnisse für ‘foto opfer’

Sarrazin, RTL-Videotext, Jessen

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Sarrazin führt Deutschland vor”
(konjovic.de, Georg Konjovic)
“Es steht 5:0 für Thilo Sarrazin im Spiel ‘Provokanter Autor’ versus ‘Hysterie-süchtige Republik’.”

2. “Sarrazin und die Medien: Pure Heuchelei”
(carta.info, Robin Meyer-Lucht)
Für Robin Meyer-Lucht hatte die “Huldigung in Blitzlichtgewittern” anlässlich der Pressekonferenz zur Buchvorstellung von Thilo Sarrazin etwas Bedrückendes. Der Journalismus renne “sklavisch der Gier des Publikums nach”, denn Sarrazin sei “aus dem Stoff gemacht, der Auflage bringt”, ein “Auflagen- und Aufmerksamkeitsgoldstück”. Siehe dazu auch “Ein Abgrund an Journalismus-Verrat” (blog-cj.de, Christian Jakubetz).

3. “Reisebetrug über RTL-Videotext”
(ndr.de, Video, 7:20 Minuten)
Eine auf RTL Videotext geschaltete Werbeanzeige für Urlaubsreisen stellt sich als betrügerisches Angebot heraus.

4. “Vom Mordopfer ein falsches Bild machen”
(derstandard.at, Harald Fidler)
“Krone”, “Österreich” und “Kurier” veröffentlichen ein Bild einer ermordeten Frau, das unter ihrem Namen bei Facebook zu finden war. “Ob es tatsächlich die Seite des Opfers war, oder, wofür es Hinweise gibt, einer Frau gleichen Namens gehört, war Sonntag nicht zu eruieren.”

5. “Die häufigsten Fehler der taz-Autoren”
(blogs.taz.de/hausblog, Matthias Fink)
“Der häufigste Fehler ist aber sicher das Auseinanderschreiben von allem und jedem. Selbst wer weiß, dass die reine Getrenntschreibung nicht das Wahre ist, setzt oft nur einen Bindestrich, wobei ‘Heinrich Heine-Straße’ mit ‘Heinrich-Heine Straße’ konkurriert.”

6. “Sag beim Abschied leise Servus!”
(zeit.de, Jens Jessen)
“Zeit”-Feuilletonchef Jens Jessen mahnt zur Zurückhaltung beim Ausstand nach dem Praktikum. “Als ich zum Ende meiner Hospitanz bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mehrere Bleche Pflaumenkuchen servierte, wurde dieser zwar gerne gegessen – aber vielleicht auch zu gerne, denn der Feuilletonchef verabschiedete mich mit den Worten, dies sei der beste Artikel, den ich bisher abgeliefert hätte.”

Bild  

Was Entwürdigen und Verleumden kostet

Thai-Hure boxt deutschen Sex-Touristen k.o.

Es ist ein schrecklich geschundenes Gesicht, das “Bild” am 11. August 2004 in Großaufnahme zeigt. Das linke Auge des Mannes ist fast zugeschwollen, im Mund ist getrocknetes Blut zu sehen, auf Wangen und Nase haben Schläge deutliche Spuren hinterlassen.

Das Foto des Mannes war von einer Nachrichtenagentur unter Berufung auf die thailändische Zeitung “Pattaya Mail” verbreitet worden. Die Geschichte zu dem Gesicht erzählte “Bild” so: Ein deutscher Geschäftsmann namens F. habe sich als “Sex-Tourist” im thailändischen Urlaubsort Pattaya aufgehalten.

Er engagierte ein Thai-Mädchen, versprach ihr viel Geld für ein privates Pornovideo. (…)

Für 1000 Baht (umgerechnet 20 Euro) willigte die Prostiuierte ein, ging mit ihm aufs Zimmer — und ließ sich filmen. Aber nach dem Sex wollte der Bayer plötzlich den vereinbarten Lohn nicht zahlen! Lautstarker Streit, die Hure wurde handgreiflich, sie stürzte sich auf den Deutschen, schlug ihm ins Gesicht. (…) Vergeblich versuchten andere Prostituierte und die Bordellchefin dazwischenzugehen.

Erst Polizisten konnten den Deutschen und die Hure trennen. (…)

Eine tolle Geschichte, oder wie “Bild” schrieb: “ein unglaublicher Fall”, den das Blatt natürlich trotzdem unbesehen geglaubt hatte.

Doch die Geschichte ist falsch. Das fängt schon damit an, dass der Mann, den “Bild” groß im Foto zeigt und mit Vornamen, abgekürztem Nachnamen, Alter und Heimatort nennt, kein “Sex-Tourist” ist, sondern in Pattaya lebt. Und es hört nicht damit auf, dass der Mann in seiner eigenen Wohnung zusammengeschlagen wurde, nicht in einem Bordell, weshalb auch keinen anderen Prostituierten oder gar eine Bordellchefin dazwischen gingen.

F. hat die “Bild”-Zeitung damals verklagt. Nach über fünf Jahren Verhandlung hat das Landgericht Hamburg in der vergangenen Woche endlich ein Urteil gefällt: Das Blatt habe das Persönlichkeitsrecht von F. “in schwerwiegender Weise” verletzt. Der Inhalt des Artikels sei “unwahr”. Durch die Veröffentlichung des Fotos habe die Zeitung “in evidenter und krasser Weise” gegen F.s Recht am eigenen Bild verstoßen:

Es handelt sich um eine großformatige Portraitaufnahme des Klägers, die ihn entstellt zeigt, nachdem er Opfer einer Straftat geworden ist. Sie zerrt den Kläger an die massenmediale Öffentlichkeit, zeigt ihn in einem Zustand, der einer Krankheit vergleichbar ist, und macht diesen für jedermann sichtbar. Der Kläger wird entwürdigend und anprangernd dargestellt.

Und was kostet sowas? Nicht viel: Das Gericht verurteilte “Bild” zur Zahlung von 10.000 Euro Schmerzensgeld, und nicht einmal die wird der Kläger vollständig bekommen.

Ein Sieg ist das nicht.

Dass der “Bild”-Bericht in den wesentlichen Punkten falsch ist, steht außer Frage. Umstritten ist, ob er einen wahren Anlass hat.

Die “Bild”-Zeitung hatte als Teil ihrer Verteidigung einen Mann zur “Nachrecherche” nach Thailand geschickt und behauptete nun, Hintergrund des Angriffs seien mehrere Pornofilme gewesen, die F. mit einer Prostituierten gedreht habe, deren Herausgabe sie forderte und die später von der Polizei auf F.s Computer gefunden worden seien. Als F. der Forderung nicht nachkam, habe die Frau Freunde zu Hilfe gerufen, woraufhin es zu den Handgreiflichkeiten gekommen sei.

F. bestreitet einen solchen Zusammenhang und schildert die Tat als einen brutalen Raubüberfall von zwei Männern auf ihn. Die Frau, die ihn laut “Bild” mit verprügelt haben soll, sei gar nicht anwesend gewesen. Auf seinem Computer seien zwar pornografische Filme gewesen, aber keiner mit der betreffenden Frau.

Das Hamburger Gericht ließ in Thailand einen Polizeibeamten als Zeugen vernehmen, der mit dem Fall damals zu tun hatte, aber nicht vor Ort war. Das trug mit zu der erstaunlichen Verlängerung der Prozessdauer bei, brachte aber nur bedingt Klarheit. Am Ende glaubte das Gericht, dass ein Streit um die Videos, die während der Beziehung zwischen der Frau und F. “zum Hausgebrauch” entstanden seien, Hintergrund der Körperverletzung gewesen sei. Somit sei die Berichterstattung von “Bild” zwar in weiten Teilen unwahr, sei aber “auf ein reales Geschehen zurückzuführen”. Das mindere den Schadensersatzanspruch von F.

Als entscheidend für die Höhe der zu zahlenden Summe wertete das Gericht auch, inwieweit die “Bild”-Berichterstattung Folgen für F. hatte. Ungefähr die einzige Aussage des Opfers, die die “Bild”-Anwälte ihm glaubten, war die, dass er kein “Sex-Tourist” ist, sondern seinen Wohnsitz in Thailand hat. In Thailand, so die Argumentation der “Bild”-Anwälte, würden aber nicht einmal 400 Exemplare des Blattes täglich verkauft. Dass die Familie von F. in Oberstdorf lebe, dass er regelmäßig dorthin zu Besuch fahre, dass die Mutter von F. vielfach auf den “Bild”-Artikel über ihren Sohn angesprochen worden sei, all das bestritten die Anwälte pauschal.

Das Gericht urteilte, dass F. von der falschen und seine Persönlichkeitsrechte verletzenden Berichterstattung “weniger intensiv betroffen” sei, weil er seinen Lebensmittelpunkt in Thailand habe.

Anstelle der Forderung von 30.000 Euro, für die das Gericht dem Kläger ursprünglich Prozesskostenhilfe bewilligt hatte, sprach die Zivilkammer 24 dem “Bild”-Opfer nur 10.000 Euro Schmerzensgeld zu. Ursprünglich hatte F. auch versucht, “Bild” zu einem Widerruf zu zwingen — eine Forderung, die F.s Anwalt zurückziehen musste, weil es sich als unmöglich erwies, Zeugen des Tatverlaufs in Thailand aufzutreiben. Den Streitwert eines solchen Widerrufs hatte das Gericht mit 50.000 Euro angegeben. Die 10.000 Euro entsprechen somit nur einem Achtel der Forderungen des Klägers, der deshalb sieben Achtel der Kosten tragen muss.

Die Kosten des Gerichtes und seines eigenen Anwaltes trägt die Staatskasse. Von den 10.000 Euro Schmerzensgeld zuzüglich Zinsen, die “Bild” F. zahlen muss, kann das Blatt rund 3000 Euro eigene Anwaltskosten gleich abziehen.

F. ist außerordentlich frustriert. Er beschwert sich über die massive Verzögerungstaktik des Richters Andreas Buske und meint, dass schon die Veröffentlichung des “schrecklichen Fotos” von ihm eindeutig unzulässig gewesen sei. Er muss sich nun entscheiden, ob er Berufung gegen das Urteil einlegt.

Für “Bild” sind die paar Euro für die Entwürdigung und Verleumdung eines Menschen sicher leicht zu verschmerzen.

Mit Dank an Rolf Schälike, der auf seiner Seite Buskeismus auch über den Fall berichtet.

409 Personen gefällt das nicht mehr

Irgendwann am gestrigen Mittag müssen sie bei Bild.de bemerkt haben, dass das so nicht weitergeht: Die vielen “Gefällt mir”-Buttons neben Überschriften wie “Erstickt, verblutet, Herztod — So qualvoll starben die Opfer der Loveparade-Panik” (aber nicht nur da) wirkten mindestens unglücklich, wenn nicht schlichtweg zynisch.

Manche Artikel haben jetzt gar keine Facebook-Buttons mehr, bei allen anderen wurde die Beschriftung vom euphorischen “Gefällt mir” zum neutraleren “Empfehlen” geändert:

Zahl der Todesopfer auf 21 gestiegen — Empfehlen

Was von der Loveparade übrig blieb

Irgendwann sind die Journalisten auf die Idee gekommen, dass die Stimmung, die man als “Sprachlosigkeit” bezeichnen könnte, am Besten abgebildet werden kann, indem man sie beschreibt, kommentiert und abfotografiert. Dass man dem stillen Entsetzen und der Trauer eine laute Mischung aus Information, Mutmaßung und Klickstrecken entgegensetzen sollte, weil man den nahezu unmöglichen Prozess des Verstehens so vielleicht erzwingen kann.

“Bild” kann deshalb heute, rund einen Tag, nachdem Polizei und Staatsanwaltschaft mit ihren Ermittlungen begonnen haben, bereits das “Todes-Protokoll” der Ereignisse von Duisburg vorlegen. Die Zeitung kann sichtlich verstörte Jugendliche befragen, die einen Freund verloren haben, und eine traumatisierte Überlebende berichten lassen:

"Auf meinen Beinen lagen zwei Leichen!"

Daneben die Fotos von fünf Verstorbenen (auf Bild.de sind es inzwischen mehr), die die Redaktion zumindest teilweise offensichtlich aus dem Internet übernommen hat. Auf einem anderen Foto ist exakt das zu sehen, was die Bildunterschrift verspricht:

Ein Mädchen und ein junger Mann beim gemeinsamen Versuch, eine leblose Person zu reanimieren.

Schon seit dem frühen Samstagabend hatte Bild.de in Bildergalerien notdürftig abgedeckte Tote gezeigt (“Die Hand im Tode verkrampft. Auch dieser Mann wurde bei der Panik vermutlich zerquetscht.”, “Ein Foto, das Gänsehaut vermittelt – zwei Tode am Haupteingang.”, “Die Leiche eines jungen Ravers liegt abgedeckt im Müll.”, usw. usf.).

Doch Bild.de zeigte auch diese auf den ersten Blick harmlose Luftaufnahme:

Fotomontage vom Festival-Gelände.

Das Foto, das inzwischen entfernt wurde, zeigt fahrende Autos auf der gesperrten Autobahn 59, kahle Bäume im Hochsommer, Menschengruppen, die mehrfach im Bild sind und vieles mehr — mit anderen Worten: Es ist eine ziemlich schlecht gemachte Fotomontage. Und das, wo die Menschenmassen auf den Originalfotos vom Festivalgelände beeindruckend genug gewesen wären.

Auch wenn die mehr als einhundert Beschwerden, die allein bis zum heutigen Mittag beim Deutschen Presserat eingegangen sind, sich “bisher alle” gegen die Berichterstattung von “Bild” und Bild.de richteten, waren dies längst nicht die einzigen Medien, die Fotos von Opfern veröffentlichten. Bilder von Schwerverletzten, unter Schock stehenden Personen, Rettungsmaßnahmen und Leichentüchern, unter denen Gliedmaßen hervorschauen, gab (und gibt) es auch auf express.de, stern.de, derwesten.de zu sehen. “RP Online” anonymisierte immerhin die meisten erkennbaren Gesichter, ebenso wie Bild.de bei den Fotos seiner “Leserreporter”.

Bemerkenswert auch das Titelbild der “Westdeutschen Allgemeinen Zeitung” heute, auf dem die Arme eines toten Menschen zu sehen sind — und die Idee, die Ereignisse vom Wochenende ausgerechnet mit einer Karikatur zusammenfassen zu wollen.

Mit Dank an die vielen, vielen verschiedenen Hinweisgeber!

Leserreporter, Kachelmann, Futurezone

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Raumschiff Berlin”
(tagesspiegel.de, Ernst Elitz)
Ernst Elitz glaubt, dass Blogger zur “wahren Konkurrenz” der Hauptstadtjournalisten werden. Der “angeblich so hektische Hauptstadtjournalismus” sei nämlich “manchmal ziemlich verschlafen”. “Die Konsequenz müsste lauten: Werdet schneller und macht euch bissiger Konkurrenz.”

2. “Bild: 2,3 Millionen Euro für Leserreporter”
(meedia.de, Daniel Bouhs)
Daniel Bouhs schreibt über die “Bild”-Leserreporter: “Wie ein Sprecher des Axel-Springer-Verlages MEEDIA auf Anfrage mitteilte, liefen seit dem Start der Aktion im Jahr 2006 bis dato nämlich schier unfassbare 685.595 Fotos in der Redaktion der Bild ein, von denen 13.514 ins Blatt wanderten, also immerhin etwa zwei aus einhundert Bildern.”

3. “Warum fangen wir nicht bei uns an?”
(faz.net, Mark Siemons)
Die Studie “Die China-Berichterstattung in den deutschen Medien” der Heinrich-Böll-Stiftung löst in China eine Debatte aus. “Die chinesischsprachige Parteizeitung ‘Global Times’ nahm die als notwendig vorausgesetzte Parteilichkeit der Nachrichten sogar als Lizenz zum freien Erfinden und zitierte aus dem Berliner ‘Tagesspiegel’ Sätze, die dort gar nicht standen.”

4. “Freundliche Übernahme”
(timklimes.de, 11. Juli 2010)
Tim Klimes vergleicht eine RTL-Pressemitteilung mit einer dpa-Nachricht. Thema: Eine aus der Doku-Soap “Bauer sucht Frau” resultierende Hochzeit.

5. “Ein Fall für Krake Paul”
(blog.persoenlich.com, Matthias Ackeret)
Für Matthias Ackeret fusst “die ganze Kachelmann-Story lediglich auf zwei Facts”: “dem Kürzestauftritt von Kachelmann vor dem Gefangenentransporter (‘ich bin unschuldig’) und einem Gutachten der Bremer Psychologin Luise Greuel, das von beiden Parteien beliebig interpretiert wird. Gesprochen hat sie mit Kachelmann nie. Auch das vermeintliche Opfer hat sich bis jetzt öffentlich noch nicht geäussert, so wenig wie die angeblichen Heerscharen der Kachelmann-Freundinnen, die den Mythos des hemmungslosen Casanova begründen.”

6. “Veräußerung der ORF-Futurezone”
(beschaffung.orf.at)
“Bis längstens 15.9.2010” beabsichtigt der ORF, das hauseigene IT- und Technologieportal “www.futurezone.at” zu veräußern. “Abgabe der Interessenbekundung bis längstens 30.7.2010, 12.00 Uhr (Einlangen aller Unterlagen).”

Lakaien, Österreich, Chatter

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Lakaien”
(medienspiegel.ch, Fred David)
Fred David listet ehemalige Chefredakteure Schweizer Zeitungen auf, die ihr Geld inzwischen als Berater oder Mediaconsultant verdienen. “Das ist alles legitim. Aber man muss sich bei Gelegenheit doch immer wieder dieser fleissigen Networker und ihrer Netzwerke erinnern, wenn plötzlich, fast wie aus dem Nichts, Kampagnen durch die Medien rauschen.”

2. “Die kaputte Welt von ‘Österreich'”
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
Hans Kirchmeyr listet auf, was die Zeitung “Österreich” über das Opfer eines Gewaltverbrechens schreibt.

3. “Ekel für 50 Cent”
(taz.de, Daniela Zinser)
Keinen Gefallen findet Daniela Zinser an der neuen Klatschzeitschrift “Chatter” aus dem Verlag Hubert Burda Media: “Das neue Starstyleklatschmagazin, das der Burda-Verlag nun jeden Mittwoch auf billigem Zeitungspapier im Tabloid für 50 Cent feilbietet, ist so ziemlich das Unterirdischste, was man am Kiosk bekommt: wenig Text, große Fotos – und inhaltlich nichts als Trash.”

4. “Burdas brutaler 50-Cent-Trick”
(spiegel.de, Stefan Kuzmany)
Stefan Kuzmany stellt fest, dass “Chatter” zwar viel zu wissen vorgibt, aber selten eine konkrete Quelle angibt. “Die besten Infos stammen von namenlosen ‘Insidern’, die zum Beispiel genau beschreiben, was die Mutter von Brad Pitt von der Erziehungsleistung ihrer Schwiegertochter Angelina Jolie hält.”

5. “Akkreditierungen: Neues aus Absurdistan”
(konzertfoto-faq.de, Peter Wafzig)
Der freie Bildjournalist Peter Wafzig berichtet von Einschränkungen in der Konzertfotografie: “Einmal mehr wird klar, dass die Tourneeveranstalter die Presse eigentlich nur instrumentalisieren wollen. An einer freien Berichterstattung ist niemand wirklich interessiert. Da der Gesetzgeber nach wie vor das Hausrecht der Veranstalter höher bewertet als die Pressefreiheit und Konzerte nicht als öffentliche Veranstaltungen betrachtet, wird sich daran auch in Zukunft nichts ändern.”

6. “Ich habe immer noch die Namen meiner Kritiker im Gehirn gespeichert”
(zeit.de, Harald Martenstein)
Harald Martenstein glaubt, dass sich negative Kritiken viel genauer ins Gedächtnis einbrennen als positive: “Ich vergesse alles Positive, aber den Rest merke ich mir.”

Gerechtigkeitsfanatiker

Ein Stalker ist am Samstagabend in Wuppertal beim Versuch, verbotenerweise in die Wohnung seiner Ehefrau zu klettern, vom Balkon gestürzt. Der Mann, der seine Ehefrau wiederholt geschlagen und gewürgt haben soll und sich ihr nicht mehr als 20 Meter nähern durfte, liegt mit schweren Schädelverletzungen im Koma. Sein Zustand sei kritisch, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Dienstag. Der Mann habe “seine Tour fast mit dem Leben bezahlt”, schreibt der Kölner “Express”.

Und bewirbt die Geschichte an seinen Zeitungskästen so:

Das ist mal gerecht: Stalker stürzte vom Dach

Mit Dank an Zeppelin!

Bild  

Kleine Brücken unter Freunden

Vor über fünf Jahren gab es in BILDblog eine Serie namens “We are the champions”. Es ging darin um die “Bild”-Rubrik “Gewinner des Tages”, die damals vor allem einen Zweck hatte: sich selbst oder Freunden und Geschäftspartnern auf die Schulter zu klopfen. Nach der 46. Kür dieser Art haben wir mit der Reihe aufgehört (und die ungezählten Würdigungen von Helmut Kohl, dem Freund des Hauses und des Chefredakteurs, waren dabei nicht einmal mitgezählt).

Heute ist die Rubrik “Gewinner des Tages” immer noch häufig absurd, aber nicht mehr so lächerlich oder als PR-Instrument durchschaubar wie damals.

Die Atlantik-Brücke allerdings hat immer noch ihren festen Platz als “Gewinner” in “Bild” gepachtet. Die Atlantik-Brücke ist ein Verein, der das deutsch-amerikanische Verständnis fördern will — ein Ziel, dem sich auch die Axel Springer AG und jeder einzelne ihrer Journalisten verpflichtet haben. Kai Diekmann, der Chefredakteur von “Bild”, war bis vor wenigen Monaten Mitglied im Vorstand der Atlantik-Brücke (nicht, dass das je im Blatt erwähnt worden wäre).

“Bild”, 12. April 2002:

Gewinner

Ein Symbol der deutsch-amerikanischen Freundschaft feiert 50-jähriges Jubiläum: die Atlantik-Brücke. Verdienst des Vereins: den Dialog zwischen beiden Ländern zu fördern, das politische und kulturelle Verständnis zu vertiefen. Der Vorsitzende Arend Oetker (63, Foto): “Es ist eine Brücke, die es immer wieder instand zu setzen gilt.”

BILD meint: Was zählt, ist Freundschaft.

“Bild”, 18. April 2002:

Gewinner

Ein Mann, der Brücken schlägt: Ex-US-Präsident George Bush (77) erhielt gestern im Berliner Schloss Charlottenburg den Eric-M.-Warburg-Preis. Die Laudatio hielt Außenminister Joschka Fischer. Mit dem Preis zeichnet der Verein Atlantik-Brücke Bushs Verdienste um die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA aus.

BILD meint: Transatlantisch!

“Bild”, 5. Mai 2003:

Gewinner

Wer über das deutsch-amerikanische Verhältnis redet, kommt an Dr. Beate Lindemann (60) nicht vorbei. Sie kriegt in Washington jeden Gesprächspartner an die Strippe. Die Geschäftsführerin des Vereins Atlantik-Brücke bemüht sich gerade in diesen Tagen um ein gutes Verhältnis zu Amerika. Eine wichtige Aufgabe, die sie mit viel Klugheit und Charme meistert.

BILD meint: Transatlantisch!

“Bild”, 3. Febuar 2004:

Gewinner

Ein Flugkapitän, der Brücken baut: Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber (56) erhält heute in New York den Vernon A. Walters Award für seine Verdienste um die deutsch-amerikanische Partnerschaft. Verliehen wird der Preis vom renommierten Verein Atlantik-Brücke.

BILD meint: Über den Wolken muss die Freundschaft wohl grenzenlos sein.

“Bild”, 11. Juni 2004:

Gewinner

CDU-Politiker Walther Leisler Kiep (78) ist der neue Ehrenvorsitzende des Vereins Atlantik-Brücke. Die Mitgliederversammlung (u. a. Otto Graf Lambsdorff, Hilmar Kopper, Rudolf Scharping) würdigten damit einstimmig Kieps Verdienste um die deutsch-amerikanische Verständigung. BILD meint: Verdiente Ehre!

“Bild”, 16. Juni 2005

Gewinner

Jetzt bekommt die Atlantik-Brücke Flügel: Dr. Thomas Enders (45), Vorstand beim europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS, wird neuer Vorsitzender des Vereins. Amerika-Freund Enders studierte in Los Angeles, löst Dr. Arend Oetker nach fünf Jahren ab. Die überparteiliche Atlantik-Brücke e. V. setzt sich seit 1952 für die Freundschaft zwischen Deutschland und den USA ein.

BILD meint: Viel Erfolg!

“Bild”, 1. Oktober 2005:

Gewinner

Drei hohe Ehrungen in zwei Monaten für Michael Otto (62): Erst der Bertelsmann-Preis für Jugend- Förderung, dann der Umweltpreis 2005 und jetzt in New York der Vernon A. Walters Award der “Atlantik-Brücke”. 54 000 Mitarbeiter des größten Versandkonzerns der Welt können stolz auf ihren Chef sein.

BILD meint: Otto – find’ ich gut!

“Bild”, 10. Oktober 2005:

Gewinner

Sie baut Brücken zwischen Deutschland und Amerika. Dafür erhält Dr. Beate Lindemann heute in Berlin das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse. Die Vize-Vorsitzende des Vereins “Atlantik-Brücke” hat u. a. ein Austauschprogramm ins Leben gerufen, das seit 1990 mehr als 3000 ostdeutschen Oberschülern einen einjährigen Aufenthalt in den USA ermöglichte.

BILD meint: Ehre, wem Ehre gebührt.

“Bild”, 15. Mai 2007:

Gewinner

Bei den Verhandlungen zur deutschen Einheit zwischen den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs und den beiden deutschen Staaten spielte Condoleezza Rice (52) 1990 eine entscheidende Rolle. Dafür bekommt die heutige US-Außenministerin am 31. Mai den Eric-M.-Warburg-Preis von der Atlantik-Brücke e. V. verliehen. Die Laudatio hält der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl.

BILD meint: Der Preis ist Rice!

“Bild”, 1. Juli 2009:

Gewinner

Ehrenvolle Aufgabe für Friedrich Merz (53): Der streitbare Politiker ist neuer Vorsitzender der angesehenen Atlantik-Brücke. Merz übernimmt das Amt von Airbus-Chef Enders. Die Atlantik-Brücke ist ein Zusammenschluss von Wirtschaftsführern, Politikern u. a. in Deutschland und den USA mit dem Ziel, die deutsch-amerikanische Freundschaft zu fördern.

BILD meint: Top-Mann für eine Top-Aufgabe!

“Bild”, 30. Juni 2010:

Gewinner

Der alte und neue Vorsitzende der Atlantik-Brücke heißt Friedrich Merz (54). Der Anwalt und Wirtschaftsexperte wurde gestern auf der Mitgliederversammlung des Vereins mit großer Mehrheit wiedergewählt. Die Atlantik-Brücke setzt sich seit ihrer Gründung 1952 für die deutsch-amerikanische Freundschaft ein.

BILD meint: Brückenbauer!

Bemerkenswert ist aber nicht nur, mit welcher Konsequenz “Bild” den Verein über Jahre im Blatt feiert, sondern auch, worüber die Zeitung lieber nicht berichtet. Der Wiederwahl von Merz, die ihn gestern erneut zum “Bild”-“Gewinner” werden ließ, waren nämlich erhebliche Auseinandersetzungen vorausgegangen. Von einer “Schlammschlacht” sprechen die “Süddeutsche Zeitung” und die “Frankfurter Allgemeine Zeitung”, Merz und der Ehrenvorsitzende Kiep hätten sich “wie die Kesselflicker” gestritten, schreibt die “Zeit”. Merz war am 1. Juni schließlich zurückgetreten; auch Kai Diekmann verließ danach den Vorstand. Er wurde laut einem Bericht der Zeitschrift “Capital” dann aber nachträglich Mitglied der Kommission, die einen Nachfolger für Merz finden sollte und, Überraschung: Merz fand. So gesehen hätte Diekmann sich gestern auch selbst zum “Gewinner” erklären können.

Von all den spektakulären Auseinandersetzungen aber fand sich kein Wort, keine Andeutung in der “Bild”-Zeitung, die sonst so gründlich und aufopferungsvoll das Wirken der einflussreichen Organisation begleitet. Das, nicht die Aufnahme in die Rubrik “Gewinner”, ist der wahre Dienst, den “Bild” für Freunde leistet: Schweigen.

Witwenschütteln, Presseagenturen, Komplotte

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Geiselnahme in Leipzig und die Medien”
(konni.org, Konstantin Winkler)
Konstantin Winkler twitterte während einer Geiselnahme in einer H&M-Filiale in Leipzig: “Das Echo darauf war groß, ich bekam positives und negatives Feedback, einige Twitteruser, mit denen ich das Gespräch suchen wollte, hatten mich bereits geblockt. Andere wiederum empfahlen mir einen Job bei der BILD-Zeitung.”

2. “Stille-Post-Journalismus und Medusenhaupt-Effekt”
(heise.de, Peter Mühlbauer)
Perez Hilton twittert über Miley Cyrus, worauf salon.com in einem Artikel auf rechtliche Konsequenzen aufmerksam macht. “Am Ende der journalistischen Stille-Post-Kette, in der Bild-Zeitung, machte man schließlich aus der Forderung von Kommentatoren, das FBI solle den Fall untersuchen, eine bereits begonnene Ermittlung.”

3. “Sein Feind war der ‘Tages-Anzeiger'”
(tagesanzeiger.ch, Constantin Seibt)
Journalist Karl Lüönd erklärt das Witwenschütteln: “Es ist einfacher, als du denkst. Du brauchst etwa ein Foto von einem Opfer. Du gehst also zu den Angehörigen und erklärst ihnen, dass die Zeitung auf jeden Fall ein Bild bringen wird. Und dass es ein besseres Andenken wäre, wenn es ein schönes Bild wäre. Und nicht ein verwackeltes. Man kriegt dann selten die Tür vor der Nase zugeknallt. Die meisten sind sogar froh um deine Fragen. Denn die meisten Leute in Extremsituationen reden gern.”

4. “Vorm endgültigen Redaktionsschluss”
(taz.de, Steffen Grimberg)
Steffen Grimberg sieht die Presseagenturen in einem Überlebenskampf. Das “alte Nachrichtenmonopol” sei gebrochen.

5. “Eine Nacht im Kapstädter Township Delft”
(wintermaerchen2010.com, Audio-Slideshow, 6:28 Minuten)
Christian Frey und Kai Schächtele besuchen Delft, ein Township von Kapstadt.

6. “‘BILD’ deckt deutsches WM-Aus auf”
(westline.de)
Westline macht sich Gedanken über das von “Bild” erfundene “Trainer-Komplott” zwischen Ghana und Serbien.

Bravo  

Der wahre Loser

“Bravo”-Chefredakteur Philipp Jessen scheint ernstlich aufgebracht:

Feiges Cyber-Mobbing! Heute schreibe ich mal nicht über Stars. Warum? Weil mir ein anderes Thema besonders am Herzen liegt. Immer mehr Leser berichten uns, dass sie Opfer von Diss-Attacken im Internet geworden sind. So was ist wirklich das Letzte: fies, feige und gemein! Wer andere online beschimpft - und damit auch noch vor anderen prahlt - ist für mich der wahre Loser. Was Cyber-Mobbing anrichten kann und wie Du Dich dagegen wehrst, wenn Du selbst betroffen bist, erfährst Du auf Seite 56.

“Feiges Cyber-Mobbing”? Wie kommen die jungen Menschen nur immer auf solche Ideen?

Ach ja:

7. Auf seiner Online-Pinnwand postet Du: "Ich hab Windeln in deiner Größe gefunden. Jetzt musst du nicht mehr täglich die Bettwäsche wechseln!" 10. Du schreibst der Lehrerin, die er nicht ausstehen kann, eine Liebes-E-Mail von seinem Account. 7. Du setzt mit einem Bildbearbeitungs-Programm ihren Kopf auf ein Nacktmodell und schickst das Foto an all ihre Bekannten!
Mit erneutem Dank an Stefan W.

Blättern:  1 ... 34 35 36 ... 48