Zum Beispiel war unter den deutschen Passagieren, die in der vergangenen Woche mit einem Airbus im Atlantik abgestürzt sind, auch ein Assistenzarzt der Uniklinik Heidelberg. Das war für die Medien praktisch, denn die Klinik hat eine Homepage, auf der auch Fotos der Mitarbeiter stehen, da mussten sich die Journalisten nur bedienen und hatten sofort ein Bild, mit dem sie ihre Berichte illustrieren konnten.
Nein, sagt die Kliniksprecherin auf Anfrage von BILDblog, genehmigt habe das Krankenhaus die Verwendung seines Fotos nicht. Es habe niemand überhaupt eine Genehmigung erfragt.
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Sechs große Hamburger Verlage haben in der vergangenen Woche die Bundesregierung aufgefordert, das Urheberrecht im Internet zu verschärfen. “Im Internet darf es keine rechtsfreien Zonen geben”, erklärten die Verlage von “Bild”, “Spiegel”, “Zeit”, “InTouch”, “Für Sie” und “Stern”. “Ungenehmigte Nutzung fremden geistigen Eigentums muss verboten bleiben.”
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Der “Stern” weigert sich im Zusammenhang mit dem Amoklauf von Winnenden konsequent, Fragen nach der Herkunft der von ihm gezeigten Privatfotos der Opfer zu beantworten. In seiner aktuellen Ausgabe zeigt er fast jedes der über 100 Opfer des Flugzeugabsturzes im Bild. Bei den meisten fehlt der sonst übliche Hinweis auf die Quelle.
Auf eine Anfrage von BILDblog bei den Redaktionsleitern von stern.de, Frank Thomsen und Ralf Klassen, ob sie für eine ähnlich angelegte stern.de-Bildergalerie Einwilligungen der Urheber oder Angehörigen eingeholt haben, antworteten sie: nicht.
Achtung, nicht erschrecken: Bei “Bild” hat sich was verbessert. Zumindest ein bisschen und auch nur teilweise.
Die Redaktion scheint ein kleines Stück sensibler geworden zu sein im Umgang mit Fotos, die Opfer von Verbrechen und Unglücksfällen zeigen. Allein in der heutigen Print-Ausgabe findet man zwei Bildunterschriften, die auf diese Entwicklung hindeuten. Zu einer Geschichte mit der Überschrift “Handwerker Yusuf wurde auf der Autobahn erstochen” schreibt “Bild” zu einem Foto, auf dem das Opfer unverpixelt zu sehen ist:
Yusuf C. bei seiner standesamtlichen Trauung. BILD zeigt das Foto mit dem Einverständnis seiner Familie
In einem anderen Artikel, in dem es um einen aktuell laufenden Prozess in Frankreich geht, zeigt die “Bild”-Redaktion ein unverpixeltes Foto des Opfers und schreibt dazu:
Gisèle P. (72) besteht darauf, dass der Prozess gegen ihren Mann öffentlich geführt wird. Vor Gericht ließ sie sich fotografieren
Nun ist es noch mal eine andere Frage, ob man, wie im Fall des “Handwerkers Yusuf”, eine trauernde Familie in dieser Situation unbedingt mit der Frage behelligen muss, ob man denn ein Foto des Verstorbenen bekommen und veröffentlichen kann. Diese im Artikel geschilderte Szene klingt jedenfalls stark nach Witwenschütteln:
BILD trifft die Familie des gelernten Dachdeckers an seinem Wohnort in der Nähe des Tatorts. Frauen liegen sich schluchzend in den Armen, Männer können ihre Tränen nicht zurückhalten.
Gemessen an dem niedrigen Niveau, von dem “Bild” kommt und für das der Deutsche Presserat der Redaktion zahlreiche Rügen erteilt hat, ist das Einräumen eines Mitspracherechts bei der Fotoveröffentlichung, selbst unter Ausnutzung eines emotionalen Ausnahmezustands, aber schon eine Verbesserung.
Doch es gibt auch noch das alte Muster: Vergangenen Donnerstag berichtete die “Bild”-Redaktion über eine “Horror-Attacke vor Jamaika”. Und zeigte auf der Bild.de-Startseite und im Artikel das 16-jährige Opfer unverpixelt:
(Die Unkenntlichmachung stammt von uns.)
Einen Hinweis wie “BILD zeigt das Foto mit dem Einverständnis seiner Familie” findet sich nicht im Artikel. Dafür aber der vollständige Vor- und Nachname des Jugendlichen.
Zum “Opferschutz” schreibt der Presserat in Richtlinie 8.2 seines Pressekodex:
Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich.
Und konkretisiert in Richtlinie 8.3:
Insbesondere in der Berichterstattung über Straftaten und Unglücksfälle dürfen Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Regel nicht identifizierbar sein.
Auch RTL.de veröffentlichte gestern einen Artikel zum “blutigen Drama vor der Küste von Jamaika”, zeigt darin ein unverpixeltes Foto des 16-Jährigen und nennt dessen kompletten Namen.
1. Presserat: Bei Opferbildern abwägen (verdi.de)
Nach dem Angriff der Hamas auf Israel fordert der Presserat die Redaktionen auf, bei der Veröffentlichung von Fotos und Videos von Terroropfern sorgfältig abzuwägen und die Wirkung solcher Bilder zu berücksichtigen. “An der Berichterstattung über den beispiellosen Angriff der Hamas und die jetzt folgenden Kampfhandlungen besteht zweifellos ein überragendes öffentliches Interesse”, so Presserats-Sprecherin Kirsten von Hutten: “Dennoch müssen Redaktionen vor der Veröffentlichung von Fotos und Videos die Menschenwürde der Opfer und die Gefühle der Angehörigen im Blick behalten”.
2. BR und Arte beenden Zusammenarbeit mit Malcolm Ohanwe (tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Der Bayerische Rundfunk (BR) und Arte haben die Zusammenarbeit mit dem Journalisten Malcolm Ohanwe beendet, nachdem dieser in einem Tweet Verständnis für den Angriff der Hamas auf Israel gezeigt habe. Der BR kritisierte Ohanwes Äußerungen als “menschenverachtend” und betonte, sie entsprächen nicht dem journalistischen Selbstverständnis des Senders. Ohanwe wiederum erklärte, er habe den Terror nicht relativiert oder gerechtfertigt.
3. Verhetzen, verunglimpfen, verachten (uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier kritisiert bei “Übermedien” die rechte Medienplattform “Nius”. Dort wurde kürzlich eine propagandistisch zugespitzte Bildcollage veröffentlicht, in der eine Aussage von CDU-Chef Friedrich Merz aufgegriffen wurde, der zuvor behauptet hatte, Asylbewerber würden sich auf Kosten der Steuerzahler “die Zähne neu machen” lassen. Niggemeier kommentiert: “Es geht nur darum, Stimmung zu machen gegen all die Horden, die es sich angeblich auf Kosten der Deutschen, der Mehrheit, gut gehen lassen. Und es geht darum, diese Menschen zu benutzen, um Stimmung zu machen gegen Leute, die der fremdenfeindlichen Rhetorik von Merz widersprechen, die nicht den Reflex haben, dass man jetzt darüber nachdenken sollte, ob Asylbewerber eigentlich überhaupt zum Zahnarzt gehen müssen oder dürfen oder nicht die Schmerzen einfach aushalten sollten, irgendwo hört’s mit der Humanität ja auch mal auf.”
4. Reporter ohne Grenzen auf Distanz (taz.de, Florian Bayer)
Der Konflikt um den ORF-Ukraine-Korrespondenten Christian Wehrschütz spitzt sich offenbar zu. Der Rechtsanwalt Gabriel Lansky, der Wehrschütz vertritt, soll Reporter ohne Grenzen (ROG) Österreich verlassen haben, bevor er möglicherweise aus dem Vorstand ausgeschlossen werden konnte. Der Grund: Ein Interessenkonflikt, weil Lansky Wehrschütz vertrete und ihn gleichzeitig innerhalb von ROG unterstütze. Wehrschütz, dessen Akkreditierung als Journalist in der Ukraine bereits abgelaufen sei, war zuvor in die Kritik geraten, weil er die ukrainische Luftabwehr gefilmt und seine Beiträge mit prorussischen Propagandavideos versehen habe.
5. BDZV einigt sich mit DJV auf Inflationsausgleichsprämie (dwdl.de, Timo Niemeier)
Wie “DWDL” berichtet, hat sich der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) mit dem Deutschen Journalisten-Verband (DJV) auf eine Inflationsausgleichsprämie von 120 Euro monatlich geeinigt, die Redakteurinnen und Redakteuren von Tageszeitungen bis Ende des kommenden Jahres gezahlt werde. Die Vereinbarung verlängere jedoch den Gehaltstarifvertrag bis Ende 2024, was die Gewerkschaft dju kritisiere und als “tarifpolitische Bankrotterklärung” bezeichne.
6. Philipp Klöckner: Das Digital-Orakel von Ostvorpommern (n-joy.de, Norbert Grundei, Audio: 1:28:54 Stunden)
Digital-Experte und Investor Philipp Klöckner ist einer der beiden Köpfe des hörenswerten “Doppelgänger-Tech-Talk”-Podcasts und profunder Kenner der Start-up-Szene. Norbert Grundei diskutiert mit Klöckner über dessen Karriereanfänge in Greifswald, den Streamingmarkt und gesellschaftliche Veränderungen.
1. Abhören des Pressetelefons der Letzten Generation verstößt gegen die Pressefreiheit – GFF und Reporter ohne Grenzen gehen mit betroffenen Journalisten vor Gericht (freiheitsrechte.org)
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) lässt gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen und drei betroffenen Journalisten die Abhöraktion der Generalstaatsanwaltschaft München gegen das Pressetelefon der “Letzten Generation” gerichtlich überprüfen. “Recherchen zu Protestgruppen und das Auftun von Quellen seien elementarer Ausdruck der Pressefreiheit. Wenn Journalist*innen befürchten müssen, dass ihre Gespräche abgehört werden, ist die freie Berichterstattung in Gefahr”, so Benjamin Lück, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF: “Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Generalstaatsanwaltschaft und das Amtsgericht die Pressefreiheit offensichtlich komplett außer Acht gelassen haben.”
2. Opfer rechter Gewalt wird posthum auch noch Opfer der “B.Z.” (uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier schreibt über einen Fall, der traurig und wütend zugleich macht. Ein mutmaßlicher Ladendieb – so ganz geklärt ist der Fall nicht – wurde von einem offenbar fremdenfeindlichen Supermarktbetreiber in einem Gewaltexzess so zusammengeschlagen, dass er wenige Tage später an den Verletzungen starb. Nun wollen Lokalpolitiker einen bislang namenlosen Platz nach dem Opfer benennen. Für die “B.Z.” ein willkommener Anlass, wieder einmal die ganze Bösartigkeit des Boulevards herauszukehren.
3. Sieg für die Pressefreiheit: Landrat muss Auskunft über Flüchtlingsunterkunft geben (suedkurier.de, Günter Ackermann)
Das Landratsamt des Bodenseekreises muss dem “Südkurier” umfassend Auskunft über die Verwendung von Steuergeldern geben. Im konkreten Fall geht es um die Kosten für die mehrjährige Anmietung einer geplanten Flüchtlingsunterkunft, in der nie Geflüchtete untergebracht wurden.
4. Reichelts “Pleiteticker” darf trans Frau nicht als Mann bezeichnen (dwdl.de, Alexander Krei)
Wie Alexander Krei bei “DWDL” berichtet, hat das Landgericht Frankfurt seine Entscheidung aus dem März bestätigt: Eine trans Frau dürfe im Blog des geschassten “Bild”-Chefredakteurs Julian Reichelt nicht als Mann bezeichnet werden. Die Äußerung sei im Gesamtkontext “bewusst verunglimpfend und persönlichkeitsrechtsverletzend”, so das Gericht. Einem Bericht des Hessischen Rundfunks zufolge habe Reichels Anwalt angekündigt, die Entscheidung vor dem Oberlandesgericht anzufechten.
5. Interdisziplinäres Schritt halten (taz.de, Emily Kietsch)
Emily Kietsch stellt in der “taz” das Hans-Bredow-Institut vor, in dem sich 87 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Medien und deren Auswirkungen auf Mensch und Gesellschaft wissenschaftlich beschäftigen. In dieser Forschung geht es auch um die Fragen, wie sich Medienformen im Laufe der Zeit verändern, über welche Kanäle Menschen kommunizieren und welche Probleme Massenmedien mit sich bringen.
6. Können Sie KI-Bilder von echten Fotos unterscheiden? (spiegel.de)
Der “Spiegel” hat das Titelbild seiner aktuellen Ausgabe mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz generiert und die Überlegungen dazu sowie die generierten Bilder in einem begleitenden Artikel vorgestellt. Wer ausprobieren möchte, wie gut er oder sie maschinell generierte Fotos von echten unterscheiden kann, sollte das kleine Bilderquiz mit elf Beispielbildern ausprobieren.
Im nordrhein-westfälischen Ibbenbüren wurde vor zwei Wochen eine Lehrerin an einer Berufsschule mit mehreren Messerstichen getötet. Als tatverdächtig gilt ein Schüler, der selbst die Polizei gerufen hat, bislang aber zur Tat schweigen soll.
In den “Bild”-Medien kann man seitdem beobachten, wie rücksichtslos sich eine Redaktion mit ihrer Berichterstattung allen gegenüber verhalten kann – dem Opfer und dessen Familie, den Schülerinnen und Schülern, den Gästen beim Trauergottesdienst.
Bereits zwei Tage nach der Tat zeigte Bild.de in einem Artikel (auf jegliche Verlinkungen verzichten wir bewusst) ein Foto des Opfers und eines des Tatverdächtigen. Das Bild der Lehrerin sieht so aus, als hätte der “Bild”-Fotograf ein öffentlich zugängliches Gruppenportrait abfotografiert. “Bild” zeigt die Frau ohne jegliche Unkenntlichmachung.
Genauso den Tatverdächtigen. Den scheint derselbe Fotograf aus größerer Entfernung aufgenommen zu haben. Der 17-Jährige trägt auf dem Bild zwar einen Mundschutz, auf eine Verpixelung oder einen Augenbalken hat die “Bild”-Redaktion allerdings verzichtet. Der Minderjährige ist eindeutig zu erkennen.
Offenbar haben “Bild”-Reporter auch die Schülerinnen und Schüler der Berufsschule in Ibbenbüren behelligt. Im Artikel zitieren sie eine “Schülerin” mit einer Aussage “zu BILD” und einen “Jugendlichen” mit einer Aussage “zu BILD”. Dass sich auch diese teils minderjährigen Personen in einem Ausnahmezustand befinden dürften, wissen die “Bild”-Reporter. In einem früheren Artikel zum selben Fall schrieben sie:
Ein Sprecher der Bezirksregierung in Münster am Mittwoch: “Der Unterricht ist abgesagt, aber die Schule bleibt geöffnet.” Damit sei gewährleistet, dass die Schüler eine Anlaufstelle haben.
Ein Krisen-Interventions-Team, Schulpsychologen und Notfallseelsorger seien vor Ort
Am vergangenen Freitag fand in einer Kirche in Ibbenbüren die Trauerfeier für die getötete Lehrerin statt. Auch darüber berichtete “Bild”:
Obwohl die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt war, behielt die Trauerfeier einen sehr stillen und privater Charakter.
So “still” und “privat” wie eine Trauerfeier eben sein kann, wenn vor der Tür ein “Bild”-Fotograf lauert und Fotos von den Trauernden macht. Drei Fotos sind im Bild.de-Artikel eingebettet. Zwei davon – eine Nahaufnahme des Autos, mit dem der Sarg der Lehrerin zur Kirche gebracht wurde, und eine Nahaufnahme von trauernden Menschen (immerhin mit verpixelten Gesichtern), die sich in den Armen liegen – hat die “Bild”-Redaktion, vermutlich aus Versehen, mit einem verräterischen Fotocredit versehen:
Offenbar war auch den “Bild”-Leuten klar, dass niemand namentlich mit der fotografischen Belästigung von Trauergästen in Zusammenhang gebracht werden möchte.
In Hamburg läuft seit Donnerstag ein Prozess gegen einen Mann, der im Februar dieses Jahres seine damalige Lebensgefährtin erstochen haben soll. Ob der Tatverdächtige überhaupt voll schuldfähig ist, ist wegen einer möglichen posttraumatischen Belastungsstörung bislang nicht sicher.
Bild.de und die Hamburg-Ausgabe der “Bild”-Zeitung berichten heute größer über den Prozessauftakt. Während im Text mehrere “soll”s noch die Unschuldsvermutung garantieren, gibt es auf der Bild.de-Startseite schon einen Schuldspruch:
Sowohl online als auch in der gedruckten Zeitung zeigen die “Bild”-Medien das Gesicht des Opfers ohne irgendeine Verpixelung. Der Tatverdächtige hat einen Augenbalken verpasst bekommen. Beim Kind der beiden wurde das Gesicht von “Bild” verpixelt. Alle weiteren Unkenntlichmachungen im Screenshot oben stammen von uns.
Als Quelle des Fotos, das Bild.de auch schon im Februar verwendet hat (auch damals mit Augenbalken für den Verdächtigen, Verpixelung für das Kind, nichts für das Opfer), gibt die Redaktion “Foto: Repro:” sowie den Namen des “Bild”-Reporters an. Das ist in solchen Fällen häufig ein Hinweis darauf, dass der jeweilige Fotograf ein von Trauernden in der Öffentlichkeit aufgestelltes Bild abfotografiert hat. In einem ähnlichen Fall, nachdem “Bild” Fotos von Opfern des Germanwings-Unglücks auf einem Marktplatz abfotografiert und veröffentlicht hatte, erkannte der Deutsche Presserat darin einen Verstoß gegen den Pressekodex: Die “Bild”-Redaktion erhielt eine Rüge, weil das Aufstellen der Fotos, auch wenn es an einem öffentlichen Ort passierte, “nicht für die Medienöffentlichkeit und ohne Zustimmung der Abgebildeten oder Angehörigen” geschah.
1. Wie umgehen mit Fotos des Grauens? (deutschlandfunk.de, Annika Schneider)
Deutsche Medien gehen mit den schockierenden Fotos aus dem ukrainischen Butscha recht unterschiedlich um. Der Deutschlandfunk fasst die verschiedenen Abwägungen einiger Redaktionen zusammen. Außerdem kommen externe Experten und Expertinnen wie Petra Grimm, Leiterin des Instituts für Digitale Ethik, zu Wort.
Weiterer Lesehinweis: Der Deutsche Presserat appelliert an die Redaktionen, vor der Veröffentlichung von Kriegsbildern sorgsam zwischen dem Informationsinteresse der Leserschaft und den Interessen von Opfern und deren Angehörigen abzuwägen.
2. Die Narrative des Kremls (journalist.de, Thomas Urban)
Angesichts des Kriegs in der Ukraine stellen sich für Thomas Urban, mehr als zwei Jahrzehnte Osteuropa-Korrespondent für die “Süddeutsche Zeitung”, einige Fragen: “Was haben die deutschen Medien dazu beigetragen, dass man in Berlin Putins Grenzüberschreitungen so lange hingenommen hat? Warum sind einige Narrative des Kremls, die mit der Annexion der Krim und dem Krieg im Industrierevier Donbass 2014 ihren Ausgang nahmen, bis heute überaus wirksam geblieben?”
3. Morden und Manipulieren für Putin (spiegel.de, Christian Stöcker)
“Wie kann es sein, dass so viele Russen zu glauben scheinen, was der Kreml über den Krieg zusammenlügt?” In seiner “Spiegel”-Kolumne über die mediale Gleichschaltung in Russland stellt Christian Stöckers fest: “Putin und seine Berufsmörder sind auf die öffentliche Meinung weiterhin angewiesen. Sie haben deshalb schon vor langer Zeit dafür gesorgt, dass sie nahezu vollständig unter ihrer Kontrolle ist.”
4. Fernsehmesse vor Herausforderungen: Krieg, Corona – Cannes? (dwdl.de, Alexander Krei)
Seit gestern trifft sich die internationale Fernsehbranche zur Messe MIPTV in Cannes, doch viele Unternehmen haben abgesagt. Der Krieg in der Ukraine sorgt für weitere Unsicherheiten. Alexander Krei hat sich in der Branche umgehört, ob und mit welchen Erwartungen die Medienunternehmen nach Frankreich reisen und wie sie sich positionieren.
5. “Die Partizipation ist eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Jahre” (medienpolitik.net, Helmut Hartung)
Der Deutschlandfunk gehört nach neuesten Datenerhebungen weiterhin als einziges Informationsprogramm zu den zehn meistgehörten Radioprogrammen in Deutschland. Intendant Stefan Raue gibt sich im Interview bescheiden: “Wenn in komplizierten Zeiten, in denen die Bürgerinnen und Bürger Antworten auf die vielen Fragen erwarten, die Angebote von öffentlich-rechtlichen Informations- und Kulturangeboten nicht intensiv genutzt würden, hätten wir sehr viel falsch gemacht.”
6. Medienkomeptenz in Schulen: Glückssache? (verdi.de, Susanne Stracke-Neumann)
Vor drei Jahren startete die Initiative “Journalismus macht Schule”, mittlerweile ist daraus ein Verein “zur Förderung von Informations- und Nachrichtenkompetenz” geworden. Nach mehreren Online-Konferenzen gab es nun wieder eine Präsenz-Veranstaltung. Susanne Stracke-Neumann war vor Ort und hat genau zugehört.
In einer früheren Ausgabe dieser Rubrik haben wir über die Willkür geschrieben, mit der “Bild” Fotos von Verbrechensopfern (nicht) verpixelt. Während zum Beispiel zwei Frauen, die in Kiel ermordet wurden, konsequent ohne Verpixelung gezeigt wurden, wurde das Gesicht eines Mannes, der in Berlin ermordet wurde, konsequent unkenntlich gemacht.
Zwei Wochen später änderte die Redaktion dann plötzlich den Kurs – und zeigte auch den Mann ohne jede Unkenntlichmachung:
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag von uns.)
Insgesamt veröffentlichten die “Bild”-Medien in jener Woche (30. August bis 5. September) mindestens 20 Mal Fotos von Menschen, die Opfer eines Unglücks oder Verbrechens geworden sind. Sowohl in der Printausgabe als auch online erschienen zum Beispiel Fotos einer Frau, die mutmaßlich von ihrem Ehemann ermordet wurde:
Und Fotos einer Frau, die von ihrem Ehemann erschossen worden sein soll:
Gedruckt wurde auch ein Foto einer Frau und ihres Babys, die an einer Bushaltestelle ums Leben kamen:
Bild.de zeigte auch das Gesicht eines Rettungsschwimmers, der vom Blitz erschlagen wurde:
Und das einer Frau, die von ihrem Ehemann durch eine Explosion getötet worden sein soll:
Und das Foto eines Vaters und seines Kindes, die in einer Kellerwohnung ertrunken sind:
***
Drei Monate lang haben wir diese Praxis nun etwas genauer beobachtet. In dieser Zeit haben die “Bild”-Medien mindestens 355 Mal Fotos von Menschen gezeigt, die Opfer eines Unglücks oder Verbrechens geworden sind. In 40 Fällen von Minderjährigen.
In 22 Fällen waren die Gesichter verpixelt, in elf Fällen die Augen. In 322 Fällen verzichtete “Bild” auf jede Unkenntlichmachung.
Nur in 14 Fällen haben Angehörige der Veröffentlichung laut “Bild”-Angabe zugestimmt.
In vielen Fällen werden Freunde, Kollegen oder Familienmitglieder sogar vonReporternbedrängt, damit sie Fotos der Menschen herausrücken, die sie gerade verloren haben.
Wie jedoch viele Betroffene selbst darüber denken, kann man zum Beispiel hier nachlesen. Dort sagt der Vater eines Mädchens, das beim Amoklauf von Winnenden getötet wurde und deren Foto in den Tagen darauf immer wieder in der “Bild”-Zeitung erschien:
Die “Bild”-Zeitung und andere, auch Fernsehsender, ziehen Profit aus unserem Leid! Dreimal hintereinander sind Bilder [unserer Tochter] erschienen, ohne dass wir das gewollt hätten. Wir hätten das nie erlaubt. Die reißen die Bilder an sich und fragen nicht danach, was wir Hinterbliebenen denken und fühlen.
Pressekodex Richtlinie 8.2
Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.
In einem Interview in unserem Buch sagt ein anderer Betroffener, dessen Bruder bei einem Skiunfall gestorben ist und später ohne Erlaubnis der Angehörigen groß auf der Titelseite der ”Bild”-Zeitung zu sehen war:
Das war eines der schlimmsten Dinge an der Geschichte: Dass die “Bild” die Kontrolle darüber hat, mit welcher Erinnerung mein Bruder geht. Dass das letzte Bild von der “Bild”-Zeitung kontrolliert wird und nicht von ihm selbst oder von uns.
Auch in anderen Medien kommt es vor, dass solche Fotos veröffentlicht werden. Doch niemand macht es so häufig und so eifrig wie “Bild”. Mehr als die Hälfte aller Rügen, die der Presserat je gegen die “Bild”-Medien ausgesprochen hat, bezog sich auf die unzulässige Veröffentlichung von Opferfotos.
Um zu verdeutlichen, in welchem Ausmaß “Bild” auf diese Weise Profit aus dem Leid von Menschen zieht, wollen wir hier regelmäßig dokumentieren, wie häufig die “Bild”-Medien solche Fotos veröffentlichen.
So sieht es aus, wenn ein “Bild”-Reporter witwenschügewissenhaft recherchiert:
(Unkenntlichmachung von uns.)
Die Eltern, neben denen “Bild”-Mann Jörg Völkerling hier auf dem Sofa sitzt, haben vor Kurzem Ihre Tochter verloren. Sie starb mit ihrem Lebensgefährten bei einer Bootskollision auf dem Gardasee, die zwei Männer aus Deutschland verursacht haben sollen.
Bebildert ist der Artikel auch mit einem Foto der verstorbenen Frau, das der Reporter laut eigenen Angaben von den Eltern mitgegeben bekommen hat (und das auch davor schonoft von “Bild” veröffentlicht worden war):
(Unkenntlichmachung von uns. Die Eltern haben „Bild“ zwar offenbar eine Erlaubnis gegeben, doch es kommt immer wieder vor, dass Angehörige diese Entscheidung im Nachhinein bereuen.)
Solche Mühe machen sich die Leute von “Bild” aber eher selten, um an Fotos von Opfern zu gelangen. Oft reicht ihnen schon ein schneller Beutezug durch die Sozialen Netzwerke. Wie im Fall zweier Kinder, die bei Überschwemmungen in den USA ums Leben kamen und dann unverpixelt in der “Bild”-Zeitung und auf der Startseite von Bild.de zu sehen waren:
(Unkenntlichmachung von uns.)
Das Foto hat “Bild” sich auf Facebook besorgt.
Ebenso wie das einer Familie, deren Vater in Florida erschossen wurde:
(Unkenntlichmachung von uns.)
Auch in ausländischen Medien besorgt sich die “Bild”-Redaktion immer wieder Fotos von Opfern. Etwa das eines zweijährigen Mädchens, das in Brasilien durch einen Stromschlag ums Leben kam:
(Unkenntlichmachung von uns.)
Oder das zweier Brüder aus den USA, die innerhalb von zwölf Stunden beide an Corona starben:
(Unkenntlichmachung von uns.)
All diese Artikel sind innerhalb einer einzigen Woche (23. Bis 29. August) erschienen. Insgesamt veröffentlichten die “Bild”-Medien in diesem Zeitraum mindestens 35 Mal Fotos von Menschen, die Opfer eines Unglücks oder Verbrechens geworden sind, davon acht Mal Kinder. Die meisten davon waren, wie üblich, in keiner Weise unkenntlich gemacht.
Dabei hat “Bild” in der gleichen Woche selbst gezeigt, dass es auch anders geht:
Verpixelt wurden die Gesichter in diesem Fall nicht von uns, sondern von “Bild”.
Warum die beiden – im Gegensatz zu so vielen anderen – nicht gezeigt werden, erklärt “Bild” nicht. Klar ist aber: Geklickt und verbreitet wurde der Artikel trotzdem; allein bei Facebook sammelte er tausende Reaktionen. Dass diese Tatsache in der “Bild”-Redaktion die Erkenntnis reifen lässt, dass eben nicht jede Tragödie ein Gesicht braucht, wäre aber wohl doch zu viel erwartet.
In vielen Fällen werden Freunde, Kollegen oder Familienmitglieder sogar vonReporternbedrängt, damit sie Fotos der Menschen herausrücken, die sie gerade verloren haben.
Wie jedoch viele Betroffene selbst darüber denken, kann man zum Beispiel hier nachlesen. Dort sagt der Vater eines Mädchens, das beim Amoklauf von Winnenden getötet wurde und deren Foto in den Tagen darauf immer wieder in der “Bild”-Zeitung erschien:
Die “Bild”-Zeitung und andere, auch Fernsehsender, ziehen Profit aus unserem Leid! Dreimal hintereinander sind Bilder [unserer Tochter] erschienen, ohne dass wir das gewollt hätten. Wir hätten das nie erlaubt. Die reißen die Bilder an sich und fragen nicht danach, was wir Hinterbliebenen denken und fühlen.
Pressekodex Richtlinie 8.2
Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.
In einem Interview in unserem Buch sagt ein anderer Betroffener, dessen Bruder bei einem Skiunfall gestorben ist und später ohne Erlaubnis der Angehörigen groß auf der Titelseite der ”Bild”-Zeitung zu sehen war:
Das war eines der schlimmsten Dinge an der Geschichte: Dass die “Bild” die Kontrolle darüber hat, mit welcher Erinnerung mein Bruder geht. Dass das letzte Bild von der “Bild”-Zeitung kontrolliert wird und nicht von ihm selbst oder von uns.
Auch in anderen Medien kommt es vor, dass solche Fotos veröffentlicht werden. Doch niemand macht es so häufig und so eifrig wie “Bild”. Mehr als die Hälfte aller Rügen, die der Presserat je gegen die “Bild”-Medien ausgesprochen hat, bezog sich auf die unzulässige Veröffentlichung von Opferfotos.
Um zu verdeutlichen, in welchem Ausmaß “Bild” auf diese Weise Profit aus dem Leid von Menschen zieht, wollen wir hier regelmäßig dokumentieren, wie häufig die “Bild”-Medien solche Fotos veröffentlichen.
Vor dem Landgericht Kiel läuft zurzeit ein Prozess gegen einen Mann, der zwei Frauen getötet haben soll. “Bild” berichtet ausführlich darüber und zeigt dabei immer wieder unverpixelte Fotos der Opfer:
(Unkenntlichmachungen von uns.)
Vor dem Landgericht Berlin läuft zurzeit ein Prozess gegen einen Mann, der einen Mann getötet haben soll. “Bild” berichtet auch darüber ausführlich und zeigt dabei immer wieder Fotos des Opfers. Bloß: Während die Frauen im oben genannten Fall von “Bild” keinerlei Unkenntlichmachung bekommen, wird das Gesicht des männlichen Opfers jedes Mal verpixelt, zumindest seine Augenpartie:
(Unkenntlichmachung der Augen von “Bild”, restliche Unkenntlichmachung von uns.)
Daran lässt sich, wie so oft, die Willkür erkennen, die “Bild” bei der Unkenntlichmachung von Opfern walten lässt. Warum der Mann, die Frauen aber nicht? Und warum nur teilweise und nicht komplett?
In einem anderen Fall, bei einer Familie, die in Italien bei einem Seilbahnunglück ums Leben kam, hat “Bild” hingegen alle Gesichter vollständig verpixelt:
(Unkenntlichmachung der Gesichter von “Bild”, Unkenntlichmachung der Namen von uns.)
Das – und die Tatsache, dass in diesem Fall offenbar die Zustimmung der Angehörigen vorlag – ist jedoch die absolute Ausnahme. In der Regel gibt es weder eine Erlaubnis noch eine Unkenntlichmachung. (Hinzu kommt in diesem Fall: “Bild” hat zwar die Gesichter verpixelt, nennt aber so viele persönliche Details, dass sie trotzdem problemlos identifizierbar sind.)
Es kommt auch immer mal wieder vor, dass ein Gesicht online verpixelt ist, in der Printausgabe aber nicht. Und es kommt auch vor, dass “Bild”, wenn man fragt, warum das so ist, für den Hinweis dankt und das Gesicht online wieder entpixelt.
Diese Willkür herrscht nicht nur bei den Fotos von Opfern, sondern auch von Tätern und Verdächtigen. Etwa in den Beispielen vom Anfang: Den Angeklagten im Berliner Mordprozess zeigt “Bild” nur mit schwarzem Augenbalken. Im Kieler Mordprozess bekommt der Angeklagte hingegen keinen schwarzen Balken.
Und in einem anderen Fall erklärt “Bild” mit spürbarem Widerwillen:
In den meisten Fällen aber spricht die Redaktion sowohl Verdächtigen als auch Opfern die Persönlichkeitsrechte kurzerhand ab und zeigt sie ohne jede Verpixelung.
***
Insgesamt veröffentlichten die “Bild”-Medien in jener Woche (16. bis 22. August) mindestens 16 Mal Fotos von Menschen, die Opfer eines Unglücks oder Verbrechens geworden sind. (Dass die Zahl diesmal relativ niedrig ist, liegt vermutlich daran, dass in diesem Zeitraum die Ereignisse in Afghanistan, die bevorstehende Bundestagswahl und der Start von “Bild TV” einen großen Teil der Berichterstattung einnahmen.) In drei Fällen waren die Gesichter verpixelt, in zwei Fällen die Augen. In zwölf Fällen verzichtete “Bild” auf jede Unkenntlichmachung.
Gezeigt wurde zum Beispiel das Gesicht eines Mannes, der starb, als er eine ertrinkende Frau retten wollte:
(Unkenntlichmachungen von uns.)
Und das Gesicht eines 11-jährigen Jungen, der 2004 getötet wurde:
(Unkenntlichmachungen von uns.)
Und erneut das Gesicht eines Mannes, der nach einer Partynacht ertrunken ist:
(Unkenntlichmachungen von uns.)
Und erneut die Gesichter eines Paares, das bei einer Bootskollision ums Leben kam:
(Unkenntlichmachungen von uns.)
Und erneut das Gesicht einer Frau, die von ihren Brüdern getötet worden sein soll:
(Unkenntlichmachung von uns.)
Als Quelle steht unter den meisten dieser Fotos: “Privat”.
In vielen Fällen werden Freunde, Kollegen oder Familienmitglieder sogar vonReporternbedrängt, damit sie Fotos der Menschen herausrücken, die sie gerade verloren haben.
Wie jedoch viele Betroffene selbst darüber denken, kann man zum Beispiel hier nachlesen. Dort sagt der Vater eines Mädchens, das beim Amoklauf von Winnenden getötet wurde und deren Foto in den Tagen darauf immer wieder in der “Bild”-Zeitung erschien:
Die “Bild”-Zeitung und andere, auch Fernsehsender, ziehen Profit aus unserem Leid! Dreimal hintereinander sind Bilder [unserer Tochter] erschienen, ohne dass wir das gewollt hätten. Wir hätten das nie erlaubt. Die reißen die Bilder an sich und fragen nicht danach, was wir Hinterbliebenen denken und fühlen.
Pressekodex Richtlinie 8.2
Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.
In einem Interview in unserem Buch sagt ein anderer Betroffener, dessen Bruder bei einem Skiunfall gestorben ist und später ohne Erlaubnis der Angehörigen groß auf der Titelseite der ”Bild”-Zeitung zu sehen war:
Das war eines der schlimmsten Dinge an der Geschichte: Dass die “Bild” die Kontrolle darüber hat, mit welcher Erinnerung mein Bruder geht. Dass das letzte Bild von der “Bild”-Zeitung kontrolliert wird und nicht von ihm selbst oder von uns.
Auch in anderen Medien kommt es vor, dass solche Fotos veröffentlicht werden. Doch niemand macht es so häufig und so eifrig wie “Bild”. Mehr als die Hälfte aller Rügen, die der Presserat je gegen die “Bild”-Medien ausgesprochen hat, bezog sich auf die unzulässige Veröffentlichung von Opferfotos.
Um zu verdeutlichen, in welchem Ausmaß “Bild” auf diese Weise Profit aus dem Leid von Menschen zieht, wollen wir hier regelmäßig dokumentieren, wie häufig die “Bild”-Medien solche Fotos veröffentlichen.