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Georg Stefan Troller, Frontal 21, Tatort

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Schlag-Worte”
(sueddeutsche.de, Hans Leyendecker)
Friedbert Pflüger gewinnt im Streit um ein angebliches Goebbels-Zitat erneut gegen den Springer-Verlag: “Als die Geschichte im Sommer in der Welt am Sonntag erneut kolportiert wurde, hat sich Pflüger wieder gewehrt und ist wieder vor Gericht gezogen.”

2. “Offener Brief an Frontal21”
(stigma-videospiele.de)
Matthias Dittmayer und Patrik Schönfeldt schreiben einen offenen Brief an die Redaktion der ZDF-Sendung “Frontal 21”: “In dem Rückblick gelingt Ihnen hinsichtlich der Empörung der Gamer eine ‘Korrektur’: Es wird verschwiegen, dass der Protest der inhaltlich unzutreffenden Berichterstattung galt, sondern stattdessen wird der Anschein erweckt, dass die Reaktionen auf die erst durch spätere Sendungen erfolgte Thematisierung der Suchtgefahr abzielen würden.”

3. “German Internet Angst”
(burks.de)
Burkhard Schröder befasst sich mit Medienberichten zu staatlicher Spionage-Software. “Bei staatlicher Datenspionage greifen mittlerweile mediale Beißreflexe, die dem Diskurs über Drogen gleichen: Seit vier Jahrzehnten sind bei diesem alle Textbausteine und Argumente bekannt, sie werden in konjunkturellen Schüben aus moraltheologischen Gründen ständig wiederholt.”

4. “Glückwunsch, Herr Markwort”
(dieganzewahrheit.org, Thomas Weiss)
Die Focus.de-Schlagzeile “Islamistischer Terroranschlag auf Weihnachtsmarkt verhindert”: “Bereits Stunden nach den ersten Meldungen und im Laufe des Abends stellte sich nämlich heraus, dass es keine konkreten Anschlagspläne des Terrorverdächtigen gab, also weder in Bochum, noch auf dem dortigen Weihnachtsmarkt.”

5. “Wie erfährt man die Wahrheit, Herr Troller?”
(faz.net, Uwe Ebbinghaus)
Interviewer Georg Stefan Troller im Interview: “Natürlich kamen die alten Hasen gleich auf mich zu und sagten: ‘Herr Troller, es gibt nur drei Dinge, die wirklich rüberkommen: Tiere, Kinder und singende Nonnen.’ Nun, ich habe genau das Gegenteil gemacht, und es kam rüber, zum Entsetzen des Senders. Ich zeigte Leben, Schicksale, Armut, Behinderungen. Jeder ist irgendwie angeschlagen und auch nicht immer sympathisch.”

6. “Der typische Tatort in 123 Sekunden”
(youtube.com, Video, 2:06 Minuten)

dpa, sid  etc.

Nichts zu berichtigen

Der 13. Spieltag der Fußball-Bundesliga stand offensichtlich unter keinem guten Stern. Neben der medialen Überforderung in einem anderen Fall (BILDblog berichtete) gab es auch noch diese Schlagzeile, die so oder so ähnlich durch viele Medien ging (hier: “Welt Online”):

Bundesliga Hooligan verliert bei Fan-Randale in Köln einen Arm Während einer heftigen Auseinandersetzung zwischen gewalttätigen Fußballfans in Köln wurde ein Schläger vor einen Zug gestoßen. Er überlebte schwer verletzt.

Das Mitleid in den Leserkommentaren hält sich dabei in Grenzen. Auf “Welt Online” heißt es etwa:

Hooligan vs Hooligan, also nichts tragisches. Wer sich freiwillig und mutwillig in Gefahr begibt, muss halt mit den Konsequenzen rechnen. Gilt schließlich auch für jeden Straftäter.

Oder:

Hätte ruhig mehr als nur der Arm sein können, auf sowas kann man gut verzichten.
Wenigstens wird er wohl künftig Ruhe geben…zumindest eine Sorge weniger

Dass es sich bei dem verletzten Nürnberg-Fan überhaupt um einen Hooligan handeln soll, geht auf Berichte des bayrischen Landesdienstes von dpa und des Sportinformationsdienstes sid vom Sonntag zurück, deren Überschriften “Nürnberger Hooligan verliert Arm bei Schlägerei” bzw. “Schlägerei in Köln: Hooligan verliert Arm” lauteten. Im dpa-Bericht heißt es unter anderem:

Ein Nürnberger Fußball-Hooligan hat bei einer Schlägerei mit Mainzer Fans im Kölner Hauptbahnhof einen Arm verloren. (…) Das Opfer war der Polizei selbst als sogenannter “Gewalttäter Sport” bekannt und zur Personenkontrolle ausgeschrieben.

So eindeutig, wie dpa und sid sie darstellen, scheint die Sachlage jedoch nicht zu sein. Am Montag meldet sich die Nürnberger Ultraabspaltung “Banda di Amici” zu Wort und wehrt sich gegen die Bezeichnung des Verletzten als Hooligan:

Unser Gruppenmitglied (…) war weder einer der körperliche Gewalt gesucht hat, noch war er in irgendeiner Weise vorbestraft. Sein viel zitierter “Gewalttäter Sport” Eintrag stammt von den Vorfällen beim Derby Heimspiel im Februar 2010, wo er einen Freispruch erster Klasse erhielt.

Auch der Nürnberger Sport-Vorstand Martin Bader sagt in einem Interview auf fcn.de, dass der verletzte Clubfan seinen Informationen zufolge kein Hooligan ist. Und im Onlineauftritt des “Kölner Stadtanzeigers” heißt es:

Der Kölner Oberstaatsanwalt Alf Willwacher konnte Medienberichte nicht bestätigen, nach denen es sich bei dem Opfer um einen polizeibekannten Hooligan handeln soll.

In der “Allgemeinen Zeitung” und auf nordbayern.de, dem gemeinsamen Onlineauftritt der “Nürnberger Nachrichten” und der “Nürnberger Zeitung”, werden sogar ernsthafte Zweifel an der ursprünglichen Darstellung laut. So wird inzwischen auch ein Unfall nicht mehr ausgeschlossen:

Zeugen, die keiner Fangruppe angehören, gaben mittlerweile Hinweise darauf, dass es sich auch um einen Unfall gehandelt haben könnte. “Sie haben ausgesagt, dass der 19-Jährige über die Bahngleise gelaufen war und dabei vor den Zug gefallen sei”, sagte der ermittelnde Kölner Oberstaatsanwalt Alf Willwacher der Nürnberger Zeitung. Die Ermittlungen laufen nun in beide Richtungen.

Kein Wunder also, dass sich jetzt auch noch die “Rot-Schwarze Hilfe”, eine Art Hilfsorganisation für FCN-Fans, die mit Justiz oder Presse in Konflikt geraten sind, eingeschaltet hat. Sie schreibt:

Tatsache ist, dass der Geschädigte (Mitglied der RSH) noch nie strafrechtlich verurteilt wurde. Die Nürnberger Polizei hat ausdrücklich bestätigt, dass die Pressemeldung der Deutschen Presseagentur von gestern falsch ist.

Über den für den Fall zuständigen RSH-Anwalt wurde daher die Deutsche Presseagentur aufgefordert, die Meldung zu widerrufen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung noch am heutigen Tage abzugeben.

Die Deutsche Presseagentur bestätigte uns gegenüber den Eingang einer Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung, wies die Vorwürfe jedoch zurück und flüchtete sich in Details:

1. Ja, wir sind durch einen Anwalt zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert worden.

2. Nein, wir haben keine solche Erklärung abgegeben und werden das nach derzeitigem Erkenntnisstand auch nicht tun.

3. Unsere Berichterstattung war nicht falsch, sondern jederzeit durch gute Quellen bei Polizeibehörden gedeckt.

(…)

Was die Verwendung des Begriffs “Hooligan” angeht (…): Wir schreiben in unserer Berichterstattung im Konjunktiv und unter Verweis auf die uns vorliegenden Polizeiquellen, der Betroffene sei “der Polizei als sogenannter ‘Gewalttäter Sport’ bekannt”. Wir behaupten nicht selbst, dass er ein solcher “Gewalttäter Sport” ist. Dass sein Mandant in der entsprechenden Datei als “Gewalttäter Sport” geführt wird, hat übrigens auch sein Anwalt uns gegenüber nicht bestritten – er erklärt lediglich, eine solche Eintragung in die Datei sei nicht gleichzusetzen mit der Behauptung, der Betroffene sei auch tatsächlich ein “Gewalttäter”. Aber, wie gesagt, dies hat die dpa ja auch nie behauptet.

Die dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH hat an ihrer Berichterstattung nichts zu widerrufen oder zu berichtigen.

Man muss wohl schon Jurist (oder dpa-Mitarbeiter) sein, um in den Sätzen “Ein Nürnberger Fußball-Hooligan hat bei einer Schlägerei (…) einen Arm verloren” und “Das Opfer war der Polizei selbst als sogenannter ‘Gewalttäter Sport’ bekannt und zur Personenkontrolle ausgeschrieben” die feine Nuancierung zu erkennen, dass es sich nur um einen “Hooligan” oder “Gewalttäter Sport” handeln könnte.

Unterdessen hat dapd schon längst eine neue Nachricht gemeldet. Die Überschrift lautet: “Verunglückter Fan kein Hooligan”

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

Nachtrag, 27. Oktober: In einer Meldung vom Freitag geht jetzt auch dpa deutlich differenzierter mit dem Fall um. Unter anderem heißt es dort:

Der 19-Jährige wird nach Angaben des bayerischen Innenministeriums in der Datei “Gewalttäter Sport” geführt. Auf diese Liste kann man nach Polizei-Angaben auch kommen, ohne jemals selbst gewalttätig geworden zu sein. Es kann dafür ausreichen, dass jemand zu einer Gruppe gerechnet wird, aus der heraus Straftaten begangen werden. Das bayerische Innenministerium will keine Angaben dazu machen, weshalb der 19-Jährige in die Gewalttäter-Datei aufgenommen wurde.

Der junge Mann hat mittlerweile über seinen Anwalt Jahn-Rüdiger Albert bestreiten lassen, dass er Gewalttäter sei. “Mein Mandant ist keinHooligan und gehört auch keiner Hooligan-Gruppierung an”, versicherte Albert. Der 19-Jährige sei auch zu keinem Zeitpunkt verurteilt worden, weder wegen einer Gewalttat im Zusammenhang mit einem Fußballspiel noch wegen sonstiger Delikte.

Die Rot-Schwarze Hilfe nennt diese Zeilen einen “riesigen Erfolg” und sieht darin ein Einknicken der dpa.

Prince Charming

Prinz Harry, Dritter der britischen Thronfolge und von den Boulevard-Medien gern als arger Hallodri beschrieben, weilt ob seiner Pilotenausbildung derzeit im Städtchen Gila Bend in Arizona.

Die britische “Daily Mail”, als Quelle für seriöse Berichterstattung in etwa so tauglich wie die gesammelten Grimm’schen Märchen, berichtete vergangene Woche, der Prinz sei dort etwas reserviert empfangen worden:

Ron Henry, Bürgermeister der 1.700-Seelen-Gemeinde, in der viele Einwohner streng gläubige Christen sind, sagt, Harry solle aufpassen, da ihm sein Ruf als Frauenheld vorauseilt.

“Hier gibt es bestimmt einige Väter, die zu extremen Mitteln greifen würden, um ihre Töchter zu beschützen”, sagte Mr. Henry, 64. “Einige der Väter würden nicht zimperlich mit einem Prinz umspringen, der sich des Nachts vergnügt.”

(Übersetzung von uns.)

Mal mit, mal ohne Nennung der Quelle “Daily Mail” hat sich diese Geschichte in den vergangenen Tagen auch in deutschsprachigen Medien verbreitet — zugegebenermaßen vor allem in solchen, die mit der Seriosität von Grimms Märchen nicht wirklich mithalten können: RTL.de, “Focus Online”, blick.ch, mopo.de oder der “Berliner Kurier” hatten darüber berichtet.

Die Geschichte verliert allerdings ein wenig dadurch, dass die Stadtverwaltung von Gila Bend schon am Tag, als der Artikel in der “Daily Mail” erschienen war, die angeblichen Zitate des Bürgermeisters brüsk zurückgewiesen hatte:

Unglücklicherweise hat die “Daily Mail” am 7. November 2011 eine schäbige und erfundene Geschichte aufgeschrieben. Bürgermeister Henry erklärte: “Ich bin tief betrübt, dass die “Daily Mail” Bemerkungen nicht nur aus dem Zusammenhang gerissen, sondern auch vollständig erdichtet hat. Tatsächlich waren die negativen Bemerkungen die Worte des Reporters, der sich entschieden hat, eine Geschichte lieber aufzubauschen und zu erfinden, als die Wahrheit zu berichten. Ich würde niemals solche seltsamen Äußerungen machen. Wir haben enormen Respekt und Verehrung für Prinz Harry und die königliche Familie. Wir sind aufgeregt, stolz und geehrt, ihn in unserer Gemeinde zu haben, und wir werden alles dafür tun, dass sein Aufenthalt so angenehm wie möglich wird.”

(Übersetzung von uns.)

Mit Dank an Konstantin K.

Griechen raus!

In dieser Woche haben sich ja die Ereignisse in der Griechenland-Krise förmlich überschlagen. Grund genug für “Bild” und Bild.de die mit Leidenschaft geführte Hetzkampagne gegen die “Pleite-Griechen” (BILDblog berichtete mehrfach) noch weiter auf die Spitze zu treiben.

Als Anfang der Woche bekannt wird, dass der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou eine Volksabstimmung über die empfindlichen Sparmaßnahmen plant, die mit dem zuvor beschlossenen Schuldenschnitt einhergehen, titelt Bild.de wenig diplomatisch:

Euro-Zocker Papandreou löst neue Krise aus Will uns der Griechen-Premier verarschen?

Ausgerechnet der windige Krawallnachwuchsjournalist Paul Ronzheimer, der bei seiner unsäglichen Drachmenrückgabeaktion vor einem Jahr bewiesen hat, dass er selbst ein hervorragender “Verarscher” ist, schreibt Sätze wie:

Alle fragen sich: warum tut Papandreou das? Warum jetzt? Will er uns verarschen? (…)

Der Euro-Zocker

(…)

Was zockt der Griechen-Premier?

Diese Reaktion ist schon allein deswegen bemerkenswert, weil eine Volksabstimmung den von “Bild” seit langem geforderten Austritt Griechenlands aus der Eurozone erheblich hätte beschleunigen können. Aber auch das vereinnahmende “uns” und “alle” ist unangebracht, wenn man bedenkt, dass es durchaus auch Stimmen gab, die die Entscheidung von Papandreou begrüßten.

Wie ein trotziges Kind forderte “Bild” dann am Donnerstag unverhohlen auf der Titelseite:

Nehmt den Griechen den Euro weg! Frau Merkel, wir wollen auch eine Volksabstimmung!

Die Marschrichtung ist deutlich. “Bild” glaubt wieder einmal für alle Deutschen sprechen zu können:

JETZT REICHT ES UNS! Wir bürgen für Hunderte Milliarden Euro, um die Pleite-Griechen zu retten – und dort soll erst eine Volksabstimmung klären, ob überhaupt gespart wird. Jetzt wollen wir auch eine Volksabstimmung: keine Milliarden mehr für Griechenland, Griechenland raus aus dem Euro!

Und den passenden “Stimmzettel” liefert “Bild” auch gleich mit (man beachte die falschen Landesfarben Schwarz-Schwarz-Rot):

Stimmzettel

Dieser Stimmzettel ist in seiner geballten Suggestivität und Einseitigkeit ein eindrucksvolles Zeugnis des Demokratieverständnisses von “Bild”: Kein Wort darüber, dass es vor allem deutsche Banken sind, die griechische Staatsanleihen halten und ohne die Milliardenhilfen ins Straucheln kommen würden. Kein Wort darüber, dass es rechtlich kaum möglich ist, dass die EU (und schon gar nicht Deutschland) den “Pleitegriechen (…) den Euro wegnimmt”. Kein Wort zu den bereits umgesetzten und geplanten Reformen und Sparmaßnahmen, für die Griechenland erst kürzlich gelobt wurde. Statt Informationen bietet “Bild” nur jede Menge Emotionen.

Selbst in einem späteren Artikel, in dem sich Bild.de dann doch mit den rechtlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzt, wird das “Wir-gegen-die” wie selbstverständlich aufrecht erhalten:

Drohender Bankrott in Athen Wie kriegen wir die Griechen aus dem Euro? BILD.de erklärt die Rechtslage und mögliche Folgen

Immerhin, das durch die geplante Volksabstimmung angeknackste Weltbild von “Bild” und Bild.de scheint wieder in Ordnung zu sein. Nachdem Papandreou aufgrund von innen- und außenpolitischem Druck die Volksabstimmung wieder abgesagt hat, sind die “Pleite-Griechen” wieder genau da, wo “Bild” sie anscheinend haben will – im Staub:

Euro-Krise beendet? Griechen kuschen vor Angela Merkules Papandreou bildet Not-Regierung! +++ Volksabstimmung abgesagt!

Schachbrett, Tyrannen, Bekennerschreiben

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wie wir mit Bekennerschreiben umgehen”
(blogs.taz.de/hausblog, Magda Schneider, Kai von Appen und Peter Müller)
Wie die “taz Hamburg” mit “sogenannten Bekennungen” umgeht. “In der Redaktion herrschte Einigkeit darüber, dass wir uns nicht zu Hilfspolizisten machen lassen wollten. Denn ein Bekennerschreiben, das meist nicht von den Akteuren selbst stammt, hat rechtlich die gleiche Qualität wie von Informanten zugespieltes Material – es unterliegt dem Redaktionsgeheimnis. Deshalb schafften wir uns einen fiktiven Redaktionskater an, der noch bei laufender Produktion die Briefe verspeiste – was wir auch in der Zeitung mitteilten. Das verschonte uns sicherlich von vielen unangenehmen Hausbesuchen.”

2. “Lieber gut kopiert als …”
(oldenburger-lokalteil.de)
Der “Oldenburger Lokalteil” lädt ein zum Spiel “Welches ist die Pressemitteilung, welches der Zeitungsartikel?”. “Wenn Sie die Lösung haben, schicken Sie sie einfach an die Nordwest-Zeitung bzw. an das Delmenhorster Kreisblatt.”

3. “Die Inszenierung des Tyrannen-Todes”
(visdp.de)
“V.i.S.d.P.” spricht mit Historiker Thomas Großbölting über die Inszenierung der Tode von Benito Mussolini, Saddam Hussein, Osama bin Laden und Muammar al-Gaddafi: “Wenn man es gegenüber den Leserinnen und Lesern plausibel machen kann, dass die Wirklichkeit komplexer ist, als wir es uns in den Medienhypes und Bildikonen vorsetzen lassen, dann entsteht aus meiner Sicht wirklich guter Journalismus.”

4. “Strahlende Äpfel und giftige Birnen”
(wahrheitueberwahrheit.blogspot.com, Thomas)
“Fukushima war schlimmer als Tschernobyl” ist der Titel eines Artikels auf focus.de. “Anlaß zu dieser Meldung ist ein Bericht, wonach eventuell in Japan bis zu zweieinhalb Mal so viel radioaktive Edelgasisotope von Xenon und Krypton frei wurden als bei der Katastrophe von Tschernobyl.”

5. “Sogenannter Journalismus: Wie erzähle ich Fußballrandale?”
(publikative.org, Nicole Selmer)
Nicole Selmer macht sich Gedanken über die Berichterstattung zum Pokalspiel Borussia Dortmund gegen Dynamo Dresden.

6. “Komik statt Symbolik”
(stern.de, Florian Güßgen)
Wie Rainer Grünberg auf abendblatt.de zuerst bemerkt hat, ist das Schachbrett auf dem Titelbild des Buchs “Zug um Zug” von Helmut Schmidt und Peer Steinbrück falsch aufgestellt. Siehe dazu auch “Die Guttenbergs spielen nur mit weißen Figuren” (welt.de, Benjamin von Stuckrad-Barre, 21. Oktober 2010).

Helmut Markwort, FSK, Spiegel

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Helmut Markworts Kosmos”
(nollendorfblog.de, jk)
Helmut Markwort schreibt im “Focus” über Homosexuelle. “Was soll man zu jemand sagen, der ‘die Pose des Widerstands und der Ruf nach Toleranz’ lächerlich findet ‘in einer Zeit, in der sich führende Vertreter aller Parteien zu ihren homosexuellen Neigungen bekennen’? Kann es sein, dass Herr Markwort tatsächlich glaubt, das würde irgendeinen Eindruck auf den Schulhöfen machen, auf denen ‘Schwule Sau’ das häufigste Schimpfwort ist?”

2. “Biene Maja bis zur Volljährigkeit”
(gunnargeller.de)
Wie die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung” die aktuellen Altersfreigaben von Filmen kritisiert: “Das Ganze mieft nach den frühen Sechzigern, nach kleinbürgerlicher Aufregung über Sittenverfall und Negermusik und gammelnde Langhaarige, wird uns aber in einer Zeit präsentiert, in der via Internet Kinder und Jugendliche, die es wollen, nur ein paar Klicks brauchen um Fickfilmchen aller Art oder wahlweise auch Videos von Hinrichtungen oder Folterungen anzuschauen.”

3. “Gaddafi-Fotos ethisch nicht vertretbar”
(meedia.de, Christine Lübbers)
Elke Grittmann vom Insitut für Kommunikationswissenschaft an der Universität Münster kommentiert die Veröffentlichung letzter Bilder von Muammar al-Gaddafi: “In den Medien wird Diktatoren die letzte Würde abgesprochen. Bis heute wird die Tötung des Gegners oder Zurschaustellung von dessen Leiche auch benutzt, um diesen zu entwürdigen. Heute läuft diese Zurschaustellung über Fotos und Filme und erreicht damit eine viel größere Öffentlichkeit. Für Medien ist hier die Gefahr sehr groß, nicht nur zu dokumentieren, sondern selbst auch instrumentalisiert zu werden.” Siehe dazu auch “Ein Screenshot hat keine Würde” (sueddeutsche.de, Bernd Graff) und “Gaddafis Leiche: Schweizer Medien kennen keine Grenzen” (ottohostettler.wordpress.com).

4. “Sie, Peer, sind ein guter Kandidat”
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz kommentiert die aktuelle “Spiegel”-Titelgeschichte, eine “der merkwürdigsten Veranstaltungen der an Merkwürdigkeiten nicht armen ‘Spiegel’-Geschichte”. “Im Kern geht es darum, dass Helmut Schmidt zusammen mit Peer Steinbrück ein Buch veröffentlicht, dessen interessanteste Aussage vermutlich die ist, dass Schmidt seiner Partei Steinbrück offen als Kanzlerkanidat empfiehlt. Das wiederum veranlasst den ‘Spiegel’ zu einer Titelgeschichte, in der als Quintessenz steht, dass Schmidt Steinbrück als Kanzlerkandidat empfiehlt.”

5. “Wie Jenny aus Essen Thurgauerin wurde”
(20min.ch, A. Mustedanagic)
Obwohl nur Frauen mit Schweizer Wohnsitz in der “Blick”-Wahl zum “Girl des Jahres” zugelassen sind, schafft es ein Model aus Essen ins Finale.

6. “Wer ist Gerald, wer ist Matt?”
(kobuk.at, Susanna Fellner)
Gerald Matt und Matt Gerald.

dapd  

Immerhin sind es keine Schülerlotsen

Wenn es in den letzten Tagen um den drohenden Streik der deutschen Fluglotsen ging, bestimmte ein Bild die Berichterstattung:


(Bild.de)


(fr-online.de)


(“Focus Online”)


(“Tagesschau”)

Das Foto bebildert seit dem Sommer die Tarifauseinandersetzungen zwischen der Gewerkschaft der Fluglotsen (GdF) und der Deutschen Flugsicherung (DFS), ist aber auch anderweitig einsetzbar.

Verbreitet wird es von der Nachrichtenagentur dapd, die es in den letzten Tagen unter anderem mit diesem Text anbot:

ARCHIV: Eine Bodenlotsin ueberwacht auf dem Flughafen Frankfurt am Main startende und landende Flugzeuge von einem neuen Kontrollturm (Foto vom 23.04.10). Die Tarifgespraeche zwischen der Gewerkschaft der Fluglotsen (GdF) und der Deutschen Flugsicherung (DFS) sind nach Angaben der Arbeitgeber geplatzt. Die GdF habe auf umfangreichen Befoerderungen der Lotsen bestanden, teilte die DFS am Freitag (07.10.11) mit. Daher sei das Schlichtungsgespraech ergebnislos geblieben.

Das Bild entstand also in einem der Türme der Vorfeldkontrolle (Apron Control) des Frankfurter Flughafens. Der Frankfurter Flughafen beschreibt den Aufgabenbereich der Vorfeldlotsen so:

Die 80 Vorfeldlotsen der Fraport AG, die jeweils in drei Schichten im Einsatz sind, koordinieren rollende sowie geschleppte Flugzeuge auf ihrem Weg von der Parkpo­sition zum Bahnsystem und umgekehrt. Außerdem ob­liegt dem Team der Vorfeldkontrolle die Koordination der Leitfahrzeuge, auch Follow-mes genannt, und – bei Schneefall – die Steuerung des Winterdienstes zur Räumung des Bahnsystems.

Doch nicht genug, dass die Frau auf dem Symbolbild gar keine “startenden und landenden Flugzeuge” überwacht: Die Vorfeldlotsen sind Angestellte des Flughafenbetreibers Fraport AG und haben mit der DFS und deren Streikplanungen “gar nichts zu tun”, wie uns jemand bestätigte, der dort arbeitet. Wenn die Lotsen der DFS ihre Arbeit niederlegen, müssten die Vorfeldlotsen weiterarbeiten — sie hätten nur ziemlich wenig zu tun.

Mit Dank an Sarah E.

dapd  

Die Reisewarnung, die keine Reisewarnung ist

Wenn das Auswärtige Amt eine Reisewarnung herausgibt, berechtigt das zu einer kostenlosen Stornierung von Reisen in das betroffene Land.

Insofern dürften die Reiseveranstalter gerade gut zu tun haben:

Ausschreitungen. Auswärtiges Amt: Reisewarnung für Ägypten

Gut zu tun beim Versuch, den Kunden zu erklären, dass es gar keine offizielle Reisewarnung für Ägypten gibt, obwohl das etwa bei “Focus Online”, “RP Online”, beim “Hamburger Abendblatt” und der “B.Z.” zu lesen ist.

Das Auswärtige Amt gibt lediglich … na gut: “lediglich” diese Empfehlungen:

Reisenden in Ägypten wird weiterhin dringend empfohlen, Menschenansammlungen und Demonstrationen weiträumig zu meiden und die örtliche Medienberichterstattung aufmerksam zu verfolgen. Dieser Hinweis gilt insbesondere für die urbanen Zentren, und derzeit ganz besonders für das Gebiet um den Tahrir-Platz und das Fernsehgebäude (Maspero) in Kairo.

Reisen nach Ägypten sollten bis auf weiteres auf Kairo, Alexandria, die Urlaubsgebiete am Roten Meer, die Touristenzentren in Oberägypten (insbes. Luxor, Assuan) und auf geführte Touren in der Weißen und Schwarzen Wüste beschränkt werden. Von Einzelreisen an sonstige Orte und Landstriche wird aufgrund der nach wie vor unübersichtlichen und unsteten Sicherheitslage weiterhin abgeraten.

Die Nachrichtenagentur dapd war mit den feinen rechtlichen Unterschieden zwischen den “Aktuellen Hinweisen” des Auswärtigen Amts und einer offiziellen “Reisewarnung” offensichtlich nicht vertraut und hatte gestern in zwei Meldungen lautstark eine “Reisewarnung” verkündet.

Heute dann reichte dapd eine “Berichtigte Neufassung” nach:

Di 11.10.2011, 12:13, dapd – Nachrichtenagentur

Ägypten/DEU/Reisen/BER/NEU
(Berichtigte Neufassung)
Auswärtiges Amt aktualisiert Reisehinweise für Ägypten
– (korrigiert Meldung und Zusammenfassung von Montagabend. Es gab lediglich einen aktualisierten Reisehinweis, keine Warnung) =

Die Medien haben diese neue Version weitgehend ignoriert.

Mit Dank an Robert Sch.

Stoibers Problem-Mär

Edmund Stoiber hat sich außerhalb Bayerns vor allem mit zwei Aktionen ins kollektive Gedächtnis eingebrannt: Dem Versuch, die Vorzüge einer Transrapidstrecke zwischen Hauptbahnhof und Flughafen in München zu erläutern, und dem Versuch, im Jahr 2002 Bundeskanzler zu werden. Beobachter sind sich immer noch uneins, was ihm gründlicher misslungen ist.

Anlässlich seines gestrigen 70. Geburtstags waren die bestimmenden Themen in den medialen Huldigungen Stoibers entsprechend seine “gestammelten Werke” und jener verhängnisvolle Abend, als er sich schon als strahlender Wahlsieger feiern ließ und später “ein Glas Champagner öffnen” wollte.

“Focus Online”:

Wohl kein Kanzlerkandidat scheiterte so knapp wie Edmund Stoiber. 0,01 Prozent, rund 6000 Stimmen, fehlten ihm am Wahlabend des 22. September 2002 zur Mehrheit, als er sich nach ersten Hochrechnungen bereits zum Sieger erklärt hatte, dann aber doch Gerhard Schröder Kanzler blieb.

“Rheinische Post”:

Ob als Regierungschef in München, als CSU-Chef (1999–2007), ob als 2002 an 6000 Stimmen gescheiterter Kanzlerkandidat der Union: Stoiber spielte immer mit höchstem Einsatz – ein Rackerer auf dem Platz mit bayerischer Kapitänsbinde.

“Bild München”:

Das herausragende Ergebnis war auch ein Trost für die wohl schwerste Niederlage im politischen Leben Stoibers, die er nur ein Jahr zuvor erlitten hatte: gegen Gerhard Schröder (SPD) im Kampf um das Bundeskanzleramt. Mit nahezu lächerlichen 6000 Wähler-Stimmen Unterschied…

“Bild”:

Er war das Gesicht der CSU, der erfolgreichste Ministerpräsident Deutschlands, und mit gut 6000 Stimmen mehr wäre er 2002 auch Kanzler geworden: Heute feiert Edmund Stoiber seinen 70. Geburtstag!

Das Gerücht, dass Stoiber nur rund 6.000 Stimmen gefehlt hätten, um Kanzler zu werden, hält sich seit Jahren hartnäckig in den Medien.

Und tatsächlich hatte die SPD bei der Bundestagswahl 2002 nur “nahezu lächerliche” 6.027 Zweitstimmen mehr erhalten als CDU und CSU zusammen — und doch ist unwahrscheinlich, dass Stoiber Kanzler geworden wäre, wenn er damals nur 6.028 Stimmen mehr bekommen hätte: Die Grünen, die damals mit der SPD die Regierungskoalition stellten, hatten nämlich gleichzeitig 571.540 Stimmen mehr erhalten als Stoibers Wunschkoalitionspartner FDP.

Stoibers Union ist denkbar knapp der SPD unterlegen; aber die Kanzlerschaft hat er deutlich verpasst.

Mit Dank an Tilman Sch.

Weimerer Klassizismus

“Weimers Woche” ist erstens eine Alliteration und zweitens der Titel einer Kolumne, die der damalige Chefredakteur des Politmagazins “Cicero”, Wolfram Weimer, bis Ende 2009 fürs “Handelsblatt” und für stern.de geschrieben hat. Dann wurde Weimer Chefredakteur der Illustrierten “Focus”, wo er im Juli dieses Jahres nach einem “Machtkampf” mit “Focus”-Gründer Helmut Markwort gehen musste — bzw. um sich nach offizieller Sprachregelung “neuen Projekten zuwenden zu können”.

Zuvor wendet sich Wolfram Weimer aber erst mal alten Projekten zu und hat fürs “Handelsblatt” seine Kolumne wiederbelebt. In der ersten Ausgabe vergangene Woche widmete er sich den “Sündenböcken” des politischen Berlins, also dem Papst, den Banken und der FDP:

Regierung schwach, Börsen panisch, Euro marode, Sonntag zu selten, Auto kaputt, Milch sauer? Berlin weiß: Entweder war es Philipp Rösler, Josef Ackermann oder Benedikt XVI.

Dabei ist die Bundesregierung mindestens so schlimm wie die Banken, sagt Weimer, und hebt zur Verteidigung der letzteren an:

Unsere Generation hat über Jahrzehnte noch nicht ein einziges Jahr mit einem ausgeglichenen Bundeshaushalt erlebt – egal übrigens, welche Partei gerade regiert hat. Selbst wenn wir all unsere Banken – private haben wir sowieso kaum noch welche – verstaatlicht hätten und den Euro wieder abschafften – der Schuldenberg Europas müsste doch bezahlt werden. Dass Berlin also die Banken in Frankfurt als “verantwortungslose Kreditteufel” attackiert, ist ein Witz.

Ja, das ist ein Witz. Sogar einer mit einer Pointe.

Denn was findet man, wenn man bei Google nach “verantwortungslose Kreditteufel” sucht?

Wenig, sehr wenig. Genau genommen nur eine einzelne Kolumne über die amerikanische Bankenkrise aus dem Jahr 2008.

Vor allem die Politiker Europas werfen sich in diesen Tagen eifernd ins Zeug. In besserwisserischen Posen schwadronieren sie über den Atlantik, als gäbe es da drüben nur verantwortungslose Kreditteufel, während hier alle Soliditätsengel zu Hause seien.

Bei der Kolumne handelte es sich um “Weimers Woche” und es sieht ganz so aus, als hätte bisher niemand Wolfram Weimer den Gefallen getan, die “verantwortungslosen Kreditteufel” zu einem geflügelten Wort zu machen — zumindest so lange, bis Wolfram Weimer zurückkam.

P.S. Im Juli, als Weimer noch “Focus”-Chef war, hatte der Branchendienst “Werben & Verkaufen” geschrieben:

Unterdessen ist die positive Aufbruchstimmung vom Juli 2010 mittlerweile verflogen, die Redaktion spart nicht an Kritik. So mancher wundert sich, dass Weimer Texte, die er bereits an anderer Stelle veröffentlicht hat, im “Focus” reycelt. Wie beispielsweise im Text “Der Überflieger” (50/10) über Ex-Verteidigungsminister zu Guttenberg – ein Recycling seiner Laudatio, als der Ex-Verteidigungsminister “Politiker des Jahres 2009” wurde. Ebenfalls mehrfach genutzt: Ein Beitrag aus Weimers Vorgänger-Blatt “Cicero” vom August 2006 erschien erneut in “Focus” 18/11 als “Die Lücke, die Gott lässt.” Und: Im Extra-Heft zur Katastrophe in Fukushima brachte Wolfram Weimer in “Focus” die gleiche Zitate-Sammlung, wie sie schon in “Cicero” 2/05 zu lesen war. Auch das Memo “Die spielen Schuldenmonopoly” (51/10) erinnert stark an einen Blog-Beitrag Weimers aus dem Jahr 2008.

Mit Dank an Basti.

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