Suchergebnisse für ‘fakten’

Presserabatte, Münkler, Zimmermann

1. “Ist der Journalismus am Ende?”

(carta.info, Robert G. Picard)

Robert G. Picard mit einem aus seinem Blog “The Media Business” übersetzten Beitrag: “Journalismus ist kein Geschäftsmodell, keine Arbeitsstelle, kein Unternehmen, keine Branche, keine Medienart und kein Distributionssystem. Im Kern ist Journalismus eine Aktivität.”

2. “Herfried Münkler kämpft gegen das Internet”

(netzpolitik.org, markus)

Markus Beckedahl analysiert auf eine Kolumne des in Berlin lehrenden Politikprofessors Herfried Münkler in der Frankfurter Rundschau: “Hilfe. Sowas drucken Qualitätsmedien im Jahre 2009! Und da wundern sich Verlage, dass junge und gebildete Menschen sich keine Zeitungen mehr kaufen?”

3. “Presserabatte: Wie Journalisten um Prozente feilschen”

(ndr.de, Video, 11:25 Minuten)

“Ein günstiger Flug, ein ermäßigtes Auto, ein Computerschnäppchen – als Journalist zahlt man meist weniger als andere. Ohne großen Aufwand. Ganz einfach, weil sich Unternehmen positive Berichte erhoffen.”

4. Interview mit Albert P. Stäheli

(handelszeitung.ch, Gret Heer)

Der CEO der NZZ-Gruppe hat Sparmassnahmen eingeleitet, dennoch schreibt das Unternehmen Verluste. Er denkt nun über Einnahmen aus dem Internet nach. Die allgemeinen News sollen kostenlos bleiben: “Bei Finanzdienstleistungen, spezifischen Wirtschaftsthemen und Kommentaren von exzellenten Autoren ist eine Veränderung aber denkbar.”

5. Interview mit Russell Crowe

(morgenpost.de, Rüdiger Sturm)

Schauspieler Russell Crowe wäre gerne Journalist geworden. Allerdings: “Die Medien sind völlig zynisch geworden. Da nimmt man ein Stück Nichtigkeit und bläst es so auf, dass es in den freien Platz neben der Anzeige auf Seite fünf passt. Und die Generation, die damit aufwuchs, kann schon nicht mehr Unsinn von Wahrheit unterscheiden. Ich bin noch in einer Zeit groß geworden, wo bestimmte Zeitungen als unerschütterliche Vermittler von Fakten galten, aber das hat sich leider geändert.”

6. “Leiser Ruf nach dem Staat”

(weltwoche.ch, Kurt W. Zimmermann)

Kurt W. Zimmermann versucht das Kunststück, sich für “indirekte Beihilfen” des Staats an die etablierten Verlage auszusprechen und gleichzeitig dem Leser zu vermitteln, dass er eigentlich eine gegenteilige Haltung hat: “Wir haben an dieser Stelle immer liberale Positionen vertreten. Wir sind gewiss keine Etatisten. Aber wir wissen, dass die Medien vor wüsten Zeiten stehen. Sie brauchen Unterstützung vom Staat.”

Atlantische Fußballfeldausläufer

Variables Standardmaß

“Die Alpe di Siusi ist nun mal ein so schönes Stück alpiner Kulturlandschaft, ein so bedacht erschlossenes Naturgebiet auf 8000 Fußballfeldern Größe, dass man ihr auch das touristischste Großereignis nachsieht.”
(“Berliner Zeitung”, 16.5.09)

Die unter dem Namen “Raststätte Elbmarsch” geplanten Mega-Parkplätze sollen je Fahrtrichtung 120.000 Quadratmeter umfassen (…). Der Flächenbedarf entspricht sowohl für die Raststätte Ost wie auch für die Westseite jeweils zwölf Fußballfeldern.
(“Welt”, 4.5.09)

Die Gartenschau findet auf insgesamt 300 000 Quadratmetern statt (30 ha). (…) Von der Gesamtfläche sind knapp die Hälfte Rasenflächen — in der Größe von zirka 20 Fußballfeldern.
(“Tagesspiegel“, 24.4.09)

Das KaDeWe in Zahlen & Fakten: Die 60 000 Quadratmeter Verkaufsfläche entsprechen neun Fußballfeldern.
(“B.Z.”, 20.4.09)

Auf 66 000 Quadratmetern, das entspricht der Größe von acht Fußballfeldern, so Tropical Islands, gibt es den größten Indoor-Regenwald der Welt und Europas größte tropische Sauna-Landschaft sowie 200 Meter Sandstrand.
(“Berliner Morgenpost”, 3.02.09)

Gestern wurde der neue Super-Hangar von “Air Berlin” am Flughafen eingeweiht — und der sprengt alle bisher gekannten Dimensionen: 220 Meter lang, 90 Meter breit und 31 Meter hoch. Die Grundfläche entspricht der Größe von drei Fußballfeldern!
(“Express”, 29.4.09)

Heute stehen 1,5 Mio. Quadratmeter (qm) Bürofläche in Frankfurt leer, das entspricht in etwa der Fläche von 219 Fußballfeldern
(“Handelsblatt”, 30.1.09)

Jedes Storchenpaar benötige in der Nähe seines Horsts feuchtes Grünland in der Größe von 26 Fußballfeldern, um seine Brut satt zu bekommen.
(“Die Welt”, 6.3.09)

Er bewohnt Zimmer in der Größe halber Fußballfelder.
(“Berliner Zeitung”, 12.1.09)

Dann gebe es aber auf dem 16 000 Quadratmeter großen Tierheimgelände — 30 Fußballfelder würden hineinpassen — für weitere Bauten kaum noch Reserveflächen.
(“Berliner Morgenpost”, 4.01.09)

Wenige Monate später kam er nach Majdanek, ein KZ am Rande der Stadt Lublin auf einer Fläche so groß wie 380 Fußballfelder.
(“Der Spiegel”, 16.3.2009).

Die journalistische Standardmaßeinheit für alles, das größer ist als eine Handtasche und kleiner als Russland, ist das Fußballfeld. Das folgt der Logik, dass die meisten Menschen schon mal eines gesehen (oder sogar drauf gestanden) haben und sich deshalb ganz gut vorstellen können, wie groß so ein Platz ist, und beruht auf der etwas gewagten Annahme, dass wer sich eines vorstellen kann, sich auch viele vorstellen kann. Mathematisch heikel wird die Sache dadurch, dass die Größe eines Fußballfeldes gar nicht genau definiert ist — in der Regel aber sind es 68×105 Meter, also 7.140 m2, 0,714 Hektar oder 0,00714 km2.

Wirklich vorstellen können sich anscheinend aber auch Journalisten nicht mehr als höchstens zwei Handvoll Fußballfelder:

Doch zu Beginn der Suchaktion war das Absturzgebiet völlig unklar. So konzentrierten sich die Bergungsarbeiten auf ein gigantisches Gebiet: 6000 Quadratkilometer (etwa 750 Fußballfelder).

Beim Überschlagen hätte natürlich jemandem bei Bild.de auffallen können, dass die herbeizitierten Fußballfelder exakt 8 km2 groß wären. Oder, um es auf journalistisch zu sagen: etwa so groß wie 1120 Fußballfelder.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

dpa  etc.

Piratenpartei bringt Medien zum Kentern

In Schweden hat die Piratenpartei auf Anhieb einen Sitz im Europaparlament erobert. Auch in Deutschland stimmten gestern bemerkenswerte 0,9 Prozent für diese junge Partei, die von der “Bild”-Zeitung “Gaga-Verein” genannt wird.

Eigentlich war es also eine gute Idee von der deutschen Nachrichtenagentur dpa, kurz zu erklären, wer diese Piraten sind. Wenn sie es denn getan hätte. Stattdessen veröffentlichte sie gestern Abend um 21.22 Uhr und noch einmal um 22.50 Uhr folgenden Text:

Schwedische Internet-Piraten im EU-Parlament

Bei den Europawahlen in Schweden hat die für kostenlose Downloads aus dem Internet eintretende Piratenpartei aus dem Stand 7,4 Prozent der Stimmen geholt. (…) Hintergrund für die Kandidatur war die Verurteilung von vier Verantwortlichen der Internet-Tauschbörse The Pirate Bay wegen Verletzung des Urheberrechts. Die Börse ermöglicht das kostenlose Herunterladen von Musik, Filmen und Computersoftware aller Art. (…)

Richtig ist, dass die Piratenpartei für eine radikale Änderung des Urheberrechts kämpft. Das auf “kostenlose Downloads aus dem Internet” zu reduzieren, ist schon gewagt. Eindeutig falsch ist aber die Behauptung, dass das Pirate-Bay-Urteil Hintergrund der Kandidatur war. Das ist schon zeitlich unmöglich, weil es erst am 17. April 2009 fiel. Die Piratenpartei wurde am 1. Januar 2006 gegründet und hatte noch im selben Jahr angekündigt, bei der Europawahl antreten zu wollen. Piratenpartei und Pirate Bay entstammen derselben Bewegung, sind aber nicht direkt miteinander verbunden.

Weil sich die professionellen deutschen Online-Medien auf die ungeprüfte Weitergabe solcher Meldungen spezialisiert haben, stehen die Fehler von dpa heute überall: Auf den Online-Seiten von “Focus Online”, der “Frankfurter Neuen Presse”, der “Kieler Nachrichten”, der “Gießener Allgemeine”, der “Leipziger Volkszeitung”, der “Welt”, der “Süddeutschen Zeitung” und vielen anderen.

Die meisten haben auch gleich Foto und Bildtext von dpa übernommen, in dem es schlicht und falsch heißt:

Nachtrag, 15 Uhr. Um 13:21 Uhr hat dpa die Meldung teilweise korrigiert. In einer Berichtigung heißt es nun: “Hintergrund für den Erfolg der Kandidatur war die Verurteilung von vier Verantwortlichen der Internet-Tauschbörse The Pirate Bay wegen Verletzung des Urheberrechts. ”

Eine halbe Stunde später veröffentlichte die Nachrichtenagentur eine neue, differenziertere Meldung “Schwedische Piratenpartei auf Erfolgswelle”, mit der die meisten der oben genannten Online-Medien die alte Meldung ersetzt haben. “Focus Online” hat stattdessen eine etwas kryptische Korrektur veröffentlicht.

Die Online-Redaktion der “Frankfurter Neuen Presse” reagiert angesäuert auf die Kritik an der falschen Meldung:

Als ob wir diese Meldung wider besseres Wissen veröffentlicht hätten. Wie sollen Kunden von Nachrichtenagenturen, also Zeitungen, jede einzelne Meldung überprüfen? Hunderte, tausende täglich. Die Agenturen sind dazu da, dass sie uns korrekt recherchierte Meldungen und Artikel zukommen lassen. (…)

Mit Dank an David K. und Michi!

Bild  

Der nette, hilfsbereite Angreifer von nebenan

Bei manchen Geschichten, die wir auf dieser kleinen Seite so erzählen, hat man ein gewisses Gefühl dafür, wie der Fehler, den man da gerade schildert, entstanden sein könnte: Irgendwas wurde verwechselt, vielleicht auch mal schlampig recherchiert — oder man versteht einfach mal was falsch.

Und dann gibt es die Kategorie, bei denen man nur noch zwei Möglichkeiten entdeckt. Entweder, jemand hat etwas fürchterlich falsch verstanden. Oder frei erfunden. Bei der folgenden Geschichte muss man befürchten, dass auf sie letztere Variante zutrifft.

Erst einmal zu den Fakten: In München saß, wie die Polizei im einigermaßen umständlichen Deutsch eines Polizeiberichts schildert, ein 26-jähriger Serbe mit zwei Begleitern in einer Eisdiele. Die drei wurden plötzlich von einer Gruppe angegriffen, deren Größe die Polizei mit “10 bis 20” angibt. Angeführt wurde die Gruppe von einem 24-jährigen Türken. Offenbar hatte es die Gruppe insbesondere auf den Serben abgesehen. Sie malträtierte ihn mit Schlägen, benutzte dazu auch diverse Gegenstände — und umringte den Mann schließlich.

Den weiteren Verlauf schildert die Polizei so:

Dieser zog daraufhin ein Messer und stach auf die Angreifer ein. Er selbst trug Schnittverletzungen an beiden Händen davon, die ambulant in einem Krankenhaus versorgt werden mussten. Der 24-jährige Türke erlitt einen Stich in die Brust und verstarb wenig später in einem Münchner Krankenhaus.

Der 26-Jährige ist inzwischen wieder auf freiem Fuß und hat laut Staatsanwaltschaft keine Strafverfolgung zu befürchten, da er ganz offensichtlich aus Notwehr gehandelt hat.

Das ist die Geschichte, wie sie die Polizei erzählt (und auch andere Münchner Medien). Kommen wir jetzt zu der Geschichte, wie sie die Münchner Ausgabe der “Bild” schildert. Aus dem 24-jährigen Türken, den die Polizei als Rädelsführer und Hauptangreifer schildert, wird plötzlich ein Opfer. Ein Mann, der jedem gerne half — und den seine Hilfsbereitschaft das Leben gekostet hat, wie “Bild” säuselt:

Blutiges Ende einer Massenschlägerei in der Blumenau: Muskelmann vor Eiscafé tot gestochen. Immer so aufmerksam. Der Nachbarin die Einkaufstaschen hoch - und den Abfall runtergetragen. Wenn Freunde Hilfe brauchten – Eftal K. (24) war sofort da. Doch am Sonntagabend hätte Eftal sein Handy mal besser klingeln lassen. Denn dieser Anruf und seine Hilfbereitschaft führten ihn direkt in den Tod.

Und auch der Rest der Erzählung ist nicht weniger erstaunlich: Demnach war der 24-Jährige ursprünglich gar nicht dabei, als die Schlägerei zwischen den Jugendlichen begann. Dazu gekommen sei er erst, als einer seiner in die Prügelei verwickelten Freunde einen (O-Ton “Bild”) “verhängnisvollen Anruf ” absetzte: “Eftal hilf!”. Der hilfsbereite “Muskelmann” (ebenfalls O-Ton “Bild) sei direkt von der gegenüberliegenden Wohnung seiner Mutter an den Ort des Geschehens gelaufen — und dort erstochen worden: Er “starb weil er helfen wollte”.

Und wenn man schließlich ein wenig vergleicht, was von dem, was im Polizeibericht stand, in “Bild” angekommen ist, kommt man schnell zu dem Resultat: ungefähr gar nichts. Nur, warum das so ist, ist uns auch nach vierfachem Durchlesen der Geschichte nicht klar…

Mit Dank an Florian B.!

Ringier, Tages-Anzeiger, Herzinger

1. Interview mit Michael Ringier

(handelszeitung.ch, Alice Chalupny)

Der grösste Schweizer Verleger sieht die Zukunft seines Verlags offenbar nicht zwingend mit Journalismus verknüpft. Auf die Feststellung “Ringier wird mehr und mehr zu einem Versandhändler” entgegnet Michael Ringier: “Der Versandhandel ist ein gutes Geschäft. Hubert Burda verkauft ja auch Schirmständer – was solls? Solange das Geschäftsmodell erfolgreich ist?”

2. “Zukunft ohne Presse?”

(stern.de/blog, Karsten Lemm)

“Jahrzehntelang konnten Tageszeitungen, aber auch Zeitschriften wie der Stern, gut davon leben, dass Informationen eine relativ knappe Ware waren (…) Das funktioniert nicht mehr. Informationen sind praktisch wertlos geworden – eine Folge des Überangebots aus Daten, Fakten, Gerüchten, Nachrichten, Meldungen und Meinungen, die überall im Netz herumschwirren. Simple Marktwirtschaft.”

3. Tagi-Mitarbeiter demonstrieren gegen den Personalabbau

(persoenlich.com)

Journalisten des Tages-Anzeigers traten gestern vor das Gebäude, in dem sie arbeiten und demonstrierten gegen den geplanten Stellenabbau. “Eine derart massive Amputation” sei derzeit nicht nötig und vergrössere nur den Profit der Eigentümer, so die Personalkommission. Weitere Berichte bei tagesanzeiger.ch, klartext.ch und presseverein.ch.

4. “oe24-Netzwerk zwei Monate aus ÖWA ausgeschlossen”

(diepresse.com)

“Das ‘Österreich’-Onlineportal wird zwei Monate lang nicht in der Österreichischen Webanalyse (ÖWA) ausgewiesen – wegen ‘groben Verstößen gegen die Richtlinien’.”

5. “Einnahmen ohne Zuschauer”

(heise.de/tp, Peter Mühlbauer)

“Fernsehsender wollen Geld von elektronischen Programmzeitschriften”

6. “Wie ich im Internet zum Juden erklärt wurde”

(welt.de, Richard Herzinger)

Richard Herzinger schreibt einen langen Artikel über die doch eigentlich recht banale Tatsache, dass sein Wikipedia-Eintrag kurzzeitig falsche Angaben beinhaltete.

Leitartikel, Ballerspiele, Guardian

1. “Und er lebt doch, der Leitartikel!”

(cicero.de, Klaus Happrecht)

Für Klaus Happrecht lebt der deutsche Leitartikel “unangefochten fort – weil ihn niemand so recht wahrnimmt. Weil er keinen stört. Weil es ihm geht wie dem Opa und der Oma drüben im Austraghäusl, die in Frieden vor sich hin welken.”

2. “Die Online-Klassenbeste”

(sonntagszeitung.ch, Barnaby Skinner)

“‘The Guardian‘ in London pflegt seit Jahren sein Image als seriöse Web-Publikation – nun erntet er die Früchte dafür.”

3. “Kürzt den Journalisten das Gehalt”

(arlesheimreloaded.ch, Manfred Messmer)

Manfred Messmer, seit wenigen Monaten von seinen Aufgaben für das Newsnetz-Portal bazonline.ch befreit, stellt fest, dass Journalisten für einen Verlag “sauteuer” sind: “So ein Journalist ist gut bezahlt, fängt bei 70, 80’000 Franken an und kommt nach ein paar wenigen Jährchen im Dienst auf über 100’000 Franken und kann, wenn er etwas Job-hoppt gut und gerne 120, 130, 140’000 und mit Chefwürden ausgestattet auch etwas mehr heimtragen.”

4. Interview mit Robert Silvers

(derstandard.at, Doris Priesching)

Der Herausgeber der “The New York Review of Books” sieht “das Ende der 500 Jahre währenden Gutenberg-Epoche” gekommen: “Ich bin überzeugt davon, dass Bücher in Zukunft größtenteils auf Bildschirmen gelesen werden. Ich habe einen Kindle, wir verwenden ihn ständig zur Recherche. Im Moment kostet das Gerät noch 400 Dollar. Ich denke, es wird bald vier Dollar kosten.”

5. “Ich glaub, ich lass das mit dem Zeitunglesen wieder!”

(io1.blogspot.com, Patrik Tschudin)

Patrik Tschudin liest die Schweizer Sonntagszeitungen und findet nichts, dass man “wirklich wissen” muss. Eine Story der NZZaS über den Geheimdienst beleuchtet er näher: “Warum in aller Welt macht die NZZ am Sonntag auf der Frontseite auf mit dieser notdürftig zusammenschusterten, aufgeblasenen, faktenfreien, nur aus knapp lauwarmer Luft bestehenden Geschichte?”

6. “Wie ein gigantischer Sportverein”

(nzz.ch, Till Hein)

“Das ‘Gamen’ am PC wird zu Unrecht verteufelt, sagen Experten: Ballerspiele führen nicht zu Gewaltexzessen – und es gibt viele positive Effekte dieser umstrittenen Art der Freizeitgestaltung.”

Netzwerk Recherche

Am Montag hatten wir darüber berichtet, wie StudiVZ darauf reagiert, dass sich Medienvertreter in dem sozialen Netzwerk mit Fotos und Informationen über Jugendliche eindecken.

Logo der StudiVZ-Gruppe "Wenn ich tot bin, soll mein Bild nicht in die Bild-Zeitung!"Im Anschluss daran schrieben uns Leser, die fragten, wie sie einem solchen Bilderklau Vorschub leisten könnten (Korrektur von 16:19 Uhr: BILDblogger scheitert an der deutschen Sprache) einen solchen Bilderklau verhindern könnten. Eine richtige Antwort darauf hatten wir auch nicht, bis uns ein weiterer Leser schrieb, er habe gerade eine neue Gruppe bei StudiVZ gegründet: “Wenn ich tot bin, soll mein Bild nicht in die Bild-Zeitung!” Eine vielleicht etwas hilflose und symbolische Aktion, die aber immerhin auf das Problem aufmerksam macht.

Der folgende Tag allerdings zeigte, dass das Problem der Recherche in Sozialen Netzwerken kein “Bild”-spezifisches ist — und dass man nicht unbedingt tot sein muss, um unfreiwillig seine privaten Fotos in der Boulevardpresse wiederzufinden:

In Sankt Augustin hatte eine Schülerin offenbar einen Brandanschlag auf ihr Gymnasium geplant. Eine Mitschülerin stellte sich ihr in den Weg und wurde mit einem Messer verletzt. “Bild” berichtete am Dienstag groß über die “Heldin” und veröffentlichte dabei eine Kurz-Charakterisierung, die sich liest, als sei sie direkt aus dem Profil einen Sozialen Netzwerks zusammenkopiert:

Wer ist die hübsche Schülerin? Sie geht in die 11. Klasse und möchte später gerne in Paris studieren. Dennoch ist Ankes Lieblingsfach Englisch. Die begeisterte Tennis-Spielerin geht gerne shoppen, liest und reist viel. Raucher mag sie dagegen überhaupt nicht.

Auch der “Express” überrascht mit erstaunlichem Faktenwissen:

Ihr Opfer Janine, die davon träumt an der Sorbonne in Paris zu studieren, ist inzwischen in der Uni-Klinik notoperiert worden.

Beide Zeitungen haben nach eigenen Angaben den Namen der Verletzten geändert. Ihre Berichte sind mit Fotos des Mädchens garniert, auf denen das Gesicht verpixelt wurde. Es sieht ganz danach aus, dass sie aus dem Profil des Mädchens in einem Sozialen Netzwerk entnommen wurden. Auf Nachfrage erklärte SchuelerVZ, man prüfe gerade, ob die Fotos aus dem eigenen Angebot stammen.

Einen besonderen Einblick in den Arbeitsalltag von Boulevardjournalisten liefert ein Artikel in der “Rheinischen Post” (die in ihrer Printausgabe sogar den vollen Namen der 16-jährigen Tatverdächtigen angegeben hatte). Man meint, dem Autor Jürgen Stock seine Enttäuschung regelrecht anmerken zu können:

Alternativ hätte sie der “Rheinischen Post” kurz vor ihrem geplanten Amoklauf vielleicht auch einfach kurz ein paar biographische Notizen faxen können — das hätte Herrn Stock auch viel Zeit gespart.

Mit Dank auch an Falk E., Leonard E., Birgit H. und Fabian P.

6 zur re:publica'09: Klowände, Augenringe, Hosenträger

1. “Sind Blogs die ‘Klowände des Internets’?”

(welt.de, Michael Miersch)

Alan Posener, Henryk M. Broder, Juliette Guttmann, Frank Schäffler und Thierry Chervel äussern sich über dieses neue Internet. Chervel: “Ich habe im Jahr 2000 bei der ‘Süddeutschen’ gekündigt, wo man mich angeguckt hat wie ein Auto, weil sich die SZ für die beste Zeitung der Welt hält und man den Redakteursstatus als Adelsprädikat begreift.”

2. “01. april 2009”

(wirres.net, Felix Schwenzel)

Der erste April mit Felix Schwenzel an der re:publica: “robert basic grüsst mich und fängt an mit mir zu reden. ich verstehe jedes wort. er ist wirklich nett. allerdings finde ich heraus, dass er gar keine getönte brille trägt, sondern seine dunklen augenringe schatten aufs brillenglas werfen. kosmars neue brille ist dagegegen getönt. ”

3. “Twitter ist nicht genug”

(netzeitung.de, Maik Söhler)

“Im Internet kann derzeit man kaum noch eine Webseite aufrufen, ohne dass einem von dort sofort allerlei Sätze übers Twittern entgegenpurzeln. Twitterer sind überall, schreiben über alles, posten Fotos und Videos, ‘followen’ diesem und jenem und fassungslose Medien verstehen immer noch nicht, um was es dabei überhaupt geht. Aber auch sie twittern nun.”

4. “Shift happens: Nur wo?”

(carta.info, Matthias Schwenk)

“Ein Vergleich zeigt, dass allein die Harvard University unter ihren Dozenten der Business School aktuell 39 Blogs auflisten kann, während das Berkman Center der Harvard Law School auf 48 Blogs kommt. Darf man da fragen, warum in den USA bald schon jeder namhafte Professor ein Blog führt, während sich bei uns die führenden wissenschaftlichen Köpfe immer noch vornehm zurückhalten?”

5. “Die alte Garde”

(dondahlmann.de)

“Jakob Augstein, Inhaber und Verleger der ‘Freitag’ zum Beispiel, der heute auf dem Panel zum Thema ‘Medien im Wandel’ etwas schlecht gelaunt rum saß, war ein schönes Beispiel. Er stellte klar, dass es, zumindest im Moment, keine Alternative zum Print gibt. Nicht, weil die Angebote im Netz schlecht wären, sondern weil für große Teile der Politik und der Fakten-schaffenden Elite (Lobbys, Pressesprecher, Spin-Doktoren etc.) das Netz einfach nicht existent ist.”

6. “helden in hosenträgern”

(flannelapparel.blogspot.com)

“Warum die mutigen Medien, die in ihrem Biotop kein Blatt vor den Mund nehmen und immer wissen, was morgen schon wieder von gestern ist, nicht den Mut besitzen, am Tag der Eröffnung zarte Pflänzchen vor das Publikum zu lassen, Gesichter, die noch kaum jemand kennt, die etwas sagen, dass noch nicht von Blogs und anderen Medien zerkaut wurde, und die mehr Grips als Eitelkeit besitzen, fragt sich vermutlich das bunt gemischte Publikum.”

Der Scheinschwangerschaftsboom

“Bild” erklärt heute Ursula von der Leyen zur “Verliererin des Tages”, und das — um es gleich zu sagen — völlig zu Recht. Die Bundesfamilienministerin hatte vor gut drei Wochen stolz verkündet: “Die Deutschen kriegen wieder mehr Kinder.” In den ersten neun Monaten 2008 seien 3400 Kinder mehr zur Welt gekommen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Schon damals hätte man wissen können, dass der angebliche positive Trend vor allem auf Rechentricks beruhte — zum Beispiel dem, die (schlechten) Werte für Oktober zu ignorieren.

Von der Leyen hatte die Zahlen exklusiv vorab der “Bild am Sonntag” verraten. Agenturen und Medien verbreiteten sie unter Überschriften wie “Trend zu mehr Geburten hält an” oder “Mehr Geburten in Deutschland” (“Süddeutsche Zeitung”); “Bild”-Werbefigur Johannes B. Kerner feierte von der Leyen für ihren vermeintlichen Erfolg in seiner ZDF-Show, und “Bild” fand für die Meldung Platz auf der Titelseite:

Als ersten Satz machte sich “Bild” eine Formulierung der Familienministerin aus dem “BamS”-Interview zu eigen und schrieb:

In der Wirtschaftskrise hat der Nachwuchs Konjunktur.

Inzwischen ist offenkundig, dass der Jubel unangebracht war. Die Geburtenzahl ist im Oktober und November 2008 deutlich zurückgegangen — für die ersten elf Monate insgesamt ergibt das ebenfalls einen Rückgang.

So gesehen ist es also, wie gesagt, keine schlechte Idee, von der Leyen zur “Verliererin” zu erklären für ihre PR- und Rechentricks (auf die man selbst wie fast alle Medien hereingefallen ist). Aber “Bild” hat noch eine interessante Erklärung für den plötzlichen Trendwechsel: die Wirtschaftskrise.

Auch Familienministerin Ursula von der Leyen (50/CDU) bekommt die Krise zu spüren: Die Zahl der Geburten ging im November (–11,7 %) zum zweiten Mal in Folge stark zurück. In ihrem jüngsten Familienbericht hatte die Ministerin (sieben Kinder) noch einen Anstieg der Geburten gefeiert, sich dabei allerdings nur auf die Zahlen bis September 2008 gestützt. BILD meint: Krisen-Knick!

Mal abgesehen davon, dass “Bild” gerade erst den Eindruck vermittelt hatte, so eine Wirtschaftskrise sei gut fürs Kinderkriegen — könnte jemand der “Bild”-Redaktion erklären, wie lange eine Schwangerschaft dauert?

Mit Dank an Johannes B.!

Zoomer, Schawinski, Wagner

1. “…und es hat zoom gemacht!”
(zweipunktnull.org, Casi)
Zoomer.de wird nach nur einem Jahr wieder eingestellt. “Nee, Freunde – bei aller Liebe: Soooo richtig gut war das nicht immer, was Ihr da gemacht habt, und zum Glück habe ich diese Meinung nicht exklusiv.”

2. “Zoomer, Gemüse und Fehler”
(dondahlmann.de)
Zoomer fehlte es an der “nötigen Konsequenz und dem dazu gehörigen Mut”, meint Don Dahlmann. – “Dass das Portal nun dicht macht ist aber dennoch bedauerlich, weil es abermals das Signal aussendet, dass man im Netz nur erfolglos sein kann.”

3. Interview mit Roger Schawinski
(tagesanzeiger.ch, David Vonplon)
Roger Schawinski glaubt, dass das (ihn interviewende) Newsnetz schuld sein wird an den Abokündigungen der beteiligten Zeitungen: “Nun begehen die in Panik geratenen Zeitungen mit ihrer aggressiven Internetstrategie Selbstmord aus Angst vor dem Tod: Ich lese etwa am Abend auf Newsnetz jeweils jene Artikel gratis, für die ich zwölf Stunden später bezahlen soll. Das kann nicht lange gut gehen.”. Stattdessen rät er: “Die Medienhäuser sollten viel mehr auf die alten Stärken des Prints setzten und nicht die Klickzahlen im Internet als Grundlage nehmen für die Gewichtung der Artikel in der Zeitung. Wer das tut, degradiert das Printprodukt zur Zweitauswertung des Internets.”

Read On…

Blättern:  1 ... 75 76 77 ... 86