Suchergebnisse für ‘fakten’

Twitter vs. QAnon, Bayern-Razzia, Falsches Mallorca-Bild

1. Twitter dreht Pro-Trump-Verschwörungskult den Saft ab
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Twitter will den rechtsradikalen Verschwörungsideologen rund um QAnon den Nährboden entziehen und hat in den vergangenen Wochen bereits 7.000 Accounts gesperrt. Weitere 150.000 seien von einer Art Reichweitenbegrenzung betroffen. Markus Reuter kommentiert: “Dem US-Präsidenten Trump könnte durch die Maßnahmen auf Twitter eine äußerst aktive User-Basis im Wahlkampf wegbrechen, da es Überschneidungen zwischen seiner Kern- und der Verschwörungsanhängerschaft gibt.”

2. Science Slams: Kampf dem Fachchinesisch
(ndr.de, Jürgen Deppe)
Bei sogenannten Science Slams kämpfen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit kurzweiligen und unterhaltsamen Vorträgen um die Gunst des Publikums. Julia Offe organisiert und veranstaltet seit 2009 die verschiedensten wissenschaftlichen Wettstreite in Deutschland. Im Interview mit NDR Kultur spricht sie über Wissenschaftskommunikation und erklärt, warum der Charité-Virologe Christian Drosten ein ausgezeichnetes Beispiel für Wissenschaft auf Augenhöhe ist.

3. Bayernweite Razzia wegen Hasskommentaren im Netz
(spiegel.de)
Wie das bayerische Landeskriminalamt mitteilt, habe es bayernweite Durchsuchungen im Rahmen der Initiative “Justiz und Medien – Konsequent gegen Hass” gegeben. Ein lokaler Radiosender habe auf Facebook per Livestream Bilder einer Flüchtlingsdemonstration gezeigt. Daraufhin hätten mehrere bayerische Nutzer und Nutzerinnen strafbare Kommentare geschrieben, welche die Ermittlungen gegen sie ausgelöst hätten.

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4. Georg Löwisch: Es ist nicht unsere Aufgabe, Bischofsringe zu küssen
(katholisch.de, Steffen Zimmermann)
“Christ & Welt” war ursprünglich eine evangelisch-konservative und lange Zeit sehr erfolgreiche “Wochenzeitung für Glaube, Geist, Gesellschaft”. Nach mehreren Eigentümerwechseln wird sie seit einiger Zeit als Sonderbeilage der “Zeit” fortgeführt. Heute erscheint die erste Ausgabe unter der Leitung des neuen Chefredakteurs Georg Löwisch, der über 20 Jahre bei der “taz” beschäftigt war, zuletzt als Chefredakteur. Im Interview spricht Löwisch unter anderem über seine publizistischen Ziele und seine Haltung: “Unsere Aufgabe ist es, gegenüber der Institution und den Mächtigen in der Kirche streng zu sein. Es wäre, glaube ich, niemandem geholfen, wenn wir den Exzellenzen nur ehrfürchtig ihre Bischofsringe küssen würden.”

5. Wie wir die Welt sehen
(journalist.de, Ronja von Wurmb-Seibel)
Die Autorin, Filmemacherin und Journalistin Ronja von Wurmb-Seibel hat für die “Zeit” geschrieben und ist unter anderem Autorin eines Buchs über Afghanistan, wo sie auch für eine gewisse Zeit gelebt hat (“Ausgerechnet Kabul: 13 Geschichten vom Leben im Krieg”). In ihrem “Blick auf den Journalismus” erzählt sie von ihrem beruflichen Werdegang und ihrer persönlichen Entwicklung: “Je mehr ich mich mit Angst und ihren Folgen beschäftigte, desto besser verstand ich, warum sich meine Art, Geschichten zu erzählen, so grundlegend verändert hatte: Ich sah keinen Grund dafür, die Welt noch negativer darzustellen, als sie ohnehin schon ist. Noch negativer, als wir sie ohnehin schon sehen.”

6. Mallorca: Einige Medien nutzten ein nicht gekennzeichnetes Archivbild für aktuelle Berichterstattung
(correctiv.org, Kathrin Wesolowski)
“Focus Online” und Welt.de haben laut “Correctiv” in der aktuellen Berichterstattung ein altes und irreführendes Bild eines überfüllten Mallorca-Strands verwendet. Bei Welt.de illustrierte es die Schlagzeile “Hunderte Deutsche feiern am Ballermann – und missachten alle Corona-Regeln”. Aktuelle Live-Bilder einer Webcam würden jedoch einen weitgehend menschenleeren Strand ohne Strandliegen und Sonnenschirme zeigen.

Konflikt bei der “taz”, Rezos Antwort, Kritik zum Hasskriminalitätsgesetz

1. Schwerer Konflikt bei der “Taz”
(sueddeutsche.de, Elisa Britzelmeier & Jens Schneider)
Der Konflikt um eine umstrittene Kolumne in der “taz” über die Polizei scheint mittlerweile völlig eskaliert. Eine Mitteilung im Hausblog der “taz”, eine Stellungnahme der Chefredaktion und verschiedene Gegenstimmen (so die von Bettina Gaus und die von Stefan Reinecke) lösen sich ab, nun wolle angeblich sogar Innenminister Seehofer mit einer Anzeige reagieren.
Weiterer Lesehinweis: Darf die “taz” Yaghoobifarah kritisieren? (NDR.de, Daniel Bouhs & Inga Mathwig).

2. Die dümmsten und lustigsten Reaktionen
(youtube.com, Rezo, Video: 32:09 Minuten)
In seinem Video “Die Zerstörung der Presse” rechnete Youtuber Rezo mit verschiedenen Medien ab. Dies betraf nicht nur den Boulevard und Titel der Regenbogenpresse, sondern auch ernst zu nehmende Presseorgane und Redaktionen. Ein Dreh- und Angelpunkt seines Videos war eine Recherche, bei der sich der Youtuber angeschaut angeschaut hatte, wie über ihn berichtet wurde. Laut Rezo habe die Berichterstattung von “FAZ” und “Welt” eine hohe Fehlerquote aufgewiesen. Beide Medien reagierten auf die Vorwürfe: Die “FAZ” mit einem halbstündigen “Gegen-Video”, die “Welt” mit einem “Faktencheck” aus ihrer Sicht. Nun hat Rezo mit einem erneuten Video geantwortet, das den Eindruck einer zweiten “Zerstörung der Presse” aufkommen lässt.

3. Zahl der Bilder von Kindesmissbrauch im Netz in Coronakrise stark gestiegen
(spiegel.de, Max Hoppenstedt)
In der Zeit der Corona-Pandemie sei die Zahl der im Netz geteilten Bilder von Kindesmissbrauch sprunghaft angestiegen, so ein Bericht der EU-Polizeibehörde (PDF). Max Hoppenstedt erzählt von den wichtigsten Erkenntnissen der Ermittlerinnen und Ermittler und weist zum Schluss seines Artikels auf die #Say-No-Kampagne von Europol (englisch) hin.

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4. Wie es ist, ohne Chefredaktion zu arbeiten
(journalist.de, Laurenz Schreiner)
An der Deutschen Journalistenschule wird nicht nur theoretisch, sondern auch ganz praktisch gearbeitet: Ein Teil der Ausbildung umfasse die Produktion eines eigenen Magazins. Dieses Jahr habe sich die Lehrredaktion für ein neues Modell der Zusammenarbeit und gegen die üblichen Funktionsbezeichnungen sowie eine Chefredaktion entschieden. Laurenz Schreiner erzählt, wie es mit dem kollaborativen Team-Modell geklappt hat.

5. Das Gesetz, das Daten sammelt, statt Hass zu verhindern
(zeit.de, Henrik Oerding)
Vergangenen Donnerstag hat der Bundestag das “Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität” beschlossen, trotz einiger Bedenken von Fachleuten im Vorfeld. Das neue Gesetz sei zwar gut gemeint, aber nicht gut gemacht, wie Hendrik Oerding in seiner Analyse konstatiert: “Es verhindert Hass im Internet nicht, sondern gräbt bedenklich große Löcher in den Datenschutz aller Nutzerinnen: Es zwingt Internetseiten zur Datenspeicherung, erlaubt dem Bundeskriminalamt (BKA) Passwörter anzufordern und macht soziale Netzwerke zu Pseudopolizisten.”

6. John Bolton: «Grossartig für die USA» – und jetzt glaubwürdig?
(infosperber.ch, Christian Müller)
Donald Trumps ehemaliger Sicherheitsberater John Bolton hat ein Buch über seine Zeit mit dem US-amerikanischen Präsidenten geschrieben, das in zahlreichen Medien bereits vor Erscheinen für viel Aufmerksamkeit sorgt. Christian Müller rät den erwartungsvollen Trump-Kritikern jedoch, “die Geisteshaltung des Autors nicht zu vergessen – oder sich das Lesen ganz zu ersparen”. Bolton habe vor seinem Amtsantritt als Chairman des Think-Tanks “Gatestone Institute” gewirkt, einer ganz rechten Denkfabrik, die unter anderem für die Veröffentlichung anti-muslimischer Artikel bekannt ist.
Weiterer Lesehinweis (Archiv): Die Geschichtenerzähler: Beim “Gatestone Institute” entstehen Falschmeldungen, die bis nach Deutschland wandern (correctiv.org, Till Eckert & Cristina Helberg & Tania Röttger).

Billiger Ruf nach härteren Strafen, Umstrittene Wuhan-Doku, Irrglaube

1. Härter, härter, härter
(diekolumnisten.de, Heinrich Schmitz)
Der Jurist Heinrich Schmitz kommentiert die neue “Bild”-Kampagne für höhere Strafen bei Kindesmissbrauch und “Kinderpornographie”: “Wer den Missbrauch von Kindern verhindern will, muss früher ansetzen. Strafgesetze greifen immer erst, sobald eine Tat begangen wurde. Dann ist es zu spät. Aber – und das macht den großen Reiz von Gesetzesverschärfungen für Politiker aus – verschärfte Gesetze kosten nichts und lassen sich im Wahlkampf gut vermarkten. Das ist wohl der Hauptgrund, warum so gerne lautstark nach ihnen gerufen wird. Wirksame Maßnahmen hingegen sind teuer und unpopulär.”

2. Gesetz gegen Hasskriminalität im Netz soll verabschiedet werden
(spiegel.de, Frank Patalong)
Diese Woche stimmt der Bundestag über das “Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität” ab. Es gehe darum, die Identifizierung von Netz-Hetzern und -Hetzerinnen zu ermöglichen oder zu erleichtern sowie die Durchsetzbarkeit von Klagen zu verbessern. Der Gesetzesentwurf werde wahrscheinlich eine Mehrheit finden, doch es gebe auch Kritik an den neuen Bestimmungen, wie Frank Patalong erklärt.

3. Die ARD zeigt Chinas Kampf gegen Corona – wie China ihn sehen will
(uebermedien.de, Hinnerk Feldwisch-Drentrup)
Heute Abend um 22:45 Uhr strahlt das Erste die SWR-Doku “Die Story im Ersten: Wuhan – Chronik eines Ausbruchs” aus, zu der es bereits vor wenigen Tagen Kritik in der “SZ” gab. Bemängelt wurde zum Beispiel, dass die Filmproduktionsfirma nicht in China gewesen sei und stattdessen Material des chinesischen Propagandaapparats verarbeitet habe. Hinnerk Feldwisch-Drentrup hat den Fall für “Übermedien” nochmal gründlich aufgearbeitet: “Auch wenn der Sender sich ‘von Anfang an der nicht unheiklen Materiallage bewusst’ gewesen sei, wie ein Sprecher betont, übernimmt die Doku in weiten Strecken die Inszenierung der KP: Nach dieser kam in der Coronakrise die Wende, als die Zentralregierung in Peking ‘die Zügel’ in die Hand nahm. Dabei war Xi schon Anfang Januar über den Ausbruch informiert und damit befasst. Das lässt der Film aber ebenso unerwähnt wie viele andere Probleme aus der Frühphase der Pandemie.”

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4. Markus Lanz im ZDF: Ein Moderator verblüfft mit gewaltiger Ignoranz
(fr.de, Daland Segler)
Daland Segler kritisiert den ZDF-Moderator Markus Lanz, den er für politisch voreingenommen hält: “Drei Dinge sollte mitbringen, wer als Gast zu einer Talkshow geht: Selbstbewusstsein, Kompetenz beim Thema und eine gewisse Dickfelligkeit. Wer sich von Markus Lanz einladen lässt, braucht allerdings noch etwas mehr: Ein gerüttelt Maß an Masochismus. Wobei: Das gilt vor allem für Menschen, die der Moderator (der keiner ist), verdächtigt, links zu sein.”

5. Verschwörungstheorien: Was gegen den Irrglauben hilft
(aerzteblatt.de, Alina Reichardt)
Alina Reichardt wendet sich mit ihrem Beitrag über Verschwörungserzählungen vornehmlich an Ärztinnen und Ärzte. Im medizinischen Alltag gebe es immer wieder Patientinnen und Patienten, die dem klassischen Gesundheitssystem und “der Schulmedizin” misstrauisch gegenüberständen, weil sie allerlei Mythen, Spekulationen und Verschwörungsideen aufsäßen. Der Artikel ist auch für medizinische Laien geeignet und kann dazu beitragen, die Gründe für derartige Verhaltens- und Denkmuster besser zu verstehen.

6. “Immer die gleiche Polizeiarbeit”
(taz.de, Erica Zingher)
Die “taz” hat sich mit der Kulturwissenschaftlerin und Literaturexpertin Sandra Beck über Krimis unterhalten. Wie wirken sich TV-Polizeiserien auf unser Verständnis von Wahrheit und Gerechtigkeit aus? Warum sind Polizeigewalt und Rassismus in Polizeiserien eher selten ein Thema? Und wie könnte eine neue Ethik des Erzählens im Krimi aussehen?

Antworten auf Rezo, Aus für “Bento”, Tichy vs. Roth 0:2

1. Die Verhöhnung der Presse
(faz.net, Constantin van Lijnden, Video: 31:00 Minuten)
In seinem Video “Die Zerstörung der Presse” rechnet Youtuber Rezo mit verschiedenen Medien ab. Vor allem hat er es auf Boulevardredaktionen und Titel der Regenbogenpresse abgesehen, erhebt aber auch anderen Medien gegenüber schwere Vorwürfe. Ein Dreh- und Angelpunkt seines Videos ist eine Untersuchung, bei der er selbst der Untersuchungsgegenstand ist: Rezo hatte sich angeschaut, wie über ihn berichtet wurde. Die Berichterstattung der “FAZ” sei dabei seiner Ansicht nach besonders fehlerhaft gewesen. Dort hat man nun mit einem Antwortvideo reagiert, das gleichzeitig eine Art Gegenschlag ist. Rezo “verbrämt eine persönliche Abrechnung als aufklärerische Medienkritik – und bedient sich dabei genau der manipulativen Techniken, die er zu entlarven vorgibt.” (Wer lieber lesen statt schauen möchte: Hier gibt es die schriftliche Stellungnahme zum Vorwurf falscher Berichterstattung.)
Weiterer Lesehinweis: Nahezu zeitgleich erschien bei Welt.de eine Stellungnahme: Rezos “Zerstörung der Presse” im Faktencheck (welt.de, Curd Wunderlich).

2. “Bento” wird eingestellt
(taz.de, Volkan Agar)
Noch im vergangenen Jahr hatte der “Spiegel” seinem Ableger für junge Leute “Bento” einen Relaunch spendiert, doch nun ist es vorbei mit dem “Spiegel”-Jugendmedium: “Bento” werde zum Herbst eingestellt. Das Zielpublikum unter 30 Jahren werde von da an mit einem neuen Angebot bedient. Von der Auflösung seien 16 Redakteurinnen und Redakteure betroffen – das neue Angebot (Arbeitstitel: “Spiegel Start”) soll jedoch nur fünf Stellen umfassen. Ohne Namen zu nennen, zitiert die “taz” einen Betroffenen: “Wir haben jahrelang über prekäre Arbeit berichtet, jetzt erleben wir sie selbst. Was heute mit uns geht, wird morgen auch mit allen anderen Mitarbeitern des Verlags möglich sein.”

3. Medienmanager und Chefredakteure: Entscheiden Sie, wie viel “vor Corona” Sie wirklich zurückhaben wollen!
(kress.de, Christian Lindner)
Medienberater Christian Lindner wendet sich mit einem Aufruf an die Führungskräfte der Medienwelt, der gleichzeitig eine Abrechnung mit der bisherigen Unternehmenskultur ist: “Wir haben etwa die Arbeit im Homeoffice vor Corona eher ferngehalten als forciert. Wir schätzten es, jeden unserer Leute rufen lassen und fünf Minuten später in unserem Büro sprechen zu können. Wir haben es im doppelten Sinne gebraucht, durch unsere belebten Verlagsräume gehen zu können. Wir waren es gewohnt, dabei mit wachem Auge und siebtem Sinn das komplexe Räderwerk des Medienschaffens zu checken und bei Bedarf einzugreifen. Wir haben uns dabei aber auch als Führungskraft inszeniert. Jetzt müssen wir uns fragen, warum uns die Präsenz unserer Leute im Verlag eigentlich wichtiger war als ihr Output.”

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4. “Es gibt Menschen, die werde ich nie überzeugen können”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Mai Thi Nguyen-Kim ist promovierte Chemikerin, erfolgreiche Wissenschafts-Youtuberin, TV-Moderatorin und Wissensvermittlerin. Im Interview mit “DWDL” geht es um ihren Blick auf die Berichterstattung in den Medien und um den Umgang mit Kritik, Hassmails und Drohungen. Außerdem macht sie auf die ihrer Ansicht nach bestehenden Defizite bei der schulischen Wissensvermittlung aufmerksam: “Man muss sich mit Geschichte und Politik auskennen. Aber was jetzt die drei Hauptsätze der Thermodynamik sind, nein, das muss mein Kind doch nicht wissen – das wird oft als Freak-Wissen abgetan. Oder noch einfacher: Wer weiß heutzutage schon, was der Unterschied zwischen einem Virus und einem Bakterium ist? Da überrascht es nicht, dass einem ein Xavier Naidoo da interessante Möglichkeiten liefern kann.”

5. Roland Tichy scheitert mit erneuter Klage gegen Claudia Roth
(tagesspiegel.de)
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth hatte in einem Interview der “Augsburger Allgemeinen” in Zusammenhang mit der neurechten Plattform “Tichys Einblick” von einem “Geschäftsmodell” gesprochen, das “auf Hetze und Falschbehauptungen beruhe”. Dagegen war Plattformbetreiber Roland Tichy, zunächst erfolglos, juristisch vorgegangen und ist nun auch im zweiten Anlauf gescheitert.

6. Mensch, Christoph
(spiegel.de, Barbara Hans)
“Wir sind damit nicht einverstanden”, schreibt “Spiegel”-Chefredakteurin Barbara Hans zum Tod von Christoph Sydow, der seit 2012 als Nahost-Experte für das Nachrichtenmagazin gearbeitet hat und sich vor wenigen Tagen, im Alter von 35 Jahren, das Leben genommen hat: “Wir können nur ahnen, wie verzweifelt Christoph gewesen sein muss, diesen Schritt zu gehen. Dass er nicht mehr die Möglichkeiten des Lebens sah: die Verheißungen, die Chancen, den Genuss – sondern nur noch die Last. Wir blicken voller Zuneigung, Wertschätzung, Hochachtung auf den Menschen, der Christoph war. Wir blicken voller Trauer auf den Tod, den er gewählt hat. Wir sind mit seiner Entscheidung nicht einverstanden.”
Weiterer Lesehinweis: Beim Magazin “Zenith” trauert man um einen Freund und Kollegen und blickt auf die gemeinsame Zeit zurück. Ein Nachruf, der einem den Menschen Christoph Sydow noch einmal ganz nah werden lässt.
(Solltest Du Suizid-Gedanken haben, dann gibt es Menschen, die Dir helfen können, aus dieser Krise herauszufinden. Eine erste schnelle und unkomplizierte Hilfe bekommst Du etwa bei der “TelefonSeelsorge”, die Du kostenlos per Mail, Chat oder Telefon (0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222 und 116 123) erreichen kannst.)

“Bild”-Buhrow, Ohrfeige für Storymachine, Hutbürger reloaded

1. Berliner Justizbeamter behindert ZDF-Dreh bei Prozess gegen einen Rechtsextremisten
(netzpolitik.org, Daniel Laufer)
Als ein ZDF-Fernsehteam gestern von einem Prozess gegen einen Rechtsextremisten berichten wollte, wurde es von einem Berliner Justizbeamten an der Arbeit gehindert und körperlich angegangen. Obwohl sich das Team um den Journalisten Arndt Ginzel zuvor ordnungsgemäß beim Landgericht für die Dreharbeiten akkreditiert hatte. netzpolitik.org zeigt Videoaufnahmen des Vorgangs, die an die absurden Szenen mit dem “Hutbürger” erinnern (“Sie haben mich ins Gesicht gefilmt!”). Ein Sprecher des Justizsenators habe Aufklärung versprochen: “Selbstverständlich wird der Fall aufgearbeitet.”

2. “Unprofessionell und leichtfertig”: Ethikwächter rügen Storymachine
(stern.de, Hans-Martin Tillack)
Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) versteht sich als Selbstkontrollorgan der PR-Wirtschaft. In dieser Funktion hat sich der DRPR mit den Aktivitäten der Berliner Agentur Storymachine zur medialen Vermarktung der viel diskutierten Heinsberg-Studie befasst und eine Rüge ausgesprochen. Die Agentur habe “leichtfertig und unprofessionell agiert und zu einer nachhaltigen Verunsicherung der Öffentlichkeit beigetragen”. Storymachine wolle nun rechtliche Schritte gegen das Kontrollorgan prüfen. Hans-Martin Tillack geht in seinem Beitrag auch auf die Hintergründe der Agentur ein, die 2017 vom ehemaligen “Bild”-Herausgeber Kai Diekmann, dem Eventmanager Michael Mronz und dem ehemaligen stern.de-Chef Philipp Jessen gegründet worden ist und mittlerweile 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen soll. Außerdem hat sich Tillack angeschaut, für wen die umtriebige PR-Agentur noch alles arbeitet beziehungsweise arbeitete. Mit dabei: die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die die Agentur-Dienste jedoch privat bezahle.

3. Kampagne statt Kritik: Was bei «Bild» vs. Drosten schief lief
(medienwoche.ch, Sarah Kohler)
Im Zusammenhang mit den Angriffen der “Bild”-Medien auf den Virologen Christian Drosten erklärt Sarah Kohler die wissenschaftliche Veröffentlichungspraxis über Vorabveröffentlichungen (Preprints) und den sich daran anschließenden Begutachtungsprozess. Kohler konstatiert: “Die Kampagne der Boulevardzeitung basierte auf einer verzerrten Sichtweise auf das moderne Wissenschaftssystem. Diskussion und Kritik sind eine Notwendigkeit für die Wissenschaft. Deswegen ist Kritik an wissenschaftlichen Studien, zumal an deklarierten Vorabveröffentlichungen, nicht die Zurschaustellung eines Mangels. Sie dient vielmehr dem wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt. Die «Bild»-Zeitung stellt also einen normalen Vorgang als Problem dar, indem sie die Kritik an einem vorläufigen Befund als absolut hinstellt.”

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4. Warum vor allem Männer uns das Virus erklären
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 5:00 Minuten)
Bei vielen Medien werden die Chefposten von Männern besetzt, und auch in den Medien selbst kommen Frauen seltener zu Wort als Männer. Letzteres falle gerade während der Corona-Pandemie auf: Interviewt würden fast immer männliche Experten. Es sei ein strukturelles Problem, dem sich aber konkret begegnen lasse. Der Verein ProQuote stelle beispielsweise eine Liste von qualifizierten Corona-Expertinnen zur Verfügung.

5. Rezo-Zerstörung der Presse: Ein Faktencheck
(berliner-zeitung.de, Kai-Hinrich Renner)
Der Youtuber Rezo hat in seinem aktuellen Video zahlreichen Medien vorgeworfen, fehlerhaft über ihn berichtet zu haben, und dies in einer Excel-Tabelle dokumentiert. Die “Berliner Zeitung” sei auf eine Falschmeldungsquote von 55 Prozent gekommen – ein Wert, den das Medium nicht auf sich sitzen lassen will.

6. ARD-Chef macht gratis Programm für “Bild”
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Warum schreibt ein ARD-Vorsitzender und WDR-Intendant ausgerechnet für ein unseriöses Presseorgan wie “Bild”? Diese Frage hat sich Stefan Niggemeier bei der Lektüre eines “Bild”-Artikels von Tom Buhrow gestellt und sie, zusammen mit einigen anderen Fragen, flugs an den WDR weitergeleitet. Die Antwort fiel knapp aus und entsprach inhaltlich einem “weil er es kann”. Niggemeier kommentiert: “ARD und ZDF sind seit Jahren Ziel von Kampagnen der ‘Bild’-Zeitung. Die ‘Bild’-Zeitung ist seit Jahrzehnten Symbol für Verantwortungslosigkeit im Journalismus. Der WDR-Intendant und amtierende ARD-Vorsitzende aber hat kein Problem damit, sich unentgeltlich in den Dienst dieses Mediums zu stellen.”

“Bild”s Nachtreten bis zum Umfallen, Geschlechterverteilung, Opferschutz

1. Nachtreten bis zum Umfallen
(faz.net, Michael Hanfeld)
“FAZ”-Medienredakteur Michael Hanfeld kritisiert die kampagnenartige Berichterstattung der “Bild”-Medien über beziehungsweise gegen den Virologen Christian Drosten. Hanfeld kritisiert aber auch den “Tagesspiegel”-Beitrag des Biochemikers Alexander Kekulé, der “nicht einmal mit den grundlegenden Gepflogenheiten des Wissenschaftsdiskurses vertraut sei”. Hanfelds Fazit: “So nimmt die Debatte einen Verlauf, wie ihn sich die ‘Bild’ mit ihrer zerstörerischen Macht wünscht. Sie steckt andere mit ihrem Antiaufklärungsvirus an, von dessen Symptomen wir uns bei dieser Gelegenheit abermals überzeugen können. Sie verdreht Fakten und Zusammenhänge, und sie verdreht den Kopf. Dass das Boulevardblatt davon je genesen werde, damit rechnen wir nicht.”
Weiterer Lesehinweis: Friede Springer beklagt sich über Bild-Chefredakteur Julian Reichelt (berliner-zeitung.de, Kai-Hinrich Renner).

2. Frankfurter Buchmesse 2020
(3sat.de, Nil Varol, Video: 3:26 Minuten)
Lange wurde mit einer Absage gerechnet, doch die Frankfurter Buchmesse soll auch in diesem Jahr stattfinden, wenn auch in abgespeckter Form. Dies verkündeten gestern die Verantwortlichen via Videokonferenz. 3sat hat einige kleine Verlage nach ihren Reaktionen und Erwartungen gefragt. Von den großen Publikumsverlagen hätten bereits einige abgesagt, darunter Branchenriesen wie Random House (u.a. Goldmann, Heyne, Blanvalet, Penguin, Luchterhand, DVA, Der Hörverlag), Holtzbrinck (Rowohlt, S. Fischer, Droemer Knaur, Kiepenheuer & Witsch und Argon) und Bonnier (Carlsen, Piper, Ullstein, ArsEdition, Münchner Verlagsgruppe, Thienemann und Hörbuch Hamburg).

3. Zu Gast: Der Virologe
(sueddeutsche.de, Theresa Hein)
Eine neue Studie hat sich mit der Geschlechterverteilung in der aktuellen Corona-Berichterstattung beschäftigt und bestätigt das, was man bereits ahnte: Als Experten rund um die Corona-Thematik kommen meist Männer zu Wort. Eine weitere Studie sei zu ähnlichen Ergebnissen gekommen: Der Schwede Max Berggren habe die Geschlechterverteilung in der Corona-Berichterstattung in Online-Auftritten deutscher Printmedien untersucht und auch dort meist Männer identifiziert.
Weiterer Lesehinweis: Aus dem Jahr 2019, aber dennoch interessant, weil es das Analysetool Prognosis vorstellt, mit dem der Datenjournalist Berggren Online-Auftritte von Zeitungen scannt: “Zeitungen funktionieren als Spiegel der Gesellschaft” (sueddeutsche.de, Anna Steinbauer).

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4. Twitter, Google und Facebook wehren sich gegen Trumps Dekret
(spiegel.de)
That escalated quickly: Nachdem Twitter einen Trump-Tweet mit einem Faktenchecker-Hinweis versehen hat, erließ der US-Präsident in Windeseile ein Dekret, mit dem er Soziale Medien stärker in die Haftung und damit dominieren will.
Weiterer Lesehinweis: Wer mehr über die Hintergründe erfahren möchte, sei Tomas Rudls Einordnung des Vorgangs bei netzpolitik.org empfohlen: Der mächtigste Mann der Welt, das ewige Opfer.

5. Amazon: will good take care of you?
(youtube.com, Friedrich Küppersbusch, Video: 5:16 Minuten)
Friedrich Küppersbusch ist sauer: “F*ck°ng relentless: Wie die weltweit größte Niedriglohnkeimschleuder amazon zum Müttergenesungswerk mit Bücherregal avanciert.” Hintergrund sind die übereinstimmenden und wortgleichen PR-Lobhudeleien auf das Unternehmen Amazon, die in diversen amerikanischen Nachrichtensendungen als Pseudo-Nachricht verlesen wurden.

6. Presserat: “Bild” hält sich nicht an den Opferschutz
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Der Presserat hat sechs Rügen an Medien für Verstöße gegen den Pressekodex ausgesprochen — fünf davon gingen an “Bild” beziehungsweise Bild.de. Wie schon so oft wurde vor allem der ungenügende Opferschutz gerügt.
Weitere Guckempfehlung: Die Autorin und Satirikerin Sarah Bosetti hat “Post für die Bild-Zeitung”: “Liebe Bild, ich möchte Euch beglückwünschen. Ihr habt geschafft, was noch kaum jemandem gelungen ist. Ihr könnt die Welt zu einem besseren Ort machen. Alles, was Ihr dafür tun müsst, ist: nicht mehr arbeiten.” (facebook.com, radioeins, Video, 2:00 Minuten).

Reichelts Attacken, Tichys Sieg, Trumps Drohungen

1. Bloß nicht vernünftig
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Sascha Lobo geht in seiner Kolumne der Frage nach, warum die “Bild”-Redaktion eine Kampagne gegen den Virologen Christian Drosten fährt und kommt dabei schnell auf “Bild”-Chef Julian Reichelt zu sprechen: “Man muss feststellen, dass Julian Reichelt die sicher geglaubte Deutungshoheit der ‘Bild’-Zeitung über das politische und gesellschaftliche Geschehen in Deutschland entgleitet, vielleicht längst entglitten ist. Wenn ein Chefredakteur derart strategielos in sozialen Medien agiert und vor allem unsouverän reagiert, ist das ein Warnsignal der Schwäche. Die ‘Bild’-Zeitung hat katastrophal unterschätzt, dass und wie man Social Media als medial attackierte Person heute nutzen kann.”

2. Der Allesversteher
(kontextwochenzeitung.de, Josef-Otto Freudenreich)
Mit “Der Allesversteher” hat Josef-Otto Freudenreich sein Interview mit dem vormaligen ARD-Nachrichtenchef und jetzigem SWR-Intendanten Kai Gniffke überschrieben. Eine spitze Zuschreibung, die sich wahrscheinlich auf Gniffkes Umgang mit Rechtspopulisten und Rechtsradikalen wie Björn Höcke beziehen soll. Und die durch den Umstand unterstützt wird, dass Gniffke sich mit den Interviewern nicht darauf verständigen konnte, “dass die AfD im Grundtenor nationalistisch, völkisch, rassistisch und fremdenfeindlich” sei.

3. Tichy siegt gegen “Correctiv” vor Gericht
(faz.net)
Das Recherchezentrum “Correctiv” hatte im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit Facebook einen Beitrag der rechtslastigen Online-Zeitung “Tichys Einblick” mit einem “Teils falsch”-Stempel versehen. Dagegen hatte sich Roland Tichy juristisch gewehrt, war jedoch vor dem Landgericht Mannheim unterlegen. Nun hat die höhere Instanz, das Oberlandesgericht Karlsruhe, das Urteil der Vorinstanz revidiert und Tichy Recht gegeben.

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4. Regierungs-PR als Konkurrenz für Journalisten?
(ndr.de, Daniel Bouhs & Caroline Schmidt)
Für Hauptstadtkorrespondentinnen und -korrespondenten sei die Berichterstattung deutlich schwieriger geworden. Viele Pressekonferenzen würden per Chat und ohne direkten Kontakt ablaufen, viele Ansprechpartner seien nicht verfügbar, da im Homeoffice. Und auch der Regierungspodcast zur Corona-Pandemie werde mit gemischten Gefühlen gesehen, da eine “unschöne Konkurrenzsituation” um Expertinnen und Experten entstehen könne, so die Gesundheitspolitik-Reporterin Rebecca Beerheide.

5. Trump droht Twitter mit Schließung
(tagesschau.de)
Nachdem Twitter erstmals Tweets des US-Präsidenten Donald Trump als inhaltlich irreführend kennzeichnete, droht dieser: “Die Republikaner sind der Meinung, dass Social-Media-Plattformen die Stimmen der Konservativen völlig zum Schweigen bringen. Wir werden sie stark regulieren oder schließen, bevor wir dies jemals zulassen können …” Die verborgene Pointe: Trumps Drohung, Twitter zu schließen, veröffentlicht er ausgerechnet auf dem Kanal, den es betrifft und von dem er fast abhängig zu sein scheint: Twitter.
Weiterer Lesehinweis: Lesenswert ist in diesem Zusammenhang Patrick Beuths Kritik an Twitters Faktencheck, der Defizite des Unternehmens im Kampf gegen Falschinformationen deutlich mache (spiegel.de).

6. “Es geht auch um den Austausch”
(taz.de, Peter Weissenburger)
Das Hamburger Straßenmagazin “Hinz&Kunzt” musste seinen Straßenverkauf coronabedingt für zwei Monate stoppen. Peter Weissenburger hat sich mit “Hinz&Kunzt”-Chefredakteurin Birgit Müller darüber unterhalten, wie sich der Verkaufsstopp für das Projekt und die Obdachlosen ausgewirkt hat. Man habe zunächst um Spenden gebeten, um jedem Verkäufer 100 Euro Soforthilfe auszahlen zu können, “dafür hätten wir 53.000 Euro benötigt. Aber durch die großartige Hilfe der Hamburger sind sogar 390.000 Euro zusammengekommen, sodass wir vier Mal Geld ausbezahlt haben und heute ein Starterset für jeden bereit hatten — mit 20 geschenkten Magazinen, Maske und Visier und Desinfektionsmittel.”

“Bild” und die Drosten-Studie, Kuckuckszitate, Steingart-Experiment

1. Wie berechtigt ist die Kritik an der “Drosten-Studie”?
(spiegel.de, Julia Köppe)
“Bild” missbrauchte wissenschaftliches Feedback zu Teilaspekten einer Studie im Pre-Print-Stadium, an der der Virologe Christian Drosten mitgearbeitet hat, um diese in ihrer Gesamtheit zu diskreditieren. Julia Köppe erklärt die Hinweise von Statistikern und kommentiert: “Unter Forschern ist es üblich, einen eigenen Beitrag zu verfassen, wenn es Anlass zur Kritik gibt und in sachlicher Sprache darzulegen, wo der Fehler liegt. Das kann auf Laien schon mal harsch wirken. Die aktuelle ‘Bild’-Berichterstattung skandalisiert einen in der Wissenschaft völlig üblichen Vorgang.”
Weitere Hörempfehlungen: Der aktuelle “FAZ”-Podcast: “Wir haben allerbeste Chancen” – Virologe Drosten über Corona und die “Bild” (Audio, 26:46 Minuten) mit einem Gesprächsangebot von Christian Drosten an “Bild” in den letzten Minuten.
Und die aktuelle Folge des “Coronavirus-Updates” (NDR), in der Christian Drosten ebenfalls Stellung zu den Vorwürfen der “Bild”-Zeitung nimmt (Audio, 52:30 Minuten).

2. Meine (fast) sechs Monate mit Gabor Steingart
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer hatte Großes vor: “Ein halbes Jahr lang Gabor Steingarts ‘Morning Briefing’ auf den Prüfstand stellen, um zu sehen, wie nah er an seinem Markenversprechen ‘100% Journalismus. Keine Märchen’ liegt.” Knüwer hat das Experiment nicht durchgehalten, aber die immerhin vier Monate haben gereicht, um die Methode Steingart zu dechiffrieren: “1. Nur Fakten einblenden, die eine These stützen. 2. Behauptungsjournalismus galore. 3. Niemals an das Gute im Menschen glauben. 4. Hasse die Medien – aber bediene Dich ihrer. 5. Erschwere die Recherche. 6. Korrigiere Dich niemals. 7. Habe keine Meinung – tu nur so.”
Weiterer Lesehinweis aus dem Archiv: Die Weihnachtsgeschichte im Gabor-Steingart-Style aus der Feder des “6 vor 9”-Kurators: Steingarts “Morning Briefing” über Marias neues Religions-Startup (uebermedien.de, Lorenz Meyer).

3. “Das Wort Idiot hätte Loriot nie verwendet”
(sueddeutsche.de, Mareen Linnartz)
Die “Süddeutsche Zeitung” hat sich mit Gerald Krieghofer unterhalten, einem Experten für sogenannte Kuckuckszitate. Dabei handelt es sich um Falschzitate, die allerlei Berühmtheiten untergeschoben werden. In seinem Blog führt Krieghofer 493 dieser vermeintlichen Zitate auf, von Adorno bis Zola. Anlass für das Gespräch ist ein erfundenes Loriot-Zitat, das gerade in den Sozialen Medien die Runde macht.

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4. Ärger um einen Hörfunkklassiker: Darum steigt der NDR beim “Zeitzeichen” aus
(rnd.de, Imre Grimm)
Der NDR will in den kommenden Jahren 300 Millionen Euro einsparen und sich dabei auch von Sendungen trennen. Der Hörfunkklassiker “Zeitzeichen” soll zum Beispiel komplett ins Netz verlegt werden. Imre Grimm kommentiert: “Ist das zeitgemäß? Gewiss. Ist das sinnvoll? Gewiss nicht. Das ‘Zeitzeichen’ gehört zu den profiliertesten Radiomarken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Es passt blendend ins Profil. Der Verweis auf die Audiothek schließt Hunderttausende aus, die dem Tagestakt des Radios noch immer massenhaft bereitwillig folgen und den Podcast-Kosmos kaum je für sich entdecken werden.”

5. Der Rassismus einiger Medien
(deutschlandfunk.de, Mirjam Kid, Audio: 6:18 Minuten)
Thuy-Tien Nguyen vom post-migrantischen, asiatisch-deutschen Netzwerk korientation beobachtet die Corona-Berichterstattung und entdeckt dabei immer wieder Formen von anti-asiatischem Rassismus. Auch bei Medien, von denen man dies eigentlich nicht erwarte würde: “Die Bildzeitung und das Cicero-Magazin sind natürlich mit dabei. Aber auch ganz vorne ist der Spiegel, die Frankfurter Allgemeine, die Tagesschau — da ist auch mal ein Fall passiert — Hamburger Morgenpost, Mitteldeutsche Zeitung, die Abendzeitung München.”

6. Twitter zerpflückt Trump-Tweet in erstem Faktencheck
(spiegel.de)
US-Präsident Donald Trump nutzt Twitter gern als sein tägliches Verlautbarungsorgan für Lügen, Stuss und Hetze, und Twitter ließ ihn dabei stets gewähren. Dies scheint sich zu ändern. Erstmals hat Twitter einen Trump-Tweet auf Richtigkeit überprüft und den Tweet des Präsidenten mit einem Link zur Richtigstellung versehen. Die Reaktion des US-Präsidenten ließ nicht lange auf sich warten: “Twitter unterdrückt das Recht auf freie Meinungsäußerung, und ich, als Präsident, werde das nicht zulassen!”
Weiterer Lesehinweis: Das Interview von “Zeit Online” mit dem US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz: “Das Bewusstsein wächst, dass Trump nicht der Richtige ist” (zeit.de, Marcus Gatzke).

Corona-Erlasse frei, Telegram als Medium, Überlassung des NSU-Urteils

1. Wichtige Entscheidung nach unserer Klage: Niedersachsen muss Corona-Erlasse herausgeben
(fragdenstaat.de, Arne Semsrott & Phillip Hofmann)
Die Transparenzinitiative “FragDenStaat” sorgt immer wieder dafür, dass der Staat sein eigenes Informationsfreiheitsgesetz und die sich darauf beziehenden Anfragen ernst nimmt. Dass dies notwendig ist, zeigt ein aktueller Fall: Das niedersächsische Justizministerium hatte sich geweigert, seine Erlasse zur Corona-Pandemie herauszugeben, und musste erst per Klage dazu gezwungen werden. Der Beschluss des Gerichts sei “elementar wichtig, denn er benennt, wie wichtig öffentliche Kontrolle staatlicher Entscheidungen ist — und dass Informationen zum Coronavirus grundsätzlich als Umweltinfos gelten”.

2. Gegenöffentlichkeit für Corona-Zweifler
(deutschlandfunk.de, Stefan Römermann, Audio: 6:31 Minuten)
Der Smartphone-Messenger Telegram ähnelt dem bekannten Programm WhatsApp, doch es gibt einen wesentlichen Unterschied, wie Martin Fehrensen vom “Social Media Watchblog” erklärt: “Bei Whatsapp hat man eine Obergrenze von 256 Menschen, die man in einer Gruppe erreichen kann. Bei Telegram hingegen kann eine Gruppe bis zu 200.000 Mitglieder haben.” Dieser technische Umstand hat Telegram zu einem neuartigen Verbreitungsmedium gemacht, über das Leute wie die ehemalige “Tagesschau”-Sprecherin Eva Herman ihre Abonnentinnen und Abonnenten erreichen würden. Und das seien im Fall der ins Verschwörungsmilieu abgedrifteten Herman mehr als 100.000 Menschen.

3. Dicke Luft beim NDR: Jetzt begehren die Freien auf
(dwdl.de, Alexander Krei)
Der NDR muss in den kommenden Jahren 300 Millionen Euro einsparen. Die Sparmaßnahmen werden Programm und Personal betreffen. Der Stellenabbau werde sich für die Festangestellten nicht so dramatisch auswirken, denn es würden lediglich Planstellen nicht neu besetzt. Anders sehe es jedoch bei den Hunderten von freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus, die für einen Großteil des Programms verantwortlich seien.

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4. Ken Jebsen und Co: Wie Verschwörungstheoretiker versuchen, die öffentliche Debatte in Deutschland zu kapern
(nzz.ch, Christoph Prantner)
Einige Verschwörungserzähler würden die derzeitige Corona-Krise für ihre Agitation nutzen und ihren Aufruhr- und Umsturzfantasien freien Lauf lassen. Ein prominentes Beispiel dafür sei Ken Jebsen, der “wie ein Ablassprediger auf Speed” mit Worten auf sein Publikum einhämmere. Welche Mechaniken liegen dem zugrunde? Christoph Prantner erklärt die Methoden der Lautsprecher und Panikverbreiter und ordnet das Phänomen ein.
Weiterer Lesehinweis: Faktencheck: KenFM-Video “Gates kapert Deutschland!” (swr.de). Sehenswert auch das Walulis-Video zum Thema: “Gates kapert Deutschland” zerlegt (14:20 Minuten).

5. Gericht will Urteil erst nach “Belehrung” herausgeben
(tagesspiegel.de, Jost Müller-Neuhof)
Das Oberlandesgericht (OLG) München wollte sein Urteil zum NSU-Prozess nur an Journalistinnen und Journalisten herausgeben, wenn diese zuvor eine “Belehrung” unterschreiben. Diese Praxis stieß auf Unverständnis seitens des Deutschen Journalisten-Verbands und stehe zudem in Kontrast zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Nun habe das OLG eingelenkt und klargestellt, dass die “Überlassung des Urteils selbstverständlich nicht von der Unterzeichnung des Formblattes abhängig gemacht” werde.

6. Ohne Rettungsschirm
(sueddeutsche.de)
Obdachlosenzeitungen leben vom direkten Kontakt zwischen Verkaufenden und Lesenden und haben es wegen der derzeitigen Einschränkungen besonders schwer, durch die Krise zu kommen. Die “Süddeutsche Zeitung” hat sich bei fünf journalistischen Regionalprojekten umgeschaut: bei der Dresdner Straßenzeitung “drobs”, dem Berliner “Kompass”, “Hinz&Kunzt” aus Hamburg, dem Düsseldorfer Magazin “fiftyfifty” und Deutschlands ältester Straßenzeitung, dem Münchener “Biss”.

Klöckners Blockadepolitik, Kinofilm retten!, Irrlichternde Bischöfe

1. Kommentar: Julia Klöckner hat Social Media nicht verstanden
(meedia.de, Andreas Marx)
Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sorgt immer wieder für umstrittene Medienauftritte — vom gemeinsamen Video mit dem Nestlé-Chef bis zum jüngsten PR-Auftritt mit TV-Koch Johann Lafer bei “Bild”. Bei der gemeinsamen Kochsession, mit der Supermarktkette Kaufland als Sponsor, verarbeiteten Klöckner und Lafer Billigfleisch der Haltungsstufe 1. Schlechter geht es nicht, was die Tierhaltung anbetrifft. Nachdem zwei Influencer aus der veganen Szene auf Instagram die Aktion kritisiert hatten, seien sie (neben vielen weiteren) von der Ministerin blockiert worden. Andreas Marx kommentiert: “Dass Julia Klöckner Social Media als Einbahnstraße versteht und Kritiker auch gern mal vor den Kopf stößt, ist nichts Neues. Nach dem Shitstorm, den sie mit ihrem Auftritt mit Nestlés Deutschland-Chef Marc-Aurel Boersch verursacht hatte, bezeichnete sie die kritischen Kommentatoren pauschal als ‘Hatespeaker’.”

2. Große Verschwörung zum Coronavirus? Wie Ken Jebsen mit irreführenden Behauptungen Stimmung macht
(correctiv.org, Till Eckert & Alice Echtermann)
“Correctiv” hat sich das millionenfach geklickte Video des Youtubers Ken Jebsen (“Gates kapert Deutschland”) angeschaut und einige der darin erhobenen Tatsachenbehauptungen überprüft. Das Ergebnis: “Ken Jebsen führt seine Zuschauer in die Irre.”
Weiterer Lesehinweis: Sophie Passmann hat in einem Video kritisch auf Ken Jebsens Äußerungen reagiert und dafür viel Resonanz erhalten. In einem Interview mit “jetzt” fasst sie ihre Sicht auf die Medienfigur Jebsen zusammen: “Ken Jebsen ist sehr gut darin, komplexes Denken zu imitieren. Doch je mehr man sich davon anschaut, sieht man: Er ist arrogant und wirr. Entweder, er nimmt sich wirklich ab, dass er als einer der Ersten verstanden hat, was alle andere nicht verstanden haben. Oder er ist böswillig und weiß, dass, wenn man beim rbb rausfliegt, weil man als Journalist nicht ordentlich gearbeitet hat, man mit so einem Gelaber aber trotzdem noch irgendwelchen Jürgens und Monikas, die einen Faible für Verschwörungstheorien haben, PayPal-Geld aus der Tasche ziehen kann. Er ist entweder verrückt oder bösartig oder beides. Und das merkt man seiner Argumentation an. Er arbeitet unjournalistisch, macht irgendwelche unlogischen Schleifen, vermischt Kommentar, Analyse und Bericht. Hauptsache es klickt ordentlich.”

3. Kinofilm retten!
(faz.net, Michael Hanfeld)
Mehr als 100 Kinomacherinnen und Kinomacher haben sich mit einem dramatischen Appell an die Bundesregierung gewandt. In ihrem Offenen Brief an Monika Grütters, die Kulturbeauftragte der Bundesregierung, und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier schlagen sie Alarm: “Zuvorderst benötigen wir eine Lösung für den fehlenden Versicherungsschutz, um das Risiko zukünftiger Dreharbeiten abzusichern. Die Filmbranche braucht Ihre Unterstützung. Die klassischen Versicherungen und Rückversicherungen haben keine Lösungsvorschläge für die Filmbranche — und damit ist jeder Kinofilmdreh eine tickende Zeitbombe.”

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4. “Wir verbrennen kein Geld”: Der neue NDR-Chef muss 300 Millionen Euro sparen – und diese Sendungen will er streichen
(rnd.de, Imre Grimm)
Stolze 300 Millionen Euro müsse der Norddeutsche Rundfunk (NDR) bis zum Jahr 2024 sparen. Wie kann das gelingen, ohne allzu negative Auswirkungen auf Programm und Personal? Imre Grimm hat sich darüber mit dem neuen NDR-Intendanten Joachim Knuth unterhalten. Ein interessantes Gespräch, bei dem es nicht nur um die geplanten Kürzungen und Streichungen, sondern auch um die großen Herausforderungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geht. Dazu zählen unter anderem das veränderte Nutzerverhalten und die Corona-Krise.

5. Georg Uecker über Häme in der Community und eine bizarre Medienjagd
(queerkram.podigee.io, Johannes Kram, Audio: 65 Minuten)
“Stell dir vor, du stehst mit deinem Auto an der roten Ampel, als sich plötzlich ein Fotograf auf die Kühlerhaube wirft und dich durch die Windschutzscheibe knipst, um endlich ein Bild von dir und deinem eingefallenen Gesicht in einem Boulevardmedium veröffentlichen zu können.” Der Schauspieler Georg Uecker erzählt im “Queerkram”-Podcast von der Medienjagd, die er vor über zehn Jahren aufgrund seiner HIV-Infektion erlebte. Und auch der Rest der Podcastfolge ist voll mit Medienthemen: Das Ende der “Lindenstraße”, Coming-out von Schauspielern, queere Rollen in deutschen TV-Serien.

6. Bischöfe verbreiten Verschwörungstheorien
(tagesschau.de)
Mehrere katholische Bischöfe kritisieren die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und greifen dabei auf den Mythos einer großen Weltverschwörung zurück. In einem öffentlichen Aufruf würden sie vor dem “Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht”, warnen und “Zweifel an der tatsächlichen Ansteckungsgefahr” äußern. Die Deutsche Bischofskonferenz habe sich von dem Schreiben distanziert.

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