Suchergebnisse für ‘fakten’

Kein Medienauskunftsgesetz, Kein Fehlverhalten, Keine Faktenchecks

1. Kritische Nähe von Medien und Regierung
(tagesspiegel.de, Jost Müller-Neuhof)
“Wieder hat es eine Koalition unterlassen, die Pressefreiheit zu stärken. Dabei wäre dies gut für die Demokratie – gerade wenn Rechtspopulisten an die Regierung kommen.” Jost Müller-Neuhof kritisiert, dass die Ampelkoalition kein wirksames Medienauskunftsgesetz auf den Weg gebracht habe: “Es wäre das erste Gesetz gewesen, das Informationsrechte der Presse gegenüber Bundesbehörden – und damit auch gegenüber der Bundesregierung – festgeschrieben hätte.”

2. HR sieht Moderatorin nach Untersuchung entlastet
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Eine deutsch-israelische Expertin für Netzwerk- und Computersicherheit warf einer Moderatorin des Hessischen Rundfunks (HR) vor, sie im Vorgespräch zu einem Interview antisemitisch und rassistisch beleidigt zu haben. Der öffentlich-rechtliche HR sei nach einer umfangreichen Untersuchung zu dem Schluss gekommen, dass es “kein Fehlverhalten” der Moderatorin gegeben habe: Es sei davon auszugehen, dass die vorgeworfenen Beleidigungen “nicht erfolgten”. Man werde trotzdem intern beraten, “wie wir Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern besonders achtsam begegnen können. Dies gilt umso mehr, wenn Gäste extern zugeschaltet sind.”

3. Pressefreiheit: In eigener Sache
(falter.at, Florian Klenk)
Wie “Falter”-Chefredakteur Florian Klenk “in eigener Sache” mitteilt, sei er vom Wiener Straflandesgericht zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von 1.500 Euro verurteilt worden, weil er den aus seiner Sicht rechtsextremen Aktivisten Martin Rutter auf Facebook als “Rechtsextremisten” bezeichnet hatte. Obwohl der Richter eingeräumt habe, dass diese Einschätzung nicht unzulässig sei, wurde Klenk wegen “übler Nachrede” verurteilt, weil er seinem Publikum im Posting keine ausführlichen Beweise für seine Einschätzung geliefert habe. Klenk kritisiert das Urteil als gefährlichen Eingriff in die Meinungsfreiheit und kündigt Berufung an.

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4. Die Journalistin Mzia Amaghlobeli ohrfeigte einen Polizisten
(taz.de, Nastasia Arabuli)
Die georgische Journalistin Mzia Amaghlobeli sitze seit Januar wegen angeblicher Gewalt gegen einen Polizisten im Gefängnis und befinde sich im Hungerstreik. Ihr würden vier bis sieben Jahre Haft drohen, obwohl eine Videoaufnahme Zweifel daran aufkommen lasse, dass die ihr vorgeworfene Ohrfeige für eine Anklage ausreicht. Internationale Organisationen würden sich für die Freilassung Amaghlobelis einsetzen, die ihren Hungerstreik bis zum Gerichtstermin am 4. März fortsetzen wolle.

5. Faktenchecks und Alternativen
(verdi.de, Lutz Lubienetzki)
Lutz Lubienetzki argumentiert, dass Faktenchecks wenig gegen Desinformation ausrichten könnten, da sie oft entweder trivial oder nicht eindeutig durchführbar seien. Er plädiert stattdessen für eine stärkere Moderation in Sozialen Netzwerken. Lubienetzki verweist auf Wikipedia als Vorbild für Transparenz, da dort alle Änderungen nachvollziehbar dokumentiert würden. Letztlich sieht er die Verantwortung nicht nur bei den Plattformen, sondern auch bei Politik und Gesellschaft.

6. X zahlt Trump Millionen wegen Kontosperrung
(tagesschau.de)
Der Kurznachrichtendienst X/Twitter habe sich mit US-Präsident Donald Trump auf eine Zahlung von zehn Millionen US-Dollar geeinigt, um einen Rechtsstreit über die Sperrung von Trumps Twitter-Konto nach dem Kapitolsturm 2021 beizulegen. Zuvor hatte bereits die Facebook-Mutter Meta eine Entschädigungszahlung in Höhe von 25 Millionen US-Dollar angekündigt. Der Vorgang ist insofern bemerkenswert, als X-Eigentümer Elon Musk ein enger Vertrauter Trumps ist und unter diesem eine neue Abteilung für “staatliche Effizienz” leitet, die den US-Verwaltungsapparat zerschlagen soll.

Kickl und die FPÖ, Unverzichtbare Faktenchecks, Frage des Anstands

1. Was hat Herbert Kickl mit Österreichs Medien vor?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 27:12 Minuten)
Österreich könnte nach derzeitigem Stand bald von dem rechtsextremen FPÖ-Politiker Herbert Kickl regiert werden. Holger Klein hat den Juristen und Medienethiker Luis Paulitsch nach dessen Einschätzung gefragt: “Welche Medienpolitik verfolgen Kickl und die FPÖ? Was ließe sich mit der ÖVP umsetzen? Und was hat es mit der Inseratenkorruption auf sich?”

2. Österreichs Rechte greift den ORF an
(verdi.de, Till Schmidt)
Im Verdi-Medienmagazin “M” kommentiert Till Schmidt: “Selbst, wenn die FPÖ nicht Teil der kommenden Regierung werden sollte – allein ihre politischen Forderungen und ihre von Machtfantasien und Opferhaltung geprägte Rhetorik sorgen für eine starke Gefährdung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Pressefreiheit in Österreich.”

3. Auch Weidel unter den Gästen
(tagesspiegel.de, Christoph Zempel)
Der Springer-Verlag hat laut “Spiegel” (nur mit Abo lesbar) Elon Musk zu einem Wirtschaftsgipfel der “Welt” Ende Januar nach Berlin eingeladen, wo er auf AfD-Chefin Alice Weidel treffen könnte. Musks AfD-Unterstützung in einem Gastbeitrag für die “Welt” hatte bereits zu Protesten in der Redaktion und Rücktritten geführt.

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4. Meta, Media und Moneten: Eine Frage des Anstands
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Thomas Lückerath kritisiert in seinem Kommentar Mark Zuckerbergs “Kniefall” vor Donald Trump und die mangelnde Verantwortung von Social-Media-Plattformen wie Metas Facebook für die Verbreitung von Hass und Desinformation. Er fordert Werbetreibende und Mediaagenturen auf, ihre Werbegelder nicht mehr in diese Netzwerke zu stecken, da sie damit Hass und Hetze finanzieren würden. Lückerath sieht hier einen Hebel für ein gesellschaftliches Umdenken. Gleichzeitig plädiert er dafür, die Vielfalt und Verantwortung von Medienhäusern und alternativen Plattformen stärker zu nutzen, um eine kontrollierte und respektvolle Diskurskultur zu fördern.

5. Faktenchecks: Warum sie für unsere Demokratie unverzichtbar sind
(belltower.news, Robert Lüdecke|)
Robert Lüdecke betont in seinem Text, dass Faktenchecks essenziell für die Demokratie seien, da sie Desinformation entlarven und den öffentlichen Diskurs auf einer faktenbasierten Grundlage ermöglichen. Die Entscheidung von Meta, Faktenchecks in den USA abzuschaffen, schwäche den Schutz vor Falschinformationen und begünstige rechtsextreme sowie verschwörungsideologische Erzählungen. Statt als Zensur würden Faktenchecks als Werkzeug der Aufklärung funktionieren. Ihre Abschaffung sei ein Rückschlag für die Meinungsvielfalt und die Mündigkeit der Gesellschaft.

6. Glaskugelige Kaffeesatzlesereien 2025
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer hat turnusgemäß die Glaskugel aus dem Schrank geholt und einen Blick auf mögliche Medienentwicklungen des neuen Jahres geworfen. Wie immer geht er dabei auch selbstkritisch seine Prognosen des Vorjahres durch.

Faktenlose Polemik, Ende der PiS-Propaganda, Kevin reich zu Haus

1. Faktenlose Polemik bei Exxpress zum Thema Schneefall und Klimawandel
(kobuk.at, Corinna Crestani)
Corinna Crestani kritisiert bei “Kobuk” einen Artikel des österreichischen “Exxpress”, der den Klimawandel im Zusammenhang mit Schneefällen diskutiert. Crestani wirft der “Exxpress”-Redaktion vor, ohne wissenschaftliche Grundlage zu argumentieren und Expertenmeinungen zu ignorieren oder falsch darzustellen. Wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel würden falsch interpretiert oder verzerrt wiedergegeben.

2. Ende der PiS-Propaganda
(taz.de, Gabriele Lesser)
Wie Gabriele Lesser in der “taz” berichtet, müsse sich die rechte PiS-Partei in Polen, die in den vergangenen Jahren die öffentlich-rechtlichen Medien zu Propagandazwecken umgebaut habe, von ihrem Hauptsender TVP trennen. Die neue Mitte-Links-Regierung, die im Oktober gewählt wurde, habe sich zum Ziel gesetzt, Objektivität und Ausgewogenheit im Rundfunk wiederherzustellen. Dies könnte massive Auswirkungen auf die PiS haben, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden Kommunal-, Regional- und Europawahlen, da die Partei ihre Medienmacht und damit ihren Einfluss auf die öffentliche Meinung verliere.

3. 16. Goldener Günter: Die medialen Peinlichkeiten des Jahres 2023
(dwdl.de, Thomas Lückerath & Timo Niemeier)
Die Redaktion des Medienmagazins “DWDL” kürt regelmäßig die Peinlichkeiten des vergangenen Medienjahres mit einem Negativpreis: dem “Goldenen Günter”. Hintergrund der seit 2008 vergebenen Auszeichnung sei eine Aussage des damaligen ARD-Programmdirektors Günter Struve. Dieser habe eine Sendung mit der Künstlerin Lady Bitch Ray als “ziemlich ui-jui-jui” bezeichnet. Die Auswahl an Peinlichkeiten ist in diesem Jahr besonders groß und reicht von der Idee, Michael Wendler zurück ins TV-Geschäft zu holen, über das mit Künstlicher Intelligenz gefakte Michael-Schumacher-“Interview” der “Aktuellen” bis hin zu den schwurbelnden Aussagen von Richard David Precht im ZDF-Podcast “Lanz & Precht”.

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4. Uns fehlen noch 225.903 Euro!
(netzpolitik.org)
netzpolitik.org versteht sich als “Medium für digitale Freiheitsrechte”. Die Redaktion beschäftigt sich unter anderem mit staatlicher Überwachung, Open-Source-Software, Telekommunikationsgesetzen sowie kreativem Gemeingut und einer freien Wissensgesellschaft. Das Angebot von netzpolitik.org finanziert sich fast vollständig aus Spenden der Leserinnen und Leser. Zum Ende des Jahres wird das Geld knapp und die Redaktionen bittet um Unterstützung.

5. MDR-Fernsehen: Umschau am 12.12.2023
(mdr.de)
Gestern haben wir in den “6 vor 9” einen Artikel des “Volksverpetzers” empfohlen, in dem Gunnar Hamann einen Beitrag des MDR hinterfragt, mit dem sich der öffentlich-rechtliche Sender aus seiner Sicht zum Sprachrohr der “Querdenken”-Bewegung gemacht hat. Der MDR hat nun eine Richtigstellung veröffentlicht, in der er einräumt, dass die “publizistischen Sorgfaltskriterien” nicht eingehalten wurden. Man habe die Sendung bereits “depubliziert”.

6. So reich sind die McCallisters – und sieben weitere schräge Fakten über den Film
(spiegel.de)
Im deutschen Fernsehen haben sich zu Weihnachten gewisse Traditionen herausgebildet. Dann holen die Sender die immer gleichen Filme aus dem Schrank, seien es “Drei Haselnüsse für Aschenbrödel”, “Sissi”, der Actionklassiker “Stirb langsam” oder der Weihnachtsfilm “Kevin allein zu Haus” aus den 90er-Jahren. Die “New York Times” ist nun der Frage nachgegangen, wie reich Kevins Filmfamilie wirklich ist, und der “Spiegel” hat das Thema aufgegriffen. Außerdem gibt es sieben weitere unterhaltsame Fun Facts für alle, die beim rituellen Fernsehgenuss mit Hintergrundwissen glänzen wollen.

Medien und AfD, Faktenchecks, “ehemalig” und “damalig”

1. Medien und AfD: Extrem normal
(journalist.de, Michael Kraske)
Seit den Rekordumfragen der AfD steht die Partei wieder im Fokus des medialen Interesses. Michael Kraske diskutiert den journalistischen Umgang mit der AfD, ob im Lokalen auf kleiner oder im Fernsehen auf großer Bühne. Kraskes Beitrag ist ein Interview mit Uwe Vetterick, Chefredakteur der “Sächsischen Zeitung”, angefügt. Vetterick berichtet darin über den redaktionellen Umgang mit der AfD und weist auf ein aus seiner Sicht gefährliches Vorgehen hin: “Ein häufiger Fehler sind undifferenzierte Etikettierungen der AfD-Wähler. Natürlich sind etliche von ihnen Nazis, aber gewiss nicht alle. Solche Pauschalisierungen bewirken nach meiner Beobachtung nicht Reflexion und Einsicht, sondern eher Trotzigkeit.”

2. Gutachten nennt RBB-Wahl rechtswidrig
(verdi.de)
Laut einem Rechtsgutachten von Marcus Schladebach, Professor für Öffentliches Recht und Medienrecht an der Universität Potsdam, sei die Wahl der RBB-Intendanz im Frühjahr 2023 rechtswidrig, da sie an zahlreichen formalen und inhaltlichen Fehlern leide. Der Gutachter empfehle eine Neuwahl und spreche der seit 1. September amtierenden Intendantin Ulrike Demmer die Eignung für das Amt ab. Schladebach kritisiere zudem den Vorsitzenden des Rundfunkrats Oliver Bürgel und den brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke wegen des Wahlverfahrens.
Weiterer Lesehinweis: Stefan Niggemeier hat eine recht klare Meinung zu den Einschätzungen und Aussagen Schladebachs und kommentiert bei “Übermedien”: “Das ‘Gutachten’ zur rbb-Intendantenwahl ist eine bizarre, entglittene Auftragsarbeit” (nur mit Abo komplett lesbar).

3. Jubiläumsausgabe mit 50 Erkenntnissen nach 100 Folgen
(netzpolitik.org, Leonhard Dobusch)
Die netzpolitik.org-Reihe “Neues aus dem Fernsehrat” reflektiert seit 2016 den digitalen Wandel der öffentlich-rechtlichen Medien. In der 100. Ausgabe blickt Leonhard Dobusch, ehemaliges Mitglied im ZDF-Fernsehrat und aktuelles Mitglied im ZDF-Verwaltungsrat, zurück und hebt hervor, dass Themen wie öffentlich-rechtliche Plattformen, Transparenz in der Rundfunkaufsicht und freie Lizenzen für öffentlich-rechtliche Inhalte dominierten. Insgesamt 50 seiner “Erfahrungen, Einsichten und Erkenntnisse” hat Dobusch kurz und prägnant zusammengetragen.

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4. So war das mit den Faktenchecks nicht gedacht
(uebermedien.de, Frederik von Castell)
Der Beitrag von Frederik von Castell bei “Übermedien” thematisiert die aktuelle Praxis von Faktenchecks in Medien. Er kritisiert, dass viele der sogenannte Faktenchecks nicht mehr nur die Fakten prüfen, sondern auch Kommentare und Wertungen enthalten, wie etwa bei den Überprüfungen von Äußerungen des CDU-Chefs Friedrich Merz über Asylbewerber. Von Castell argumentiert, dass durch solche Praktiken der Begriff “Faktencheck” immer mehr an Bedeutung verliere.

5. Warum wir oft fälschlicherweise von der “ehemaligen DDR” sprechen
(deutschlandfunk.de, Henry Bernhard)
Henry Bernhard weist in der Sprachkolumne “Sagen & Meinen” darauf hin, dass das Wort “ehemalig” von vielen Redaktionen, insbesondere im Bezug auf die DDR, oft falsch verwendet werde. Während es korrekt sei, von der DDR als “ehemalig” zu sprechen, wenn man die fünf “jetzt auch nicht mehr so neuen Bundesländer” meine, sollte man bei historischen Bezügen schlicht “DDR” und nicht “ehemalige DDR” verwenden. Außerdem erläutert Bernhard den Unterschied zwischen “ehemalig” und “damalig”, wobei sich “damalig” auf einen bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit beziehe, während “ehemalig” einen früheren Zustand beschreibe.

6. Sendung mit der Maus: Türen auf für Pseudowissenschaft?
(volksverpetzer.de, Oliver Rautenberg)
Die “Sendung mit der Maus” ist für ihre Entscheidung kritisiert worden, im Rahmen ihrer Aktion “Türen auf mit der Maus” Kindern einen Besuch in einem Homöopathie-Labor zu ermöglichen. Viele Fans der Sendung hätten sich enttäuscht über diese Entscheidung geäußert, da Homöopathie nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirke, so Oliver Rautenberg beim “Volksverpetzer”. Sein Fazit: “Die Maus genießt einen riesigen Vertrauensvorschuss, bei mir und bei den meisten anderen Maus-Fans. Den sollte sie nicht derart leichtfertig verspielen.”

1,2 Milliarden Euro Strafe, CEO of Radikalisierung, Faktencheck-Flyer

1. Facebook-Konzern Meta soll 1,2 Milliarden Euro Strafe zahlen
(spiegel.de)
Der Hartnäckigkeit des österreichischen Datenschutzaktivisten, Autors und Juristen Max Schrems ist es zu verdanken, dass der Facebook-Mutterkonzern Meta wegen seiner Beteiligung an der US-Massenüberwachung zu einer Rekordstrafe von 1,2 Milliarden Euro verurteilt wurde. Schrems selbst Auf nyob.eu kommentiert: “Wir sind froh über diese Entscheidung nach zehn Jahren Rechtsstreit. Das Bußgeld hätte wesentlich höher ausfallen können, da die Höchststrafe bei über 4 Milliarden liegt und Meta zehn Jahre lang wissentlich gegen die DSGVO verstoßen hat, um Profit zu machen. Wenn die US-Überwachungsgesetze nicht geändert werden, wird Meta nun wohl seine Systeme grundlegend umstrukturieren müssen.”

2. Russische Journalistinnen mutmaßlich vergiftet
(tagesschau.de)
Laut Medienberichten klagten zwei russische Exil-Journalistinnen nach dem Besuch einer Konferenz des Kremlkritikers Michail Chodorkowski in Berlin über Vergiftungssymptome. Der Sachverhalt werde vom polizeilichen Staatsschutz bearbeitet, so ein Polizeisprecher. Frank Überall, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands, fordert eine Reaktion der Bundesregierung: “Wenn sich herausstellt, dass Putin sogar vor Mordversuchen nicht zurückschreckt, ist eine klare Antwort des Auswärtigen Amtes unverzichtbar.” Darüber hinaus seien die Sicherheitsbehörden aufgefordert, den Schutz von in Deutschland lebenden exilrussischen Journalistinnen und Journalisten zu verbessern: “Wer in Deutschland Schutz sucht und findet, darf kein Freiwild für Putins Handlanger sein”, so Überall.

3. Wie erkenne ich Falschmeldungen?
(correctiv.org)
“Die Verunsicherung, die Falschmeldungen auslösen, ist beträchtlich. Sie spalten Gesellschaften, radikalisieren Menschen und führen im schlimmsten Fall sogar zu Gewalt.” Das Rechercheteam von “Correctiv” hat zehn kurze und prägnante Tipps zusammengestellt, wie man Falschmeldungen erkennen kann. Sie können auch als Faktencheck-Flyer heruntergeladen werden (PDF).

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4. 30 Jahre Welttag der Pressefreiheit: Hintergründe und aktuelle Herausforderungen
(de.ejo-online.eu, Roja Zaitoonie)
Vor 30 Jahren wurde der 3. Mai zum Welttag der Pressefreiheit erklärt. Seitdem organisiert die UNESCO, eine Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, eine jährlich stattfindende internationale Konferenz. In diesem Jahr fand die UNESCO-Konferenz in Punta del Este, Uruguay, statt. Roja Zaitoonie erläutert die Hintergründe des Welttags und stellt einige der Themen vor, die in Punta del Este diskutiert wurden.

5. CEO of Radikalisierung
(belltower.news, Martha Blumenthaler)
Gestern haben wir in den “6 vor 9” einen Text von Annika Brockschmidt über die verstörenden Äußerungen und die zunehmende Radikalisierung des Twitter-Eigentümers Elon Musk verlinkt, heute beschäftigt sich Martha Blumenthaler mit dem “CEO of Radikalisierung”. In ihrem Text geht sie auf die Wahl der Werbeexpertin Linda Yaccarino als neue Twitter-Chefin ein, die von einigen Musk-Fans wegen einer Verbindung zum Weltwirtschaftsforum heftig abgelehnt werde.

6. Von Nicaragua bis Wien
(taz.de, Thomas Schmid & Barbara Oertel)
Wie die “taz” mitteilt, ist der langjährige “taz”-Korrespondent und Zentralamerika-Experte Ralf Leonhard überraschend gestorben. Er sei am Wochenende tödlich verunglückt. Thomas Schmid und Barbara Oertel blicken in ihrem Nachruf auf Leonhards Persönlichkeit und Karriere zurück: “Mit Ralfs überraschendem Tod verliert die taz eine gewichtige Stimme”, heißt es dort. Dem können wir nur zustimmen. Ralf Leonhards Texte tauchten auch regelmäßig in unseren “6-vor-9”-Empfehlungen auf.

Neue Faktencheck-Plattform, Peter Lustig, Vergiftete Begnadigungen

1. GADMO startet Online-Plattform mit Faktenchecks
(correctiv.org)
“Gadmo”, das “German-Austrian Digital Media Observatory”, gilt als der größte Zusammenschluss von Faktencheck-Teams und Forschung im deutschsprachigen Raum. Mit an Bord sind die Deutsche Presse-Agentur, Agence France-Press, die Austria Presse Agentur und das Recherchenetzwerk “Correctiv”. Geleitet und koordiniert wird das Projekt von der TU Dortmund. Seit gestern sind alle Faktenchecks der teilnehmenden Organisationen und Agenturen auf den Seiten GADMO.eu und faktengegenfakes.de abrufbar.

2. Russische Exil-Journalist:innen im Kampf gegen Zensur
(ndr.de, Zapp Medienmagazin, Video: 21:09 Minuten)
Unzählige russische Medienschaffende sind ins Exil gegangen, um von dort aus weiter berichten zu können. Wie recherchieren sie fern der Heimat über Russland und den Krieg? Wie gehen sie mit Morddrohungen um? Das Medienmagazin “Zapp” hat einige der mutigen Journalistinnen und Journalisten getroffen.

3. Zurück in den Zukunftsrat
(taz.de, Steffen Grimberg)
Ein neues Gremium soll die Zukunft von ARD und ZDF bestimmen. Doch das, was bisher darüber bekannt ist, mache wenig Hoffnung, findet Steffen Grimberg: “Alte Schlachten zu schlagen ist auch bei zu vielen In­ten­dan­t*in­nen immer noch eine Lieblingsbeschäftigung. Das bringt die Öffentlich-Rechtlichen aber überhaupt nicht weiter.”

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4. Newsletter Netzwerk Recherche 218 vom 22.02.2023
(netzwerkrecherche.org, Albrecht Ude)
Wie immer eine Empfehlung wert, nicht nur für investigativ arbeitende Journalistinnen und Journalisten: der Newsletter des Netzwerk Recherche. Die aktuelle Ausgabe bietet einen Überblick über Nachrichten, Veranstaltungen, Seminare, Stipendien und Preise. Außerdem geht es um ein Interview mit Seymour Hersh, die “Storykiller”-Recherchen, den Schutz von Whistleblowern und die wachsende Gefahr durch Autokratien, die Korruption als strategische Waffe einsetzen. Der Pressespiegel gibt zudem wertvolle Lesetipps zu ausgewählten Themen.

5. Vergiftete Begnadigungen
(reporter-ohne-grenzen.de)
Das Regime in Teheran hat zwölf Medienschaffende begnadigt und aus dem Gefängnis entlassen. Die meisten von ihnen mussten jedoch Erklärungen unterschreiben, die es ihnen unmöglich machen, weiter zu arbeiten. Die Organisation Reporter ohne Grenzen kritisiert dies als neue Form der Unterdrückung und fügt hinzu: “Die zwölf Begnadigten können jederzeit wieder ins Gefängnis gesteckt werden. 30 ihrer Kolleginnen und Kollegen sitzen noch immer in den Foltergefängnissen, Hunderte weitere arbeiten in Angst. Diese Maßnahme der iranischen Führung ist nicht mehr als ein Feigenblatt.”

6. “Heute vor 7 Jahren ist Peter Lustig gestorben”
(twitter.com/topfvollgold, Mats Schönauer, Video: 2:02 Minuten)
Anlässlich des Todestages von Peter Lustig, Hauptdarsteller und Autor der ZDF-Serie “Löwenzahn”, räumt Mats Schönauer mit einer bösen Unterstellung auf: “Hier nochmal zur Erinnerung: Er war KEIN Kinderhasser. Das wurde von der BILD-Zeitung in die Welt gesetzt, nachdem er sie kritisiert hatte.”

Döpfner nur als Randnotiz, Antwort auf Faktencheck, Coronaproteste

1. War was?
(sueddeutsche.de, Anna Ernst)
Axel-Springer-Chef und Verleger Mathias Döpfner ist wegen seines Verhaltens in der Affäre um den ehemaligen “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt in die Kritik geraten. Viele Beobachter stellen seine charakterliche Eignung für den Posten des Chefs der Digitalpublisher und Zeitungsverleger in Frage, nur der betroffene Verband anscheinend nicht. Für den sei auf seiner Tagung nach “SZ”-Informationen Döpfners Verhalten nur eine Randnotiz geblieben.

2. In Moskau für Medien einsetzen
(djv.de, Hendrik Zörner)
Der Deutsche Journalisten-Verband hat sich in einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz gewandt. Dieser möge sich bei seinen Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin für die deutschen Korrespondentinnen und Korrespondenten in Russland einsetzen. Außerdem solle Scholz darauf dringen, dass die Deutsche Welle wieder ungehindert arbeiten kann.

3. Covid-Sterbezahlen bei Kindern, eine Bildungsministerin und ein misslungener ARD-Faktencheck
(scilogs.spektrum.de, Markus Pössel)
Ein Tweet der schleswig-holsteinischen Kultusministerin Karin Prien zu mit-oder-an-Covid-verstorbenen Kindern sorgte für viel Empörung in den Sozialen Medien. ARD-“Faktenfinder” Patrick Gensing hat daraufhin einen Faktencheck angestellt, in dem er Prien zustimmt: “Vorliegende Daten geben ihr recht.” Nun hat Wissenschaftsblogger Markus Pössel den Faktencheck einem Faktencheck unterzogen – und kommt zu einem anderen Ergebnis.

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4. Betroffene Reporter entsetzt über Gewalt bei Corona-Protest in Dresden-Laubegast
(mdr.de)
In Dresden gab es bei Coronaprotesten einen Angriff auf Journalisten: “Am Sonntag kam es zu einem Vorfall mit jungen Reportern. Sie stellten ein Video ins Netz, auf dem ein Angriff auf das Medien-Team zu sehen ist. Der Anzeige der Journalisten folgte eine Gegenanzeige der Angreifer. Nun ermittelt die Polizei – und die betroffenen Reporter wundern sich.”

5. Journalismus in Mexiko: “Der Staat lässt uns im Stich”
(de.ejo-online.eu, Katarina Machmer)
Im Interview erzählt Reuters-Fotograf Edgard Garrido von den schwierigen Arbeitsbedingungen in Mexiko und vom Zustand des Journalismus im Land: “Leider unterstehen wir in Mexiko keinem soliden rechtlichen Schutz. Ein Journalist, der verhaftet wurde wegen etwas, das die angebliche Anklägerin möglicherweise niemals behauptet hat – das wäre in anderen Ländern der Welt undenkbar. Aber hier ist es das nicht, und genau deshalb sind wir so schutzlos.”

6. WDR-Geschäftsleitung beschließt neue Social-Media-Regelung
(meedia.de, Tobias Singer)
Vergangene Woche tauchte ein Entwurf einer neuen Dienstanweisung für den Umgang mit den Sozialen Medien beim WDR auf, der für eine größere Debatte sorgte. Nun hat sich der WDR nach “Meedia”-Informationen mit Personalrat und Redakteursvertretung zusammengesetzt und eine Dienstanweisung beschlossen, die nicht mehr den umstrittenen Passus zum Umgang mit privaten Accounts enthält.

Appell der Faktenprüfer, Unwort “Pushback”, Ausgeschlagene Zähne

1. Offener Brief an die CEO von YouTube von Faktenprüfern aus der ganzen Welt
(correctiv.org)
Mehr als 80 professionelle Faktencheck-Organisationen aus über 40 Ländern wenden sich in einem offenen Brief an Youtube: “Als internationales Netzwerk von Faktencheck-Organisationen beobachten wir, wie sich Lügen im Internet verbreiten – und wir sehen jeden Tag, dass YouTube einer der wichtigsten Kanäle für Online-Desinformation und Fehlinformationen weltweit ist.” Sie belassen es jedoch nicht bei ihren Vorwürfen, sondern machen konkrete Vorschläge zur Beseitigung des Missstands und bieten Youtube ihre Mitarbeit an.

2. “Pushback” ist Unwort des Jahres 2021
(tagesschau.de)
Die Jury der “Sprachkritischen Aktion” kürt jedes Jahr das “Unwort des Jahres”. Dieses Jahr hat sie sich für den Ausdruck “Pushback” entschieden. Der Begriff beschönige einen Prozess der Abschiebung, der Menschen die Möglichkeit verwehre, das Grundrecht auf Asyl wahrzunehmen: “Den Flüchtenden wird somit ein faires Asylverfahren vorenthalten. Der Einsatz des Fremdwortes trägt zur Verschleierung des Verstoßes gegen die Menschenrechte und das Grundrecht auf Asyl bei. Mit dem Gebrauch des Ausdrucks werden zudem die Gewalt und Folgen wie Tod, die mit dem Akt des Zurückdrängens von Migrant:innen verbunden sein können, verschwiegen.”
Weiterer Lesehinweis: Bei Twitter erklärt Europaparlamentarier Erik Marquardt, warum er die Wahl “sehr gut” finde, die Begründung der Jury aus seiner Sicht jedoch den Kern des Problems verfehle.

3. Warum Gegenrede nicht immer funktioniert
(netzpolitik.org, Olaf Pallaske)
Ein Forscherteam einer Schweizer Hochschule habe nachgewiesen, dass Hassrede durch Gegenrede reduziert werden kann. Dies gelte jedoch nicht uneingeschränkt und es bleibe offen, ob Gegenrede auch zu einer tatsächlichen Meinungsänderung führen kann. Zudem drohe der sogenannte Backfire-Effekt, eine emotionale Abwehrreaktion, die selbst dann auftrete, wenn die Informationen auf anerkannten Fakten basieren.

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4. Zusammenführung: RTL und Gruner + Jahr starten gemeinsam mit 7500 Mitarbeitenden
(rnd.de)
Nachdem im Sommer 2021 bekannt wurde, dass RTL weite Teile des Medienkonzerns Gruner + Jahr erworben hatte, ist nun die Zusammenführung der zwei Unternehmen erfolgt. Bei dem erweiterten Unternehmen RTL Deutschland würden nun in Köln, Hamburg, Berlin und an 14 weiteren deutschen Standorten 7.500 Personen arbeiten.
Weiterer Lesehinweis: Bei “DWDL” analysiert Chefredakteur Thomas Lückerath den Zusammenschluss: Gewinner und Verliererinnen der großen RTL-Rochade.

5. Voraussetzung für Rundfunk-Demokratie
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
“Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird 2022 ein wegweisendes Jahr. Erst soll die Senderverfassung, sprich Auftrag und Struktur, überarbeitet werden, im zweiten Schritt steht die Reform der Finanzierung von ARD, ZDF und Deutschlandradio an.” Joachim Huber erklärt, was da im Einzelnen auf die Verantwortlichen zukommt.

6. Alle Kosten selbst tragen
(taz.de, David Muschenich)
Als Teil eines Filmteams wollte die Journalistin Lea Remmert 2020 die Demonstrationen zum 1. Mai begleiten, als sie von einem Polizeitrupp überrannt und verletzt wurde. Das Resultat: zwei ausgeschlagene Zähne und eine hohe Zahnarztrechnung. Verantwortung dafür wolle jedoch niemand übernehmen, auf den Kosten werde sie wohl sitzen bleiben.

Sie nennen sowas “Faktencheck”

Ein Mindestanspruch an einen Faktencheck sollte darin bestehen, dass dort Fakten gecheckt werden; dass also jemand sie überprüft, bestätigt oder korrigiert, weitere Fakten liefert, Klarheit schafft.

Ein “Bild”-“Faktencheck” läuft anders. Da werden Fakten aus dem Zusammenhang gerissen und neu angeordnet, es wird verschleiert, am Ende ist alles unklarer. Erst recht, wenn die Redaktion damit einem Liebling wie Friedrich Merz unter die Arme greifen kann.

Auf Merz’ Twitter-Account erschien vor einigen Tagen folgender Tweet:

Screenshot eines Tweets von Friedrich Merz - Ein grünes Einwanderungsministerium soll möglichst viele Einwanderer unabhängig von ihrer Integrationsfähigkeit nach Deutschland einladen. Die Gender-Sprache soll uns allen aufgezwungen und das Land überzogen werden mit neuen Verhaltensregeln, Steuern und Abgaben.

Die Aufregung darüber war recht groß. Politikerinnen und Politiker verschiedener Parteien (und vor allem der Grünen) kritisierten Merz für dessen Aussagen. Seine Behauptungen seien schlicht Lügen, so der Vorwurf. Und beim Thema Lügen kommt natürlich “Bild” ins Spiel:

Screenshot Bild.de - Einwanderung, gendern, Steuern - Grünen-Attacke von Merz im Faktencheck

Die Redaktion schreibt:

Auf Twitter schrieb Merz, ein grünes Einwanderungsministerium solle “möglichst viele Einwanderer unabhängig von ihrer Integrationsfähigkeit nach Deutschland einladen” und die Gender-Sprache “uns allen aufgezwungen werden”.

… und fragt:

DOCH: Lügt Merz tatsächlich oder hat er recht?

Schon beim Thema Gendern wird die Nebelkerzigkeit dieses “Faktenchecks” deutlich. Zu Merz’ Vorwurf, dass eine Gender-Sprache “uns allen aufgezwungen” werden soll, schreibt “Bild”, dass die Grünen in ihrem Wahlprogramm “570 Mal auf 110 Seiten” und auch sonst ganz gerne gendern. Das war’s. Dass es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass die Partei “uns” im Falle einer Regierungsbeteiligung per Gesetz zum Gendern verpflichten oder es “uns” sonst wie “aufzwingen” will, erwähnt die Redaktion nicht.

Beim Thema Einwanderung führt die “Bild”-Redaktion ihre Leserschaft dann endgültig in die Irre. Sie schreibt:

Fakt ist: Die Grünen wollen nach der Bundestagswahl ein Einwanderungsministerium gründen. Das forderte Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock (40) in einem Interview mit einer deutsch-türkischen Interessenvertretung.

Die Grünen planen ein sogenanntes “Teilhabegesetz” und schreiben in ihrem Parteiprogramm: “Wir werden verbindliche Zielvorgaben zur Erhöhung des Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund auf allen Ebenen einführen.” Außerdem wollen die Grünen “Zugangswege auch im gering- oder unqualifizierten Bereich” schaffen.

Der entscheidende Satz, mit dem “Bild” vorgibt, Friedrich Merz’ Schreckensszenario von der vermeintlichen Grünen-Einladung an “möglichst viele Einwanderer” stützen zu können: “Wir werden verbindliche Zielvorgaben zur Erhöhung des Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund auf allen Ebenen einführen.”

Er steht tatsächlich im Wahlprogramm der Grünen (PDF, Seite 168), aber in einem deutlich anderen Kontext. Während “Bild” es so wirken lässt, als bezöge er sich auf das gesamte Land und die gesamte Gesellschaft und stünde für Masseneinwanderung “auf allen Ebenen”, geht es tatsächlich nur um die Verwaltung in Deutschland und auch eher nicht um zusätzliche Einwanderer. Im Unterkapitel “Vielfalt in der Verwaltung” schreiben die Grünen:

Die Vielfalt der Gesellschaft muss sich auch in ihrer Verwaltung widerspiegeln. Das stärkt die staatlichen Institutionen und trägt zu Vertrauen und Bürger*innennähe bei. Eine diverse und diskriminierungskritische Verwaltung entsteht aber nicht von selbst, sondern benötigt Mittel, Strukturen und gezielte Förderung. (…) Wir werden verbindliche Zielvorgaben zur Erhöhung des Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund auf allen Ebenen einführen.

Die Aussage der Grünen, “Zugangswege auch im gering- oder unqualifizierten Bereich” schaffen zu wollen, reißt “Bild” ebenfalls aus dem Zusammenhang. Die Redaktion hat sie von einer “Themenseite”, die die Grünen auf ihrer Website veröffentlicht haben. Auch hier ist der Kontext nicht, dass die Partei “möglichst viele” Menschen nach Deutschland holen will. Der gesamte Satz lautet:

Auf Basis des jährlichen Arbeitskräftebedarfs schaffen wir so Zugangswege auch im gering- oder unqualifizierten Bereich.

In den Sätzen davor geht es um eine “Einwanderungskommission”, die “dem Bundestag jährlich die Anzahl von punktebasierten Talentkarten vorschlagen [soll], mit denen Menschen zu uns kommen können.” Und allgemein handelt die “Themenseite” davon, wie Integration besser gelingen könnte.

Auch das von “Bild” einfach so hingeworfene und nicht weiter erklärte “Teilhabegesetz”, das die Grünen laut Wahlprogramm (Seite 169) tatsächlich planen, steht nicht für “möglichst viel” Zuwanderung. Eigentlich hat es überhaupt nichts mit zusätzlicher Zuwanderung zu tun. Die Grünen schreiben dazu:

Für mehr Repräsentanz und Teilhabe werden wir ein Bundespartizipations- und Teilhabegesetz vorlegen und das Bundesgremienbesetzungsgesetz refomieren. Staatliches Handeln soll auf unsere vielfältige Gesellschaft ausgerichtet sein und Gleichberechtigung sicherstellen. Wer hier dauerhaft seinen Lebensmittelpunkt hat, muss die Möglichkeit haben, an Wahlen, Abstimmungen und allen anderen demokratischen Prozessen gleichberechtigt teilzunehmen, in einem ersten Schritt wollen wir das kommunale Wahlrecht für Drittstaatsangehörige einführen.

Statt aufzuklären, verzerrt die “Bild”-Redaktion zusätzlich. Und geht in ihrem “Faktencheck” noch einen Schritt weiter als Friedrich Merz. Nun sind es nicht mehr nur “Einwanderer unabhängig von ihrer Integrationsfähigkeit”, die die Grünen angeblich nach Deutschland einladen, sondern “Integrationsverweigerer oder Kriminelle”:

Menschen sollen aufgrund ihrer Herkunft qua Gesetz bevorteilt werden, unabhängig von ihrer Qualifikation, Bildung und Integrationsfähigkeit.

Eine solche Bevorteilung nur aufgrund der Herkunft kann als Einladung zur Migration verstanden werden – selbst für Integrationsverweigerer oder Kriminelle.

Bei “Bild” läuft sowas unter “Faktencheck”.

Mit Dank an Andreas P. für den Hinweis!

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Bild.de lässt sich eine Story nicht von sowas wie Fakten kaputtmachen

Spätestens seit in Großbritannien gegen Boris Becker ein Insolvenzverfahren läuft, hat sich die “Bild”-Redaktion auf den ehemaligen Tennisstar eingeschossen (zum Beispiel: “Jetzt wird’s ernst für Boris! Diese Horror-Liste kann ihn in den Knast bringen”). Und Becker schießt zurück: Er lasse es nicht zu, dass “Julian Reichelt und sein Blatt” versuchen, “einen Menschen kaputt zu machen …mich!”

Ende November hatte “Bild” den nächsten Knaller ausgegraben:

Screenshot Bild.de - Britischer Rechtsexperte erstaunt - Boris Becker fährt Luxus-Auto wie ein Dax-Vorstand

Was für ein Auto wird Boris Becker wohl wie so ein richtiger Dax-Vorstand fahren? Den größten BMW, den man kriegen kann? Den dicksten Audi auf dem Markt? Einen Ferrari wie der VW-Vorstandsvorsitzende Herbert Diess? “Bild”-Chefreporter John Puthenpurackal schrieb:

Auch nach der Privatinsolvenz gibt Boris Becker privat weiter Gas – mit einer Luxus-Limousine.

Vor und nach der Verhandlung wurde die Tennis-Legende in einer anthrazit-farbenen E-Klasse der Marke “Mercedes-Benz” gesichtet. Das Fahrzeug gehört laut Experten hinter der S-Klasse zur oberen Kategorie der Limousinen.

Die E-Klasse, die in der einfachsten Ausstattung aktuell knapp unter 50.000 Euro kostet, ist für die meisten sicher ein teurer Spaß. Möglich, dass es auch Dax-Vorstände gibt, die E-Klasse fahren. Allerdings dürfte sich jeder von ihnen auch deutlich teurere Modelle (eine S-Klasse ist erst ab etwa 95.000 Euro zu haben) leisten können: 2019 lag das Durchschnittsgehalt eines Mitglieds im Vorstand eines im Dax gelisteten Unternehmens bei 3,4 Millionen Euro. Ob man also wirklich sagen kann, dass Boris Becker ein “Luxus-Auto wie ein Dax-Vorstand” fährt?

Zumal Becker auf dem Foto, auf das sich Bild.de bezieht, gar nicht in einer E-Klasse sitzt, sondern in einer kleineren C-Klasse. Die ist ab knapp 35.000 Euro zu haben und ein Modell der Mittelklasse.

Es ist bezeichnend, wie die “Bild”-Redaktion mit ihrer falschen Darstellung umgeht.

Ein Twitter-User wies John Puthenpurackal auf den Fehler hin, wofür sich der “Bild”-Autor bedankte. Er habe seinen Artikel aktualisiert, schrieb Puthenpurackal.

Tatsächlich hat Bild.de den Fehler transparent korrigiert (“Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version stand anstelle der C-Klasse die E-Klasse als Fahrzeugtyp. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.”), was gut ist. Der Rest ist schlecht. Trotz der deutlich veränderten Faktenlage bleibt die “Bild”-Redaktion einfach bei ihrer Überschrift “Boris Becker fährt Luxus-Auto wie ein Dax-Vorstand” und bei ihrer “Luxus-Limousinen”-Geschichte:

Auch nach der Privatinsolvenz gibt Boris Becker privat weiter Gas – mit einer Luxus-Limousine.

Denn: Vor und nach der Verhandlung wurde die Tennis-Legende in einem anthrazitfarbenen Mercedes-Benz, einer C-Klasse, gesichtet.

Das Fahrzeug gehört hinter der S-Klasse und der E-Klasse zu der höheren Kategorien der Limousinen. Listenpreis: mindestens 34.000 Euro.

Dass preislich zwischen E- und C-Klasse einiges liegt – na und? Und dass damit die ursprüngliche Grundannahme futsch ist – egal. Von sowas wie Fakten hat sich die “Bild”-Redaktion noch nie eine Geschichte kaputtmachen lassen.

Mit Dank an @nutzwerker für den Hinweis!

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