Suchergebnisse für ‘exklusiv’

Philipp Rösler, Augenarzt fürs Leben

Freitag nachmittag: Die Zusammensetzung des neuen Bundeskabinetts rauscht durch alle Medien. Es eilt. Damit die Kabinettsliste am Samstag auf den Titelseiten aller wichtigen Zeitungen stehen kann, müssen die Infos jetzt fließen. Schnell.

Und so meldet der Basisdienst der dpa in Hamburg um 16:51 Uhr:

Berlin (dpa) — Der niedersächsische Vize-Ministerpräsident Philipp Rösler (FDP) wird wahrscheinlich neuer Gesundheitsminister. Dies verlautete am Freitag aus Kreisen der Verhandlungsführer. Der 36-jährige Landeswirtschaftsminister aus Hannover wollte eigentlich nicht nach Berlin wechseln. Der studierte Augenarzt hat zusammen mit Ursula von der Leyen (CDU) den Gesundheitskompromiss der neuen schwarz-gelben Koalition ausgehandelt.

Um 17:50 Uhr folgt das Portrait des bundespolitischen Newcomers:

Der bisherige Landtagsfraktionschef in Hannover hatte erst im Februar das Amt des Wirtschaftsministers in einer CDU/FDP-Koalition im Land übernommen. In dem Ressort ist er der jüngste in Deutschland. Dabei machte sich der Augenarzt und Vater von Zwillingen als Krisenmanager einen Namen. Vorher war Wirtschaft nicht unbedingt sein Steckenpferd.

In dieses bunte Potpourri an Funktionen hat sich leider ein faules Ei eingeschlichten: Rösler ist kein Augenarzt. Der Irrtum ist so verbreitet, dass der Jung-Politiker auf seiner Webseite sogar einen eigenen Abschnitt zu seinem Lebenslauf hinzugefügt hat:

ACHTUNG, wichtiger Hinweis: Entgegen vielerlei Presseartikeln und Berichten bin ich NICHT Facharzt für Augenheilkunde, sondern von Beruf einfach Arzt.

Bald entdeckt man bei dpa den Fehler und schickt um 18:27 Uhr eine Berichtigung hinterher:

(Berichtigung: Arzt statt Augenarzt im dritten Absatz)

Doch zu spät. Die Information hat sich bereits im Medienkreislauf festgefressen:

Bei Bild.de, …

Der studierte Augenarzt hat zusammen mit Ursula von der Leyen (CDU) den Gesundheitskompromiss der neuen schwarz-gelben Koalition ausgehandelt.

… der “Rheinischen Post”, …

Ein 36-jähriger Augenarzt, geboren in Vietnam, ist die Überraschung im Kabinett der schwarz-gelben Bundesregierung.

… dem “Hamburger Abendblatt”

Philipp Rösler, Augenarzt und niedersächsischer Wirtschaftsminister, soll an diesem Sonnabend unerwartet als Gesundheitsminister vorgestellt werden. Exklusiv im Abendblatt präsentiert der 36-jährige FDP-Politiker seine Pläne.

… und in vielen weiteren Medien findet man den falschen Beruf. “Spiegel Online” hat sich eine besondere Variante einfallen lassen — man bezieht Teile des Lebenslaufs über Twitter:

Am frühen Abend dann twitterte der FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr: Ein Augenarzt mit Durch- und Weitblick wird Gesundheitsminister. Ich freue mich für Philipp Rösler und die FDP und werde ihn unterstützen!

Hm?

Landwirtschaftsminister ist Rösler übrigens auch nicht, obwohl zahlreiche Online-Medien das dank dpa in einem Bildtext verbreiten. Gemeint ist: Landeswirtschaftsminister. Komisches Wort aber auch.

Um 21:35 Uhr kehrt die Information überraschend auch wieder zu dpa zurück, wo man Röslers Heimatzeitung, die “Hannoversche Allgemeine Zeitung”, zitiert, die es erstaunlicherweise auch nicht besser weiß:

Man tritt ihm nicht zu nahe, wenn man festhält, dass die Herkunft aus Niedersachsen ihm geholfen hat. Zuvor hatte die FDP für Justiz eine Frau aus Bayern und für Wirtschaft einen Mann aus Rheinland-Pfalz nominiert. Immerhin: Rösler ist gelernter Augenarzt. Als er noch im Facharztzentrum der Bundeswehr in Hannover arbeitete, ließ er sich freilich nicht träumen, mal Bundesgesundheitsminister zu werden.

Ein einmaliger Ausrutscher? Mitnichten. Schon vor vier Tagen hatte die dpa ein kurzes Portrait der niedersächsischen Wirtschaftsministers gebracht:

In dem Ressort ist er der jüngste in Deutschland. Dabei machte sich der Augenarzt und Vater von Zwillingen als Krisenmanager einen Namen. Vorher war Wirtschaftskompetenz nicht unbedingt sein Steckenpferd. Rösler, Lakritz-Liebhaber und Hobby-Bauchredner, gilt als scharfzüngiger Schnellredner, der charmant aber auch verbindlich im Ton auftritt.

Und drei Wochen zuvor stellte die “Welt” Rösler als künftigen Wirtschaftsminister vor:

Geht das Wirtschaftsressort an die FDP, könnten die Liberalen eines ihrer größten Talente zum Zuge kommen lassen: Philipp Rösler (36), der seit Anfang 2009 dieses Ressort in Niedersachsen führt. Das von deutschen Eltern adoptierte Waisenkind aus Vietnam ist gelernter Augenarzt.

Die Reihe ließe sich noch lange weiter fortsetzen — mehr als sechs Jahre lang. Am 15. Februar 2003 meldete der Berliner “Tagesspiegel” anscheinend als erster den falschen Beruf des damaligen Fraktionsvorsitzenden:

McAllister kommt aus Bad Bederkesa im Landkreis Cuxhaven, ist in seiner Heimatstadt verwurzelt, war dort Bürgermeister und Schützenkönig. (…) Hinzu kommt der neue Fraktionschef der FDP, der erst 29 Jahre alte Augenarzt Philipp Rösler.

Am 23. Februar desselben Jahres legte die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung” noch eins drauf:

Philipp Rösler tritt leise auf. Er führt die Fraktion der FDP in Niedersachsen, die es nach neun Jahren wieder in den Landtag schaffte. 29 Jahre ist er alt, verheiratet mit einer jungliberalen Ärztin. Rösler ist promovierter Augenarzt und nach zehn Jahren als Zeitsoldat im Rang eines Stabsarztes. Nie der beste, aber immer der fröhlichste Mediziner sei er gewesen, sagt Rösler.

Gesundheitsminister bleibt man vier — mit viel Glück sogar acht Jahre lang. Eines jedoch wird Philipp Rösler wohl immer bleiben: Augenarzt.

Mit Dank an Patti!

Nachtrag 26. Oktober, 11:20 Uhr: Während Redaktionen wie “Spiegel Online” und “Zeit.de” ihre Artikel von dem Fehler bereinigen, beharrt “Bild.de” am Sonntag abend immer noch auf der Bezeichnung “promovierter Augenarzt”.

Wie es zu dem weit verbreiteten Irrtum kommen konnte, erklärt das “Ärzteblatt”:

Tatsächlich hat Rösler über ein Thema aus der Herzchirurgie promoviert und bis 2003 als Sanitätsoffizier der Bundeswehr gearbeitet. Parallel verlief die Politikerkarriere und dabei verlief sich die begonnene Weiterbildung zum Augenarzt. Soviel zum Biografischen. Jeder wird in den nächsten Tagen allüberall nahezu alles über Rösler lesen können, seine ungewöhnliche Biografie reizt schließlich jeden Journalisten zu einer Story.

Heidi Klums schwere Geburt

Jetzt wissen es alle: Heidi Klums viertes Kind hat die Welt erblickt — und das bereits am vergangenen Freitag, wie das Model auf seiner Homepage bekannt gibt. Drei Tage mussten sich die Medien in Ungewissheit wiegen, drei Tage gab es keinen Kommentar von der Familie, drei Tage schwankte die Promi-Presse zwischen Euphorie und Selbstzweifeln.

Schon am Freitag hatte das Celebrity Paparazzi-Magazin radaronline.com die Geburt gemeldet. In zwölf kurzen Zeilen verriet der Dienst Zeitpunkt der Geburt und den Namen des Babys. Quelle: unbekannt. Verlässlichkeit: gering.

Doch ein Internet-Gerücht ist ein Internet-Gerücht — also muss man die Leser schnell informieren. So sieht das zumindest die Redaktion von “Bild am Sonntag” und schickte prompt die ersten Geburtstagsglückwünsche:

BamS gratuliert zu Töchterchen Lou! Die Kleine soll Freitagnacht auf die Welt gekommen sein

Da nun ein deutsches Medium mit Millionenauflage berichtet hatte, durfte das Gerücht natürlich in die vermeintlich seriöseren Medien vordringen. So fand sich in der “Welt am Sonntag” diese Meldung:

Model Heidi Klum ist laut Medienberichten zum vierten Mal Mutter geworden. Das berichtete

“Unter Berufung auf amerikanische Internetseiten” kann man offenbar jedes Gerücht ins Blatt heben — vorausgesetzt, jemand anderes hat es vor einem getan.

Doch Heidi Klum ließ sich von dieser Eile nicht beeindrucken: Sie gab weder eine Bestätigung, noch ein Dementi heraus. Gleichzeitig widersprach zum Beispiel das Klatschblatt Usmagazine.com dem Bericht von radaronline, was die Redakteure von Bild.de in eine Sinnkrise stürzte. Wenn zwei unterschiedliche Meldungen im Internet kursieren, welcher soll man glauben?

Und so legte Bild.de am Sonntag nach:

Heidi Klum und Seal - Rätselraten um Heidis Baby

Darin hieß es:

Offiziell bestätigt hat das Topmodel das aber noch nicht. Mit Gerüchten auf Internetseiten “habe ich nichts zu tun”, steht auf Heidis Homepage. “Meine Anmerkungen finden ausschließlich hier statt und nirgendwo sonst.”

Dass die Autoren dieser Meldung nach anderthalb Tagen auf die Idee gekommen sind, auf Heidi Klums Homepage nachzusehen, ist zwar schon ein Fortschritt — mit dem Lesen haperte es aber etwas. Denn das zitierte Dementi hat mit der Geburt von Heidi Klums Tochter nichts zu tun. Wie man der Überschrift des Statements entnehmen kann, ging es nicht um die Geburt, sondern um Nachrichten auf Twitter, MySpace und Co. Dort hatte ein Virus Nachrichten mit angeblichen Videos von Heidi Klum verbreitet.

Ein Gerücht, ein gegenteiliges Gerücht und ein Dementi zu einer völlig anderen Geschichte. Wer denkt, daraus sei keine journalistische Meldung zu machen, arbeitet offenbar nicht für den ORF, die Münchner “Abendzeitung”, gala.de oder Focus.de, die sich (häufig über den Umweg der Nachrichtenagentur ddp) alle der Baby-Spekulationen von Bild.de und “Bild am Sonntag” anschlossen.

Den Vogel schoss freilich das “Hamburger Abendblatt” ab, indem es die Meldung noch etwas ausschmückte:

Doch bisher ist die Ankunft des Kindes offiziell nicht bestätigt. Auf ihrer eigenen Homepage dementiert Heidi Klum die Gerüchte um die Geburt und erklärt, sie habe keinen dieser Berichte bisher bestätigt. Alle aktuellen Informationen liefen ausschließlich über ihre offizielle Homepage.

Doch hatten die Redakteure des “Abendblatts” offenbar Hemmungen, bei Bild.de etwas abzupinnen, was alleine auf den Angaben eines US-Klatschmagazins beruhte. Also recherchierten sie nach googelten sie flüchtig und fanden tatsächlich eine Bestätigung für die Geburtsmeldung:

Der amerikanische Internetdienst RadarOnline.com berichtete exklusiv über die angebliche Geburt des vierten Klum-Sprösslings und auch Indien gratulierte via oneindia.in dem Model zur Geburt ihrer zweiten Tochter.

Woher ganz Indien das wohl wusste? Das “Abendblatt” hat den Bericht sogar verlinkt:

Supermodel Heidi Klum has become a proud mum for the fourth time, giving birth to her first daughter with husband Seal, according to reports. The supermodel welcomed baby Lou Samuel on Friday morning, according to RadarOnline.com.

(Supermodel Heidi Klum ist zum vierten Mal stolze Mutter geworden und hat nach Berichten ihre erste Tochter mit Ehemann Seal bekommen. Das Supermodel begrüßte Baby Lou Samuel am Freitagmorgen, berichtete RadarOnline.com)

Als Beleg für das Gerücht verwendet das “Abendblatt” die Wiedergabe des gleichen Gerüchts. Wie soll man das nennen? Möbius’sche Quellenvermehrung?

Und falls Sie auch gerne mal kotzen möchten…

Was macht eigentlich der Fußballer Lukas Podolski? So kurz vor dem vermutlich wichtigsten Nationalelf-Spiel des Jahres kann man dieser Frage schon mal nachgehen. “Bild” kommt dabei zu einer ganz erstaunlichen Neuigkeit (die, so darf man vermuten, auch noch ziemlich exklusiv ist, woanders jedenfalls war dieser Scoop noch nicht zu lesen).

Unter dieser Überschrift wird die Neuigkeit behandelt, dass Podolski mit einem auffälligen Kleidungsstück in den Kreis der Mannschaft einrückte. Das Motiv auf seinem Pulli ist, Sie ahnen es, ein sich übergebender Clown. Und natürlich mag man als Leser dann auch wissen, woher man solch ein exklusives Stück bekommen kann. Bild.de hat da ganz den Servicegedanken verinnerlicht und beschreibt detailliert:

Aktuell heißt es also, dass Podolski sich das Shirt “gekauft” habe. Das war nicht den ganzen Tag so — und es ist natürlich reine Spekulation, ob die frühere Version (nämlich, dass Poldi das gute Stück als Werbeträger geschenkt bekommen hat) der Wahrheit nicht näher kommt. Da hieß es nämlich bei Bild.de ebenso wie in der gedruckten “Bild”:

In jedem Fall ist die Preisangabe von “Bild”  ein wenig, nunja, euphemistisch. Tatsächlich bewegt sich, wie ein Blick in den verlinkten Shop zeigt (der gleich mit dem Foto von Poldi aufmacht), das Preisniveau schon eher in fußballprofigerechten Dimensionen: 398 Euro sind fällig, das gute Stück ist nämlich aus Kashmir. Und wer dann immer noch nicht restlos überzeugt ist von den Qualitäten des kotzenden Clowns, des Labels und der vertreibenden Firma, dem sagt es Poldi auch nochmal ganz persönlich mit gewohnt eindringlichen Worten:

“Ich finde den Laden cool.”

Ach, Sie vermissen was? Einen Vermerk wie “Anzeige” oder ähnliches? Nicht lange suchen — Sie werden ihn nicht finden.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Bild  

Viel Giftgas um nichts

“Bild” war da gestern “exklusiv” einer ganz heißen Sache, einer “Horror-Szene”, auf der Spur:

1.-Mai-Krawalle: Giftgas-Anschlag auf Berliner Polizei

Was war (vor dreiviereinhalb Monaten) geschehen?

Wie BILD jetzt exklusiv erfuhr, wurden Berliner Polizisten sogar mit einer Granate attackiert, die das britische Militär im Anti-Terror-Kampf einsetzt. 47 Beamte wurden durch die giftigen Gase verletzt.

Die Geschichte klingt dramatisch, und sie klänge sicher noch dramatischer, wenn “Bild” nicht ein Foto der “Giftgas-Granate” abgebildet hätte:

So sieht die Giftgas-Granate aus, die beim Berliner Anschlag verwendet wurde

“Spiegel Online” vom 12. Juni 2009:

“Nach vorläufigen Ermittlungen des Staatsschutzes habe es sich bei der Granate um einen vermutlich mit Reizgas befüllten “Nebelwurfkörper” gehandelt, sagte [ein] Sprecher der Berliner Polizei (…). Die Polizisten hätten Reizungen der Augen und Gesichtsschleimhäute erlitten sowie über Übelkeit und Schwindelgefühle geklagt (…). Sie hätten jedoch den Einsatz nicht abgebrochen. Auch habe keiner von ihnen die angebotene ärztliche Nachsorge in Anspruch genommen.”

Im “Spiegel-Online”-Artikel heißt es zudem, “dass eine derartige Chemiekeule zum ersten Mal gegen Polizisten eingesetzt wurde” (siehe auch “Berliner Morgenpost” vom 29. Mai 2009), was den Stolz der “Bild”-Zeitung, wonach es “nach BILD-Informationen (…) bundesweit das erste Mal [ist], dass eine Waffe mit derartiger Wirkung gegen Polizisten eingesetzt wurde” etwas schmälern dürfte.

So aber kann jeder, der sich dafür interessiert, nach “M7A2” googeln und beispielsweise auf diese Seite stoßen, auf der erklärt wird, dass Granaten dieses Typs “CS gas for riot control” verströmen. Sie werden also bei Straßenkämpfen von der Polizei eingesetzt und enthalten Tränengas. Klar: Das ist nichts, was man unbedingt aus nächster Nähe ins Gesicht kriegen möchte. Aber auch nichts, was man ernsthaft als “Giftgas” bezeichnen würde — schon gar nicht, wenn man vor drei Monaten aufmerksam “Spiegel Online” gelesen hätte (siehe Kasten).

Theoretisch wissen auch die “Bild”-Autoren, dass die “britische Militär-Granate!” so schädlich nicht sein kann, wenn sie gegen Menschen eingesetzt wird:

Wegen der starken Wirkung wurde sie für das Militär zur Bekämpfung von Aufständen und sogar für Anti-Terror-Einsätze entwickelt.

Nach dem “Bild”-Artikel sah sich der Berliner Polizeipräsident am gestrigen Nachmittag veranlasst, die Situation in einer Pressemitteilung klar zu stellen:

(…) Es handelt sich hier um einen Sachverhalt, der von der Berliner Polizei bereits unmittelbar nach dem 1. Mai umfassend und abschließend untersucht und ausgewertet wurde. Noch bevor das Ergebnis schon vor mehreren Monaten von der Polizei in verschiedenen Medien kommuniziert wurde, waren die betroffenen Beamten über den Inhalt selbstverständlich informiert.

Die heutige erneute Berichterstattung, die den Eindruck wecken könnte, es handele sich hier um neue Erkenntnisse, hat uns veranlasst, das damalige Untersuchungsergebnis erneut zu kommunizieren:

Es handelte sich bei dem Gegenstand nach Untersuchung der Kriminaltechnik um einen britischen Nebelwurfkörper, der mit Reizgas des Typs “CS” befüllt war. Dieses CS-Gas findet auch in handelsüblichen Selbstverteidigungs-Sprays Verwendung und stellt keine grundsätzliche Gesundheitsgefährdung dar. Die am 1.Mai beworfenen Polizeibeamten klagten unmittelbar nach dem Bewurf kurzfristig über Augen- und Atemwegsreizungen sowie Übelkeit. Jedoch musste keiner der Beamten verletzt vom Dienst abtreten. Aus diesem Grund meldeten sie den Vorfall auch erst nach dem Einsatz. Bei der daraufhin erfolgten intensiven polizeiärztlichen Untersuchung, die auch die Entnahme von Blutproben beinhaltete, wurden keine gesundheitlichen Schäden festgestellt. Selbstverständlich sind die Beamten unverzüglich über das Ergebnis der Untersuchungen umfassend informiert worden.

Eine Gefährdung der Anwohner bestand zu keiner Zeit.

Mit dem Sachverhalt befasst sich auch eine Pressemeldung der Deutschen Polizeigewerkschaft vom 19.09.2009*. Die darin enthaltenen Vorwürfe gegen den Polizeipräsidenten, die Mitarbeiter seien nicht informiert und der Vorgang nicht transparent dargestellt worden, entbehren jeder Grundlage.

*) Die DPolG-Pressemeldung (hier im Wortlaut), die übrigens quasi zeitgleich mit dem “Bild”-Artikel veröffentlich wurde, enthält — neben kruder Polemik — nicht nur ein Zitat des Berliner DPolG-Chefs, das sich wortgleich im “Bild”-Artikel wiederfindet, sondern auch sonst dieselben Infos, die “Bild” (ohne genauere Quellenangabe) “exklusiv erfuhr”.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

Ernüchternd

Falls Sie sich immer schon gefragt haben, was eigentlich aus dem guten, alten Spiel “Stille Post” geworden ist: Das gibt es immer noch, es heißt nur anders.

Dass die Schauspielerin Kristin Davis in früheren Jahren ein Alkoholproblem hatte, ist Interessierten spätestens seit Mai 2008 bekannt, als sie in einem Interview mit der Zeitschrift “Marie Claire” darüber sprach.

Frau Davis hat nun “In Touch”, dem People-Magazin des Heinrich-Bauer-Verlags, ein Interview gegeben, in dem sie auch noch einmal auf das Thema Alkohol zu sprechen kommt.

In der Pressemitteilung, die “In Touch” gestern verschickte, steht aber natürlich nicht, dass Davis “noch einmal” darüber gesprochen habe. Nein, unter der Überschrift “Kristin Davis exklusiv in InTouch: ‘Ich hatte ein schweres Alkohol-Problem'” heißt es:

Doch auch Kristin hat eine schwere Zeit durchgemacht, wie sie InTouch verrät: “Als Teenager hatte ich ein schweres Alkohol-Problem.”

Die Deutsche Presseagentur (DPA) frisierte die Pressemitteilung ein wenig um und tickerte:

“Als Teenager hatte ich ein schweres Alkoholproblem”, verriet die 44 Jahre alte Schauspielerin dem Magazin “InTouch”.

Bei “Spiegel Online” wiederum griff man auf die DPA-Meldung zurück und sorgte auch direkt für die richtige irgendeine zeitliche Einordnung:

Als Jugendliche war sie abhängig von Alkohol, wie sie nun offenbart hat.

PS: Interessanterweise hat es Gala.de geschafft, die Meldung vom Anschein des Neuen, Exklusiven zu befreien. Ob beabsichtigt oder nicht — dort heißt es einigermaßen schlicht:

Im Interview mit der “In Touch” erzählt die 44-Jährige ganz offen von ihren Jugendsünden: “Als Teenager hatte ich ein schweres Alkoholproblem. Ich habe aus demselben Grund getrunken, aus dem ich Schauspielerin geworden bin: Ich wollte mich selbst ausdrücken und frei sein.”

Mit dem beruflichen Erfolg konnte Kristin die dunkle Vergangenheit hinter sich lassen, ein Geheimnis machte sie aus ihrer überwundenen Sucht aber nie.

Mit Dank an Sigrid N.

dpa  

Lehren aus Bluewater

Die Nachrichtenagentur dpa hat Konsequenzen aus dem “Bluewater”-Debakel der vergangenen Woche gezogen. Sie war in der vergangenen Woche erstaunlich treuherzig und hartnäckig auf die Falschmeldung von einem echten oder vorgetäuschten Selbstmordanschlag in einer amerikanischen Kleinstadt hereingefallen (BILDblog berichtete: Teil 1, Teil 2).

Vor allem wurde der einfache journalistische Grundsatz missachtet: Eine Story, die zu gut ist, um wahr zu sein, ist vermutlich genau dies: nicht wahr.

Wolfgang Büchner

Der stellvertretende Chefredakteur Wolfgang Büchner, der erst vor wenigen Monaten von “Spiegel Online” zu der Agentur gewechselt ist, formulierte “sechs Lehren aus Bluewater”, die im Intranet von dpa veröffentlicht wurden und BILDblog vorliegen. Zum Teil handelt es sich um bloße Erinnerungen an klassische journalistische Grundsätze wie den, dass Richtigkeit vor Schnelligkeit geht. Büchner stellt aber auch dezidierte Regeln auf, wie mit exklusiven Informationen und zweifelhaften Quellen zu verfahren sei. Außerdem sollen die dpa-Redakteure in Zukunft ein Werkzeug an die Hand bekommen, das ihnen helfen soll, die Authentizität einer Internetseite richtig einzuschätzen.

Sechs Lehren aus Bluewater

Bei der Berichterstattung über den erfundenen Terroranschlag von Bluewater sind uns schwere Fehler unterlaufen.

Vor allem wurde der einfache journalistische Grundsatz missachtet: Eine Story, die zu gut ist, um wahr zu sein, ist vermutlich genau dies: nicht wahr. Es ist absolut unplausibel, dass die dpa als einziges Medium exklusiv von einem Terroranschlag in den USA erfährt und dort nur ein lokaler TV-Sender darüber berichtet. Je größer und unwahrscheinlicher eine Story ist, desto gründlicher müssen wir sie überprüfen.

Wir haben darüber hinaus organisatorisch nicht angemessen auf die Lage reagiert. Eine Nachricht dieser Potenz darf niemals nebenbei von einem Slot bearbeitet werden.

Daher gelten ab sofort schärfere Regeln für den Umgang mit exklusiven Informationen:

Im Wettbewerb mit der Konkurrenz geht Richtigkeit immer vor Geschwindigkeit.

Organisation: bei exklusiven Informationen, die das Potenzial haben, zur Nachricht des Tages zu werden, werden künftig sofort vom CvD/Ressortleiter mindestens zwei Mitarbeiter zur Verifizierung von Informationen und Recherche freigestellt. Diese Taskforce widmet sich dann ausschließlich der Berichterstattung über dieses Thema. Das gilt auch in dem Fall, dass der dpa ein schwerer Fehler unterlaufen ist und dieser aufbereitet und gegenüber den Kunden dokumentiert werden muss.

Ortskompetenz: Der ortsansässige Korrespondent wird immer hinzugezogen – unabhängig von der Uhrzeit.

Recherche: Bei zweifelhafter Quellenlage ist die Berichterstattung über einen zusätzlichen “Ring der Überprüfung” abzusichern. Nicht nur die lokale Behörde, sondern mindestens eine übergeordnete Stelle muss die Information bestätigen können (z.B. in den USA die Heimatschutzbehörde oder der jeweilige Bundesstaat). Bei Auslandsthemen sind unbedingt die großen nationalen Medien zu beobachten. Bestehen Zweifel an der Identität eines Anrufers oder an der Richtigkeit einer Telefonnummer, lohnt parallel der Weg über die Auskunft.

Internetquellen: Jeder Mitarbeiter soll in die Lage versetzt werden, die Echtheit von Domains kompetent zu überprüfen. Die dpa-infocom entwickelt ein neues, einfach zu bedienendes Überprüfungs-Tool, mit dem jeder Mitarbeiter einen ersten Plausibilitätscheck vornehmen kann.

Transparenz: Tauchen Zweifel an der Korrektheit gesendeter Meldungen auf, sind unsere Kunden von Anfang an per Achtungshinweis zu informieren. Auch wenn vielleicht noch viele Fragen ungeklärt sind – die Bezieher des dpa-Dienstes werden so früh wie möglich in einem Achtungshinweis informiert. Dieser kann nach folgendem Strickmuster formuliert sein: “Es gibt berechtigte Hinweise, dass … Bitte verwenden Sie die Meldung 0000 deshalb vorerst nicht. Die dpa prüft … und wird Sie informieren, sobald es neue Erkenntnisse gibt.” (…)

Wolfgang Büchner
11.09.2009

Bild  

Von Außerirdischen und Unterirdischem

Man kennt das von Kindern, wenn sie sich hinstellen und mit “Komm doch! Komm doch!”-Rufen provozieren — entweder weil sie sich in Sicherheit fühlen oder auch aus reiner Lust, es einmal drauf ankommen zu lassen, was in die Fresse zu bekommen.

Ungefähr in einer solchen Stimmung müssen sie in der vergangenen Woche bei “Bild” gewesen sein, als sie sich entschieden, als Teil einer rekordverdächtig dummen Serie des “Bild”-Außerirdischen-Beauftragten Attila Albert über Ufos und anderen Mystery-Quatsch den Anwalt Johannes Eisenberg zu zeigen und als “Alien” zu bezeichnen:

(Genau dieselbe Witz-Idee hatte “Bild” schon einmal im Frühling 2005; damals präsentierte das Blatt ebenfalls unter der Überschrift “Sind die Aliens schon unter uns?” Daniel Küblböck, Djamila Rowe, Michael Jackson, Reiner Calmund, Prinz Charles, Tatjana Gsell und Susan Stahnke als Indizien für außerirdisches Leben auf der Erde. Aber das nur am Rande.)

Jedenfalls kann es niemanden bei “Bild” überrascht haben, dass Eisenberg juristisch gegen die Veröffentlichung seines Fotos und Beschreibung als “Alien” vorgeht. Den Anwalt und die Zeitung verbindet eine lange Geschichte. Eisenberg hat viele Politiker, Prominente und Nicht-Prominente, die sich gegen falsche oder unzulässige “Bild”-Berichte wehrten, vertreten. Er verteidigte auch die “taz”, als “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann Schmerzensgeld für eine Satire über eine (erfundene) missglückte Penis-Verlängerungs-Operation forderte. Vor allem aber ließ er “Bild” schon einmal gerichtlich untersagen, sein Foto zu zeigen, und erstritt ein “empfindliches Schmerzensgeld”.

Eisenberg hatte 1998 einen libanesischen Straftäter, dessen Fall in Berlin Aufsehen erregte, presserechtlich vertreten und u.a. mehrere Gegendarstellungen von “Bild” gefordert. Die Zeitung reagierte darauf demonstrativ mit der Veröffentlichung von Eisenbergs Foto und suggerierte, dass er mit seinem Mandanten sympathisiere. Das Landgericht Berlin sah darin eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung: “Bild” habe Eisenbergs Recht am eigenen Bild “mit besonderer Hartnäckigkeit verletzt”, und zwar “in der Absicht, den Kläger davon abzuhalten, für seinen Mandanten A. Gegendarstellungs- und Unterlassungsansprüche geltend zu machen, obwohl ihre Angriffe auf Herrn A. äußerst scharf und teilweise unter Behauptung falscher Tatsachen geführt wurden.” Eisenberg habe nach der Veröffentlichung Morddrohungen erhalten, die “nur mit der Berichterstattung der Beklagten über den Kläger erklärt werden” könnten, so das Gericht.

Das ist über zehn Jahre her, aber vielleicht nicht ganz unwesentlich, um zu beurteilen, was es bedeutet, wenn “Bild” ein Foto von Johannes Eisenberg zeigt und behauptet, er sei ein “Alien”, das sich als “Anwalt tarnt” und “gegen investigative Medien kämpft”.

Die “Welt am Sonntag” hingegen, die gestern über das Vorgehen Eisenbergs gegen die Schwesterzeitung berichtete, nennt die Alien-Geschichte von “Bild” eine “Satire” und schließt daraus, dass Eisenberg Humor fehlt (was natürlich nicht falsch sein muss).

PS: Die Provokation des von ihr verhassten Berliner Anwaltes findet sich exklusiv in der Berlin-Brandenburger Ausgabe von “Bild”. Überregional nimmt Dirk Bach seinen Platz in der, äh, satirischen Aufzählung ein (siehe Ausriss links).

Vor dem Spiel ist nach dem Spiel

Wenn Sie Fan von Hertha BSC Berlin sind, kann man nur hoffen, dass Sie sich heute Abend nicht bei stern.de über den Ausgang des Europa-League-Qualifikationsspiels gegen Bröndby Kopenhagen informiert haben:

Holpriger Start in Bundesliga, tiefe Enttäuschung in der Europa League: Hertha BSC Berlin ist in der Qualifikation zur lukrativen Gruppenphase an Bröndby Kopenhagen gescheitert. Werder Bremen qualifizierte sich dagegen souverän.

Diese Nachricht hat stern.de nicht nur weltexklusiv, sie widerspricht sogar der Überschrift, die direkt darüber steht, und dem Text direkt darunter:

Europa League:  Hertha siegt im Schluss-Spurt, Werder weiter. Erfolg auf der ganzen Linie: Nachdem Werder Bremen sich souverän für die lukrative Gruppenphase der Europa League qualifiziert hat, zog am frühen Abend in einem dramatischen Spiel auch Hertha BSC Berlin nach.

Aber nun gut: 75 Minuten lang sah es schlecht aus für die Hertha. In der Zeit kann man so einen Vorspann natürlich schon mal fertig machen.

Mit Dank an Daniel L.

Nachtrag, 23:46 Uhr: stern.de hat den Vorspann durch einen neuen ersetzt:

Drei Teams, drei Erfolge: Werder Bremen, der Hamburger SV und Hertha BSC Berlin sind für die lukrative Gruppenphase der neuen Europa League qualifiziert. Nur Hertha machte es spannend – und kam nur dank eines fulminanten Endspurts eine Runde weiter.

Focus  

Ulla Schmidt & die Quadratur der Parteikreise

Er wirkt heute ein bisschen selbstironisch, der Slogan “Kurz, präsise und schnell auf den Punkt”, den der “Focus” seiner Rubrik “Periskop” am Anfang des Heftes mitgibt:

Denn der Bericht war schon am Samstagmittag überholt — um nicht zu sagen: als Falschmeldung entlarvt. Um 14:37 Uhr brachte die Nachrichtenagentur dpa diese Eilmeldung:

Nach ihrer Entlastung durch den Bundesrechnungshof hat SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier Gesundheitsministerin Ulla Schmidt in sein Wahlkampf-Team geholt.

(Ursprünglich hatte dpa vor lauter Aufregung “Renate Schmidt” geschrieben, sich aber schnell verbessert.)

Für eine Korrektur der ExklusivFalschmeldung im gedruckten “Focus” war es da natürlich zu spät. Und die Redaktion war so stolz auf ihre Information “aus Parteikreisen” gewesen, dass sie sie vorab an die Agenturen gegeben und auf “Focus Online” veröffentlicht hatte — was dort für einen ziemlichen Eiertanz sorgte.

Die ursprüngliche Überschrift “Schmidts Karriere ist beendet” schwächte die Redaktion irgendwann ab zu “Schmidts Karriereende ist besiegelt”. Aber auch nachdem am Samstagvormittag bekannt geworden war, dass der Bundesrechnungshof keine Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung des Dienstwagens in Spanien feststellen konnte, beharrte “Focus Online”:

Nach FOCUS-Informationen ist es für Schmidts politische Zukunft unerheblich, dass der Bundesrechnungshof keine Verstöße festgestellt hat.

Als “Focus Online” schließlich nicht mehr umhin kam zu melden, dass Schmidt doch von Frank-Walter Steinmeier ins Schattenkabinett berufen worden sei*, fehlt jeder Hinweis darauf, dass man genau das gerade noch ausgeschlossen hatte.

*) Erstaunlicherweise trägt die entsprechende dpa-Meldung auf “Focus Online” den Zeitstempel 10:02 Uhr, obwohl die Nachricht erst über vier Stunden später kam.

Fleißig weglassen, bis wir fleißig sind

Immer dann, wenn wir in Deutschland mal was nicht so richtig gut können, verweisen wir gerne darauf: Vielleicht sind wir nicht die Ästheten des Planeten, aber immerhin voll fleißig. So gesehen waren das sehr beruhigte Schlagzeilen in den vergangenen Tagen:

Der angebliche “Fleiß” berechnet sich dabei danach, wie viele Stunden die deutschen Arbeitnehmer im Schnitt pro Woche leisten — und zwar nicht die tariflich vereinbarte Zeit (danach liegt Deutschland mit 37,6 Stunden relativ weit hinten im europäischen Vergleich), sondern die tatsächliche Zeit. Die liegt, weil häufig mehr als tariflich vereinbart gearbeitet wird (aus welchen Gründen auch immer), in Deutschland angeblich bei 41,2 Stunden pro Woche. Und das reicht immerhin zu einem siebten Platz unter den 27 EU-Ländern.

Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit.

Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man die die Arbeitszeit nicht über die Woche, sondern über das ganze Jahr betrachtet. Weil die Deutschen mehr Urlaub und Feiertage haben als die meisten Länder, liegt Deutschland plötzlich weit hinten — weshalb die “FAZ” sogar titelte: “So fleißig sind die Deutschen doch nicht”. Nur Schweden, Dänen und Franzosen haben danach noch geringere Arbeitszeiten als die Deutschen. Diese Rechnung hat nur wieder den Haken, dass sie von den tariflichen und nicht den tatsächlichen Arbeitszeiten ausgeht.

Rechnet man die tatsächlichen Wochenarbeitszeiten aufs Jahr hoch und zieht die Urlaubs- und Feiertage ab, stellt man fest, dass der “Fleiß” der Deutschen fast exakt dem EU-Durchschnitt entspricht. Ein ziemlich unspektakuläres Ergebnis.

Und wie kommt es, dass trotzdem so viele Medien die Geschichte von den “fleißigen Deutschen” verbreiten? Die Studie der EU, die dem Ganzen zugrunde liegt, wurde weitgehend unbemerkt von der deutschen Presse schon am 24. Juli veröffentlicht. Sie enthält eine Vielzahl von Daten über Arbeitszeiten, auf Jahr und auf die Woche bezogen, tatsächlich und tariflich.

Und obwohl die Studie frei im Netz verfügbar ist, haben sich die meisten Agenturen, Zeitungen und Online-Medien die differenzierten Werte gar nicht angesehen, sondern stattdessen auf eine Vorabmeldung der “Welt” verlassen, die besonders die hohe Wochenarbeitszeit betonte. (Bild.de fantasierte sogar, der Bericht läge der “Welt” “exklusiv” vor.) Und so behaupteten die Agenturen noch in der Nacht unter Berufung auf die “Welt”:

Studie: Deutsche arbeiten länger (dpa)

Studie – Deutsche arbeiten im EU-Vergleich deutlich länger (Reuters)

Arbeitnehmer in Deutschland im EU-Vergleich mit langer Arbeitszeit (AP)

Deutsche arbeiten 41,2 Stunden – Mit an der Spitze im EU-Vergleich (epd)

Es dauerte bis zum Freitagmittag, bis die Agentur AFP die gute Idee hatte, sich nicht auf die “Welt” zu verlassen, sondern die Studie selbst auszuwerten, und entsprechend differenziert meldete: “Deutsche arbeiten viel – haben aber auch viel Urlaub”. Am Nachmittag zog endlich auch dpa nach mit einer Meldung, in der die Agentur erstmals die verhältnismäßig kurze Jahresarbeitszeit erwähnte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Mär vom Beweis für den Fleiß der Deutschen längst die Runde gemacht. Und was soll’s, dass die Geschichte nicht ganz stimmt: Sie liest sich doch viel knackiger.

Mit Dank an Steffen P.,  Gerrit L. und Ralf B.!

Blättern:  1 ... 36 37 38 ... 64