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Pittelkaus Pinkelkontrolle bei Honecker

Vor zwanzig Jahren war Mark Pittelkau noch nicht Chefreporter bei der “Bild”-Zeitung. Vor zwanzig Jahren, kurz nach der Wende, war er gerade volljährig, frisch im Westen, arbeitete als Kellner und wollte, wie er selbst erzählt, …

unbedingt Journalist werden. Als Kellner war das schwierig. Ich brauchte eine große Geschichte.

Und die bekam er. Mit Anfang Zwanzig gelang es ihm, den exilierten Erich Honecker in Chile zu treffen. Mehrere Tage lang besuchte er den ehemaligen DDR-Chef und dessen Frau in ihrem privaten Zuhause. Sie verbrachten Zeit miteinander, unterhielten sich, aßen gemeinsam, posierten für Fotos. Pittelkaus große Geschichte.

Sie war seine Eintrittskarte in die Welt der “Bild”-Zeitung. Das Blatt veröffentlichte die Geschichte kurz darauf, im Sommer 1993, als dreiteilige Serie.

“BILD zu Besuch bei Honecker”. Eine Homestory aus dem Exil.

“Bild” wurde nicht müde zu betonen, dass “Bild” damit etwas geschafft habe, was “bisher keinem gelang”; dass Honecker sich “Bild” zum exklusiven Foto stellte, dass er “Bild” exklusive Dinge erzählt habe. “Bild” feierte sich selbst. Dank Mark Pittelkau.

Pittelkau und “Bild” sind heute immer noch stolz auf diese Geschichte. Vor Kurzem, zum 20. Todestag von Honecker, erinnerten sie noch mal feierlich daran, dass “der BILD-Reporter Mark Pittelkau” ja “einer der letzten Gäste des DDR-Diktators” gewesen sei:

Auch diesmal wieder als Serie:

Und wie ist es dazu gekommen? Wie hat Mark Pittelkau, der 20-jährige Kellner ohne journalistische Erfahrung, den Ex-Chef der DDR dazu gebracht, in der “Bild”-Zeitung exklusiv die Hosen runterzulassen?

Indem er ihn nach Strich und Faden belog.

Oder, wie Pittelkau es damals formulierte: Mit einer “List”. Er schrieb Honecker mehrere Briefe, in denen er sich als Jungkommunist ausgab und sich eifrig bei Honecker einschleimte — und der fiel darauf rein. Nach und nach gewann Pittelkau das Vertrauen des 80-Jährigen. Bis er schließlich, im Juni 1993, nach Chile fliegen durfte.

Dort angekommen, spielte Pittelkau weiter den harmlosen Freund aus der Heimat. Er kaufte Blumen, sagte an der Tür sein “Sprüchlein vom Jungkommunisten aus Deutschland auf”, und Honecker empfing ihn “mit offenen Armen”.

„Ach, der junge Genosse aus Deutschland … Komm rein!“

So verschaffte sich Mark Pittelkau, der “liebe Genosse Mark Pittelkau”, Zugang zu den “letzten Geheimnissen” von Erich Honecker. So gelangte er auf die Terasse der Honeckers, in ihr Wohnzimmer, an ihren Esstisch. Fünf Tage lang, von Anfang bis Ende, hielt er seine Tarnung — seine Lüge — aufrecht. “Bild” war in Wahrheit also nicht “zu Besuch”, “Bild” ist eingedrungen und hat spioniert.

Sicher: Wallraff macht das auch immer — sich verkleiden, sich irgendwo einschleichen und dann stolz darüber berichten. Aber bei Wallraff geht es um wichtige Dinge. Um Missstände. Um Informationen, die unbedingt an die Öffentlichkeit gehören.

Bei Pittelkau ging es einzig und allein um Honeckers Privatsphäre. Darum, wie er lebt. Wie gesund oder krank er ist. Welche Marmelade er zum Frühstück mag. Wann er seine Mittagsschläfchen hält. Wie oft seine Kinder ihn besuchen. Was in seinem Einkaufskorb liegt. Welche Farbe sein Füller hat. Wie viele Zigaretten seine Frau raucht. Wie oft er pinkeln geht. Alles sorgfältig protokolliert und abgedruckt in der “Bild”-Zeitung. Aussagen zu Politik, zu Privatem, zum Gesundheitszustand, Größe, Gewicht, Adresse, Höhe der Rente, Länge des Rasens, Name des Pförtners — alles. Alles, was Mark Pittelkau in den fünf Tagen aufsaugen konnte.

Der Pressekodex sagt:

Verdeckte Recherche ist im Einzelfall gerechtfertigt, wenn damit Informationen von besonderem öffentlichen Interesse beschafft werden, die auf andere Weise nicht zugänglich sind.

Auch deutsche Gerichte verlangen in der Regeln ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit, wenn es um die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen geht.

Vielleicht ist das auch der Grund dafür, warum die Honecker-Serie damals anonym erschien. Über den Artikeln stand lediglich: “Von XXX”. (Und vielleicht ist das wiederum der Grund dafür, warum Pittelkau heute so erpicht darauf ist, den Ruhm für damals zu ernten, aber das nur am Rande.)

Jedenfalls dürfte auch Pittelkau gewusst haben, dass er seine Undercover-Recherche irgendwie legitimieren musste, dass sein Artikel einen triftigeren Grund brauchte als die bloße Sensationsgier der Leute. Er schrieb:

Ich wollte wissen: Ist [Honecker] wirklich so krank, wie seine Ärzte behaupten? Oder ist er ein fröhlicher Rentner, der sich auf unsere Kosten einen schönen Lebensabend macht?

Eine “List” im Sinne des Volkes also. Investigativjournalismus zum Schutze des Steuerzahlers.

Und es kann ja tatsächlich sein, dass die deutsche Öffentlichkeit damals unbedingt wissen musste, ob Honecker ihr Geld zum Fenster rauswirft. Aber muss man sich dafür tagelang in sein Leben einschleichen? Muss man eine ganze Artikelserie daraus machen und gnadenlos alles veröffentlichen, was man sieht und hört? Und muss man auch 20 Jahre später immer noch damit rumprahlen?

Pittelkau beantwortete die Frage, ob Honecker “wirklich so krank” sei, damals jedenfalls so:

Nach 5 Tagen verabschiede ich mich von den Honeckers. Erich hat einen festen, klammerhaften Händedruck. Für einen 80jährigen ist dieser Mann trotz seiner Krankheit zweifellos sehr rüstig. Zäh. Mumien sterben langsam.

Am Abend bummle ich allein durch die Gassen von Santiago. Aus kleinen Restaurants schwappt würziger Peperoni-Duft. Ich sehe Straßenmusikanten mit Gitarren und Mädchen in knappen Miniröcken.

Eine beschwingte Stadt. Sie lebt.

Aber oben auf dem Hügel der Millionäre stirbt ein Mann langsam vor sich hin.

Er ist traurig.

Er hat verloren.

Ich gehe in eine Bar und bestelle ein kaltes Bier. Ein Mädchen lächelt mich an.

Verdammt noch mal, das Leben ist so schön (vor 4 Jahren lebte ich noch hinter Honeckers Mauer).

ENDE

Pittelkau hatte damals immer wieder erwähnt, dass Honecker ein “greiser, grauer, krebskranker” Mann sei, dass sein Haus “langsam zu seiner Gruft” werde. Kein Skandal also, keine Verschwendung von Steuergeldern, nur ein sterbender Mann. Elf Monate später war Honecker tot. Und Pittelkau “Bild”-Reporter statt Kellner.

Mich ekelt das an. Dass Pittelkau dermaßen schamlos in die Privatsphäre einer ahnungslosen Familie eingedrungen ist. Und dass er heute immer noch so stolz, ja fast schon amüsiert davon erzählt. Als ginge es um einen Streich oder gar eine journalistische Heldentat — und nicht darum, zur bloßen Befriedigung der Leserneugier, zur Gewinnmaximierung der “Bild”-Zeitung und zum Antrieb der eigenen Karriere das Vertrauen eines alten Mannes zu missbrauchen und sein gesamtes Privatleben bis ins kleinste Detail an die Öffentlichkeit zu zerren.

Pro-Russen, Separatisten, Milchsubventionen

1. “Unsere Ukraine-Berichterstattung”
(blog.tagesschau.de, Kai Gniffke)
Kai Gniffke erklärt die Berichterstattung der “Tagesschau” zur Lage in der Ukraine: “Aus den einstmals bösen Armee-Schlägern vom Maidan sind nun die legitimen Truppen geworden, die die Ostukraine vor dem Zugriff durch prorussische Separatisten und möglicherweise russischem Militär schützen wollen. Da kommen einige Kollegen argumentativ ganz schön in die Bredouille.”

2. “Die nützliche Erfindung der ‘Pro-Russen'”
(heise.de/tp, Stefan Korinth)
Stefan Korinth analysiert die von den Medien geschaffene Gruppe der “Pro-Russen”: “Hiesige Medien berichten aber auch über friedliche Regierungsgegner im Osten und Süden der Ukraine so, als wenn diese dort Fremdkörper oder Ausländer wären. Aus zahllosen Berichten trieft es: verblendete Sowjetnostalgiker, leichtgläubige Propaganda-Opfer, Putin hörig, grundlos hysterisch. Die Ängste, Anliegen und politischen Vorstellungen dieser Ukrainer sind damit nicht mehr legitim. ‘Moskau-nah’, ‘pro-russisch’, ‘kreml-treu’ – wer gegen die neue Regierung ist, muss in vielen deutschen Journalistenaugen für Putin und den Zerfall der Ukraine sein.”

3. “‘Du bist ein beschissener Agent! Das ist kein Lösegeld, sondern dein Beitrag zu unserem Krieg!'”
(maidantranslations.com, Pavel Kanygin)
Pavel Kanygin, Journalist bei der russischen Zeitung Nowaja Gaseta, wird in einer Pizzeria von Männern verhaftet, die ihm vorhalten, sie als Separatisten bezeichnet zu haben. Siehe dazu auch “Ukraine: Berichten unter Lebensgefahr” (swp.de, Stefan Scholl).

4. “‘Speziale Libero’: Die Meinungsfreiheit der anderen”
(publikative.org, Andrej Reisin)
Andrej Reisin kritisiert einen Text von Birgit Schönau in der “Süddeutschen Zeitung”: “In der ‘Süddeutschen Zeitung’ fordert eine Journalistin die Einschränkung der Meinungsfreiheit anderer. Garniert wird das Ganze mit vollkommen unbelegten (und unhaltbaren) Spekulationen und Geraune über Mafia und Camorra und ein ‘internationales Netz so genannter Ultràs’. Die These von den in deutsche Kurven geschmuggelte Spruchbänder der Camorra ist derartig aus der Luft gegriffen, dass einem kaum Gegen-‘Argumente’ einfallen mögen – schließlich wird ja nicht mal versucht jenseits wilder Assoziationsketten auch nur den geringsten handfesteren Hinweis vorzutragen.”

5. “Goldener Bremsklotz 2014 an das Bundesamt für Landwirtschaft”
(investigativ.ch)
Investigativ.ch zeichnet das Bundesamt für Landwirtschaft mit dem “Goldenen Bremsklotz” aus. Für “eine Liste von Empfängern von Milchsubventionen” verlangte das Amt von der Zeitschrift “Beobachter” rund 225 000 Euro. “Schließlich, so das Amt, gebe es 2500 Subventionsempfänger, die alle ein Recht hätten, zum Begehren des Beobachters angehört zu werden. Bei einer Stunde Aufwand pro Subventionsempfänger und hundert Franken Stundenansatz mache das eine Viertelmillion; dazu kämen 25.000 Franken Porto.”

6. “Wenn einer über den eigenen Chef schreibt”
(medienblog.blog.nzz.ch, Rainer Stadler)
Rainer Stadler fragt: “Wirkt es nicht etwas bizarr, wenn sich Journalisten auf anonyme Quellen im Haus berufen, in dem sie selber arbeiten? Ein Journalist hat selbstverständlich den intimsten Blick auf Arbeitsorganismen, denen er selber angehört. Aber hat er dann noch die nötige Distanz, darüber unvoreingenommen zu berichten?”

Wer tickt hier nicht richtig?

“Hoffentlich ist das kein böses Omen”, schreibt “Bild Hamburg”:Die Uhr tickt schon nicht mehr...

Gestern um 23.20 Uhr in der Imtech Arena: Die HSV-Uhr, die die Bundesliga-Zugehörigkeit des HSV anzeigt, wird plötzlich schwarz! Nichts geht mehr, der Strom ist weg – nach 50 Jahren, 264 Tagen, 7 Stunden und 20 Minuten! Und das ausgerechnet nach dem 0:0 gegen Fürth im Kampf gegen den ersten Bundesliga-Abstieg.

Und Bild.de fragt:

Ist es nur ein dummer Zufall? Oder gar ein böses Omen? Glaubt man in Hamburg nicht mehr an die Rettung?

Naja:

Mit Dank an Katharina C. und Anonym.

“Schämt euch alle!” (2)

Knapp 24 Stunden hat die schizophrene Show gedauert. Und so plötzlich er begonnen hatte, war er dann auch wieder vorbei, der Pseudo-Kampf der “Bild”-Zeitung gegen die Sensationsgier der Menschen.SCHÄMT EUCH ALLE! - In Hamburg stürzt ein Mädchen (5) in die Elbe, kämpft um sein Leben - und Hunderte stehen da und gaffen
Während sich “Bild” am Dienstag noch lautstark über die Schaulustigen echauffiert hatte, verlor das Blatt im gestrigen Artikel kein Wort mehr über sie. Keine Empörung, keine Vorwürfe, nichts. Alle moralischen Einwände wie weggeblasen.

Vielleicht war ihnen der Spagat zwischen der Kritik am fremden und der Lust am eigenen Voyeurismus dann doch zu anstrengend. Vielleicht haben sie auch gemerkt, dass die plumpe Scheinheiligkeit selbst bei eingefleischten “Bild”-Lesern nicht allzu gut ankommt (die Kommentarfunktion hat Bild.de gar nicht erst aktiviert). Womöglich liegt es auch einfach daran, dass ihr Hauptvorwurf an die Passanten — dass alle nur geguckt und nicht geholfen hätten — gar nicht stimmt: Die Polizei teilte nämlich am Dienstag mit, dass der Vater des Mädchens und ein Passagier einer Fähre noch ins Wasser gesprungen waren, um das Kind zu retten.

Was auch immer es war, das die “Bild”-Zeitung letztlich dazu bewogen hat, jedenfalls lässt sie die ganze Moralnummer jetzt weg und konzentriert sich wieder ganz auf die Sensationsgeilheit der eigenen Leserschaft. Wenn man nicht gleichzeitig so tun muss, als hätte man ein Herz, gehen solche Sachen ohnehin viel leichter von der Hand:

Rettungskräfte versuchen, die kleine [E.] wiederzubeleben

“Bild” zeigt dieses Foto (schon wieder) ohne jede Unkenntlichmachung, sowohl online als auch in der gedruckten Bundesausgabe als auch in der Hamburger Regionalausgabe.

Noch viel größer zeigt “Bild” aber:[E.] (5) stürzte in die Elbe und liegt im Koma - Die Verzweiflung eines Vaters, der sein Kind retten wollte

In der Bundesausgabe hat “Bild” das Gesicht des Vaters halbherzig anonymisiert, in der Hamburger Ausgabe (Ausriss) gar nicht.

Der Mann ist kurz zuvor aus dem Wasser gezogen worden, liegt jetzt völlig erschöpft auf einer Trage, seine Tochter wird gerade wiederbelebt, Hunderte Menschen glotzen ihn an.

Genau diesen Moment hat die “Bild”-Zeitung verewigt, hautnah und riesengroß. Ein Geschenk an die Gaffer dieser Welt.

Mit Dank auch an Börries, Michalis P. und Christian M.

Am Undercut herbeigezogen

So ganz sicher sind sich die Medien ja nicht, ob es wirklich stimmt, was da gerade wieder Verrücktes über Nordkorea berichtet wird. Die dpa hat am Ende ihrer Meldung sogar extra geschrieben:

Es ist sehr schwierig, Angaben aus Nordkorea zu überprüfen.

Aber wie immer in solchen Fällen, hält das die Journalisten natürlich auch diesmal nicht davon ab, die Geschichte trotzdem zu verbreiten.

Und wie!

Screenshots: diverse

In fast allen Überschriften und Teasern wird der angebliche “Frisurenzwang” kurzerhand zur Tatsache erklärt, auch in einigen Artikeln ist kaum ein Zweifel an der Story zu spüren.

Als erstes großes Medium hatte die BBC über die Geschichte berichtet, aufgeschnappt hatte die sie wiederum bei “Radio Free Asia”. In Deutschland war “Focus Online” zuerst darauf angesprungen, später dann dpa und Dutzende andere Medien.

Wie aber die Seite “NK News” bereits gestern berichtet hat, ist auch an dieser Story offensichtlich nicht allzu viel dran. Das in den USA ansässige Nachrichtenportal hat sich auf Nordkorea spezialisiert; Quellen sind oftmals NGO-Mitarbeiter, im Ausland lebende Nordkoreaner oder Menschen, die erst kürzlich von einer Nordkorea-Reise zurückgekehrt sind. So wie auch in diesem Fall:

“Ich bin mir ziemlich sicher, dass [die Geschichte vom Frisurenzwang] Quatsch ist. Letzte Woche hatten alle noch typische Haarschnitte”, sagte Andray Abrahamian, Executive Director der NGO “Choson Exchange” in Singapur, der regelmäßig mit jungen Nordkoreanern arbeitet.

Gareth Johnson, General Manager der “Young Pioneer Tours” in Peking, sagt NK News ebenfalls, dass — Stand: letzte Woche — keiner seiner Kollegen Beweise für die neue Frisurenverordnung entdeckt habe. “Wir waren letzte Woche in Nordkorea und haben niemanden mit besagtem Haarschnitt gesehen. Es scheint, als müsse die BBC jede Woche eine neue Nordkorea-Geschichte finden”, sagte Johnson […].

(Übersetzung von uns.)

Das Portal zitiert noch weitere Quellen, die in Nordkorea leben oder arbeiten und ebenfalls davon ausgehen, dass an der Meldung nichts dran ist. Zwar habe sich der Staat in der Vergangenheit bei diesem Thema tatsächlich eingemischt, indem er bestimmte Haarschnitte empfohlen habe, doch inzwischen seien die Mode-Richtlinien gelockert worden. Außerdem würden Verstöße gegen solche Richtlinien nur selten geahndet.

Auch eine andere haarige Geschichte, über die in diesem Zusammenhang (auch von deutschen Medien) gerne berichtet wird, entspricht laut “NK News” nicht der Wahrheit: Seit einiger Zeit geistere der Mythos umher, dass

Frauen aus einer bestimmten Palette von zugelassenen Haarschnitten auswählen müssen. Doch die Fotos, die in der Regel genutzt werden, um diese Behauptung zu untermauern, zeigen oft Poster mit einer Auswahl von Haarschnitten, die in Friseurläden in Pjöngjang hängen — und die den Kunden in Wirklichkeit nur eine Idee von den möglichen Optionen geben sollen, keine verpflichtende Auswahl.

Aber wie das nun mal so ist:

Gerüchte über Nordkorea, die auf anonymen Quellen basieren, tauchen oft in den Maintream-Medien auf — und führen zu einem “echo chamber effect”.

Mit Dank an Stefan S., Marvin S. und Christoph A.

Sag ja zur Recherche

Am Anfang des Videos geht eine junge Frau durch den Flur ihrer Schule. Traurige Klavierklänge untermalen die Szene. “Sie sagten, Heroin sei das beste High, das ich je hatte”, erzählt sie aus dem Off. Dann sieht man, wie sie zu Hause schreiend einen Fernseher an die Wand schmeißt, Regale umwirft, dann in der Stadt neue Drogen kauft, sich vor der Polizei versteckt und schließlich in den Armen ihrer Mutter zusammenbricht. “Erfahren Sie die Wahrheit über Heroin”, sagt sie am Ende in die Kamera, und eine Internetadresse wird eingeblendet.

Das Video ist ein Werbefilm für die Kampagne “Sag NEIN zu Drogen — Sag JA zum Leben”. Es ist vergangene Woche bei Bild.de erschienen, in einem Artikel über den steigenden Heroin-Konsum in den USA.

Auf den ersten Blick ist daran nichts auszusetzen, immerhin unterstützt Bild.de damit eine gemeinnützige Kampagne, die sich der Drogenaufklärung verschrieben hat.

So scheint es zumindest.

In Wahrheit steckt hinter der so gutmütig wirkenden Anti-Drogen-Organisation aber ein bisschen mehr. Sie gehört nämlich zu Scientology.

Schon vor einem Jahr warnte der Verfassungsschutz Baden-Württemberg davor, dass Scientology zunehmend versuche, über das Internet neue Mitglieder zu gewinnen. Rainhard Hoffmann vom Stuttgarter Landesamt für Verfassungsschutz sagte der dpa, in Deutschland könne man über 100 Webseiten Scientology oder nahestehenden Organisationen zurechnen. Über Nebenorganisationen wie “Jugend für Menschenrechte” oder “Sag NEIN zu Drogen — Sag JA zum Leben” versuche die Scientology-Organisation, junge Leute zu ködern.

Und Bild.de hat sie dabei unterstützt.

Ohne Absicht, vermutlich, denn normalerweise steht das Portal der Organisation eher kritisch gegenüber, bezeichnete sie unlängst als eine der “gefährlichsten Sekten der Welt”. Nichtsdestotrotz hätten die Bild.de-Leute wissen können, für wen sie da gerade Werbung machen. Denn erstens wird auf der Seite der Anti-Drogen-Kampagne (wenn auch etwas versteckt) auf die Verbindung zu Scientology hingewiesen. Zweitens steht es in der Wikipedia. Und drittens hat Bild.de vor einem Jahr selbst darüber berichtet:

“Soziale Netzwerke spielen [für Scientology] eine immer wichtigere Rolle, um Mitglieder zu gewinnen”, sagte [Rainhard Hoffmann vom Verfassungsschutz]. Über Nebenorganisationen wie “Jugend für Menschenrechte” oder “Sag nein zu Drogen, sag ja zum Leben” sollten junge Leute gebunden werden. “Das sind auf den ersten Blick harmlose Themen mit denen die jungen Menschen geködert werden. Da erwartet man auf den ersten Blick nichts schlimmes dahinter.” Die Werbung sei bewusst auf die junge Generation zugeschnitten, ohne dass einem zunächst bewusst werde, wer dahinter stecke.

Das alles hatten die Leute von Bild.de blöderweise schon wieder vergessen, als sie vergangene Woche das Video in den Artikel einbauten.

Und noch blödererweise haben sie auch bei den fünfzehn anderen Videos nicht mehr daran gedacht:

Screenshots: Bild.de

All diese Videos sind auf Bild.de erschienen, Rubrik “TOP-VIDEOS”. Am Ende jedes Clips erscheint die Internetadresse der Scientology-Organisation.

Wir haben beim Pressesprecher der Axel Springer AG nachgefragt, warum die Videos veröffentlicht wurden, obwohl sie bei Bild.de hätten wissen müssen, dass Scientology dahintersteckt. Wir haben auch gefragt, ob Bild.de Geld für die Videos gezahlt hat und wenn ja, an wen.

Antworten auf diese Fragen haben wir leider nicht bekommen. Aber immerhin hat sich der Sprecher im Namen der Redaktion “herzlich” bei uns für den Hinweis bedankt. Wie es zu der Einbindung kommen konnte, werde jetzt “redaktionsintern geprüft”. Kurz nach unserer Anfrage hat Bild.de sämtliche Videos gelöscht.

Mit Dank an Franzi, Lars und den anonymen Hinweisgeber.

Eine ganz normale Woche bei Bild.de

Aus dem Ressort “Unterhaltung”:
Dschungelcamp 2014: Dschungel-Experte Daniel Cremer - 5 Gründe, warum Larissa die Krone holt

Larissa hat die Krone nicht geholt.

***

Aus dem Ressort “Sport”:
Der Aufreger bei der Hertha-pleite gegen Nürnberg - BILD erklärt: Darum lag Schiri Weiner richtig

Schiri Weiner lag nicht richtig.

***

Aus dem Ressort “Regionales”:
Mord auf Juist - Dieser Milchbubi brachte A[...] um [Auf dem Foto sind der mutmaßliche Täter [anonymisiert] und das angebliche Opfer [nicht anonymisiert] zu sehen.]

(Gelbe Unkenntlichmachung von uns.)

Das sind nicht A. und ihr mutmaßlicher Mörder, sondern der Täter und das Opfer eines ganz anderen Mordes. Von Ziffer 8 des Pressekodex fangen wir gar nicht erst an.

Mit Dank an Manuel L., Bene F., Martin, Felix S., Marcus und Alexander K.

BILDblog hält Winterschlaf (8)

Hier endet das zehnte Jahr der BILDblog-Geschichte.

Ganz wie in den vergangenen Jahren auch schon, halten wir jetzt Winterschlaf.

Wir danken für die Aufmerksamkeit, die Mitarbeit und das Interesse und wünschen allen Lesern ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr!

Wir sehen uns im Januar 2014.

Mit Dank für die sachdienlichen Hinweise des Jahres 2013 an Achim S., Alexander A., Alexander K., Alexander, Anonym, Arno Nym, Axel H., Axel, Basti, Benjamin G., Benjamin K., Benjamin M., Bernd H., Bernd J., Bernd W., Bernd, Bernhard W., Big J, Björn S., Boludo, Brigitte K., caravanshaker, Chris G., Christian G., Christian N., Christian P., Christian S., Christian V., Christian W., Christian, Corinna P., Cornelius, Daniel M., Daniel, David, Dennis S., Dennis, Dieter S., Dominik M., Dustin, Eberhart L., Egal, Ekkehard K., Eliano, Elias A., Erik G., Erik W., Erwin P., ex00r, Fabian S., Felix W., Flo L., Florian M., Franca, Frank B., Frederik S., Fuchs, Gereon L., Gesine, Gregor G., Greta H., Hans, Harald G., Heiko, Heinz B., Helge S., Helge, Henning, Hermann L., Holger K., hvd69, Ines W., Insider, J.W., Jan S., Jan V., Jascha H., Jens G., JJ, Johannes H., Johannes K., Johnny K., Jonas G., Jonas L., Jonathan K., Jörg W., Jürgen L., Jürgen P., Jürgen, Kai L., Kai-Oliver K., Kai, Karstinho, Kevin S., Kim B., Klaus P., Krabbel, Kris R., L., Langzeitgedächtnis, Laszlo J., Leif K., Linus V., Linus W., Lisa, Lukas G., Lukas, M.H., Manfred H., Marc B., Marc W., Marco R., Marco S., Marco, Marcus B., Marcus H., Marcus, Mario S., Mark G., Markus B., Markus K., Markus R., Markus W., Martin B., Martin R., Martin, Marty C., Marvin, Marvin, Mathias S., Mathis, Matthew L., Matthias D., Matthias M., Matthias P., Matthias, Matthis D., Max G., Max S., Michael F., Michael H., Michael L., Mo, Monika G., Muamer A., NaturalBornKieler, Nico, Niko, Nikolai, Nora R., Olli, Pascal J., Pascal P., Patrick G., Patrick K., Patrick R., Paul C., Peter W., Peter, Petra O., Philipp S., Philipp, PitCam, Ralf B., René G., Rene W., Rico K., Robert G., Roland G., Ron, Ronald F., Rüdiger S., Sarah, Sascha S., Sebastian D., Sebastian K., Sebastian S., Sejfuddin, Seppl, Simon, Stefan M., Stefanie, Steffen E., Steffen Z., Steven D., Tante Noni, Teresa M., Thomas B., Thomas D., Thomas H., Thomas R., Thomas, Thorben S., Thorsten V., Till, Tim, Tim, Timo W., Tinnef, tisch, Tobias K., Tobias T., Toby J., Torben Z., Torsten K., Torsten L., U., ungeruehrt, Ute F., Uwe S., Volker G., Volker K., Zafe — und an alle anderen, auch die vielen, deren sachdienliche Hinweise wir nicht berücksichtigen konnten!

Bild.de wegen vorzeitigem Samenerguss gerügt

Die Beschwerdeausschüsse des Presserats haben vergangene Woche zum vierten und letzten Mal in diesem Jahr getagt und anschließend fünf öffentliche Rügen, eine nicht-öffentliche Rüge, 18 Missbilligungen und 21 Hinweise ausgesprochen.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Die nicht-öffentliche Rüge erging an Bild.de. Das Portal hatte darüber berichtet, dass eine Landtagsabgeordnete in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden war. Bild.de nannte den Namen der Frau sowie den Hintergrund der Erkrankung und verstieß damit nach Ansicht des Presserats gegen Ziffer 8 des Pressekodex, die besagt, dass körperliche und psychische Erkrankungen zur Privatsphäre gehören.

Eine öffentliche Rüge bekam Bild.de für einen Artikel über die Therapie bei vorzeitigem Samenerguss. Dabei hatte die Redaktion laut Presserat “umfangreich” PR-Material “wörtlich übernommen und nicht entsprechend gekennzeichnet”, außerdem wurden Preis und Name des Medikaments genannt. Der Presserat sah darin einen Verstoß gegen das Schleichwerbungsverbot und die Sorgfaltspflichten im Umgang mit PR-Material (Ziffer 7). Details zu diesem Fall gibt es beim “Medien-Doktor”.

Daneben erhielt Bild.de zwei Missbilligungen — eine, weil die Redaktion gegen die Sorgfaltspflicht verstoßen hatte (Ziffer 2), und eine für die Spekulation über die Hintergründe eines Suizids (Ziffer 8) — sowie einen Hinweis wegen einer falschen Bildunterschrift.

Zwei weitere Hinweise gingen an die gedruckte “Bild”-Zeitung (Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht sowie unzureichende Anonymisierung einer Person).

Der “Dingolfinger Anzeiger” und die Modellbauzeitung “RC-Freizeit” wurden gerügt, weil sie die redaktionelle Berichterstattung von Anzeigenaufträgen abhängig gemacht hatten (Ziffer 7).

Die “Leipziger Volkszeitung” kassierte eine Rüge für einen Kommentar, in dem Demonstranten der NPD und der “Antifa” als “brauner und roter Abschaum” bezeichnet wurden. Der Begriff “Abschaum” sei eine Verletzung der Menschenwürde und damit ein Verstoß gegen Ziffer 9 des Pressekodex, erklärte der Presserat.

Gerügt wurde schließlich auch die “Junge Freiheit” für die Überschrift “Zigeuner können Sozialhilfe bekommen”. In dem Artikel ging es um eine Entscheidung des Landessozialgerichts NRW, nach der Einwanderer aus Rumänien und Bulgarien Anspruch auf Hartz IV-Leistungen haben. Dass sich diese Entscheidung auch auf Schweden, Luxemburger und alle anderen EU-Bürger in Deutschland bezog, verschwieg das Blatt allerdings. Mit der Überschrift habe die Zeitung “suggeriert, das Gericht habe eine Sonderregelung für eine bestimmte ethnische Minderheit im Sozialrecht geschaffen”, argumentierte der Presserat. Für die “willkürliche Heraushebung dieser Minderheit” habe der Ausschuss “keinen sachlichen Grund” gesehen. Sie wirke diskriminierend.

Wie die “willkürliche Heraushebung” von Minderheiten in solchen Fällen bei “Bild” und Bild.de funktioniert, können Sie übrigens hier nachlesen.

Nachtrag, 0.40 Uhr: Das Projekt “Medien-Doktor” hatte sich im September ausführlich mit dem Bild.de-Artikel zum vorzeitigen Samenerguss auseinandergesetzt und Beschwerde beim Presserat eingereicht. Näheres zu dem Fall gibt es hier.

Blutrausch, Basler Zeitung, Sexbeziehung

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “TV-Quote am Ende – Wertverlust einer Währung”
(ndr.de, Video, 5:06 Minuten)
Bei der Messung der Einschaltquote sollen neu auch Werte aus den Mediatheken der Sender berücksichtigt werden, doch Tablets und andere mobile Geräte nicht. Auch “was auf YouTube oder Facebook passiert, wird nicht gemessen”.

2. “Der Blutrausch der Medien”
(cicero.de, Christoph Schwennicke)
“Cicero” widmet sich in der Dezemberausgabe dem “Blutrausch der Medien”: “Der rasende Takt der Online-Medien gibt Richtung und Tempo einer zunehmend besinnungslosen Hatz vor. Heraus kommt Hochfrequenz-Journalismus, der keine Zeit mehr zum Nachdenken lässt. Es geht zu wie an der Schießbude: Jeder darf mal draufhalten.”

3. “Tage mit Gurlitt”
(spiegel.de, Özlem Gezer)
Wie die aktuelle Titelgeschichte des “Spiegel” über Cornelius Gurlitt entstanden ist: “Ich hatte eine Fahrstuhlfahrt Zeit, um Cornelius Gurlitt davon zu überzeugen, dass ich mit ihm Taxi fahren darf. Es wurde der Beginn einer viertägigen Reise, bei der ich nie wusste, wann sie enden wird.”

4. “Der Taliban geht um”
(blogs.tageswoche.ch, Renato Beck)
Daniel Wahl von der “Basler Zeitung” schreibt über “Hetzschriften”, die Muslime in Basel verteilen. Wie er auf Anfrage mitteilt, gehört er jedoch selbst einer evangelischen Freikirche an, die fragwürdige Positionen vertritt. Die “Tageswoche” zitiert, leicht abgewandelt, aus Schriften dieser Freikirche.

5. “Fachblatt für Homophobie”
(pantelouris.de)
Das von der “Bild am Sonntag” auf der Titelseite verhandelte Sexualleben eines Bayerischen Landrats: “Natürlich impliziert BILD, er hätte sein Sexualleben als offen homosexueller Politiker irgendwie öffentlich gemacht (‘Michael Adam, jung, schwul, evangelisch, gilt als moderner Hoffnungsträger der Bayern-SPD.’), aber dann müsste man im Intimleben eines jeden Politikers herumschnüffeln dürfen, der je seinen Partner irgendwohin mitgenommen hat.”

6. “Warum soll eine Frau keine Sexbeziehung führen dürfen?”
(backview.eu, anonym)

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