Suchergebnisse für ‘LINK’

Thomas de Maizière, Verschwörungsparanoikerin, Zensur

1. Wie de Maizière sich verkalkulierte
(n-tv.de, Christoph Herwartz)
Kein Familiennachzug mehr für syrische Flüchtlinge? Oder doch? Bundesinnenminsiter Thomas de Maizière hat mit Aussagen während seines Albanienbesuchs für Verwirrung gesorgt. Christoph Herwartz hat de Maizière bei der Reise begleitet und rekonstruiert dessen Vorpreschen und Zurückrudern aus medialer Sicht. Sein ernüchterndes Fazit für die eigene Arbeit: “Das Interview de Maizières mit n-tv.de, das an diesem Samstag erscheinen sollte, ist damit schon veraltet, bevor es autorisiert wurde.”

2. Eine Nacht im Notlager
(faz.net, Timo Frasch, Jens Gyarmaty, Georg-Wilhelm König)
Über die Zustände in deutschen Flüchtlingsunterkünften wird derzeit viel geschrieben. Doch die wenigsten Journalisten sind wirklich vor Ort, und wenn überhaupt, dann ist es meist nur eine kurze Stippvisite unter Aufsicht eines Ministers oder anderer Offizieller. “Ein bisschen helfen dürfte aber, wenn man längere Zeit am Stück in einer Unterkunft verbringen könnte, vielleicht sogar dort übernachten.” Genau das haben Timo Frasch, Jens Gyarmaty und Georg-Wilhelm König getan.

3. Was darf ein Interviewer im ORF?
(facebook.com, Armin Wolf)
Susanne Winter ist aus der FPÖ geflogen, ihren Job im österreichischen Parlament will sie aber behalten. Armin Wolf spricht mit ihr im ORF und nennt Winter unter anderem “eine islamfeindliche, rassistische Verschwörungsparanoikerin”. Darf er das? Manche meinen: nein. Armin Wolf hat sich bei Facebook ausführlich zu seinem Interview geäußert.

4. Trollhaus
(profil.at, Ingrid Brodnig)
“Jede Form von Kritik, Gegenrede oder Moderation wird gern als ‘Zensur’ verunglimpft, weil die ‘Meinungsfreiheit’ dadurch abgeschafft werde.” Und das sei, so Ingrid Brodnig, natürlich Unsinn. Sie fordert, sich Begriffe wie “Zensur” für echte Beschneidungen der Meinungsfreiheit aufzuheben — etwa das Urteil gegen den Blogger Raif Badawi in Saudi Arabien. Das entscheidende Missverständnis: “Viele glauben, die Meinungsfreiheit gebe ihnen auch das Recht, immer und überall Gehör finden zu müssen.”

5. Facebooks Instant Articles sind nicht so erfolgreich, wie du glaubst
(mrtnh.de, Martin Hoffmann)
Facebook will Verlage dazu bringen, vollständige Texte auf dem sozialen Netzwerk zu posten, statt mit einem Link auf die eigene Webseite zu verweisen. Diese “Instant Articles” werden wahlweise als Rettung oder als Untergang der Medienbranche gesehen. Martin Hoffmann hat die bislang öffentlich zugänglichen Daten analysiert: “Auf den ersten Blick sorgen die Instant Articles wider Erwarten NICHT für ein höheres Engagement bei den einzelnen Link-Posts.” Er hält die Funktion deshalb nicht für “die großen Heilsbringer”. (Anmerkung: Es ist allerdings durchaus möglich, dass Facebook noch gar nicht begonnen hat, Instant Articles bevorzugt zu behandeln. Sobald der Algorithmus ihnen eine erhöhte native Reichweite zugesteht, wie das etwa bei direkt hochgeladenen Videos der Fall ist, könnten die Interaktionen schnell ansteigen.)

6. Jetzt spricht der Youtuber, den niemand kennt – ja, genau der
(rp-online.de, Sebastian Dalkowski)
Gronkh, Bibi mit ihrem “Beauty Palace” und LeFloid haben ein Millionenpublikum bei Youtube. Aber was sagt eigentlich ein Youtuber, der eher 600 als 600.000 Views pro Video hat? Sebastian Dalkowski hat einen interviewt. Zum Thema: Dalkowskis Gespräch mit Millionen-Youtuber Sami Slimani.

Reschersche – nein danke!

“Für die reinen Nachrichten muss der User nichts bezahlen. Aber das, was nur BILD kann und nur BILD hat, die exklusiven Geschichten, die besonderen Interviews und Hintergründe, die einzigartigen Fotos – das sind zukünftig BILDplus-Inhalte.”

(Bild.de bei der Vorstellung von „Bildplus“)

Nehmen wir ein Beispiel.

Das ist die reine Nachricht. Die gibt’s kostenlos. Zahlen muss man für den Premium-Weiterdreh, für das, was nur „Bild“ kann und nur „Bild“ hat, und das sieht so aus:

Wenn Tätowierungen so richtig weh tun und zwar nicht nur beim Stechen, sondern hinterher noch viel, viel mehr, dann ist das für die Bemalten zwar eine Katastrophe, für andere aber zum Lachen: BILD zeigt die 22 übelsten Tattoo-Katastrophen der Welt!

Jahaha, die hier zum Beispiel:

Und weil wir hier ja in der Kernkompetenz-Abteilung von “Bild” sind, ist die Sache gleich doppelt falsch.

Das ist keine Frau, sondern ein echter Gangster:

Aber kein echtes Tattoo. Sondern aus einem Film.

Die Überschrift für diese „Tattoo-Katastrophe“ lautet übrigens:

Na dann mal los, „Bildplus“.

Nachwuchs beim DJV, Adblocker, Piratenradio

1. Aufruf zum Gemeinsamen
(medienwoche.ch, René Zeyer)
Angesichts der Angriffe auf Journalisten fordert René Zeyer, dass Medien zusammenstehen: Es sei nun nicht mehr die Zeit für Schuldzuweisungen, für gegenseitige Einteilungen in “rechtskonservativer Kampfjournalist” versus “linker Gutmensch”. Nun gehe es um die Verteidigung der Pressefreiheit. Wobei auch der Staat durchgreifen sollte: “Sonst versagt er in seinem Kern.” Siehe dazu auch die “Blogrebellen” über Angst und eine “Schere im Kopf”. Einen Überblick zur Gewalt gegen Journalisten gibt es bei n-tv.de und faz.net.

2. DJV-Treffen: “Ah, die Schülerzeitung ist auch da”
(ndr.de, Sabine Schaper)
Zwei “Zapp”-Reporterinnen waren beim Verbandstreffen des DJV. Und nicht nur wegen des Zitats aus der Überschrift können sie sich “über Nachwuchssorgen beim DJV nicht mehr wundern”. Offensichtlich trauen die überwiegend (mittel)alten männlichen Anwesenden zwei jungen Frauen nicht zu, dass diese mehr als “ein schönes, lustiges Stück”, vielleicht “fürs Kinderradio” machen. Thomas Otto Jenny Genzmer nimmt das beim “Deutschlandfunk” zum Anlass, über das “Politikum Frau” nachzudenken, und verlinkt unter anderem die Reaktionen von DJV- und BJV-Verantwortlichen.

3. Wie junge Menschen über Adblocker denken
(statista.com, Andreas Grieß)
“Statista” hat 1002 Personen zwischen 18 und 35 Jahren gefragt, was sie von Adblocker halten — mit einem Ergebnis, das vielen Medien nicht gefallen dürfte: “Von den Befragten gaben mehr als die Hälfte an (53 Prozent), Adblocker zu verwenden.” Außerdem sagen 43 Prozent, dass betroffene Webseiten am besten “An den Ausgaben sparen” sollten, wenn ihnen durch Adblocker Einnahmeverluste entstehen.

4. Gekündigte Pädagogin: Auch “Krone” druckte Namen von Magistratsbeamtin
(horizont.at, Timo Niemeier)
Der Ablauf: Die “Kronen Zeitung” schreibt Quatsch über eine gekündigte Kindergartenmitarbeiterin. Das Medienwatchblog kobuk.at kritisiert die “Krone” dafür. Ein “Krone”-Redakteur kritisiert daraufhin kobuk.at, weil ein Name einer beteiligten Magistratsbeamtin nicht geschwärzt wurde. Eben dieser kritikfreudige “Krone”-Redakteur veröffentlicht einen Artikel, in dem er den Namen einer Magistratsbeamtin nicht schwärzt. Und dafür gibt’s jetzt Kritik von horizont.at und kobuk.at.

5. Anti-ALDI-Rant aus dem SPIEGEL-Kindergarten
(wortvogel.de, Torsten Dewi)
Torsten Dewi nimmt einen “Bento”-Artikel über Aldi Satz für Satz auseinander. Am Ende bleibt davon nicht viel übrig: “Leider habe ich mittlerweile festgestellt, dass bento gerne auch banal, oberflächlich, großmäulig und pubertär auf der Klaviatur nicht des SPIEGELs, sondern der Huffington Post und Buzzfeed spielt.”

6. Illegaler Sender: Radioanarchie an der Grenze
(ndr.de, Joop Wösten, Video, 4:50 Minuten)

Angriffe auf Journalisten, Todsünden, “The Westport Independent”

1. Tagesspiegel-Autor Helmut Schümann angegriffen
(tagesspiegel.de)
Der “Tagesspiegel”-Kolumnist Helmut Schümann ist von hinten niedergeschlagen worden, der Angreifer rief offenbar: “‘Du bist doch der Schümann vom Tagesspiegel, du linke Drecksau'”. Schümann hatte sich in der Flüchtlingsdiskussion zuvor deutlich positioniert. Bei Facebook schreibt er, dass er sich nicht einschüchtern lassen wolle, in der “taz” äußert er sich ebenfalls zum Angriff. Dazu auch “Meedia”: Gestern ist ein Videoteam der “Welt” bei einer Neonazi-Demo attackiert worden.

2. “Bild”, de Maizière und ein Schinkenteller auf Mallorca
(sueddeutsche.de, Claudia Tieschky)
Innenminister Thomas de Maizière ist gerade von einer schweren Grippe genesen, hat wochenlang mehr oder weniger durchgearbeitet und saß mit hohem Fieber auf Flüchtlingsgipfeln. Jetzt macht er einen Kurzurlaub auf Mallorca. Für die “Bild”-Zeitung ist das ein Grund zur Empörung. Angeblich “flüchtet” de Mazière vor der Krise, der stellvertretende “Bild”-Chefredakteur Béla Anda kommentiert: “instinktlos!” Claudia Tieschky fragt: “Ist das noch Bericht oder schon Kampagne?”

3. Die “sieben Todsünden” der Nachrichten
(deutschlandfunk.de, Marco Bertolaso)
Die Nachrichtenredaktion des “Deutschlandfunks” will mit den Hörern in Kontakt kommen und sich der Kritik stellen — “per Post und per Mail, über die sozialen Medien, am Telefon und manchmal tatsächlich sogar noch per Fax”, nur Brieftauben seien etwas aus der Mode gekommen. Bestimmte Vorwürfe werden dabei besonders oft geäußert. Marco Bertolaso relativiert sieben dieser Anschuldigungen.

4. Instagram: Märchenstunde im Bayerischen Rundfunk
(buggisch.wordpress.com, Christian Buggisch)
Christian Buggisch hält das BR-Computermagazin für “naiv und wirklichkeitsfremd”. Zuhörer bekämen den Eindruck, dass Soziale Medien “gefährlicher Unfug” seien. Die Redakteure würden die Welt mit der “Brille des Datenschützers” betrachten und die Realität nur schwarz und weiß sehen: “Datenschutz ist gut, alles andere böse.” Seine Beobachtung belegt er an einer Sendung über Instagram, die “nicht nur tendenziös, sondern auch schlecht recherchiert” sei. Buggischs Fazit: “Aber eher fährt ein Fisch Fahrrad als dass im Computermagazin des BR mal ausgewogen über soziale Medien berichtet wird.”

5. “Straßengezwitscher”: Twitterprojekt erhält Auszeichnung für Zivilcourage
(tagesschau.de, Siegbert Schefke, Video, 1:43 Minuten)
Mit ihrem Twitter-Account “Straßengezwitscher” berichten zwei Dresdner seit einigen Monaten von “Pegida”-Aufmärschen. Gestern haben sie für ihren Einsatz gegen Rassismus und Antisemitismus den “Preis für Zivilcourage” verliehen bekommen.

6. Lügenpresse als Spiel
(dradiowissen.de, Thomas Ruscher, Audio, 5:33 Minuten)
Nachrichten auswählen, Überschriften drübersetzen — das Computerspiel “The Westport Independent” simuliert die Arbeit in der Redaktion einer Tageszeitung. Allerdings in einem Staat, der am Rande eines Bürgerkriegs steht. Jede Schlagzeile kann das Land weiter in die Krise führen. Die Stärke dieses “politischen Games” ist laut Thomas Ruscher der ständige Zwiespalt: “Befolgt der Spieler seine Anweisungen und Befehle, oder handelt er nach seinem Gewissen?”

Lügenpresse, Russland Task Force, Dunja Hayali

1. “Stern”-Umfrage zeigt: Mittelgroße Zahl von Deutschen findet irgendwas mit Lügenpresse
(stefan-niggemeier.de)
44 Prozent der Deutschen stimmen den “Lügenpresse”-Vorwürfen von “Pegida” zu. Das titelt jedenfalls der “Stern” über einer eigenen Umfrage, die in den vergangenen Tagen die große Runde machte. Stefan Niggemeier kritisiert, dass nicht klar sei, welche Frage den Befragten dabei genau gestellt wurde. Gerd Bosbach, Professor für Statistik und Empirische Wirtschafts- und Sozialforschung, spricht im “Deutschlandfunk”-Interview ebenfalls von Problemen bei der Wahl der Methodik und Fragestellung. Und Stefan Fries wundert sich, dass eine ähnliche Umfrage des WDR ergab, dass deutlich weniger Leute den “Lügenpresse”-Vorwürfen zustimmen.

2. Die Propaganda-Offensive der EU wird das Misstrauen gegenüber den Medien stärken
(heise.de, Florian Rötzer)
Um der “‘Desinformationspolitik’ Russlands” etwas entgegenzustellen, will die EU mit einer Task Force für ihre eigene Politik werben und Netzwerke aus Medienvertretern aufbauen. Florian Rötzer gibt zu bedenken: “Die Propagandaoffensive der EU droht aber auch, das Vertrauen in die unabhängige Berichterstattung der nichtstaatlichen Medien noch weiter auszuhöhlen, wenn ausdrücklich ‘unabhängige und pluralistische Medien’ gefördert werden sollen, die dann nicht mehr unabhängig sind.” (Zu der 44-Prozent-“Lügenpresse”-Umfrage siehe Link 1.)

3. Zeitungen sind zäh. Sie sterben langsam
(12app.ch, Michael Marti)
“Es gibt wohl nur sehr wenige Menschen, die so intensiv und kompetent über die Zukunft des Journalismus nachdenken wie Emily Bell.” So beginnt die Einleitung des Interview mit der Medienprofessorin und ehemaligen Digital-Chefin des “Guardian”. Das folgende Gespräch untermauert die eingangs aufgestellte Behauptung.

4. Traduced by all sides, who will defend the BBC?
(theguardian.com, Nick Cohen)
Druck von rechts, Druck von links, ständig drohende Haushaltskürzungen: Die britischen Politiker spielen ein gefährliches Spiel mit der BBC, findet Nick Cohen. Ihr größtes Problem sei dabei ihre große Qualität — die unabhängige Berichterstattung: “In good times, many mainstream politicians would have defended the BBC. But our rolling constitutional and economic crises are, unsurprisingly, producing ideological movements that cannot bear to have their ‘solutions’ questioned or ‘facts’ challenged.”

5. Dunja Hayali: Ein Glücksfall fürs deutsche Fernsehen
(dwdl.de, Hans Hoff)
Hans Hoff ist “kein Freund des ZDF-Morgenmagazins”. Trotzdem erwischt er sich “in jüngster Zeit immer öfter mal dabei, doch morgens die Kiste anzuschmeißen”. Der Grund ist: “Dunja Hayali, eine Moderatorin, eine Journalistin, eine Persönlichkeit.”

6. Blattkritik: Tim Wolff, Chefredakteur “Titanic”, über “Tichys Einblick”.
(turi2.de, Tim Wolff)
1. “‘Tichys Einblick’ ist eine sehr aufgeräumte Website.” 2. “Die Anzahl der Beiträge ist übersichtlich, wenn auch nicht so übersichtlich wie die Anzahl der Ansichten.” Das sind zwei von sechs positiven Dingen, die Tim Wolff an der “liberal-konservativen Meinungsseite” des ehemaligen “Wirtschaftswoche”-Chefredakteurs Roland Tichy auffallen. Der Rest seiner Blattkritik fällt weniger gnädig aus.

Lobschummelei bei Bild.de

Bei Bild.de platzen sie gerade fast vor Stolz:

Günter Wallraff hat dem “SZ Magazin” für die aktuelle Ausgabe ein großes Interview gegeben (kostenpflichtig). Darin erzählt der Investigativjournalist nicht nur, dass er geplant hatte, sich für einen ehemaligen US-Soldaten als “IS”-Geisel eintauschen zu lassen, sondern auch über sein Verhältnis zur “Bild”-Zeitung.

Er habe neulich per Zufall “den Artikel eines jungen Kollegen entdeckt”, der ihm gefallen habe, sagt Wallraff im Laufe des Gesprächs. Es geht um einen Text von “Bild”-Reporter Daniel Cremer, der unter falschem Namen an einem sogenannten “Entschwulungskurs” in den USA teilgenommen und darüber berichtet hat.

Wallraffs Aussage zitiert Bild.de so:

Jubel in der Redaktion:

Großes Lob von Günter Wallraff (73) — für BILD!

Das Problem dabei: Bild.de hat einen nicht ganz unwesentlichen Teil von Wallraffs Aussage weggelassen (von uns gefettet):

Der hätte eine reißerische Kolportage daraus machen können, aber seine Reportage war einfühlsam und überzeugend, und er hat die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen respektiert, was ansonsten ja nicht gerade Bild-typisch ist. Diese Selbsterfahrung hätte genauso in der Zeit oder der Süddeutschen erscheinen können. Ich bin immer wieder froh, wenn ich in meiner Grundhaltung irritiert werde.

Auch vor und nach dieser Stelle singt “Bild”-Kritiker Wallraff kein Loblied auf das Boulevardblatt. Mit freundlicher Genehmigung des “SZ Magazins” zitieren wir hier (ganz ohne Kürzungen) die Passagen, in denen sich Günter Wallraff über die “Bild”-Zeitung äußerst:

Sie klingen andererseits immer wieder so versöhnlich. Gibt es jetzt bald Frieden mit dem Springer-Verlag?
Nachdem ich die Bild-Zeitung mit einem gemeingefährlichen Triebtäter verglichen hatte, rief mich deren Chefredakteur Kai Diekmann an und rechtfertigte sich, dass Bild nicht mehr so sei wie damals, als ich den Aufmacher veröffentlichte. Ich hatte den Eindruck, der will etwas ändern. Vielleicht ist aus dem Boulevard-Heroin inzwischen Methadon geworden. Früher war das Blatt ja mit Hetze gegen Ausländer, Linke und Minderheiten jeder Art durchtränkt. Seitdem gab es gab Wellenbewegungen, gelegentlich waren da Chefredakteure, die etwas weniger sensationsgierig, politisch etwas weniger rechts ausgerichtet waren. Dann produzierte Bild etwas weniger Hass, etwas weniger Frauenverachtung, etwas weniger Minderheitenhetze und dergleichen. Die Bild ist heute vorsichtiger geworden, das liegt sicher auch am Zeitgeist, der vulgären Sexismus oder dumpfen Rassismus nicht besonders mag.

Wie finden Sie die Berichterstattung der Bild-Zeitung über Griechenland?
Das war systematische Hetze mit Schlagzeilen wie: “Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen und die Akropolis gleich mit!” Ich kaufe die Bild ja nicht, aber in Zügen oder Restaurants liegt sie manchmal rum. Da habe ich neulich zu meiner Überraschung den Artikel eines jungen Kollegen entdeckt. Der Autor bekennt sich als schwul und hat sich in den USA undercover in eine dieser obskuren Selbsthilfegruppen begeben, die Homosexualität “heilen” wollen.

Jetzt beschäftigt sogar die Bild-Zeitung Wallraff-Schüler?
Der hätte eine reißerische Kolportage daraus machen können, aber seine Reportage war einfühlsam und überzeugend, und er hat die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen respektiert, was ansonsten ja nicht gerade Bild-typisch ist. Diese Selbsterfahrung hätte genauso in der Zeit oder der Süddeutschen erscheinen können. Ich bin immer wieder froh, wenn ich in meiner Grundhaltung irritiert werde. Ich brauche Irritationen.

Die Wandlungsfähigkeit des Bild-Chefs Kai Diekmann dürfte Ihnen doch gefallen. Der tritt mal mit, mal ohne Bart auf, mal im Anzug und mal im Kapuzenpulli.
Die Auflage von Bild ist den letzten Jahren gewaltig eingebrochen. Vielleicht ist seine äußerliche Verwandlung ja Ausdruck für den Versuch einer Neuorientierung. Ich habe Bild schon vor einiger Zeit zum Ansporn attestiert: Es gibt sehr wohl eine Sorte von Triebtätern, die noch therapierbar ist. Das müssen sie aber erst unter Beweis stellen.

Nachtrag, 20.23 Uhr: Bild.de gibt das Zitat jetzt doch vollständig wieder und schreibt unter dem Artikel:

*Das Zitat wurde nachträglich ergänzt, nachdem es in einer vorherigen Version nicht vollständig wiedergegeben war.

Bild  

Dirk Hoerens halbe Hartz-Wahrheit über Flüchtlinge

Die „Bild“-Zeitung schlägt heute wieder Alarm:

Zahl der Hartz-IV-Empfänger aus Asyl-Ländern steigt

Immer mehr Flüchtlinge landen in Hartz IV! Laut einer neuen Statistik der Bundesagentur für Arbeit ist die Zahl der Hartz-IV-Empfänger, die aus Asylzugangsländern stammen, im Juli auf 442 230 gestiegen. Das waren 23,5 % mehr als im Vorjahresmonat. Die meisten kommen aus Syrien (98 494), Irak (56 661), Serbien (56 264), Russland (40 798) und Afghanistan (36 776).

Geschrieben wurde der Artikel von Dirk Hoeren, er stimmt aber trotzdem. Die Zahlen stammen aus einer aktuellen Statistik der Bundesagentur (PDF):

Doch einen Punkt lässt Dirk Hoeren in seinem Artikel unerwähnt: Nicht nur die Zahl der Hartz-IV-Empfänger ist gestiegen, sondern auch die Zahl der Beschäftigten:

Dazu schreibt die Bundesagentur:

Aus den Asylzugangsländern waren in Deutschland im August insgesamt 495.000 Beschäftigte registriert, das waren 39.000 oder 8,5 Prozent mehr als vor einem Jahr (…). Dabei fiel der Anstieg von Personen mit einer syrischen Staatsangehörigkeit mit 43 Prozent relativ am stärksten aus. Der Anteil von Beschäftigten aus den Asylzugangsländern an allen Beschäftigten beläuft sich auf 1,4 Prozent. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erhöhte sich um 34.000 oder 9,6 Prozent und die geringfügige Beschäftigung um 5.100 oder 4,7 Prozent.

„Bild“ hätte also auch schreiben können:

Zahl der Beschäftigten aus Asyl-Ländern steigt - Immer mehr Flüchtlinge haben einen Job! Laut einer neuen Statistik der Bundesagentur für Arbeit ist die Zahl der Beschäftigten, die aus Asylzugangsländern stammen, im Juli auf 494612 gestiegen. Das waren 8,5 % mehr als im Vorjahresmonat. Die meisten kommen aus Russland (82996), Serbien (72932), Bosnien und Herzegowina (70193), Kosovo (60932) und Ukraine (44135).

Aber so eine Schlagzeile passt halt schlecht zum aktuellen Hilfedie“Asylanten”kommen-Kurs der „Bild“-Zeitung.

Und weil andere Medien ja lieber blind von “Bild” abschreiben, statt sich das Gesamtbild anzuschauen, ist jetzt auch nur der eine Teil der Wahrheit im Umlauf:

Immer mehr Flüchtlinge erhalten Hartz IV
Immer mehr Flüchtlinge erhalten Hartz IV

Alfred gegen den Rest der Welt (außer Franz)

Es waren große Worte in großen Buchstaben, die Alfred Draxler vergangenen Woche wählte:

ICH BIN MIR BEWUSST, DASS ICH MIT DIESEM ARTIKEL MEINE REPUTATION ALS JOURNALIST UND REPORTER AUFS SPIEL SETZE.

Draxler hatte sich in seiner “Bild”-Kolumne “Nachgehakt” schützend vor seine Freunde Franz Beckenbauer und Wolfgang Niersbach geworfen. Das WM-Organisationskomitee habe “das Sommermärchen” nicht gekauft, der Chefredakteur der “Sport Bild” versprach Aufklärung:

Das Ergebnis seiner “Intensivrecherche”: Der damalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus sei 2002 mit umgerechnet 6,7 Millionen Euro für das deutsche WM-OK eingesprungen, als die FIFA diese Summe als eine Art Vorauszahlung gefordert haben soll. Nur durch eine Überweisung der 6,7 Millionen Euro an die FIFA sei eine spätere 170-Millionen-Euro-WM-Startunterstützung von der FIFA ans WM-OK möglich gewesen. Das mag logisch klingen oder nicht, es war jedenfalls Alfred Draxlers Sicht auf die Dinge.

Und mit der kam er zu dem Schluss, es gebe …

kein verkauftes Sommermärchen! Und es gibt keine “Schwarzen Kassen”, mit denen Wahlmänner bestochen wurden.

Heute melden “Bild” und Bild.de:

Die US-Kanzlei “Quinn Emanuel”, die “im Auftrag des Weltfußballverbandes die Fifa-Konten für den fraglichen Zeitraum überprüfte”, habe “Bild” mitgeteilt, dass sie keinen Zahlungseingang von Robert Louis-Dreyfus über 6,7 Millionen Euro gefunden habe.

Nach BILD-Recherchen kann das Darlehen für das Organisationskomitee nicht wie bisher behauptet für die Fifa-Finanzkommission bestimmt gewesen sein. Es waren offenbar wirklich Schmiergeld-Zahlungen.

“Bisher behauptet” hatten das vor allem Wolfgang Niersbach, Franz Beckenbauer — und Alfred Draxler. Die Version des “REPUTATION”-Riskierers passt also nicht mit den Recherchen seiner “Bild”-Kollegen zusammen.

Ob die stimmen, ist wiederum auch fraglich. Im undurchsichtigen Gestrüpp rund um die Finanzströme beim “Sommermärchen” hat die “Süddeutsche Zeitung” inzwischen einen anderen möglichen Weg der 6,7 Millionen Euro aufgetan:

In Kreisen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) heißt es, dass in dem Schreiben vom 19. April 2005 zwar ein Konto bei der BNP Paribas als Empfänger genannt wurde. Allerdings sei das Geld dann nicht wirklich dorthin geflossen. Stattdessen sei die Überweisung auf ein Konto bei einer anderen Bank ausgestellt worden — angeblich bei der Zürcher UBS.

Möglicherweise, um dort eine schwarze Kasse zu füllen, “die ausgesuchten Fifa-Leuten zur Verfügung stand.”

Das findet auch Alfred Draxler interessant:

Dass auch diese Version nicht mit seinen Behauptungen vom vergangenen Donnerstag zusammenpasst, kümmert ihn aber offenbar nicht. Entweder liegt ihm nicht besonders viel an seinem Ruf “ALS JOURNALIST UND REPORTER”, oder er hat seine großen Worte nach einer Woche schon wieder vergessen.

In der grundsätzlichen Argumentationslinie sind er und seine Redaktion übrigens wieder zum alten Muster zurückgekehrt: Nach der anfänglichen Stufe 1, die Gegenseite und deren Quellen unglaubwürdig zu machen (wie beispielsweise beim Auftritt im “Sport1”-Fußballtalk “Doppelpass”), wechselte Draxler zwischenzeitlich auf Stufe 2, die Freunde zu beschützen. Im Editorial der aktuellen “Sport Bild” kehrt er wieder zu Stufe 1 zurück und schießt gegen den früheren DFB-Präsidenten und aktuellen “Spiegel”-Informanten Theo Zwanziger:

Dazu gibt es auch eine Geschichte, die so auf der Titelseite …

… und so im Heftinnern überschrieben ist:

Kritische Töne zu Alfred Draxlers Freund Franz Beckenbauer, der in der WM-Affäre vermutlich die zentralste Rolle spielt, gibt es hingegen nirgends im Heft — obwohl es dafür genügend Gründe gäbe.

Mit ihrem Beckenbauer-Kuschelkurs haben Alfred Draxler und seine “Bild”-Kollegen dann auch wieder zueinandergefunden:

Schlank auf der Schleichwerbepiste

Anfang Oktober fand in Kitzbühel zum dritten Mal das “Camp Beckenbauer” statt. Das “international besetzte Forum” beschäftigt sich laut Eigenbeschreibung “mit der Zukunft des Sports”. All die Sympathen versammeln sich beim “Camp Beckenbauer”: Sepp Blatter, Thomas Bach, Bernie Ecclestone. Gründer und Organisator ist Marcus Höfl, der mit seiner “MHM Group” unter anderem die Markenrechte an seiner Ehefrau Maria Höfl-Riesch und Franz Beckenbauer hält.

“taz”-Redakteur Jürn Kruse schrieb neulich, Höfls Veranstaltung sei der “aufgeblasenste Lobby- und Werbetreff des Sportjahres”. Auf jeden Fall kommt hier die Familie zusammen. Und da dürfen Familienfotos nicht fehlen:

Von links nach rechts: “Bild”-Chef Kai Diekmann, Ex-Skirennläuferin Maria Höfl-Riesch und Ex-Landtagsabgeordneter Daniel Mack. Genau, der Daniel Mack, der sich vor rund einem Jahr noch über die Methoden von Diekmanns “Bild” aufregte und juristisch gegen das Blatt vorging. Diekmann verglich Mack in der Folge mit Sebastian Edathy. Nun ja, ist doch schön, wenn Menschen zusammenfinden.

Und auch Maria Höfl-Riesch und Kai Diekmann haben zusammengefunden. Drei Wochen nach dem Familienfoto erschien diese großflächige Kooperation im redaktionellen Teil der “Bild”-Zeitung:

Das ist seit vorgestern die “NEUE SERIE” in “Bild” und bei Bild.de:

Ex-Skirennläuferin Maria Höfl-Riesch (30) hat gemeinsam mit einem Ernährungsexperten ein Sportprogramm zusammengestellt, das aus jedem Sportmuffel einen Fitnessjunkie machen kann. UND DAS OHNE GROSSEN AUFWAND ODER DEN TÄGLICHEN GANG INS FITNESSSTUDIO.

In einer neuen Serie stellt BILD zusammen mit der dreifachen Olympiasiegerin das Programm “Maria macht Dich fit” vor.

Maria Höfl-Riesch beantwortet ein paar Fragen rund ums Thema Fitness (“SOLLTE ICH JEDEN TAG TRAINIEREN?”, “GIBT ES DIE PERFEKTE TAGESZEIT FÜR SPORT?”). Aber Antworten auf diese Fragen allein machen einen “Sportmuffel” natürlich noch nicht zum “Fitnessjunkie”:

So funktioniert das Programm
Rufen Sie die Internetseite […] auf, melden Sie sich an. Sie können Größe, Gewicht und Stimmung angeben. Dazu ein Ganzkörperfoto hochladen. Pro Woche gibt es zwei neue Fitnessvideos und ein Kochvideo. Dazu ein Kochbuch mit insgesamt 60 Rezepten und einen Trainingsplan zum Runterladen. Das Programm ist auf acht Wochen ausgelegt und kostet einmalig 79 Euro. Insgesamt können Sie 16 Wochen darauf zugreifen.

Gestern ging’s weiter mit der als Leserservice verpackten Werbekampagne:

Und heute der große Abschluss der Serie mit allem rund ums Thema Ausdauer:

Darunter große Erkenntnisse wie diese hier:

Woran merke ich, dass ich fitter werde? (…)

Höfl-Riesch: „Sie fühlen sich insgesamt fitter. (…)”

Der Beitrag endet mit einem “Trainingsplan für die erste Woche”. Der besteht aus zwei 30-Minuten-Einheiten. Will man, dass auch in Woche zwei noch “die Pfunde purzeln”, muss man die Homepage von Maria Höfl-Riesch ansteuern und erstmal das Portemonnaie um 79 Euro schlanker werden lassen.

Den trainierten Schleichwerbern von “Bild” (siehe Punkt 8) wird aber auch ohne dieses Investment die Puste ganz bestimmt nicht ausgehen.

Youtuber gegen Springer, N-Wort, Deutschstunde

1. Abgemahnter Youtuber fordert Bild.de heraus
(golem.de, Friedhelm Greis)
Die Chronologie: “Bild” sperrt Adblock-Nutzer aus, Youtuber veröffentlicht Anleitung, um Adblock-Sperre zu umgehen, “Bild” mahnt Youtuber ab. Jetzt will Tobias Richter, eben jener Youtuber, das Spiel aber nicht mitspielen und wird auf Anraten seines Anwalts keine Unterlassungserklärung abgeben und die geforderten 1800 Euro Abmahnkosten nicht zahlen. Wie es nun weitergeht, ist unklar: Auf “Golem”-Anfrage sagte der Axel-Springer-Verlag, den bisherigen Statements in den Verfahren um die Werbeblockersperre und den Prozessen gegen Adblock Plus sei nichts hinzuzufügen.

2. Europäer informieren sich am liebsten online (und im TV)
(ejo-online.eu, Caroline Lees, Übersetzung von von Anna Carina Zappe)
TV vor Print, prozentual mehr Smartphonenutzer in der Türkei als in Deutschland — das “Reuters Institute for the Study of Journalism” hat den Nachrichtenkonsum in Europa untersucht. Caroline Lees fasst die Ergebnisse der Studie (PDF) zusammen, genauso wie Shan Wang beim “NiemanLab”. Zum Thema: Rainer Stadler über die “Mediennutzung von Jungen” in der Schweiz.

3. Das N-Wort. Eine Faszinationsgeschichte (PDF)
(merkur-zeitschrift.de, Matthias Dell)
“Der eitle Jahrmarktbudenbetreiber Plasberg, der das rätselhafte Glück hatte, an einem besonders tiefen Tiefpunkt der öffentlich-rechtlichen Polit-Talkshow für einen kritischen Journalisten gehalten zu werden, spricht nicht nur, wie Herrmann, das N-Wort aus, er hat auch keine Scheu, Ranga Yogeshwar auf rüde-unhöfliche Weise vors Loch seiner frivolen Gaudi an der Reizwortproduktion zu schieben.” Matthias Dell mit einer Neun-Seiten-Abrechnung zum “Hart aber fair”-Auftritt von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, dem “N-Wort” und der aus Herrmanns Fauxpas entstandenen Diskussion.

4. Sechs Wege um Falschmeldungen zu entlarven
(netzpiloten.de, Pete Brown)
Passend zur gestern verlinkten ARD-Dokumentation “Alles Lüge oder was? Wenn Nachrichten zur Waffe werden” (siehe Link Nummer 2) haben die “Netzpiloten” einen hilfreichen Ratgeber von Pete Brown übersetzt (hier das englische Original). Der Mitgründer von “Eyewitness Media” stellt sechs kostenlose Werkzeuge vor, mit denen man überprüfen kann, ob Fotos, Videos und Nachrichten möglicherweise gefälscht sind.

5. Deutschstunde
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Dirk Kurbjuweit, Katja Lange-Müller und Ingo Schulze)
8 Uhr morgens, 10. Klasse, Deutschunterricht. Besprochen wird irgendein moderner Roman von einem Schriftsteller, den keiner kennt. Die halbe Klasse schläft. Soweit der Alltag. Doch was passiert, wenn der Autor plötzlich im Klassenzimmer sitzt? Das “SZ Magazin” hat Dirk Kurbjuweit, Katja Lange-Müller und Ingo Schulze in Klassen geschickt, die gerade ihre Romane durchnehmen.

6. Quiz: Erkennen Sie diese Medien an ihren Mediadaten?
(vocer.org, Mark Heywinkel)

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