1. “Bamf-Skandal” schrumpft weiter (taz.de, Stefan Simon)
Im Frühjahr 2018 erschütterte der sogenannte Bremer Bamf-Skandal die Republik: Von mehr als 1.200 Asyl-Betrugsfällen war die Rede. Die Zahl ist mittlerweile auf einen Bruchteil zusammengeschrumpft: Es geht derzeit um gerade mal 50 strittige Asylentscheidungen. Obwohl nicht eine Entscheidung rechtskräftig aufgehoben worden sei, würde die Bremer Staatsanwaltschaft unverdrossen nach angeblichen Missständen im Bremer Flüchtlingsamt forschen.
2. Ein-Mann-Show (deutschlandfunk.de, Isabelle Klein)
Bei der Europawahl wird indirekt auch über das Amt des neuen EU-Kommissionspräsidenten entschieden. Während Kandidaten wie Margrethe Vestager, Frans Timmermans oder Ska Keller wenig mediale Beachtung finden, stehe der Spitzenkandidat des konservativen Parteienbündnisses Manfred Weber oft im Fokus der Berichterstattung. “SZ”-Redakteur Alexander Hagelüken spekuliert über die Gründe und ordnet die Zusammenhänge ein.
3. Facebook ist ein schwarzes Loch (blog.clickomania.ch, Matthias Schüssler)
Der Journalist und Blogger Matthias Schüssler hat einen interessanten Vorschlag, wie man verhindern könne, dass Facebook die Aufmerksamkeit von verlinkten Originalquellen abzieht: “Man könnte Facebook zum Beispiel schlicht verbieten, Diskussionen zu Beiträgen von Newsplattformen und Blogs abzuhalten: Wer sich darüber auslassen will, muss sich wohl oder übel auf die Originalplattform bemühen. Nur dort wird kommentiert — und sonst nirgendwo. Das hätte nebenbei auch zur Folge, dass viele Debatten gesitteter stattfinden würden.”
4. Angesagte Teenie-App TikTok: Deutsche Publisher experimentieren – doch es fehlt ein Geschäftsmodell (meedia.de, Robert Tusch)
An den sensationellen Erfolg der Video-Clip-App TikTok wollen sich nun auch deutsche Publisher und Marken hängen und experimentieren mit Inhalten und Communities. Die Aussichten sind derzeit völlig unklar, wie Robert Tusch für “Meedia” berichtet: Keiner wisse, wie lange der Hype anhalte und wie damit Geld verdient werden könne. Zudem sei die Plattform anfällig für Mobbing und Hass.
5. Neue Sicht auf die Dinge (sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Immer mehr Fernsehsender sparen sich Kamerateams und statten ihre Reporter mit Smartphones aus. Kritiker finden den Trend bedenklich. Es bleibe all das auf der Strecke, was die Kunst eines jahrelang ausgebildeten Kameramannes oder einer jahrelang ausgebildeten Kamerafrau ausmache. Hans Hoff wägt Vor- und Nachteile der neuen Technik gegeneinander ab und lässt Bedenkenträger und Fürsprecher zu Wort kommen.
6. Hey Siri, wie viele Menschen hören mich ab? (vice.com, Sebastian Meineck)
Es ist fast ein wenig lustig, mit wie viel Worten man nichts sagen kann. Die Unternehmen Apple, Microsoft, Google und Amazon beherrschen diese Kunst meisterlich, wie “Motherboard”-Chefredakteur Sebastian Meineck mit nur einer einzigen Frage herausgefunden hat: Meineck wollte wissen, wie viele Menschen im Zusammenhang mit Sprach-Assistenten wie Siri die Audio-Aufzeichnungen ihrer Nutzerinnen und Nutzer abhören.
Vor zwei Monaten verkündete die “Bild”-Zeitung eine “Weltsensation”, die jedoch gar keine war — und die sich zu einem wissenschaftlichen und journalistischen Skandal entwickelte, zu dem inzwischen sogar die Staatsanwaltschaft ermittelt. Beteiligte, unter anderem: die Uniklinik Heidelberg und ein chinesisches Pharmaunternehmen. Auch Ex-“Bild”-Chef Kai Diekmann spielt bei der Geschichte eine Rolle.
Eine Chronik.
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21. Februar 2019: Exklusiv bejubelt die “Bild”-Zeitung auf der Titelseite eine “Weltsensation aus Deutschland”:
Es sei “ein echter Durchbruch”, heißt es da, eine “medizinische Sensation”:
Seit vielen Jahren wird daran geforscht, Krebs im Blut zu erkennen. Ärzte der Universitätsklinik Heidelberg erreichten jetzt revolutionäre Ergebnisse: Sie weisen mit einem Test Brustkrebs im Blut nach. Und zwar mit einer Treffsicherheit, die vergleichbar ist mit der einer Mammografie! Wie BILD exklusiv erfuhr, soll der Bluttest noch in diesem Jahr auf den Markt kommen.
Im Innenteil: ein großes Interview mit Christof Sohn, dem Geschäftsführenden Ärztlichen Direktor der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg.
Darin darf er den Bluttest ausführlich bewerben: viel sicherer als bisherige Tests, hohe Treffsicherheit, besonders gut für Risikopatientiennen, und so weiter und so fort.
Am selben Tag gibt die Uniklinik eine Pressemitteilung heraus, in der sie die “neue, revolutionäre Möglichkeit” des Bluttests noch einmal selbst feiert: “Dies ist ein Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik”, schreibt sie.
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21. bis 27. Februar 2019: Andere Medien greifen die Geschichte auf. Dabei melden einige schon Zweifel an, etwa “Spiegel Online” oder die “Zeit”. Viele aber, etwa “Focus Online” oder “DerWesten”, verlassen sich blind auf “Bild” und bezeichnen den Bluttest ihrerseits als “Sensation”, “Durchbruch” oder “Revolution”.
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27. Februar 2019: Sieben renommierte Verbände, von der Deutschen Krebsgesellschaft über die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe bis zur Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, geben eine gemeinsame Stellungnahme heraus, in der sie die Berichterstattung kritisieren:
Eine Berichterstattung, die ohne Evidenzgrundlage Hoffnungen bei Betroffenen weckt, ist aus unserer Sicht kritisch zu bewerten und entspricht nicht den von uns vertretenen Grundsätzen medizin-ethischer Verantwortung.
Es sei einfach noch zu früh für Jubelstimmung, so die Experten: Die Studie sei “noch nicht abgeschlossen, die Ergebnisse sind nicht in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift publiziert und der Test noch nicht zugelassen”. Daher “halten wir Schlussfolgerungen über die Validität und den klinischen Nutzen für verfrüht und raten ausdrücklich davon ab, diagnostische oder therapeutische Entscheidungen basierend auf Blutuntersuchungen zu treffen, die nicht von nationalen oder internationalen Leitlinien empfohlen werden.”
In den nächsten Tagen häuft sich die Kritik an der “Bild”-Berichterstattung, aber auch am Vorgehen der Heidelberger Forscher. So schreibt etwa Gerd Gigerenzer vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung:
Nach üblichen wissenschaftlichen Standards veröffentlichen Forscher zuerst eine Studie in einer Fachzeitschrift, die dort begutachtet wird, und gehen erst dann an die Presse. Beim Bluttest wurde dieser Standard nicht eingehalten. Die Heidelberger Forscher sind zuerst medienwirksam zur BILD-Zeitung gegangen. Eine wissenschaftliche Veröffentlichung liegt nicht vor.
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8. März 2019: Der Journalist Jan-Martin Wiarda berichtet in seinem Blog und bei den “Riffreportern” ausführlich über den Fall und deckt weitere Merkwürdigkeiten auf. “Welche Rolle spielt das Joint Venture mit einem chinesischen Pharma-Unternehmen?”, fragt er unter anderem, denn: Partner der Uniklinik sei ein chinesisches Pharmaunternehmen, dessen Aktienkurs seit einigen Tagen, insbesondere seit der gehypten Berichterstattung über den Bluttest, einen steilen Anstieg zeige.
Erstmals äußert sich auch Christof Sohn, der Geschäftsführende Ärztliche Direktor der Universitäts-Frauenklinik, der von “Bild” groß interviewt wurde, zur Formulierung “Weltsensation”: Diese Schlagzeile sei nicht angebracht gewesen, er habe sie vor Veröffentlichung auch nicht gekannt, und er und seine Kollegen hätten sie “in dieser Form” nicht mitgetragen.
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20. März 2019: Die “Rhein-Neckar-Zeitung” (“RNZ”) steigt in die Berichterstattung ein und leistet in den darauffolgenden Wochen ausgezeichnete journalistische Arbeit; ihre zahlreichen Artikel sind unter rnz.de/heiscreen nachzulesen.
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22. März 2019: Der Aktienkurs des chinesischen Pharmaunternehmens erreicht den höchsten Stand seit acht Monaten. Seit dem 21. Februar, dem Erscheinungstag des “Bild”-Artikels und der Pressemitteilung der Uniklinik, ist der Kurs um fast 60 Prozent gestiegen:
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23. bis 29. März 2019: Die Kritik reißt nicht ab. Das Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg erklärt in der “RNZ”, dass die “verfrühte Kommunikation nicht den hohen Ansprüchen an eine verantwortungsvolle Wissenschaftskommunikation entspreche”. Gerade im medizinischen Bereich, “der für die Betroffenen mit so viel Ängsten und großer Hoffnung verbunden ist, darf es keine Effekthascherei geben”. Auch die Heidelberger Universität teilt mit, dass sie “eine umfassende Klärung der Vorgänge für zwingend erforderlich” halte.
Die Uniklinik ist derweil um Schadensbegrenzung bemüht. Sie “bedauert, dass es zu Irritationen gekommen ist” und verkündet die Gründung einer internen Arbeitsgruppe und einer externen Expertenkommission, die die Vorgänge aufarbeiten sollen.
Außerdem distanziert sie sich von der PR-Strategie zum Bluttest: Die Medienbegleitung habe die Heiscreen GmbH verantwortet, sagt die Kliniksprecherin der dpa. (Die Heiscreen GmbH wurde 2017 gegründet und soll den Bluttest in Deutschland vermarkten. Hauptanteilseigner ist eine Tochterfirma der Uniklinik, weitere Anteile hält über eine Beteiligungsgesellschaft der schillernde Unternehmer Jürgen Harder. Auch der von “Bild” interviewte Christof Sohn und eine weitere Ärztin der Uniklinik sind an der Heiscreen GmbH beteiligt.)
Wie die angebliche Weltsensation am Ende genau in der “Bild”-Zeitung landete, ist zwar nur schwer nachzuvollziehen. Fest steht aber: Ohne Zustimmung vonseiten des Universitätsklinikums ist dies nicht geschehen. Auch ein weiterer Bekannter Harders war daran offenbar beteiligt: Ex-“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann, der sich dazu nicht äußern will. Aber was wäre der Mann für ein Journalist, wenn er sich nicht dafür einsetzen würde, dass ein Thema, das ihm am Herzen liegt, in seine alte Zeitung kommt?
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4. April 2019: Die Uniklinik erstattet Anzeige gegen Unbekannt — warum genau, wird allerdings nicht klar. In einer Pressemitteilung teilt sie lediglich mit, dass sie sich “aufgrund der Anzeichen eines unlauteren Vorgehens bei der Entwicklung und Ankündigung” des Bluttests zu diesem Schritt veranlasst sehe. Der Sprecher der Heidelberger Staatsanwaltschaft erklärt in der “RNZ”, in der eingegangenen Anzeige stünden “weder der vermutete Tatbestand, noch weitere Hintergründe zum Sachverhalt, noch Personen, gegen die sich die Strafanzeige richtet.” Das sei sehr ungewöhnlich. Sollte sich jedoch ein Anfangsverdacht ergeben, werde die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufnehmen.
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6. April 2019: Die “RNZ” berichtet, dass Vorstand und Pressestelle des Klinikums “sehr frühzeitig in die unseriöse PR-Kampagne eingeweiht” waren. So sei das “Bild”-Interview …
sowohl von der Pressestelle der Uniklinik als auch von zwei Vorständen gegengelesen worden. Achtete die Ärztliche Direktorin Annette Grüters-Kieslich auf inhaltliche Korrekturen, so freute sich der Dekan der Medizinischen Fakultät, Andreas Draguhn, über die wissenschaftliche Korrektheit: “Präziser, als ich es ‘Bild’ zugetraut hätte”.
Auch die Pressemitteilung der Klinik sei “in großer Runde abgesprochen” worden. Der Entwurf sei unter anderem an Kai Diekmann geschickt worden.
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11. April 2019: Die “RNZ” geht genauer auf die Rolle Diekmanns ein:
Kai Diekmann war von 2001 bis 2015 Chefredakteur der “Bild”-Zeitung. 2018 startete er mit dem Investmentbanker Lenny Fischer den “Zukunftsfonds”. Die Markenstrategie für diesen Kapitalanlagefonds entwickelte die Digitalagentur “diesdas.digital” — die auch für die Heiscreen GmbH den Internetauftritt machte. Diekmann war “bei mehreren Treffen” in Sachen Brustkrebstest dabei, wie er der RNZ sagte, “aus Interesse”. Finanziell beteiligt sei er aber nicht. Jürgen Harder bezeichnet er gegenüber der RNZ als “persönlichen Freund”.
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11. April 2019: Die Staatsanwaltschaft nimmt die Ermittlungen auf. Genauer: die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Mannheim. Die Anweisung dazu habe die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe erteilt, schreibt die “RNZ”:
Hintergrund der Ermittlungen soll unter anderem der Verdacht auf Kursmanipulation und Insiderhandel mit Aktien sein. Die “Bild”-Schlagzeile “Weltsensation aus Heidelberg” könnte in diesem Szenario eine gewichtige Rolle spielen, weil sie womöglich den Kurs einer Aktie in China beflügelt hat. Zwar gibt man sich bei der Justiz bedeckt und verweist lediglich auf erste Erkenntnisse durch die Berichterstattung der RNZ — ermittelt wird schließlich “in allen rechtlichen Belangen”. Dennoch kam schnell der Verdacht auf, dass hinter dem “Bluttest-Skandal” im Grunde ein Verstoß gegen das Wertpapierhandelsgesetz stecken könnte.
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14. April 2019: In der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” (“FAS”) kritisiert die Leitende Ärztliche Direktorin des Klinikums, Annette Grüters-Kieslich, die Wortwahl der “Bild”-Zeitung:
“Die Schlagzeile einer Boulevardzeitung, die von einer Weltsensation in diesem Zusammenhang sprach, hat mich betroffen gemacht. Als Ärztin und Wissenschaftlerin hätte ich niemals von einer Weltsensation gesprochen; ich habe eine solche Wertung stets als vollkommen irreführend angesehen.” Man sei damit befasst, die Verantwortlichkeiten zu klären und werde die Öffentlichkeit so schnell wie möglich informieren.
Zudem deckt die “FAS” neue Details auf. So sei für die PR-Kampagne unter anderem Christina Afting zuständig gewesen — die frühere Büroleiterin von Kai Diekmann bei “Bild”. Mit der “Bild”-Berichterstattung, so Afting, habe sie jedoch nichts zu tun gehabt. Laut “FAS” soll die PR-Kampagne etwa 80.000 Euro gekostet haben.
Neben den Staatsanwälten aus Mannheim würden sich demnächst auch Spezialermittler des Landeskriminalamtes mit dem Fall befassen, schreibt die “FAS”.
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Heute: Noch sind eine Menge Fragen offen. Fest steht aber: Viele Details wären ohne die hartnäckige Arbeit einiger Journalisten, vor allem von “Riffreporter” Jan-Martin Wiarda und den Journalisten der “Rhein-Neckar-Zeitung”, wohl nie an die Öffentlichkeit gelangt. Und: Obwohl die Berichterstattung der “Bild”-Zeitung, insbesondere die Bezeichnung als “Weltsensation”, von Experten als verantwortungslos und selbst von der Klinikleitung als “vollkommen irreführend” gewertet wird, steht sie auch heute noch unverändertonline.
Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!
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Nachtrag, 26. April: Wir haben die Überschrift und den ersten Absatz geändert, weil der Eindruck entstehen konnte, dass die Staatsanwaltschaft in der Sache gegen Kai Diekmann ermittelt. Dem ist nicht so.
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Nachtrag 2, 26. April: Inzwischen liegt der “RNZ” die Rechnung für die PR-Kampagne vor, die die Düsseldorfer Beratungsagentur Deekeling Arndt Advisors an die Heiscreen GmbH geschickt hat:
79.420,78 Euro rechnen die Berater ab. Sie übernahmen das gesamte Projektmanagement rund um die PR-Kampagne: das Kommunikationskonzept, die Pressemitteilung, die Pressekonferenz am 21. Februar auf einem Kongress in Düsseldorf sowie die Beantwortung und Koordination von Medienanfragen.
Besonders intensiv abgestimmt wurde die Kampagne offenbar in den zehn Tagen vor dem großen Aufschlag am 21. Februar. “Tägliche Telefonkonferenzen zwischen dem 12. und 22. Februar 2019”, listet die Agentur auf. In Rechnung gestellt werden “enge telefonische Abstimmungen und Rücksprachen” unter anderen mit dem früheren “Bild”-Chef Kai Diekmann, Heiscreen-Geschäftsführer Dirk Hessel, den Bluttest-Erfindern Sarah Schott und Christof Sohn, Harders Anwalt Thomas Dörmer sowie Doris Rübsam-Brodkorb, der Pressesprecherin des Universitätsklinikums.
Bemerkenswert ist die enge Abstimmung mit Kai Diekmann, dem Ex-Chefredakteur der “Bild”-Zeitung und persönlichen Freund von Jürgen Harder. Dazu passt: Die Rechnung hat Christina Afting geschickt. Sie ist “Managing Director” bei der Agentur — und leitete früher das Büro Diekmann bei der “Bild”.
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23.Mai: Das Blog “Medwatch” berichtet, dass der Test “anders als bislang kommuniziert nicht nur nicht marktreif ist — sondern eigentlich wertlos.” Das gehe aus Unterlagen hervor, die “Medwatch” von der Pressestelle der Uniklinik erhielt.
Demnach erhält fast jede zweite gesunde Frau einen falsch positiven Befund — was bislang öffentlich nicht thematisiert wurde. Bei Frauen, die älter als 50 Jahre sind, ist der Wert etwas besser: Bei diesen erhält gut jede vierte gesunde Frau einen falschen Krebsbefund, doch übersieht der Test bei zwei von fünf Brustkrebspatientinnen über 50 den Tumor.
Als besonders vielversprechend bezeichnete die Uniklinik den Test für Frauen bis 50, sowie für Hochrisikopatientinnen mit genetischen Mutationen. Dabei schlägt der Test bei der jüngeren Gruppe von Brustkrebspatientinnen zwar in 86 Prozent aller Fälle korrekt an, doch liegt hier die Spezifität bei nur 45 Prozent: Der Test liefert also bei 55 Prozent der gesunden Frauen einen falsch positiven Befund. Bei Hochrisikopatientinnen liegt die Sensitivität bei 90 Prozent, doch wiederum erhält mehr als jede zweite gesunde Frau einen falschen Krebsbefund. Dies hieße, dass ein Großteil aller Frauen, die über den Bluttest einen Krebs-Befund erhalten, in Wahrheit gesund sind.
“Medwatch” kritisiert auch die Berichterstattung verschiedener Medien, etwa die des “Focus”, der auch noch einen Monat nach Lautwerden der Zweifel titelte: “Die Sensation aus Heidelberg: Mit Bluttest Brustkrebs erkennen”.
Die “Bild”-Zeitung habe ihre Leser “bislang noch nicht über die weiteren Entwicklungen” informiert, schreibt “Medwatch”. Auf “mehrere Fragen zur Berichterstattung über den Bluttest” habe der Axel-Springer-Verlag geantwortet: “Bitte haben Sie Verständnis, dass wir redaktionelle Prozesse und Entscheidungen grundsätzlich nicht kommentieren.”
Nach intensiver Überprüfung und Anhörung aller beteiligten Parteien hat der Deutsche Rat für Public Relations dem Vorstand des Universitätsklinikums Heidelberg und der HeiScreen GmbH eine Rüge wegen bewusster Falschbehauptung und Täuschung der Öffentlichkeit ausgesprochen. (…)
Der Rat hatte sich zur Prüfung des Falles entschieden und sieht es als erwiesen an, dass beide Parteien bei der Vorstellung des „neuen“ Verfahrens zur Diagnose von Brustkrebs eine öffentliche Produktvorstellung zugelassen und begleitet haben, die weder in Wortwahl, Zeitpunkt und Format angemessen, noch im Hinblick auf abgeschlossene Studien und die angekündigte Marktreife der Wahrheit entsprochen hat.
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29. August: Nach mehrfacher Beschwerde beim “Ombudsmann” hat “Bild” nun eine Anmerkung unter den Artikeln veröffentlicht (Links im Original):
Aktualisierung – August 2019
Die Uniklinik Heidelberg hat mittlerweile zurückgenommen, dass der oben beschriebene Bluttest zur Erkennung von Brustkrebs noch dieses Jahr auf den Markt kommen wird.
Eine unabhängige Prüfkommission hat als Zwischenergebnis unter anderem veröffentlicht, dass der Test zu früh der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, es „Führungsversagen“ und „Machtmissbrauch“ an der Universitätsklinik gab.
Inzwischen sind der Medizin-Dekan der Heidelberger Uniklinik sowie zwei Mitglieder des Vorstandes zurückgetreten. Außerdem wurde dem Direktor der Unifrauenklinik für drei Monate die Lehr- und Forschungserlaubnis entzogen.
BILD veröffentlichte am 21. Februar 2019 einen Artikel über den neuen Bluttest. Der Text basierte auf einer offiziellen Pressemitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg, in der der neue Test als „revolutionäre Möglichkeit“ und als „Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik“ bezeichnet wurde, sowie auf einem autorisierten Interview. Der Test wurde am 21.2. außerdem auf dem Gynäkologen-Kongress in Düsseldorf vorgestellt.
Wie geht es mit dem Test nun weiter? Das ist im Moment unklar. Abzuwarten bleibt, was die angekündigten größeren Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit des Tests ergeben. Dass diese noch ausstehen, hatte Bild direkt zu Anfang geschrieben (siehe hier). Die Ergebnisse lassen aber weiterhin auf sich warten.
BILD informiert, sobald es neue, fundierte Angaben zum Test gibt.
Sonst hat sich aber nichts geändert. Überschrift, weiterhin: “Warum dieser Test eine Weltsensation ist”.
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13. September: Nun wurde die Berichterstattung auch vom Deutschen Presserat gerügt:
Eine Rüge erhielt BILD.DE für die Veröffentlichung einer Exklusiv-Geschichte unter der Überschrift „Erster Blut-Test erkennt zuverlässig Brustkrebs“ über einen von Heidelberger Forschern entwickelten Brustkrebs-Test. Der Beschwerdeausschuss stellte Verstöße gegen die gebotene Sorgfalt in der Medizin-Berichterstattung (Ziffern 2 und 14 des Pressekodex) fest. Der Artikel über das als „medizinische Sensation“ beschriebene Testverfahren beruhte allein auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums und Aussagen der beteiligten Forscher und war geeignet, unberechtigte Hoffnungen bei Betroffenen zu wecken. Wie sich später herausstellte, hatten die Forscher den Stand des Testverfahrens positiver dargestellt, als es dem Forschungsstand entsprach. Die Redaktion hatte bei ihrer exklusiven Berichterstattung versäumt, die gemachten Angaben durch weitere Quellen zu überprüfen.
1. Hetze gegen Medienschaffende (reporter-ohne-grenzen.de)
Die “Reporter ohne Grenzen” haben eine neue Rangliste der Pressefreiheit veröffentlicht. Am stärksten verschlechtert habe sich die Lage auf dem amerikanischen Doppelkontinent. Aber auch in Europa habe sich vieles verschlechtert. Deutschland ist um zwei Plätze nach oben auf Rang 13 gerückt, doch das ist kein Grund, stolz zu sein: Bei uns gab es einen Anstieg der tätlichen Angriffe gegen Journalistinnen und Journalisten, die Pressefreiheit in anderen Ländern nahm jedoch noch stärker ab.
Weiterführender Link: “Rangliste der Pressefreiheit 2019” samt Rang und Vorjahresrang als PDF (reporter-ohne-grenzen.de).
2. Farbattacke auf Heidelberger Fotografen (swr.de)
In Heidelberg kam es zu einem Farbanschlag gegen einen Fotografen. Eine symbolische Blutspur führt von der Eingangstür fast um das ganze Haus. An einer Wand steht der Name des Kindes des Fotografen, darunter der Satz: “Dein Papa tötet Dich.” Der Verdacht richtet such momentan auf eine politisch motivierte Straftat — der Fotograf war auf Demonstrationen bereits mehrfach von Rechtspopulisten bedroht worden. Laut der Polizei Mannheim habe sich die Kriminalität aus dem rechten Milieu in der Region von 2017 auf 2018 um gut ein Drittel erhöht.
3. Ich will der Frage nicht ausweichen, aber… (planet-interview.de, Jakob Buhre)
Der Programmchef der ARD Volker Herres spricht im Interview über den rückläufigen Frauen-Anteil unter Drehbuchautoren, weibliche “Tatort”-Regisseure, Geschlechtergerechtigkeit — und bricht dann das Gespräch nach acht Minuten ab. Mehr sei angeblich nicht vereinbart worden. Ärgerlich für den freien Journalisten Jakob Buhre, der extra dafür von Berlin nach Hamburg gereist war. Zu den vielen Merkwürdigkeiten von Gespräch und Veranstaltung kommt die Frage, warum ein Fernsehsender seine eigene Pressekonferenz nicht per Live-Stream anbieten kann.
4. “Glaubwürdigkeit ist was für Weicheier” (deutschlandfunk.de, Matthias Dell)
“Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche”, sprach dereinst der Lyriker, Zeichner und Satiriker F.W. Bernstein. Eben jenen Spruch könnte man auf den “Zeit”-Journalisten Jochen Bittner anwenden. Dieser plädiert in einem Text gegen den sogenannten Haltungsjournalismus für mehr Objektivität im Journalismus, obwohl er selbst schon ein Beispiel für mangelnde Distanz zur Politik war, wie sich Matthias Dell im “Deutschlandfunk” erinnert.
5. Am Tisch mit der politischen Macht (kontextwochenzeitung.de, Arno Luik)
Der langjährige “Stern”-Autor und ehemalige “taz”-Chefredakteur Arno Luik hat beim Demokratiekongress der Anstifter eine Rede gehalten, die es in sich hat. Unter anderem ordnet er das Vorgehen des damaligen Burda-Vorstands und Hardliners Jürgen Todenhöfer ein, dem es damals darum gegangen sei, die Politmagazine, “Panorama”, “Monitor” zu zerstören (“… das Angriffsmittel waren Shows, Erotikshows, Quizshows, Krawallshows, Unterhaltungsfilme, Sport, Sport und nochmals Sport.). Auch Harald Schmidt habe bei der Verdummung mitgeholfen: “Sein Auftrag war, das Kabarett, das als prinzipiell linksverdächtig galt, also Hildebrandt & Co, nicht nur zu entschärfen, und als “Gutmenschentum” zu verhöhnen, sondern das Kabarett strukturell in etwas zu verwandeln, das nicht mehr der Aufklärung verpflichtet ist, sondern, etwas platt ausgedrückt: der Verdummung. Harald Schmidt änderte den Charakter des Kabaretts, er machte sich lustig über Minderheiten, verspottete Schwache, machte Polenwitze. Mit dieser rücksichtslosen Enttabuisierung half er mit, dass dieses Land (sozial)-politisch verrohte.”
6. Vor zwei Wochen verhandelten wir einen Fall vor dem Amtsgericht Dresden. (facebook.com, Rechtsanwaltskanzlei Kasek)
Das Amtsgericht Dresden hat entschieden, dass die Bezeichnung des Pressesprechers der AfD-Fraktion im sächsischen Landtag als “Neonazi” (genauer Wortlaut: “lupenreiner Neonazi”) im politischen Diskurs zulässig und von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.
Wie die beteiligte Rechtsanwaltskanzlei ebenfalls mitteilt, habe das Landgericht Dresden entschieden, dass auch die Bezeichnung des sächsischen AfD-Vorsitzenden als “Nazi” im politischen Diskurs zulässig und von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.
Im vergangenen Monat hat der Verfassungsschutz eine Broschüre zum Thema “Antisemitismus im Islamismus” herausgebracht. Darin wird unter anderem erläutert, dass im Jahr 2017 in Deutschland mehr als 100 antisemitische Vorfälle mit mutmaßlich islamistischem Hintergrund registriert wurden.
Inzwischen hat auch “Bild” die Broschüre entdeckt — und ihr heute einen prominent platzierten Artikel auf Seite 2 gewidmet:
Wenn es um Gewalt und Hetze gegen Juden geht, ist die Empörung — zurecht — gleich immer groß bei den “Bild”-Medien. Wenn es um Gewalt und Hetze gegen Muslime geht, hält sie sich dagegen in Grenzen. Als vor einem Jahr bekannt wurde, dass 2017 in Deutschland mehr als 950 islamfeindliche Vorfälle registriert wurden, war das der “Bild”-Zeitung nur eine Randnotiz wert:
Eine Relation mit Tradition: Über Judenhass regen sich die “Bild”-Leute auch sonst viel mehr auf als über Moslemhass. Und am meisten regen sie sich auf, wenn Juden die Opfer sind und Muslime die Täter. Erst gestern schrieb Michael Wolffsohn in einem “Bild”-Kommentar, in dem es eigentlich darum geht, dass ein Gemälde von Emil Nolde wegen dessen Vergangenheit im Nationalsozialismus aus dem Kanzerlamt entfernt wurde:
Streiten kann und muss man über die Frage, ob, wo – gar im Kanzleramt? – und wie in einer Demokratie „belastete Kunst“ gezeigt werden solle. Unbestreitbar wollte Frau Merkel auch (neudeutsch) ein „Zeichen“ gegen Antisemitismus setzen.
Gegen Zeichen dieser Art ist — Merkel-Lob — weniger als nichts einzuwenden.
Es wäre freilich überzeugender, wäre diese Entscheidung zu einem weniger politisch überkorrekten (um nicht zu sagen: opportunistisch) gewählten Zeitpunkt getroffen worden. Erst recht überzeugender würde die wirkliche First Lady Deutschlands handeln, wenn ihre Regierung es nicht bei wohlfeilen Lippenbekenntnissen und leeren Gesten beließe.
Sie sollte den in Deutschland dominanten islamischen Antisemitismus wort- und tatenreich bekämpfen. Stattdessen beteiligt sich Deutschland unter ihrer Regie, gemeinsam mit Außenminister Heiko Maas an maßlos antiisraelischen und teils antijüdischen UNO-Entschließungen. Auf diese Weise werden Legenden zu Völkerrecht umfunktioniert.
So schnell gelangt man bei “Bild” von der Vergangenheit eines deutschen Malers zum “in Deutschland dominanten islamischen Antisemitismus” von heute.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Wir finden es richtig, groß über Antisemitismus jeder Art zu berichten. Aber warum nicht ähnlich groß über Islamfeindlichkeit?
Gestern fand in Finnland die Parlamentswahl statt. Mit Blick auf das vorläufige Endergebnis fasst Bild.de zusammen:
Dazu schreibt die Redaktion:
Finnland gilt als glücklichstes Land der Erde. Mit dem Ergebnis der Parlamentswahl dürften viele Europäer angesichts der bevorstehenden Europawahl aber nicht so glücklich sein.
Die rechtspopulistische Partei Die Finnen schafft es bei der Parlamentswahl weit nach vorne: Sie erhielt 17,5 Prozent der Stimmen und kommt nun auf 39 der 200 Sitze im Parlament.
Und:
Das Abschneiden der Finnen-Partei gilt als Omen für die Europawahl am 26. Mai: Die Finnen-Partei gehört neben der AfD und der italienischen Lega zu den Parteien, die im EU-Parlament eine neue Allianz der Rechtspopulisten bilden wollen.
Wir können uns nicht erklären, wie Bild.de darauf kommt, dass es gestern einen “Rechtsruck” bei der Wahl in Finnland gegeben habe. Die rechtspopulistische PS (“Basisfinnen” oder “Die Finnen”) hat im Vergleich zur vorherigen Parlamentswahl 0,2 Prozentpunkte verloren: 2015 hatte sie noch 17,7 Prozent der Stimmen bekommen, 2011 sogar 19,1 Prozent. Damals gab es wirklich einen “Rechtsruck”: Die PS hatte vor acht Jahren einen Zugewinn von 15,0 Prozentpunkten. Das Wahlergebnis von gestern ist seitdem das schlechteste der Partei. Und damit ist es auch definitiv falsch, wenn der “Deutschlandfunk” dazu schreibt:
Die Rechtspopulisten konnten die Zahl ihrer Sitze damit mehr als verdoppeln.
Tatsächlich hat die PS gestern, trotz des Minus von 0,2 Prozentpunkten, einen Parlamentssitz dazugewonnen und hat nun 39 Mandate.
Aber zurück zum angeblichen “Rechtsruck” von Bild.de. Auch das Ergebnis der anderen größeren finnischen Partei aus dem rechten Spektrum, der konservativen Nationalen Sammlungspartei (KOK), spricht nicht dafür: Sie hat im Vergleich zur Wahl 2015 ebenfalls verloren, minus 1,2 Prozentpunkte. Der größte Verlierer von gestern ist die liberale Zentrumspartei (KESK) mit einem Minus von 7,3 Prozentpunkten. Weil KOK und KESK stärker verloren haben als die PS, ist diese nun zweitstärkste Partei im finnischen Parlament.
Stärkste Kraft ist die Sozialdemokratische Partei (SDP) mit 17,7 Prozent und 40 Parlamentssitzen. Sie hat gestern 1,2 Prozentpunkte und sechs Sitze gewonnen. Das Linksbündnis (VAS) hat 1,1 Prozentpunkte und vier Sitze gewonnen. Größter Gewinner von gestern ist der Grüne Bund (VIHR) mit einem Plus von 3,0 Prozentpunkten und fünf Parlamentssitzen. Wenn also gestern überhaupt irgendetwas in Finnland irgendwohin geruckt ist, dann nach links.
1. Herr Grindel und seine besondere Beziehung zur Deutschen Welle (journalist-magazin.de, Olaf Wittrock)
DFB-Präsident Reinhard Grindel brach unlängst vor laufender Kamera ein Interview mit der “Deutschen Welle” ab, wegen unbequemer Fragen zu einem angeblichen Milliardendeal. Nun stellt sich heraus, dass dies nicht der erste Fall dieser Art war. Schon vor acht Jahren habe Grindel ein Interview mit einer früheren freien Mitarbeiterin der “Deutschen Welle” abgebrochen — mit angeblich dramatischen Folgen für die freie Mitarbeiterin: Sie habe nach dem Vorfall keine neuen Aufträge bekommen und sei regelrecht kaltgestellt worden. Grindel sei zu dieser Zeit Mitglied des Verwaltungsrates der “Deutschen Welle” gewesen und habe dies auch während des Interviews deutlich anklingen lassen, was die Interviewerin als Drohung empfunden habe. Laut “Deutscher Welle” habe sich alles mit rechten Dingen zugetragen: “Herr Grindel hat seinen Unmut hierüber der Mitarbeiterin gespiegelt. Das betrachten wir als das gute Recht eines jeden Interviewten.”
3. Der ORF hat Facebook nicht ganz richtig verstanden (nzz.ch, Reto Stauffacher)
Unlängst hat der Österreichische Rundfunk (ORF) seinen Abschied von Facebook verkündet. In einer Stellungnahme führte der Sender mehrere Gründe dafür an, von grundlegenden Bedenken gegenüber dem Netzwerk als solchem bis hin zu pragmatischen Erwägungen. Reto Stauffacher kritisiert die Entscheidung als Kapitulation vor dem Social-Media-Netzwerk und falsches Signal: “Es ist eine Kernaufgabe von Medien, auf Facebook präsent zu sein, Verantwortung zu übernehmen, zu intervenieren und zu moderieren. Und es ist eine Herausforderung, sich mutig und selbstbewusst der Kritik und der Häme entgegenzustellen. Medienhäuser schaffen das natürlich nur, wenn Ressourcen gesprochen werden. Das allerdings sollte für den ORF, der sich mit Gebührengeldern finanziert, kein Problem sein.”
4. Zwischen Landlust und Randfrust (message-online.com, Gisbert Strotdrees)
“Landlust”, “Liebes Land”, “Landliebe”, “Schönes Land”, “Landgenuss”, “Landkind”, “Landapotheke” … In den letzten Jahren erschienen etliche Hochglanz-Magazine, die sich der schönen heilen Welt auf dem Land widmen. Fernsehsender und Printmedien haben das Thema für sich entdeckt und berichten in zahlreichen Land-, Dorf- und Provinz-Reportagen über das Regionale. In einem längeren Lesestück untersucht Gisbert Strotdrees das Phänomen, das zwischen Klischees und realem Abbild schwankt.
5. Konrad Weber, wie müssen sich öffentlich-rechtliche Medien verändern? (anchor.fm/unterzwei, Levin Kubeth & Felix Ogriseck, Audio: 60 Minuten)
Der Journalist des Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) Konrad Weber hat ein Manifest veröffentlicht, wie öffentlich-rechtliche Medien heutzutage aussehen sollten. Im Interview mit dem Medienpodcast “Unter Zwei” erzählt er, wie die Entwicklung der 15 Punkten verlief, welche Mitstreiter es gab und welche Konflikte es zu überwinden gilt: “Es geht darum, als Journalist — vor allem der öffentlich-rechtlichen Medien — vom hohen Ross herunterzukommen und stattdessen zu lernen, wie die digitalen Möglichkeiten bestmöglich genutzt werden können.”
6. Erst Klima-Aktivistin ehren, dann Mini-SUV verschenken (uebermedien.de, Boris Rosenkranz, Video: 1:30 Minuten)
Die Funke Mediengruppe hat die Umweltaktivistin Greta Thunberg am Samstagabend für ihr Engagement mit einer “Goldenen Kamera” ausgezeichnet. Sponsor der Veranstaltung war der Autokonzern VW, der live einen Mini-SUV an eine Schauspielerin verschenkte. Boris Rosenkranz hat die beiden Vorgänge kontrastiert, indem er die entsprechenden Sendungsausschnitte gegenübergestellt hat.
Weiterer Lesetipp: Greta Thunberg und Atomkraft: Wie viel CO2 macht eine Nebelkerze?: “Konservative Medien behaupten, die Umweltaktivistin befürworte Atomenergie. Das ist nicht nur falsch — es ist ein bewusstes Ablenkungsmanöver.” (taz.de, Finn Holitzka).
7. Der Bildblog und die HuffPost – die Geschichte einer wahren Liebe (huffingtonpost.de)
Heute noch ein Zusatzlink: Die deutsche “HuffPost” schließt und verabschiedet sich vom BILDblog mit einem Dank “für die vielen anerkennenden Texte, die Ihr eine zeitlang über uns geschrieben habt!” Nun ja, das mit der Anerkennung, das habt Ihr vielleicht nicht ganz … ach, egal! Macht es gut, liebe HuffPostler und zum Abschied ein WinkeWinke von Eurem BILDblog.
Vergangene Woche jährte sich der Amoklauf in Winnenden zum zehnten Mal. Ein Jugendlicher tötete am 11. März 2009 an seiner Schule 15 Menschen und sich selbst.
Das NDR-Medienmagazin “Zapp” zeigte Ende Februar noch einmal, wie Medien und Journalisten damals vor Ort vielfach Grenzen überschritten. Dafür führten die “Zapp”-Reporter Daniel Bouhs und Sabine Schaper auch ein Interview mit SWR-Reporter Knut Bauer, der vor zehn Jahren für den ARD-Hörfunk in Winnenden war. Bauer erzählt unter anderem diese Geschichte:
Noch schlimmer habe ich es erlebt in einem Fotogeschäft. Auch da habe ich nicht drüber nachgedacht. Und da war es auch eine ganz bizarre Situation, dass die Frau in diesem Fotoladen mich eigentlich fast wieder rausschmeißen wollte. “Gehen Sie, gehen Sie, gehen Sie.” Und ich habe dann gesagt: “Jetzt lassen Sie uns erstmal in Ruhe drüber reden. Ich weiß, dass es ganz schwierig ist. Ich mache ja auch nur meinen Job und mir ist es auch nicht wohl dabei.” Und dann kam ein anderer Mitarbeiter oder ihr Sohn — ich weiß gar nicht, wer es war — und hat das Gespräch dann übernommen und hat mir erzählt, dass am Tag vorher auch Boulevardjournalisten da waren, die Geld auf den Tisch gelegt haben, um Fotos, Konfirmationsfotos von den toten Schülerinnen und Schülern zu bekommen. Also das ist dann schon bizarr und abstoßend. Und ich muss ganz ehrlich sagen: Da gab es viele Situationen, wo ich mich dann auch geschämt habe.
Wer macht sowas? Wer bedrängt Leute, die trauern, die mitgenommen sind, die sich in einer emotionalen Ausnahmesituation befinden — nur um an Fotos von getöteten Menschen zu kommen? Zum Beispiel “Bild”-Chef Julian Reichelt.
Reichelt war damals, als die Medienmeute in Winnenden einfiel, natürlich noch nicht Chefredakteur. Aber er war für Bild.de als Reporter dabei. Es gibt ein Video von ihm:
Reichelt sagt darin:
Hier in Süddeutschland, in dieser scheinbaren Idylle, begann einer der blutigsten Amokläufe der deutschen Kriminalgeschichte.
Leutenbach, in der Nähe von Stuttgart in Baden-Württemberg, eine Stadt unter Schock. Hier in dem Haus hinter mir hat Amokläufer Tim K. gewohnt. Von hier brach er auf auf seinen blutigen Feldzug.
Patrick S. hatte gerade Deutschunterricht an der Albertville-Realschule in Winnenden, als der kaltblütige Amokschütze Tim K. sein Blutbad begann. Mehrere Kugeln trafen den Schüler.
“Bild” sitzt im Wohnzimmer der Familie von Patrick S. und lässt den Schüler seine mit Pflastern überklebten Verletzungen zeigen. Es folgt ein Interview, das offenbar nicht Reichelt führt, jedenfalls klingt die Stimme des Interviewers anders. Patrick S. kann zu den Fragen (“Was hatte er für eine Waffe?”, “Eine Waffe? Oder hatte er mehrere?”, “Was hatte er an?”, “Wie oft hat er geschossen?”, “Hat denn jemand geschrien?”) nicht wirklich etwas sagen. Es schüttelt wiederholt den Kopf, atmet tief durch.
Dann setzt Reichelt erneut ein, als Off-Sprecher:
Patricks Mitschülerin Chantal ist eine der ermordeten Schülerinnen. Er zeigt uns ein altes Klassenfoto. Ein weiteres Opfer des Killers von Winnenden ist Jana. Sie galt unter Mitschülern als beliebt, kontaktfreudig, lebensfroh. Wie Patrick ging auch sie in die neunte Klasse der Realschule und stand kurz vor ihrem Schulabschluss. Jana und Chantal — junge Mädchen aus der Nachbarschaft des Täters.
Im Video sind die Bilder der beiden Mädchen unverpixelt und in Großaufnahme zu sehen (daher verzichten wir auf einen Link). Der Vater von Chantal äußerte sich kurze Zeit später dazu, dass “Bild” und einige Fernsehsender Fotos seiner Tochter zeigten: “Dreimal hintereinander sind Bilder von Chantal erschienen, ohne dass wir das gewollt hätten. Wir hätten das nie erlaubt.” Die “Bild”-Medien veröffentlichten nach dem Amoklauf wiederundwiederFotos, auf denen die Opfer zu sehen waren. Und Julian Reichelt hat mitgemacht.
Heute leitet Reichelt also die “Bild”-Medien. Und es sieht nicht danach aus, als würde seine Redaktion in absehbarer Zeit darauf verzichten, Fotos von Verstorbenen zu zeigen. Solche Aufnahmen begegnen uns immer wieder, mitunter groß auf der “Bild”-Titelseite. Erst vor ein paar Tagen, nach dem Absturz eines Flugzeugs in Äthiopien, bei dem 157 Menschen ums Leben kamen:
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag stammen von uns.)
Wobei “Die deutschen Opfer” vor allem bedeutet: Die drei deutschen Opfer, bei denen die “Bild”-Redaktion an Fotos gelangen konnte (und von denen “Bild” auch noch die Berufe und die kompletten, teilweise falschen Namen nennt). Die zwei weiteren Deutschen, die bei dem Absturz gestorben sind, spielen in der “Bild”-Ausgabe keine Rolle.
Es müssen auch gar nicht große Ereignisse wie ein Amoklauf oder ein Flugzeugabsturz sein, nach denen die “Bild”-Mitarbeiter losziehen, Fotos von Verstorbenen zusammenklauben und diese groß und ohne Unkenntlichmachung abdrucken:
In diesem und in manchen anderen Fällen bringen die Familien der Verstorbenen die bewundernswerte Kraft auf, sich in einer Zeit tiefster Trauer gegen die Schweinereien der “Bild”-Redaktion zu wehren.
1. Der Troll-Terrorist (spiegel.de, Sascha Lobo)
Der Terroranschlag auf Moscheebesucher im neuseeländischen Christchurch wurde vom Täter in Echtzeit bei Facebook gestreamt. Dazu veröffentlichte der Mann eine Art Manifest. Er verknüpfe “seine faschistische Ideologie mit der Netzkultur”, schreibt Sascha Lobo: “Die mediale Verbreitung der Tat ist Teil des Terrors — wir müssen uns hüten, unabsichtlich mitzumachen.”
Weitere Lesehinweise: Auch Simon Hurtz warnt in seinem Beitrag davor, Attentätern eine Bühne zu geben: “Wer nicht will, dass Terroristen Aufmerksamkeit für ihre Verbrechen bekommen, sollte ihre Selbstinszenierung nicht verbreiten: keine Links auf ihre Manifeste, keine Ausschnitte aus ihren Videos, keine Bilder, am besten nicht einmal ihre Namen nennen.”
Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen kritisiert Medien wie “Bild”, deren Verhalten er “grotesk” nennt (deutschlandfunkkultur.de, Gesa Ufer).
Außerdem lesenswert der Bericht über das Bemühen von Polizei und sozialen Medien, das Video aus dem Netz zu entfernen: Polizei will Anschlag-Videos aus dem Netz tilgen (spiegel.de, Sonja Peteranderl).
Und Stefan Fries erklärt noch einmal gründlich, “warum es falsch ist, die Namen der Täter und ihr Manifest zu veröffentlichen”.
In einem Twitter-Thread hinterlässt Journalist Georg Diez “ein paar Worte zu dem Tweet von AKK, die ja doch die nächste Bundeskanzlerin werden will”.
2. Wenn dem Sprecher schlecht wird (blog.tagesschau.de, Kai Gniffke)
Vergangenen Donnerstag erlitt “Tagesschau”-Sprecher Jan Hofer vor laufenden Kameras einen Schwächeanfall. Vor allem die Boulevardmedien weideten das Geschehen verkaufsorientiert und klickheischend aus. ARD-Aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke berichtet, wie es Jan Hofer mittlerweile geht (deutlich besser), und erklärt, wie hoch die Belastung als “Tagesschau”-Sprecher ist, ob es ein Krisenszenario für solche Fälle gibt und warum die Kamera so lang auf Hofer stehen blieb.
3. “Tragödienjournalismus außer Rand und Band”: Medienethikerin über den Fall Rebecca und Reporter im Jagdfieber (meedia.de, Thomas Borgböhmer)
“Meedia” hat sich mit der Medienethikerin Marlis Prinzing unter anderem über die Frage unterhalten, warum sich die Familie der verschwundenen 15-jährigen Rebecca eine Reporterin der “Bunte” ins Haus holte: “Es ist nachvollziehbar, dass eine Familie auch emotional völlig durcheinander ist, wenn eine 15-jährige über Wochen hinweg verschwunden bleibt und mit allem zu rechnen ist. Nachvollziehbar ist ferner, dass Menschen in solchen Extremsituationen überfordert und wenig rational reagieren. Nicht nachvollziehbar ist hingegen, wenn manche Medien diesen emotionalen Ausnahmezustand als Freibrief und als Einfallstor nutzen, um eine reichweitenträchtige Schicksalsstory rund um ein mutmaßliches Verbrechen aus dem Esszimmer der Betroffenen zu erzählen und jedem, dem das gefällt, ermöglichen, sich aus der Nähe am Leid der anderen zu vergnügen.”
4. Nach Relotius: Die Kunst der wahren Erfindung (nzz.ch, Rainer Stadler)
Wie weit darf die künstlerische Freiheit in der Reportage gehen? Darüber scheinen die Meinungen immer noch auseinanderzugehen. Hochkarätige Journalisten und Verfasser von Journalismus-Lehrbüchern vertreten beziehungsweise vertraten den Standpunkt, man könne Aussagen von verschiedenen Personen auf eine Figur “zusammenziehen”. Doch mit dieser Methode begebe man sich auf eine Gratwanderung, wie Rainer Stadler in seiner Kolumne ausführt. Entscheidend sei Transparenz: “Entsprechend sollte man am Ende einer verdichteten Erzählung darlegen, mit welchen und wie vielen Personen gesprochen wurde. Erklärungsbedürftig sind ferner die in Reportagen beliebten filmreifen Szenen, welche die Illusion einer Augenzeugenschaft des Autors schaffen. Wer sein Tun offenlegt, stärkt seine Glaubwürdigkeit. Das ist nötiger denn je.”
5. Post aus Washington (getrevue.co, Fabian Reinbold)
Fabian Reinbold berichtet für t-online.de aus Washington. Einmal die Woche schickt er seinen Newsletter-Abonnenten “Post aus Washington”. Diesmal hat sich Reinbold für seine Leserschaft aufgeopfert und eine Woche Donald Trumps Lieblingssendung “Fox & Friends” angeschaut. Das liest sich nicht nur unterhaltsam, sondern trägt auch zum tieferen Verständnis des Systems Trump bei.
6. Frank A. Meyer über Moral und Manipulation in den Medien (blick.ch, Frank A. Meyer, Video: 6:13 Minuten)
Der Schweizer Journalist und Ringier-Berater Frank A. Meyer klagt in einer Wutrede die Medienbranche samt ihrer Mitglieder an: “Das sind heute Cliquen, Cliquen und Claquere! (…) Die applaudieren sich längst selbst, diese Journalistinnen und Journalisten. Es ist peinlich. Es gibt keinen einzigen Preis für Journalismus, der sich kritisch mit Journalismus auseinandersetzt.”
In einer Berliner Kita gibt es einen Verdacht auf sexuelle Gewalt: Ein Erzieher soll eines der Kinder sexuell missbraucht haben. Der Mann wurde suspendiert, gegen ihn wurde Anzeige erstattet.
Die “B.Z.” berichtet heute über den Fall:
Die evangelische Kita Martin Luther King hat einen Mitarbeiter nach Sex-Vorwürfen suspendiert.
Schon bei erwachsenen Opfern von sexueller Gewalt ist es völlig daneben, von “Sex-Skandal” oder “Sex-Vorwürfen” zu sprechen. Solche Begriffe bagatellisieren die Tat, indem sie einen entscheidenden Teil von sexueller Gewalt einfach weglassen: den gewalttätigen. Spätestens, wenn das Opfer ein Kind sein soll, müsste doch jeder Redaktion klar werden, dass der Vorwurf nicht im Entferntesten etwas mit Sex zu tun hat.
Zur Verdeutlichung ein anderes Szenario: Hätte der Erzieher mit einer volljährigen Kollegin während der Arbeitszeit in der Kita einvernehmlichen Sex gehabt — dann wäre die “B.Z.”-Überschrift möglicherweise angemessen. Aber noch mal: Es geht hier um eine Gewalttat an einem Kind.
Nachtrag, 15. März: In einer ersten Version hatten wir selbst mehrfach von “sexualisierter Gewalt” geschrieben. Diese Stellen haben wir inzwischen in “sexuelle Gewalt” geändert. Ein Text bei “Spiegel Online”, den wir selbst mal in unseren “6 vor 9” verlinkt haben, erklärt, warum das eine gute Idee ist.
Mit Dank an andré und @spontifixus für die Hinweise!
1. Rausschmiss deutscher Korrespondenten (reporter-ohne-grenzen.de)
“Reporter ohne Grenzen” (“ROG”) fordert die Türkei dazu auf, die willkürliche Ausweisung von Auslandskorrespondenten zu stoppen. Hintergrund: Die türkischen Behörden haben den beiden deutschen Journalisten Jörg Brase und Thomas Seibert die Arbeitserlaubnis entzogen. “So lange Brase und Seibert nicht ihre Akkreditierung zurückbekommen, darf die Bundesregierung sich keinen Illusionen hingeben und zu normalen Beziehungen mit der Türkei übergehen, so wie sie es in den vergangenen Monaten durch zahlreiche Besuche in Istanbul und Ankara versucht hat”, so “ROG”-Geschäftsführer Christian Mihr.
Weiterer Lesehinweis: Im “Tagesspiegel” berichtet der nunmehr ehemalige Türkei-Korrespondent Thomas Seibert, wie es sich anfühlt, nach 22 Jahren aus dem Land rausgeschmissen zu werden, mit dem er sich äußerst verbunden fühlt. Und er schreibt über Ankaras unmoralisches Angebot an seinen Arbeitgeber, ihn durch einen anderen Korrespondenten zu ersetzen.
2. Entspannt Euch, Leute! Zehn Fragen, mit denen Sie sich vor überhitzten medialen Erregungsblasen schützen (meedia.de, Daniel Bröckerhoff)
Daniel Bröckerhoff, Journalist und ZDF-Moderator bei “heute+”, hat selbst erlebt, wie leicht einen die Twitter-Empörung mitreißen kann. Nun hat sich Bröckerhoff Gedanken gemacht, wie man den “überhitzten medialen Erregungsblasen die Luft rauslassen” kann, und dazu einen Zehn-Punkte-Fragenkatalog entworfen.
3. Politik im Direktversand (sueddeutsche.de, Jens Schneider)
Jens Schneider berichtet von den Social-Media-Aktivitäten der Bundestagsfraktionen. Die größte Zahl an Facebook-Abonnenten mit mehr als 125.000 hat die Linksfraktion. Zum Vergleich: Die AfD-Fraktion hat 82.000. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei den Partei-Facebookseiten deutlich anders aussieht: Dort haben die Linken 264.000 Abonnenten, die AfD hat 464.000. Der Bundestag ist weder auf Facebook noch auf Instagram zugegen, obwohl durchaus Interesse an der Arbeit des Parlaments besteht: Die Internet-Seite des Bundestags sei im vergangenen Jahr 70,7 Millionen Mal aufgerufen worden, doppelt so oft wie im Jahr zuvor.
4. Die Privatkampagne des Chefs der Salzburg-Krone gegen Windräder (kobuk.at, Gabriele Scherndl)
In unzähligen Artikeln schrieb die “Salzburger Krone” gegen einen geplanten Windpark an. Mit einseitigen Informationen, verzerrten Fakten und Verunglimpfungen der Gegenseite, wie Gabriele Scherndl im medienkritischen Watchblog “Kobuk” anmerkt. Handelte es sich um eine Privatkampagne des “Krone”-Chefs? Auf diese Idee könnte man kommen, denn die massive Kampagne endete mit dem Rückzug des “Krone”-Chefs ins Pensionärs-Leben: “Seitdem erschien keine Titel- oder Doppelseite, kein Kommentar, kein Artikel oder Leserbrief mehr zu dem Thema. Der letzte Text dazu war, wie sollte es anders sein: Ein Leserbrief, in dem Hans Peter Hasenöhrls Einsatz gegen die Windräder gelobt wird.”
5. Eine Party als neurechtes Netzwerk (belltower.news, Simone Rafael)
Matthias Matussek, ehemals angesehener Journalist bei u.a. “Spiegel”, “Stern” und “Welt”, hat seinen 65. Geburtstag öffentlichkeitswirksam inszeniert, indem er Teile der Gästeliste und viele Fotos veröffentlichte. Es war eine Art Rechtsaußen-Klassentreffen von Politik und schreibender Zunft. Und mit einem Reinhold Beckmann, der sich (durch sein Gitarrenständchen im wahrsten Sinne des Wortes) instrumentalisieren ließ und dafür auf Facebook mühsam um eine Art Rechtfertigung ringt.
6. Disney+ hat größeres Potenzial als Netflix (wuv.de, Franz Scheele)
Vieles deutet daraufhin, dass der Unterhaltungskonzern Disney bald einen eigenen Videostreamingdienst an den Start bringt. Disney sitzt auf einem unglaublich wertvollen cineastischen Schatz: Neben der Filmbibliothek der Walt Disney Studios gehören zu Disney auch die Pixar Animation Studios, die Marvel Studios sowie das gesamte “Star Wars”-Imperium. Dementsprechend gut sind die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten: Die amerikanische Investmentbank J.P. Morgan habe in ihrer Prognose von 160 Millionen möglichen Abonnenten gesprochen. Zum Vergleich: Netflix hat derzeit rund 140 Millionen zahlende Kunden.