Suchergebnisse für ‘Klima’

  

“Bild” oder “Auto Bild” – das ist hier die Frage


André Krüger, 31, ist BILDblog-Leser. Nach eigenen Angaben schreibt er “bereits seit einigen Jahren ins Internet. Seit nun einem Jahr tut er das auf boschblog.de, einem Weblog mit überwiegend literarisch angehauchten Kleinodversuchen über Alltagskultur, Hamburg, die Medien und was die seine Welt bewegt. Dem aus Krankheitsgründen ausgefallenen Harald Martenstein, den man eigentlich gar nicht ersetzen kann, wünscht er auf diesem Wege gute Besserung. Im richtigen Leben macht er was mit Old Economy. Wir nennen es Finanzplanung.”

Von André Krüger

Mit zitternden Händen legte ich dem Zeitungshändler meines Vertrauens heute abgezählte 60 Cent auf den Tisch, um statt der üblichen Qualitätszeitung das Druckwerk mit den großen Überschriften zu erwerben, das mir sonst ausschließlich als Mitleser bekannt ist.

Dass mir die Übung fehlt, bemerke ich bereits als ich auch nach zweimaligem Komplettdurchblättern noch immer nicht die erwartete und auch ein bißchen ersehnte Post von Wagner gefunden habe. Hat man ihn etwa zur Kompensation des PIN-Desasters vertafelsilbert oder etwa gemeinsam mit Pro7/Sat.1 an Finanzinvestoren veräußert? Was mir jedoch sofort auffällt ist, dass die Liebe zum Automobil — und damit verbunden zu dessen Käufern, Fahrern und Erbauern — in dieser Zeitung besonders ausgeprägt ist, und sich wie ein rotes Abschleppseil durch das Blatt zieht.

Schon auf der Titelseite erfährt der geneigte Leser, dass die EU den Kauf von Neuwagen künftig um 5.000 Euro teurer macht. Den Herstellen drohten Milliarden-Strafen, wenn sie den CO2-Ausstoß"Neuer Preis-Schock! EU macht Autos bis zu 5000 Euro teurer" nicht deutlich senkten. Auf Seite 2 erklärt uns Oliver Santen in seinem Kommentar sodann, dass es der EU keineswegs darum gehe, die Umwelt zu schützen. Vielmehr handle es sich um einen französisch-italienischen Kleinwagenherstellerangriff auf unsere hochmotorisierten deutschen Premiumhersteller. Von hier aus ist es für denselben Autor auch nur noch ein kleiner Schritt, um gleich nebenan zu erklären, wie Post und Politik mit französisch-italienischer Raffinesse den verlagseigenen Briefdienstleister PIN-Group in die Pleite getrieben haben. Kein Wort verliert er allerdings darüber, wie die grüngekleideten Briefzusteller von ihren Dumpinglöhnen sich hätten eine Premiumkarosse made in Germany leisten sollen, wo doch ihr Hungerlohn noch nicht einmal für einen umweltschonenden ausländischen Gebrauchtkleinwagen gereicht hätte.

Wenigstens Opel profitiert vom Trend zum Kleinwagen und schafft im kommenden Jahr 300 neue Jobs im Stammwerk Rüsselsheim (Nachrichten, Titelseite). “Bild” meint sicherlich: Gut so; aber “Gewinner des Tages” wird trotzdem nur George W. Bush, der für mehr Frieden auf der Welt und weniger Waffen sorgt.

"Soll ich jetzt noch schnell ein neues Auto kaufen?"Die Frage, ob man sich wegen der drohenden EU-Strafsteuer jetzt noch schnell ein neues Auto zulegen sollte, dürfte sich den PIN-Mitarbeitern derzeit eher weniger stellen. Sie können höchstens darauf hoffen, im “Bild”-Lidl-Adventskalender eine unbedachte 200-PS-Flunder aus Ingolstadt zu gewinnen. Sollte ihnen, wie bereits bei der Wahl des Arbeitgebers, auch im Spiel das Glück nicht hold sein, könnten sie versuchen, auf dem bewachten Parkplatz eines luxuriösen Hamburger Fischrestaurants vor den Augen des Wagenmeisters einen Porsche zu klauen (Bild-Hamburg, Seite 6). Der Eigentümer des auf diese Weise entwendeten Premiumfahrzeugs dürfte jetzt ähnlich traurig sein wie ein kleiner Junge aus Wuppertal. Einbrecher stiegen nachts in sein Haus ein und entwendeten heimtückisch ein für ihn bestimmtes Weihnachtspaket, das eine Autorennbahn enthielt (Seite 16). “Bild” meint sicherlich: So geht das aber nicht; “Verliererin des Tages” wird allerdings WDR-Intendantin Monika Piel, der nächstes Jahr 12 Millionen Euro in der Kasse fehlen. Wann wird Mathias Döpfner endlich Verlierer des Tages? Setzte er nicht für die PIN-Group 500 Millionen Euro in den Sand?

Wer jetzt denkt, auf das neue Premiumfahrzeug oder die neue Autorennbahn ungestört anstoßen zu können, der sei gewarnt: Es drohen wieder “Glühwein-Kontrollen” (“Bild”-Hamburg, Seite 12). "Die Strafakte des Raser-Rambos"“Weitere Kontrollen folgen”, so ein Polizeisprecher. Dabei werden sicher auch andere Delikte aufgedeckt. Hoffentlich erwischen unsere Freunde und Helfer dabei auch “Raser-Rambos”, die mit 306-PS-starken Premiumfahrzeugen aus deutschen Landen unschuldige Rentner “zerquetschen”.

Die rührendste, fast schon weihnachtlich stimmende Autogeschichte findet sich allerdings ganz unvermutet im Sportteil. Der HSV-Mittelfeldspieler Vincent Komany (21) zeigt nun auch deutlich in der Öffentlichkeit, wie sehr er seine vor sechs Wochen verstorbene Mama geliebt hat. “Wo andere ihre eigenen Initialen, die der Frau oder Kinder auf einem Kennzeichen verewigen, hat sich Vincent ein Schild mit HH-JF für seinen Mercedes besorgt. Das ‘JF’ steht für Joseline Fraselle. Kompany: ‘Es ist in Angedenken an meine Mutter…'” “Bild” meint sicherlich: Das ist wahre Mutterliebe; die entsprechende Rubrik dafür ist allerdings noch nicht erfunden.

Fast zu Tränen gerührt wünsche ich mir nach dieser anstrengenden Lektüre, dass es mir ein bißchen wie der Wunderheilerin Uriella erginge. Sie hat sogar den von ihr vorhergesagten Weltuntergang vergessen. Das sollte mir mit der soeben gelesenen Ausgabe der “Bild” doch bitte ebenso gelingen.
 
BILDblogger für einen Tag ist morgen Jens Weinreich.

  

Bevölkerungsexplosion in München


Antje-Susan Pukke, 49, ist BILDblog-Leserin, Diplom-Politologin und Hörfunkjournalistin in München. Sie hat mehrere Bücher über Öffentlichkeitsarbeit und Fort- und Weiterbildung geschrieben, arbeitet viel für den Bayerischen Rundfunk und ist in der Journalistenausbildung tätig. Im Foto möchte sie sich nicht zeigen, weil sie schon seit Jahren Wert darauf legt, sowenig private Spuren wie möglich im Netz zu hinterlassen, was ihr, wie sie sagt, “bis auf ein paar kleine Ausnahmen” gelungen ist: “Gläserner als man eh schon ist, muss man ja nicht auch noch freiwillig werden.”

Von Antje-Susan Pukke

BILDBloggerin für einen Tag — was liegt da näher, als 50 Cent zu investieren und sich’s frühmorgens zuhause bei einer Tasse Kaffee mit der Münchenausgabe vom 20. Dezember gemütlich zu machen?

Fangen wir gleich einmal mit der Lektüre des Aufmachers an:

EU macht Autos bis zu 5.000 Euro teurer

Mir selbst ist das eigentlich ziemlich egal, ich habe nur einen Kleinwagen und den fahre ich höchst selten. Aber was mag angesichts einer solchen Überschrift so manch anderer “Bild”-Zeitungsleser denken? Wahrscheinlich genau das, was die Schreiber erreichen möchten: “Abzocke hoch drei…”. Bleibt zu hoffen, dass möglichst viele aus dem zugehörigen Riesenartikel auf Seite 4 die richtigen Schlüsse ziehen. Da steht nämlich zum einen, dass man sich ab 2012 auf einen durchschnittlichen Preisanstieg von 1.300 Euro einstellen muss, und zum anderen, dass EU-Experten davon ausgehen, dass durch sinkenden Benzinverbrauch 2.700 Euro eingespart werden könnten. Macht zusammen… — ach, rechnen Sie einfach selbst.

Überhaupt, “Bild” und die Zahlen. Höchst amüsante Überschrift auf Seite 3:

600 Millionen Münchner fuhren MVV

Ja, wo kommen die denn plötzlich her? Soweit ich weiß, liegt die Einwohnerzahl der bayerischen Landeshauptstadt bei rund 1,3 Millionen. Aber: “Bild” nähert sich unerschrocken der Wahrheit. “Heuer haben rund 600 Millionen Menschen (…) S-, U- und Trambahn benutzt.” Klingt schon besser, hinkt aber noch etwas. Also: Noch eine Chance — und sie kriegen es tatsächlich hin, dem Ganzen einen Sinn zu geben: “Gegenüber 2006, als der MVV 590 Millionen Fahrgäste begrüßen konnte, ist das noch einmal eine deutliche Steigerung.” Na bitte: geht doch!

Genug der Zahlen, jetzt gibt’s erst mal eine Runde Mitleid. Zunächst eine kleine für Rolf Kleine und “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann, die zu Besuch beim afghanischen Präsidenten waren: “Auf uns wartet klirrende Kälte (minus 4 Grad).” Suggeriert, dass das Reporterleben hart ist — auch wenn so mancher zumindest hier in Bayern unter “klirrender Kälte” was anders verstehen dürfte. Egal — haltet einfach durch, liebe “Bild”-Kollegen!

Das ganz große, wirklich aufrichtige Mitleid aber gebührt der armen Autofahrerin, die am Mittwochnachmittag etwas zu forsch auf die Autobahn einfuhr und dadurch einen LKW-Fahrer zu einem Ausweichmanöver zwang, das im U-Bahn-Gleis endete. Stundenlang ging auf der ganzen Linie nichts mehr. Klar, ärgerlich für den Teil der, ähhm, 600 Millionen Münchner, der nach Hause wollte. Jedoch hat die Frau es tatsächlich verdient, so abgebildet zu werden, dass sie jeder gleich erkennt? Wohl eher nicht. Aber “Bild” nimmt es ja mit der Privatsphäre öfter nicht so genau.

Ansonsten das Übliche heute. Sensationslust gepaart mit Ungenauigkeiten (im Bericht über den “US-Henker”, der gar kein Henker sein kann, weil er laut Bildunterschrift mit dem elektrischem Stuhl und später mit der Spritze tötete), dazu das Schüren von Vorurteilen mit Hilfe von Leserbriefen (“Wie kommt ein junger abgeschobener Algerier zu einem Mercedes?”) und dazu manch weiterer Artikel, der Fragen aufwirft (Wieso “musste” Mädchenschwarm Sascha die bankrotte Putzfirma seiner Mutter übernehmen?).

Fazit nach einem Vormittag als Ersatz-Bloggerin: Ganz schön viel Arbeit, die vielen Fehler (ja, es gibt noch einige mehr) in einer einzigen Ausgabe aufzuspüren, noch mehr Achtung vor der Leistung derjenigen, die tagtäglich das BILDblog mit Leben füllen. Und das Versprechen, in Zukunft fleißig beim Aufspüren von Fehlermeldungen mitzumachen.

 
BILDblogger für einen Tag ist morgen Jens Weinreich.

Die zweitgrößte Umweltaktion des Jahres*

Von Hoi Polloi

"Große Klima-Aktion! Kai Diekmann bleibt einen ganzen Tag in der Solarzelle!"
*) Die “größte Umweltaktion des Jahres” steht heute auf der “Bild”-Titelseite.


Hoi Polloi (von griech. οἱ πολλοί: abfällig für “die Leute, das Plebeszit”), lebt in Hamburg und veröffentlicht in seinem Blog “Ahoi Polloi” fast jeden Tag eine Zeichnung aus seinem Moleskine zum aktuellen Zeitgeschehen und dem Leben im Allgemeinen. Nach eigenen Angaben ist er “bald bei 500 Bildern und macht sonst schon auch noch was anderes”.

 
BILDbloggerin für einen Tag ist am Montag Miriam Meckel.

Der Sonntagstaucher: Sonntags in den Feuilletons

Seit dem überregionalen Start der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« Ende 2001 hat der Sonntagszeitungs-Markt an Qualität und Dynamik gewonnen. Weil es für ihn bisher noch keinen regelmäßigen Übersichtsdienst gibt, gehen medienlese.com (Ronnie Grob, Florian Steglich) und Der Umblätterer (Frank Fischer, Marc Reichwein) in einer einmaligen konzertierten Aktion mit gutem Beispiel voran. Das Ganze geschieht im Stil des Perlentauchers, den wir von hier aus herzlich grüßen. Wahrscheinlich muss nur noch die lange geplante »Süddeutsche am Sonntag« an den Start gehen, bevor der Perlentaucher auch am Sonntag nicht mehr um eine Feuilleton-Rundschau herumkommt. Wir freuen uns darauf.
Read On…

6 vor 9

“Ich mag überhaupt kein Schlampen-TV” (Lesetipp)
(welt.de, Antje Hildebrandt)
Margarete Schreinemakers kehrt zurück. Vier Jahre nach ihrem letzten Comeback-Versuch in der ARD sendet sie im Frühjahr 2008 Internetfernsehen aus dem eigenen Kellerstudio. Im Interview mit WELT ONLINE spricht sie über ihr Leben als Workaholic und ihre neuen Pläne.

Die verschwiegene Investitionslücke
(werbewoche.ch, Karl Lüönd)
Nach den mageren Jahren ist wieder Zeit zum Investieren. Die Verleger tun es einmal mehr am falschen Ort.

Klimakiller Qualitätsjournalismus
(oe1.orf.at, Lukas Wieselberg)
Nach gängiger Meinung findet Qualitätsjournalismus im deutschen Sprachraum nur in Zeitungen statt.

Die Industrialisierung des Denkens
(telepolis.de, Rüdiger Suchsland)
Über den Verfall politisch-kultureller Information.

Wir holen den großen Bruder!
(jungle-world.com, Ron Steinke und Tobias Singelnstein)
Eine grundsätzliche politische Kritik an der Vorratsdatenspeicherung findet kaum statt. Ihre Gegnerinnen und Gegner begnügen sich damit, auf einen Einspruch des Bundesverfassungsgerichts zu hoffen.

Chaotisch – Die Turbulenzen beim Spiegel
(ndr.de, Video, 16:05 Minuten)
Der Spiegel hat schon immer für aufregende Schlagzeilen gesorgt – vor allem in eigener Sache. Das Montagsmagazin von Übervater Rudolf Augstein funktioniert auf eine einzigartige Weise: Denn über die Hälfte der Anteile gehören der Redaktion selbst. Diese Mitarbeiter KG hat nun für ein mediales Erdbeben gesorgt – in dem sie überraschend Chefredakteur Stefan Aust entmachtet hat. Sein Vertrag wird – anders als erwartet – nicht verlängert. Im und außerhalb des Spiegels reibt man sich nun die Augen: Warum der Putsch? Warum die Geheimhaltung? Und wer bloß könnte das Blatt in die Zukunft führen? Zapp über die Chaostage beim Spiegel.

Das Santenmännchen ist da!

Oliver Santen war früher Pressesprecher bei der Allianz-Versicherung und der Axel-Springer-AG. Und man kann sagen, dass ihn diese Jahre ganz gut vorbereitet haben auf seine jetzige Position als Ressortleiter Wirtschaft bei “Bild”. Das heutige Arrangement aus glückstrahlendem Lufthansa-Chef, Bambusgehölz, Wasser und Werbespruch auf der Seite 2 der Zeitung (siehe Ausriss) hätte kein Lufthansa-Werbechef schöner komponieren können. Und tatsächlich ist das große Foto ein Werbebild aus dem Lufthansa-Magazin, und der Satz aus der Überschrift stammt nicht von Wolfgang Mayrhuber, sondern von Oliver Santen — der Lufthansa-Mann musste im Interview nur “Ja, so ist das!” dazu sagen.

Bei Santen geben sich die Wirtschaftsführer gerade die Klinke in die Hand, und hinter der Tür erwartet sie eine in mildes Licht getauchte PR-Plattform, in der sich kein Widerspruch, keine Recherche, keine unangenehme Nachfrage zwischen ihre Botschaft und die “Bild”-Leser stellt. Allein in diesem Herbst spielte Santen u.a. Mikrofonhalter für:

Das heutige Kuschelgespräch mit Lufthansa-Chef Mayrhuber passt ganz gut zur gleichzeitig von “Bild” gemeinsam mit Greenpeace, dem BUND, dem WWF und anderen veranstalteten Aktion “Rettet unsere Erde”, die dazu auffordert, am 8. Dezember für fünf Minuten “für unser Klima” das Licht auszuschalten. Wer es gelesen hat, wird im Sinne des Umweltschutzes den Satz “Öfter mal das Auto stehen lassen…” mühelos vervollständigen mit “…und lieber das Flugzeug benutzen”.

Auf die Stichworte des “Bild”-Redakteurs referiert Mayrhuber unter anderem, dass “unsere Erde es gar nicht merken würde”, wenn man morgen den Flugverkehr in Europa vollständig striche; dass die Lufthansa-Flotte pro Passagier nur 4,4 Liter Benzin auf 100 Kilometer verbrauche, und dass ab 350 Kilometern Entfernung das Flugzeug umweltfreundlicher sei als Auto oder Bahn.

Und Oliver Santen hat entweder nichts auf seinem Zettel stehen, was dem entgegen steht. Oder sieht keine Veranlassung dazu, am grünen Lack, den seine Zeitung dem Lufthansa-Mann auftragen hilft, gleich wieder zu kratzen.

Das hat stattdessen “Spiegel Online” getan, mit Methoden, die man bösartig als “journalistisch” bezeichnen könnte. Offenbar spricht nicht ganz so viel für das Fliegen, wie der Lufthansa-Chef behauptet, wenn man berücksichtigt, dass Flugzeuge nicht nur CO2 ausstoßen, sondern auch Stickoxide und Wasserdampf, die das Klima wesentlich und negativ beeinflussen. Um die Klimabelastung realistisch zu bewerten, müsse der reine CO2-Ausstoß verdoppelt bis verfünffacht werden. Auch bei Distanzen von weit über 350 Kilometern habe damit nach verschiedenen Berechnungen das Flugzeug eine schlechtere Umwelt-Bilanz als das Auto oder die Bahn.

“Spiegel Online” hatte auch die originelle Idee, bei der Lufthansa einfach mal nachzufragen, wie ihr Chef auf die Schwelle von 350 Kilometern kommt. Die Antwort: Er hat sie von seinen Leuten schätzen lassen. Genaue Zahlen gebe es aber nicht.

Sehen Sie? Recherche bringt nichts. Das verwirrt die Leute nur. Wieviel klarer ist da ein Merksatz wie: “Wer die Umwelt liebt, der fliegt!” Der, wie gesagt, nicht vom Lufthansa-Chef stammt. Sondern vom “Bild”-Mann mit Pressesprecher-Erfahrung.

6 vor 9

Medieninvestor Montgomery: “Er hat die Zeitung abgeschlachtet”
(taz.de, H. Pidd und K. Raab)
Mitarbeiter der “Berliner Zeitung” befürchten, Redaktion und Anzeigen werden näher zusammengeführt. Ex-Weggefährten des Investors Montgomery warnen vor dessen Zeitungspolitik.

Empörung über abgehörte Journalisten-Gespräche
(spiegel.de, Yassin Musharbash und Jörg Diehl)
Journalistenverbände sprechen von einem Skandal, SPD und Grüne wollen das Thema im Bundestag diskutieren: Die Bundesanwaltschaft ließ es zu, dass Protokolle von abgehörten Telefonaten eines Terrorverdächtigen mit Journalisten ohne Anonymisierung an Anwälte gingen.

Interview: Web 2.0 verändert die Gesellschaft fundamental
(golem.de)
Duane Nickull ist “Senior Technical Evangelist” bei Adobe und kümmert sich um Unternehmenslösungen in den Bereichen SOA und Webservices sowie Web 2.0. Golem.de sprach am Rande der Web 2.0 Expo in Berlin mit ihm darüber, was Web 2.0 eigentlich ausmacht und wozu wir proprietäre Plattformen wie AIR (Adobe Internet Runtime) brauchen.

Strom aus der Dose: Die Leibspeise der virtuellen Welt
(woz.ch, Nils Boeing)
Klimakiller Internet: Nur schon eine kleine Suchanfrage bei Google verbraucht fünf Wattstunden

Racebook
(madial.blogspot.com)
“Seit einigen Tagen bin ich bei Facebook angemeldet. Wollte mal reinschauen. Vielleicht eine Erklärung finden, wieso viele Leute das so toll finden.”

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(imaginary-animals.com)

  

“Ich bleibe dabei: Super kostet maximal 1,50 Euro”

BILDblog: Wenn die Benzinpreise mal wieder steigen, wendet die “Bild”-Zeitung sich häufig an Sie als unabhängige Energieexpertin, um eine Prognose zu bekommen. Wie läuft das ab? Führen Sie ein längeres Gespräch, in dem mehrere Szenarien angesprochen werden, und “Bild” pickt sich dann eines heraus? Oder werden Sie direkt gefragt, auf welche Summe der Benzinpreis steigen könnte?

Claudia Kemfert
Professor Dr. Claudia Kemfert (38) ist Energieökonomin und Leiterin der Abteilung “Energie, Verkehr und Umwelt” des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Professorin für Umweltökonomie an der Humboldt Universität Berlin.

Claudia Kemfert: Die “Bild”-Zeitung fragt, wie im übrigen viele andere Medien — Print, Hörfunk oder TV –, warum der Preis so hoch ist. Dies erkläre ich ausführlich: Der Ölpreis ist derzeit aus unterschiedlichen Gründen hoch. Neben hoher Nachfrage reichen die zusätzlichen Förderkapazitäten zur Abdeckung von Nachfragespitzen derzeit nicht aus. Allerdings ist Öl derzeit nicht knapp, es gibt genügend Öl am Markt. Auch denke ich nicht, dass der “peak oil” Punkt, also der Punkt, wo das Ölangebot nicht mehr ausreicht, um die weltweit steigende Nachfrage zu decken, schon heute erreicht ist. Diesen erreichen wir frühestens in 10 Jahren. Der hohe Ölpreis hat zudem die Ursache, dass geopolitische Risikofaktoren überbewertet werden — also die Sorge vor Angebotsengpässen, zudem treiben die Spekulanten den Preis. Der Ölpreis ist heute nahezu bei 100 Dollar pro Barrel. Hätten wir einen “normalen” Wechselkurs zum Dollar (1,20 Dollar), dann läge der Benzinpreis schon heute bei 1,90 Euro pro Liter Superbenzin. Die Spekulationsblase kann platzen, dann würde der Benzinpreis sinken. Allerdings deuten alle Faktoren darauf hin, dass der Benzinpreis eher steigt. Heute liegt der Benzinpreis bei 1,48 pro Liter Superbenzin. Meine Einschätzung ist damit sogar fast Realität geworden.

Für “Bild”-Leser sind Sie so was wie der Kachelmann der Benzinpreise. Ist das ein angenehme Rolle?

Ehrlich gesagt wäre ich lieber “Claudia Kleinert der Benzinpreise”. ;-) Scherz beiseite: Von der “Bild” Zeitung werden stets viele andere kompetente Kollegen befragt, auch diese Einschätzungen werden regelmäßig in der “Bild”-Zeitung oder in anderen Medien veröffentlicht.

Seit Jahren prognostizieren Sie laut “Bild” und “BamS” immer wieder einen Benzinpreis von über 1,50 Euro. Dennoch liegen wir nach wie vor darunter. Woran liegt das? Sind solche Prognosen womöglich gar nicht so sinnvoll, weil man den Benzinpreis nicht voraussagen kann?

Sicherlich ist eine Vorhersage, wo genau sich der Ölpreis und Benzinpreis entwickelt, mit vielen Unsicherheiten behaftet. Derzeit werden alle von uns bekannten Marktmechanismen außer Kraft gesetzt, daher wird eine Einschätzung noch schwieriger. Meine Einschätzungen beruhen auf “wenn-dann”-Aussagen, die bestimmte Szenarien beinhalten, die eintreten können oder auch nicht. Als ich vor 2 Jahren zum ersten Mal sagte, dass die internationalen Daten belegen, dass der Ölpreis sich in Richtung 100 Dollar pro Barrel bewegen wird, wollte dies Keiner glauben. Derzeit haben wir einen Preis von nahezu 100 Dollar pro Barrel — meine Prognose war also richtig. Selbst das wichtigste internationale Kompetenzzentrum in Energiefragen –- die Internationale Energieagentur (IEA) — hat seine Daten und Angaben nun zweimal korrigiert — in die Richtung, die ich schon vor zwei Jahren vorausgesagt hatte. Sicherlich hätte diese Entwicklung auch später eintreffen können. Nur haben meines Erachtens die Kollegen stets die Nachfragesteigerungen unterschätzt — was nun endlich korrigiert wurde. Im Übrigen: ohne den schwachen Dollar hätten wird derzeit einen Benzinpreis von 1,90 /Liter Superbenzin und 1,50 wurde fast erreicht. Ich finde, das ist eine relativ präzise Einschätzung.

Kemfert in “Bild” und “BamS”:
“Es ist wahrscheinlich, daß der Benzinpreis in den nächsten Wochen die 1,50-Euro-Marke pro Liter Normalbenzin durchbrechen wird.”
(“BamS” vom 4.9.2005)
 
“(…) Wir rechnen für diesen Fall mit neuen Höchstständen an den Tankstellen von mehr als 1,50 Euro je Liter Super.”
(“BamS” vom 5.2.2006)
 
“Der Preis für den Liter Super wird schnell auf 1,50 Euro steigen, wenn es keine Entspannung im Nahen Osten gibt!”
(“Bild” vom 15.7.2006)
 
“Kommt es zu schärferen Wirtschaftssanktionen gegen den Iran und zu Produktionseinbrüchen, kann der Ölpreis schnell wieder auf bis zu 75 Dollar je Barrel steigen. In der Folge könnte der Liter Super sogar 1,50 Euro kosten.”
(“BamS” vom 7.1.2007)
 
“Der Preis für den Liter Normalbenzin wird klar über 1,40 Euro klettern, Diesel verteuert sich auf rund 1,20 Euro und Super auf deutlich über 1,50 Euro.”
(“BamS” vom 6.5.2007)
 
Die Energieexpertin des DIW Instituts, Claudia Kemfert, hält sogar einen Preis von über 1,50 Euro pro Liter für möglich, sollte der starke Euro wieder schwächer werden.
(“Bild” vom 20.10.2007)
 
“Der Dieselpreis wird in den nächsten Wochen bis auf 1,40 Euro pro Liter steigen, Super auf über 1,50 Euro.”
(“Bild” vom 8.11.2007)

Im Juli 2006 sagten Sie der “BamS”: “Bei einem Preis von 100 Dollar pro Barrel über einen Zeitraum von sechs Monaten könnte der Benzinpreis nach der Mehrwertsteuer-Erhöhung auf 2,10 Euro ansteigen.” Die “BamS” machte daraus die Schlagzeile: “Kostet Super bald mehr als 2 Euro?” War Ihnen wohl dabei? Oder direkt gefragt: Kostet Super bald mehr als zwei Euro?

Wenn der Dollar steigen sollte und der Ölpreis bei eben diesen 100 Dollar pro Barrel bleibt, dann wird der Benzinpreis auf 1,90 pro Liter Superbenzin steigen. Ich denke nicht, dass der Dollar so schwach bleiben wird und dass der Ölpreis auf einem derart hohen Niveau bleiben wird. Daher bleibe ich bei meiner Aussage, dass der Benzinpreis maximal 1,50 pro Liter Superbenzin erreichen wird — sollte er weiter steigen, werde ich eines Besseren belehrt.

Sinkende Benzinpreisen kommen in der “Bild”-Zeitung allenfalls in klitzekleinen Meldungen vor, und befragt werden Sie dazu auch fast nie. Entsteht so nicht ein verzerrtes Bild?

Ich werde zu jeglichen Preisentwicklungen oft befragt — nicht nur von der “Bild”-Zeitung, Sie haben in Ihrer Recherche übersehen und nicht erwähnt, dass es auch dazu eine Meldung in der “Bild”-Zeitung gab. Die “BamS” machte daraus eine Schlagzeile: “Der Benzinpreis kann wieder unter 1 Euro sinken” — Übrigens: Auch hier wurden einige Experten zitiert.

Inhaltlich laufen die “Bild”-Artikel meist auf die Forderung hinaus, die Mineralölsteuer zu senken und/oder die Ökosteuer abzuschaffen. Oder “Bild” beschwert sich über die “Abzocke” durch die Mineralölkonzerne. Halten Sie derartige Ansätze für sinnvoll?

Ein sehr hoher Benzinpreis hat negative Auswirkungen gerade für einkommensschwache Haushalte. Zudem steigen derzeit fast alle Energiepreise und teilweise auch Lebensmittelpreise drastisch an. Sollte die Belastung für die Volkswirtschaft insgesamt zu hoch sein, könnte es in der Tat eine Lösung sein, zumindest temporär die Steuern zu senken. Die Ökosteuer abzuschaffen halte ich allerdings für falsch. Aus den Einnahmen der Ölsteuer werden die Rentenbeiträge bezahlt. Eine Abschaffung der Ökosteuer könnte kaum aus anderen Beiträgen kompensiert werden, zumindest müssten die Bürger dann an anderer Stelle mehr zahlen. Alle Medien sprechen gern von “Abzocke”, wenn Mineralölkonzerne und Energieunternehmen Milliardengewinne ausweisen, und die “normalen Bürger” derart stark belastet werden. Es ist nicht falsch, dass diejenigen Energiekonzerne, die die gesamte Kette von der Exploration bis hin zu Tankstelle kontrollieren, durch derart hohe Ölpreise satte Gewinne ausweisen können. Aber so funktioniert nun mal die Marktwirtschaft. Die Rolle der Medien ist immer kritisch zu sehen, sei es bei der Berichterstattung zu Benzinpreisen oder Klimawandel etc. Die Medien machen aus fast allem Horror- oder Katastrophenszenarien. Dies ist zwar schade, aber kaum zu ändern. Der substantielle Wissenschaftsjournalismus ist leider nur noch selten vorzufinden.

Der “Passauer Neuen Presse” haben Sie erst im September in einem Interview gesagt, es werde höchste Zeit, dass der Umstieg vom Öl auf andere Energieträger organisiert werde. Außerdem warfen Sie der Automobilindustrie vor, alternative Antriebskonzepte zu wenig in den Fokus zu rücken. Hat die “Bild”-Zeitung Sie dazu eigentlich auch schon mal befragt?

Ich halte es auch für richtig, wir benötigen dringend eine “weg vom Öl” Strategie. Hohe Energiepreise sind volkswirtschaftlich kaum zu verkraften, insbesondere für Entwicklungs- und Schwellenländer. Wir hätten schon längst alternative Kraftstoffe auf den Markt bringen können, die Technik ist vorhanden. Deutschland als “Land der Ingenieure” kann hier einen substantiellen Beitrag leisten. Die “Bild”-Zeitung hat mich allerdings zu diesen energiepolitischen Einschätzungen bisher nicht befragt.

Kann man die regelmäßige “Bild”-Frage “wird Benzin noch teurer?” nicht einfach pauschal mit “Ja, alles wird immer teurer. Was dachten sie denn?” beantworten?

Nein, das ist nicht mein Stil, zudem stimmt es auch nicht, wie selbst die “Bild”-Zeitung ab und zu mal selbst feststellt. Nur weil manche Medien einfache Schlagzeilen brauchen, kann und sollte man auf keinen Fall derart plakativ und zudem eine Fehleinschätzung abgeben. Zwar drücken wir Wissenschaftler alles kompliziert und langatmig aus. Dennoch sollte eine Korrektur auf keinen Fall auf Kosten der inhaltlichen Präzision erfolgen.

(Wir haben das Interview auf ausdrücklichen Wunsch von Claudia Kemfert ohne jede Kürzung veröffentlicht.)

6 vor 9

Die Klimakosten des Internet-Booms (+ Video)
(tagesschau.de, Fiete Stegers)
Der Energieverbrauch des Internets ist auf der globalen Stromrechnung bereits zu einem spürbaren Posten geworden. Manche sprechen bereits vom “Klimakiller Internet”, andere halten das für völlig überzogen. tagesschau.de hat sich fünf häufig genannte Punkte in der Debatte näher angeschaut.

Flächendeckendes W-LAN in Berlin – Hauptstadt soll Hotspot werden
(taz.de, Ulrich Schulte)
Die Berliner SPD möchte die Stadt zum größten Internet-Hotspot Deutschlands ausbauen. Das Angebot soll Touristen locken und neue Jobs im Webbereich schaffen.

Murdochs neues Web-TV
(futurezone.orf.at, Günter Hack)
Hulu, das neue Webvideo-Portal von Rupert Murdoch und NBC, verspricht werbefinanzierten Genuss von Top-Fernsehserien wie “Simpsons” und “Heroes” nach YouTube-Vorbild. Der Dienst ist am Montag in den geschlossenen Beta-Betrieb gegangen, in Europa sind die Inhalte allerdings nicht zugänglich. Noch nicht.

Interview: «Wir wissen gar nichts über Sie»
(infoweek.ch)
Google-Vize Douglas Merrill spricht im Interview über Themen wie Online Storage und Privacy und verrät, was die Konkurrenz besser macht.

Bericht der SonntagsZeitung sorgt für rote Köpfe
(persoenlich.com)
Die SRG wirft der SonntagsZeitung vor, unseriösen Journalismus zu betreiben. “Wir sind sehr enttäuscht über die tendenziöse Berichterstattung”, klagt SRG-Sprecher Daniel Steiner gegenüber “persoenlich.com”. Das öffentlich-rechtliche Medienunternehmen listet in einer Stellungnahme nicht weniger als 10 angebliche Unwahrheiten auf, welche in den Artikeln der SonntagsZeitung zu finden sein sollen.

Der Triumph der Unterhaltung
(zeit.de, Jürgen Krönig)
Was uns der vermeintliche Drogen- und Sex-Skandal in der königlichen Familie über unsere Mediengesellschaft sagt.

Eine unbequeme Wahrheit für Claus Jacobi

“Bild”-Autor Claus Jacobi macht in seiner Samstags-Kolumne mit dieser Meldung auf:

In England darf der Film “Eine unbequeme Wahrheit” vom Nobelpreisträger Al Gore durch Gerichtsbeschluss an 3850 Sekundärschulen nur mit Hinweisen auf enthaltene Fehler gezeigt werden (z. B. Anstieg des Meeresspiegels statt 6 Meter vermutlich 30 Zentimeter). Das deutsche Umweltministerium, das — laut “Spiegel” — schon im Frühjahr 6000 DVDs des Films an deutsche Schulen verteilt hatte, hält von solchen Korrekturen wenig. Hauptsache, die allgemeine Richtung stimmt.

Nun wäre es vermutlich bösartig zu sagen, dass Claus Jacobi das jetzt erst, mit zwei Wochen Verspätung, schrieb, weil er so lange brauchte, die Meldung zu verstehen. Vor allem aber wäre es falsch, das zu sagen. Er hat sie nicht verstanden.

Al Gore zeigt, was passiert, wenn das Eis Grönlands schmilzt: Der Meeresspiegel würde um 6 bis 7 Meter steigen. Das ist, auch nach dem Urteil des britischen Gerichts, die allgemeine Annahme der Wissenschaftler. Als “alarmistisch” kritisiert hat das Gericht die Aussage nur insofern, dass der Film suggeriere, dieser Anstieg könnte in der unmittelbarer Zukunft geschehen, obwohl es vermutlich ein Prozess über Jahrtausende wäre.

Der jüngste Bericht des Weltklimarates IPCC (pdf) geht davon aus, dass — je nachdem, welche Gegenmaßnahmen ergriffen werden — der Meeresspiegel bis zum Ende des Jahrhunderts um 18 bis 59 Zentimeter steigen wird. Dabei sind aber mögliche Effekte wie ein beschleunigtes Schmelzen des Grönland-Eises ausdrücklich nicht inbegriffen. Der Meeresspiegel könnte erheblich schneller steigen.

Die schlichte Gegenüberstellung: Al Gore sagt 6 Meter, es werden aber vermutlich nur 30 Zentimeter, ist falsch.

Aber von solchen Details hält Jacobi sicher wenig. Hauptsache, die allgemeine Richtung stimmt.

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