Suchergebnisse für ‘Julian Reichelt’

Er ist wieder da, Volksverblödung, Sprechen ohne Sinn für Fußballer

1. Er ist wieder da
(taz.de, Anne Fromm)
Vier Wochen lief das Compliance-Verfahren gegen “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt. Zwischenzeitlich war er freigestellt, doch nun ist er wieder da. “Der Vorstand ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es nicht gerechtfertigt wäre, Julian Reichelt aufgrund der in der Untersuchung festgestellten Fehler in der Amts- und Personalführung – die nicht strafrechtlicher Natur sind – von seinem Posten als Chefredakteur abzuberufen”, so die offizielle Verlautbarung. Laut Axel-Springer-Verlag solle sich jedoch die “Führungskultur” bei “Bild” ändern. Reichelt bilde fortan mit Alexandra Würzbach eine Doppelspitze. Außerdem wolle er “eine neue Unternehmenskultur vorleben”.

2. Wie “Welt” und AfD einander die Bälle zuspielen
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Die AfD und die “Welt” scheinen eine Art symbiotisches Verhältnis zu pflegen: Die AfD liefert Thema, Framing, Zahlen, Zitate, die “Welt” bietet eine Plattform und räumt auf ihrer Onlineseite die Klicks dafür ab. Der Medienkritiker Stefan Niggemeier erklärt anhand eines praktischen Beispiels, wie das Wechselspiel funktioniert.

3. Top Ten der Vergessenen Nachrichten 2021
(derblindefleck.de)
Die Jury der Initiative Nachrichtenaufklärung hat erneut die zehn Nachrichten beziehungsweise Themen des Jahres gewählt, die aus ihrer Sicht in der medialen Berichterstattung vernachlässigt worden seien – vom Netzwerkdurchsetzungsgesetz und dem NATO-Manöver “Defender 2020” bis zur Armut bei jungen Erwachsenen. Die Lektüre ist nicht nur für Medienschaffende auf Themensuche interessant, sondern lohnt unbedingt auch für alle anderen.

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4. “Hartnäckig sein, selbstbewusst sein und auf das eigene Standing schauen”
(fachjournalist.de, Friederike Schwabel)
Die Germanistin Veronika Schuchter forscht zur Bedeutung des Geschlechts innerhalb der Literaturkritik und ist unter anderem Mitherausgeberin der Online-Zeitschrift literaturkritik.at. Im Interview mit dem “Fachjournalist” spricht sie über Geschlechterverhältnisse in der Literaturkritik, eine mögliche Quotierung und nützliches Networking.

5. »Die reinste Volksverblödung«
(spiegel.de, Laura Ewert)
Wolfgang M. Schmitt und Ole Nymoen haben ein Buch geschrieben, in dem sie mit Influencern abrechnen. Im Interview mit dem “Spiegel” sagen sie: “Wir sehen sie als eine Gefahr für die Demokratie. Wir bewegen uns zusammen mit den Influencern zurück in ein voraufklärerisches Zeitalter, als der Landesfürst zum Bischof sagte: Halt du sie dumm, ich halt sie arm. Influencer übernehmen jetzt beides in Personalunion. Sie dienen dem Konsumkapitalismus und sind nicht an mündigen Followern interessiert, denn das Geschäft macht man mit jenen, die blind folgen, also liken und kaufen.” Im Gespräch nehmen die beiden Autoren, ähnlich wie in ihrem Podcast, kein Blatt vor den Mund.

6. “Gefühle, wo man nur schwer beschreiben kann”: So lernen Fußballstars, in TV-Interviews nichts zu sagen
(rnd.de, Imre Grimm)
“Warum klingt fast jedes Interview nach einem Fußballspiel so banal? Woher kommt die sinnlose Leersprache?” Imre Grimm ist sich sicher: Das kann man nur in einem geheimen Floskelinstitut lernen! Zum Beispiel in Seminaren wie “Sprechen ohne Sinn – So gebe ich Interviews, ohne den Trainer zu verärgern und zur Lachnummer zu werden”. Grimms satirische Lektionen für Jungfußballer sind eine gute Vorbereitung auf das anstehende Fußballwochenende.

ZDF als Reputations-Waschanlage, Instanzenweg, Gegendarstellung

1. Das ZDF als Reputations-Waschanlage
(uebermedien.de, Christian Schwägerl)
Der Wissenschaftsjournalist Christian Schwägerl hat sich die aktuelle Corona-Doku des ZDF angeschaut (Untertitel: “Fakten mit Hendrik Streeck”). Er kommt zu einem vernichtenden Urteil: “Wenn diese Sendung ein Ziel hatte, dann kann das nicht gewesen sein, das Publikum zu informieren, wie es dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entsprechen würde. Es ging offenbar darum, das Publikum für einen Mann zu gewinnen, über dessen Aussagen sich Spitzenfunktionäre der deutschen Wissenschaft schon seit Längerem mehr als nur ärgern.”

2. “Der Stern hatte mich gestern gebeten …”
(twitter.com, Jörg Kachelmann)
Der Moderator Jörg Kachelmann schreibt, er sei vom “Stern” darum gebeten worden, etwas zu den aktuellen Entwicklungen um Julian Reichelt und “Bild” zu verfassen. Weil die Sammelgeschichte nicht erschienen sei, veröffentliche er seinen Beitrag dazu nun auf Twitter. Wie man es von Kachelmann gewohnt ist, fallen deutliche Worte: “Erst wenn alle den Mut haben, nicht mehr übers Bild-Stöckchen zu springen, den Mut haben, sich nicht mehr nötigen zu lassen und Friede Springer und Mathias Döpfner für ihr bösartig kalkuliertes Geschäft mit der Menschenverachtung gesellschaftlich ausgrenzen, kann Deutschland ein besseres Land werden.”

3. Schönenborn über “Letzte Instanz”: “Kollektiv tiefrote Linien übersehen”
(dwdl.de, Alexander Krei)
WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn hat sich im “Tagespiegel” selbstkritisch zu der verunglückten Rassismus-Ausgabe der Talkshow “Die letzte Instanz” geäußert, dabei aber auch die in seinen Augen schnelle Reaktion des Senders gelobt. Alexander Krei ist anderer Meinung: “Allein, ‘schnell’ ist in diesem Zusammenhang relativ, denn was aus dem Interview im ‘Tagesspiegel’ nicht hervorgeht: Die Entschuldigung des WDR und die genannten Reaktionen erfolgten erst nach der Wiederholung im Januar – und damit zwei Monate nach der Erstausstrahlung, die offensichtlich weitgehend unbemerkt über den Sender ging.”
Weiterer Lesehinweis: Heute soll es im WDR einen Schwerpunkt zum Thema Rassismus geben, zu dem man auch die Comedy-Künstlerin Enissa Amani eingeladen hatte. Amani hatte als Reaktion auf die misslungene WDR-Sendung “Die letzte Instanz” auf eigene Kosten selbst einen Talk auf die Beine gestellt: “Die beste Instanz”. Auf Twitter macht sie ihrem Ärger über die Umstände der Einladung Luft: “Der WDR, hat sich am 20. Februar bei mir gemeldet, PER SMS, (Nummer über einen Comedian rausgefunden, ich war sehr sauer, dass man nicht die Courtesy hat zu mailen bei einer Person der Öffentl.) und wollte mich zum grossen ‘Reinwaschungs-Talk’ einladen. Ich habe abgelehnt.” Im sich daran anschließenden Thread geht es um ihre konkreten Ablehnungsgründe.

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4. Der aktuelle Zustand ist sehr bitter: Warum sich Datenjournalisten über das RKI und die Politik ärgern
(kress.de, Henning Kornfeld)
Die Datenjournalistin Christina Elmer (“Spiegel”) und ihr Kollege Johannes Schmidt-Johannsen (SWR) haben unter dem Dach des Netzwerk Recherche eine Fachgruppe gegründet, die bereits 70 Mitglieder habe. Das Ziel: Auf “eine höhere Verlässlichkeit der Daten zu drängen, zum Beispiel der des Robert Koch-Instituts. Wenn das gelänge, müssten die Kolleg:innen nicht dauernd ihre Skripte umstellen oder Daten händisch einpflegen. Der aktuelle Zustand ist sehr bitter, weil der Datenjournalismus viel mehr leisten könnte, wenn die Daten und Zugänge besser wären. Wir wollen als Fachgruppe darauf aufmerksam machen, dass es da einen großen Nachholbedarf gibt.”

5. Der Cancel-Culture-Strohmann
(taz.de, Malte Göbel)
Das Landgericht München hat die “Süddeutsche Zeitung” dazu verpflichtet, eine Gegendarstellung des Berliner Publizisten und Bloggers Johannes Kram (“Nollendorfblog”, einst auch als BILDblog-Kolumnist tätig) abzudrucken. Das Gericht urteilte, die “Süddeutsche”, konkret der “SZ”-Autor Andrian Kreye, habe Kram falsch wiedergegeben. Malte Göbel dröselt auf, worum es bei dem Konflikt geht, und erklärt, warum die Schlussfolgerung des, seiner Ansicht nach, ansonsten um Ausgewogenheit bemühten “SZ”-Textes falsch sei: “Johannes Kram hat das nie so gesagt oder geschrieben. Er taugt nicht als Hetzer. Kreye hat einen Cancel-Culture-Strohmann aufgebaut und niedergestreckt.”
Weiterer Lesehinweis: Johannes Kram erwirkt einstweilige Verfügung gegen die “SZ” (queer.de, Micha Schulze).

6. Beschwerdestelle verzeichnet Rekord bei gemeldeten Rechtsverstößen
(spiegel.de)
Die Zahl der berechtigten Beschwerden über kriminelle Inhalte im Internet in Deutschland sei weiter angestiegen, so der Internetverband eco in seinem Jahresbericht (PDF). Es habe knapp 19 Prozent mehr Fälle als im Vorjahr gegeben. Wer der eco Beschwerdestelle etwas melden will, kann dies unter beschwerdestelle.eco.de oder internet-beschwerdestelle.de tun.

Moskau droht Deutschland wg. RT, Wikipedia wird 20, Zu wenig Frauen

1. Moskau droht Deutschland mit “harten Gegenmaßnahmen” wegen Umgang mit Sender RT
(sueddeutsche.de)
Russlands Außenministerium beklagt, dass deutsche Banken die Eröffnung eines Geschäftskontos für den staatlichen TV- und Youtube-Kanal RT (früher Russia Today) ablehnen würden. Im Hintergrund schwelt offenbar ein Konflikt um die Pläne des russischen Staatskonzerns, RT zu einem vollwertigen deutschsprachigen TV-Sender auszubauen.

2. 200-Mio-Förderung: BDZV kritisiert Vorgaben der Politik
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Die Bundesregierung hat ein 220 Millionen Euro schweres Förderprogramm für die deutsche Print-Landschaft aufgelegt. Die Richtlinie sei laut Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) jedoch “nicht sinnvoll durchführbar”. Die Vorgaben seien unpraktikabel und daher abzulehnen. Sie müssten dringend geändert werden, so der BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff.

3. Julian Reichelt: Halali auf “Bild”-Chefredakteur
(ndr.de, Katrin Schmidt)
Bei “Zapp” kommentiert Medienwissenschaftlerin Elisabeth Prommer das Betriebsklima bei “Bild”, unter dem anscheinend besonders Frauen leiden müssen: “Was wir ja schon verfolgen konnten, ist das in den letzten Jahren weibliche Chefredakteurinnen, Co-Chefredakteurinnen, den Konzern verlassen haben, und das wirkte dann – auch wenn nicht darüber geredet wird – schon so ein bisschen so: Die sind irgendwie rausgedrängt, rausgeekelt worden.”

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4. Frauen sind an den Redaktionsspitzen noch immer unterrepräsentiert
(de.ejo-online.eu, Tina Bettels-Schwabbauer)
Das Reuters Institute hat sich die Führungsstrukturen von Medien in verschiedenen Länder angeschaut. In elf von zwölf untersuchten Fällen sei die Mehrheit der Spitzenpositionen im Journalismus mit Männern besetzt. Die Ausnahme: Südafrika mit einem Anteil von mehr als 60 Prozent weiblicher Führungskräfte.

5. “Gefährlich für Leib und Leben”
(taz.de, Klaus-Helge Donath)
Am Montag gab es in Russland einen Anschlag auf die unabhängige, kremlkritische Zeitung “Nowaja Gaseta”. Für das oppositionelle Blatt nicht das erste Mal: 2006 wurde die bekannte Journalistin Anna Politkowskaja in ihrem Hausflur erschossen. 2018 stand ein Korb mit abgetrenntem Hammelkopf vor der Tür – “Mit besten Grüßen an den Chefredakteur”.

6. Zum 20. Geburtstag: 20 Dinge, die Sie noch nicht über Wikipedia wussten
(rnd.de, Imre Grimm)
Die deutschsprachige Wikipedia feiert ihren 20. Geburtstag, und Imre Grimm feiert mit “20 Dingen, die Sie noch nicht über Wikipedia wussten” mit. Informativ und unterhaltsam!

Zwischen den Zeilen, Hedonismus in Filmbewertungen, Schimpfdesaster

1. Aufklärungsarbeit und viel Häme gegen “Bild”
(deutschlandfunk.de, Michael Meyer, Audio: 3:38 Minuten)
Der Axel-Springer-Verlag hat den “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt wegen eines laufenden Compliance–Verfahrens freigestellt. In den vergangenen Tagen ergoss sich Spott und Häme über den Konzern, dessen Stellungnahme von vielen als unglaubwürdig empfunden wurde.
Weiterer Lesehinweis: Auf Twitter interpretiert ein Anwalt das Springer-Schreiben. Zwischen den Zeilen erkenne er wenig Chancen für Reichelt: “Die kleinen Signale. Das, was eben nicht gesagt wird. Kein Ausdruck des Vertrauens, kein ‘Der Bitte sind wir im Interesse von Redaktion, Verlag und Aktionären gerne nachgekommen’, sondern ein ‘ist erfolgt’. Das Eingeständnis, dass Hinweise vorliegen und diese sogar ‘konkret’ sind. Sie müssen die ‘Glaubwürdigkeit und Integrität’ aller Beteiligten bewerten, also auch von JR? Wenn ich nicht komplett falsch liege, wird es keine Rückkehr geben.”

2. Rund 40 Publisher starten eigenen Newsletter bei Steady
(steadyhq.com)
Viele Publisher nutzen Steady zur Abwicklung von Mitglieder-Abos. Auch wir beim BILDblog tun dies (dabei gleich die Erinnerung: Wer noch nicht BILDblog-Unterstützer oder -Unterstützerin ist, kann dies ganz einfach werden). Nun hat der Dienst ein Tool entwickelt, mit dem die Publikation und Vermarktung von Newslettern möglich ist. Zum Start sind rund 40 Medienschaffende dabei (Transparenzhinweis: Dazu zählt auch der “6 vor 9”-Kurator).
Hörtipp: Bei “Unter Zwei” spricht Levin Kubeth mit Steady-Gründer Sebastian Esser darüber, wie Steady den Newsletter-Markt aufmischen will (1:22:46 Stunden).

3. Ja, Nice! Wie junge Menschen auf Filme schauen
(meedia.de, Sabine Trepte)
Sabine Trepte ist Professorin für Medienpsychologie an der Universität Hohenheim. In ihrem Beitrag bei “Meedia” geht es um die Frage, wie Menschen Filme bewerten. Forscher hätten 35.000 Filmreviews ausgewertet und seien vor allem auf Hedonismus gestoßen: “Wenn also Menschen Filme bewerten, dann teilen sie mit: Ich bin außer mir, euphorisch, fröhlich und begeistert. Ich finde das lustig, ich habe gelacht und mich amüsiert, denn es ging und Liebe, Freundschaft, Familie, Menschen. Es war Horror, hart, böse und deshalb wunderbar. Hedonismus ist das wichtigste Bewertungskriterium!”
Weiterer Lesehinweis: Schatten im Schlaraffenland: Ist der Kunde bei Netflix gar nicht König? (rnd.de, Tilmann P. Gangloff)

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4. Das sind die Nominierten für die Goldenen Blogger 2021
(die-goldenen-blogger.de)
Ende April werden erneut die “Goldenen Blogger” verliehen. Unter den Nominierten in 16 Kategorien finden sich der Wissenschaftspodcast “Methodisch Inkorrekt”, der Unterhaltungskünstler El Hotzo, aber auch etablierte Mediengrößen wie Moderator Kai Pflaume, der für seinen Youtube-Kanal “Ehrenpflaume” nominiert ist. Überraschend: Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel kann auf einen “Goldenen Blogger” hoffen – in der Kategorie “Beste BloggerIn ohne Blog”.

5. Das Schimpfdesaster
(uebermedien.de, Christian Meier)
Christian Meier kritisiert den teilweise überhitzten Ton in der derzeitigen öffentlichen Debatte. Meier denkt dabei an Begriffe wie “Staatsversagen”, die seiner Meinung nach weit über das Ziel hinausschössen: “Wie die ‘Querdenker’ verkennen die Nutzer des Begriffes ‘Staatsversagen’ die Dimension der Gefahr durch das Virus. Ohne einen funktionierenden Staat wäre die Gesellschaft wohl längst an dieser Seuche zerbrochen. Man braucht einen Staat, um das Wüten des Virus zu zügeln. Ungebremst hätte es das Gesundheitssystem kollabieren lassen und einer halben Million Menschen das Leben gekostet.”

6. Erwähne Memphis und dein Account ist gesperrt
(spiegel.de)
Am Sonntag kam es bei Twitter zu einem rätselhaften Phänomen: Wer den Namen der Stadt Memphis erwähnte, egal in welchem Kontext, musste damit rechnen, gesperrt zu werden. Wie es zu dem rätselhaften Fehler kam, sei derzeit nicht bekannt.

Spahn und die Presse, Netzsperren gegen Streaming, Bundesabkanzler

1. Spahn will Presse-Auskünfte aus Berliner Grundbüchern einschränken lassen
(tagesspiegel.de, Jost Müller-Neuhof)
Jens Spahn hat anscheinend ein spezielles Verhältnis zu Transparenz und Pressefreiheit – jedenfalls, wenn es die eigenen Belange betrifft: “Nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sollen Grundbuchämter in Berlin recherchierenden Journalistinnen und Journalisten künftig nicht mehr ohne weiteres Auskünfte zu seinen privaten Immobiliengeschäften erteilen dürfen. Das geht aus einer Beschwerde von Anwälten des Ministers an die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt.”

2. “Triumphgeheul verbietet sich”
(fr.de, Bascha Mika)
Bascha Mika hat sich mit dem Medienethiker Tanjev Schultz über “Bild” und den “Bild”-Chef Julian Reichelt unterhalten, gegen den derzeit ein Compliance-Verfahren läuft: “Ich sehe einen öffentlichen Impuls, jetzt mit Häme und Vorverurteilungen an die Sache heranzugehen. Ich selbst habe ja auch kritische Worte gewählt. Aber man muss sich vor Selbstradikalisierung schützen, vor Schadenfreude und Häme. Man braucht die aktuellen Vorgänge nicht, um die Bild-Zeitung als problematisch einzustufen. Triumphgeheul verbietet sich.”

3. Viele Fakten, wenig Kritik
(deutschlandfunk.de, Mirjam Kid, Audio: 6:33 Minuten)
Martin Fritz arbeitet seit 20 Jahren als Korrespondent in Japan und kennt daher die Schwächen der japanischen Medienlandschaft recht gut: “Die meisten Journalisten verstehen Journalismus als Beruf und weniger als Berufung. Sie legen eher eine Angestelltenmentalität an den Tag und halten ihre politische Meinung zurück. Die fassen dann die Fakten zusammen – fertig ist der Artikel.” Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk findet Fritz aber auch lobende Worte für eine andere Sorte von Journalistinnen und Journalisten.
Weiterer Lesehinweis: Das bereits gestern empfohlene Interview mit ARD-Korrespondent Peter Kujath: 10 Jahre Atomkatastrophe Fukushima: ARD-Reporter blickt zurück (br.de, Konstantin König).

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4. Ist Gendern der “Tod der Sprache”? (Spoiler: Nein)
(arminwolf.at)
Der ORF-Journalist und Moderator Armin Wolf bemüht sich um eine geschlechtergerechte Sprache und erntet dafür teilweise empörte Reaktionen: “Ich bin ja immer wieder erstaunt, welche Emotionen dieses Thema auslöst. Auch bei Menschen, die sehr aufgeregt fragen: ‘Haben wir denn keine anderen Probleme ???’ und anscheinend keine anderen Probleme haben als eine gesprochene Mini-Pause in Politiker innen. Möglicherweise sind sie auch davon überzeugt, dass alle anderen Probleme verschwänden, würde ich nur wieder die Politiker sagen.”

5. Darum gibt es jetzt Netzsperren gegen Streamingportale
(spiegel.de, Torsten Kleinz)
Neben den legalen, aber kostenpflichtigen Streamingportalen existieren im Netz kostenlose, aber illegale Streamingportale, die sich oft über Pornowerbung oder allerlei obskure Angebote und Klick-Fallen finanzieren. Die Clearingstelle Urheberrecht im Internet will diesen Seiten ein Ende bereiten und setzt dabei auf das Instrument der Netzsperre. Torsten Kleinz erklärt die diffizile Situation und zeigt, warum das Vorgehen der Clearingstelle nicht überall auf Zustimmung trifft.
Weiterer Lesehinweis: Bei netzpolitik.org kommentiert Markus Beckedahl: “Die Musikindustrie verkündet die Rückkehr der Netzsperren. Das Instrument hat gefährliche Nebenwirkungen und wird in autoritären Staaten zum Aufbau einer Zensurinfrastruktur missbraucht. Seht es endlich ein: Netzsperren schaffen mehr Probleme, als sie lösen.”

6. Der Bundesabkanzler Dieter Bohlen macht Schluss bei “DSDS” – es war höchste Zeit
(rnd.de, Imre Grimm)
Dieter Bohlen steigt als Chefjuror bei “Deutschland sucht den Superstar” aus. Für Imre Grimm ein guter Anlass, auf die TV-Karriere des “Poptitanen” zurückzublicken: “Ausgerechnet Bohlen, der eiskalte Ausbeuter von Teenie-Träumen, gerierte sich knapp zwei Jahrzehnte lang als Anwalt der Chancenlosen. Das war natürlich immer grober Unfug. Sein sozialdarwinistisches Kulturverständnis, wonach der plötzliche Durchbruch auf der Bühne als Blitzausweg aus Plattenbau, Berufsschulelend und Prekariat bedeutet, war nur eine nützliche Lüge.”

Aufsteigergeschichten, Emoji-Sprache der Rechten, Suche nach Rechnung

1. “Medien lieben Aufsteigergeschichten”
(taz.de, Timo Stukenberg)
Klassismus bezeichnet laut Wikipedia “Vorurteile oder Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft oder der sozialen Position und richtet sich überwiegend gegen Angehörige einer ‘niedrigeren’ sozialen Klasse”. Die Autorin Brigitte Theißl beschäftigt sich in ihrem Buch unter anderem mit klassistischen Narrativen in den Medien: “Medien lieben Aufsteigergeschichten, also die klassischen Hollywoodgeschichten. Diese Geschichten handeln von individuellen Anstrengungen und Erfolgen, aber es werden selten Geschichten erzählt über die Hürden und warum man es nicht oder trotzdem geschafft hat. Klassismus ist eine strukturelle Diskriminierungsform, die ganz individuelle Auswirkungen hat, auf Lebenserwartung, Bildungsabschlüsse oder Gesundheit.” Im “taz”-Interview geht es unter anderem darum, wie eine diskriminierungsfreie und respektvolle Berichterstattung aussehen könnte.

2. Welche Emojis sind bei Nazis, Rechtsradikalen, Rassist*innen beliebt?
(belltower.news, Simone Rafael)
Simone Rafael ist studierte Publizistin und Kunsthistorikerin und hat deshalb vielleicht ein besonderes Auge für die Bildsprache der extremen Rechten. In ihrem Beitrag beschreibt sie, wie Abwertung durch Emojis funktioniert und welche der Piktogramme sich bei Nazis, Rechtsradikalen und Rassisten besonderer Beliebtheit erfreuen.

3. 10 Jahre Atomkatastrophe Fukushima: ARD-Reporter blickt zurück
(br.de, Konstantin König)
Als es vor zehn Jahren zur Atomkatastrophe im japanischen Fukushima kam, war Peter Kujath als ARD-Korrespondent vor Ort. Im BR-Interview erinnert er sich an das Unglück: “Als ARD-Korrespondent war ich für alle Radio-Programme zuständig und es riefen alle Sender an. Ich war nur noch mit Telefongesprächen beschäftigt. Gleichzeitig haben wir überlegt, wie wir – meine Frau, die Mitarbeiterinnen und ich in dem kleinen Studio – mit der Katastrophe umgehen.”

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4. Klimajournalismus neu denken
(deutschlandfunk.de, Mike Herbstreuth & Brigitte Baetz, Audio: 6:52 Minuten)
Zur Klima-Thematik gibt es bereits verschiedene journalistische Angebote (einige davon sind im Artikel verlinkt), ein weiteres stammt von Lorenz Matzat, dem Macher des neuen “Klimajournalismus”-Newsletters. Im Interview mit dem Deutschlandfunk weist Matzat auf die Dringlichkeit der Auseinandersetzung mit dem Klimawandel hin: “Wenn wir wüssten, dass in 20, 30 Jahren regelmäßig ein Schwarm von Meteoriten auf der Erde einschlagen würde, dann wäre wahrscheinlich einiges mehr los in der aktuellen Berichterstattung: Wie gehen wir damit um? Wie bereiten wir uns vor? Und den Eindruck habe ich beim Thema ‘Klimawandel’ nicht wirklich.”

5. Habe ich das Kind mit dir gezeugt?: Fast 80 Journalistinnen beklagen Sexismus und Einschüchterungen bei Tamedia
(kress.de, Marc Bartl)
Bei Tamedia handelt es sich um ein großes Schweizer Medienhaus, das zahlreiche Zeitungen verlegt (unter anderem den “Tages-Anzeiger”) und Druckereien besitzt. In einem Brief an Geschäftsleitung und Chefredaktion beklagen sich 78 Journalistinnen über Einschüchterungen und Sexismus und stellten konkrete Forderungen. Mittlerweile liegt auch ein Solidaritätsschreiben von Männern aus der Tamedia-Redaktion vor.

6. »Wo finde ich denn die Rechnungen?«
(twitter.com, Tim Pritlove)
Nur am Rande ein Medienthema, aber es zeigt exemplarisch, wie ausbaufähig das Verhältnis vieler Medien zu ihren Nutzern und Nutzerinnen ist: Tim Pritlove besitzt ein “Spiegel+”-Premium-Abo und steigert sich auf der Suche nach den Rechnungen in einen unterhaltsamen Rant: “Wenn man Eure Dienste nutzen soll, dann müsst ihr das EINFACH und ATTRAKTIV machen. Aber ich habe einfach keine Lust, für jedes mir rechtlich zustehende Dokument einmal zu Kafka und zurück zu reisen.”

7. Victim Blaming und Julian Reichelt: Vorwürfe gegen Bild-Chef erreichen Politik
(berliner-zeitung.de, Philippe Debionne)
Als siebter und damit zusätzlicher Link, weil unter anderem auch der “6 vor 9”-Kurator im Artikel vorkommt: “Peter Altmaier, CDU-Politiker und Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel, werden Victim Blaming und Sexismus in Zusammenhang mit den Anschuldigungen gegen Reichelt vorgeworfen. Auslöser des Shitstorms ist ein Tweet von Minister Altmaier. In diesem zitiert der Politiker aus der Lore-Ley von Heinrich Heine aus dem Jahre 1824.”

Machtmissbrauch bei “Bild”?, Hoppsala, Royale Millionendeals

1. Interne Ermittlungen gegen »Bild«-Chefredakteur Reichelt
(spiegel.de, Isabell Hülsen & Alexander Kühn & Martin U. Müller & Anton Rainer)
Gegen Julian Reichelt, Chefredakteur der “Bild”-Zeitung, wurde innerhalb des Springer-Konzerns ein sogenanntes Compliance-Verfahren eingeleitet. Unter anderem gehe es bei der Untersuchung um Machtmissbrauch und die Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen. Außerdem sei von möglichen Vorwürfen der Nötigung und des Mobbings die Rede. Das gesamte Ausmaß der Compliance-Untersuchung sei derzeit noch unklar.

2. Wie Sexismus Journalistinnen bedroht
(reporter-ohne-grenzen.de)
Zum gestrigen Internationalen Frauentag hat Reporter ohne Grenzen einen Themenbericht zu Sexismus im Journalismus veröffentlicht (PDF, englisch). Vorstandssprecherin Katja Gloger kommentiert: “Anlässlich des Weltfrauentags möchten – und müssen – wir erneut deutlich machen, dass für Journalistinnen überall auf der Welt die Ausübung ihres Berufes oft schwieriger und gefährlicher ist als für ihre Kollegen. Sie müssen sich gegen sexuelle Belästigung wehren, wenn sie einfach nur ihren Job machen wollen. Sie müssen damit rechnen, dass eine Welle des Hasses über sie hereinbricht, wenn sie sich in den sozialen Netzwerken äußern. In manchen Ländern wie Pakistan oder Indien riskieren sie sogar ihr Leben.”

3. Zu große Nähe? Das ZDF, Jochen Breyer und die TSG Hoffenheim
(ndr.de, Daniel Bouhs)
“Sind das ZDF und sein Moderator Jochen Breyer zu gefällig geworden, wenn es um den Bundesligisten und dessen Mäzen geht?” Daniel Bouhs geht noch einmal einem Fall nach, der vor rund einem Jahr für Schlagzeilen sorgte und der Breyer, den Fußballklub TSG Hoffenheim sowie Dietmar Hopp betrifft (siehe dazu: Knallhart am Journalismus vorbei (taz.de, Andreas Rüttenauer) und Perfekt inszenierte Hetze (spiegel.de, Daniel Montezari)). Anlass für das neuerliche Aufflammen des Themas ist eine vom ZDF angekündigte Doku, von der sich Bouhs schon vorab einen Eindruck machen konnte.

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4. turi2 schafft das Gendersternchen wieder ab – und setzt aufs generische Femininum.
(turi2.de, Peter Turi)
Über ein Jahr habe das Branchenportal “turi2” das Gendersternchen verwendet, doch damit sei nun Schluss. Viele Leser und Leserinnen hätten das Sternchen in den Texten als störend empfunden – man schaffe es daher ab. Überraschend: Die Redaktion kehrt nicht etwa zur alten Schreibweise zurück, sondern setzt auf das generisches Femininum. Chefredakteur Markus Trantow: “Wir Männer dürfen uns ganz selbstbewusst mitgemeint fühlen.”

5. Perspektive in Wartestellung
(out-takes.de, Elisabeth Nagy)
In der Kategorie “Perspektive Deutsches Kino” will die Berlinale dem Filmnachwuchs eine Chance geben. Zu Corona-Zeiten ist es jedoch für alle etwas schwieriger. Die ausgewählten Filme soll es zum Beispiel erst im Sommer zu sehen geben. Elisabeth Nagy stellt die sechs Stücke vor, die von der Jury aus 225 Einreichungen dafür auserkoren wurden.

6. Morddrohungen und Millionendeals
(deutschlandfunk.de, Mike Herbstreuth & Christine Heuer & Mirjam Kid, Audio: 7:15 Minuten)
Prinz Harry und Herzogin Meghan haben der Talk-Milliardärin Oprah Winfrey ein weltweit beachtetes Interview gegeben. Anlass für den Deutschlandfunk, sich die Medienstrategie des royalen Ehepaars anzuschauen – weg vom Beobachtungsgegenstand der Medien, hin zu aktiven Medienplayern mit lukrativen Netflix- und Spotify-Deals.

Wüste Sammlung, Papageno-Effekt, Der MDR und das Glyphosat

1. Medien kaufen Uni wüste Materialsammlung als brisante Corona-Studie ab
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Der Journalist Felix Huesmann hat es auf Twitter recht gut zusammengefasst: “Ein fachfremder Professor stellt wissenschaftliche Texte und Zeitungsartikel zusammen, fügt dem ganzen ein paar bunte Markierungen hinzu und die @unihh verkauft das dann als ‘Studie’. Mitten in der von Desinformation begleiteten Corona-Pandemie. Unfassbar.” Medienkritiker Stefan Niggemeier ist der Frage nachgegangen, wie das umstrittene Papier derart viel Medienaufmerksamkeit erfahren konnte. Außerdem verlinkt er mehrere Faktenchecks, die allesamt zu ähnlichen, wenn nicht übereinstimmenden Ergebnissen kommen.

2. Zu viele nehmen sich das Leben – darüber müssen wir reden
(krautreporter.de, Martin Gommel)
Der Werther-Effekt besagt, dass das öffentliche Sprechen über Suizide weitere Suizide provoziert. Ganz so einfach ist es jedoch nicht, findet die Soziologin Ellen von den Driesch: “Der Werther-Effekt ist eine umstrittene These, denn es gibt auch einen Papageno-Effekt. Hier geht man davon aus, dass es eine Schutzfunktion haben kann, wenn wir über Suizid in Verbindung mit Hinweisen auf Hilfsangebote sprechen.” Martin Gommel schreibt über psychische Krisen, den medialen Umgang damit und unsere gesellschaftliche Verantwortung für Menschen in Not.
(Solltest Du Suizid-Gedanken haben, dann gibt es Menschen, die Dir helfen können, aus dieser Krise herauszufinden. Eine erste schnelle und unkomplizierte Hilfe bekommst Du etwa bei der “TelefonSeelsorge”, die Du kostenlos per Mail, Chat oder Telefon (0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222 und 116 123) erreichen kannst.)

3. Fast jeden zweiten Tag schrieb der Boulevard 2020 etwas Negatives über Menschen aus Afghanistan
(kobuk.at, Benjamin Steiger)
Benjamin Steiger hat die Berichterstattung der österreichischen Presse über Menschen aus Afghanistan untersucht und dabei Missverhältnisse festgestellt, die “die Realität grob verzerren und Vorurteile verfestigen können”. Beispielsweise sei 2020 in fast jeder zweiten Ausgabe der “Kronen Zeitung” zumindest ein Negativ-Artikel über Afghaninnen oder Afghanen erschienen.

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4. MDR gewinnt in Glyphosat-Streit
(meedia.de)
Im Jahr 2015 hatte das ARD-Magazin “Fakt” über das Glyphosat-Gutachten einer Behörde berichtet und damit in Zusammenhang stehende Dokumente veröffentlicht. Das betroffene Bundesinstitut ging dagegen juristisch vor, angeblich seien die Urheberrechte der Autoren verletzt worden. Nun hat das Oberlandesgericht Köln die Klage des Instituts abgewiesen. MDR-Programmdirektor Klaus Brinkbäumer kommentiert: “Das Gericht hat diesen Versuch, Zensur über den Umweg des Urheberrechts auszuüben, ganz klar zurückgewiesen. Der Fall zeigt aber, dass die Rundfunkfreiheit auch in unserem Land jeden Tag aufs Neue verteidigt und erstritten werden muss.”

5. JournalistInnen, wir müssen reden
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer hat sich das aktuelle “Edelman Trust Barometer” angeschaut. Dabei handelt es sich um eine jährliche Umfrage zum Vertrauen in Regierungen, Unternehmen, Medien und Nichtregierungsorganisationen. Knüwer fordert: “JournalistInnen müssen sich endlich den Fehlentwicklungen ihrer Branche stellen, sie müssen bereit sein, Kritik zu ertragen und auszutragen. Und sie müssen sich ändern.”

6. Der Mann, der BILD zur Kriegsmaschine macht
(youtube.com, Walulis Story SWR3, Video: 15:00 Minuten)
Philipp Walulis wirft einen satirischen Blick auf das Aufmerksamkeits-Business von “Bild”-Chef Julian Reichelt. Ein unterhaltsames und kurzweiliges Psychogram, bei dem man manchmal nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll.

Amazons peinliche “Bild”-Doku, Abmahnwesen, “Goldenes Brett”

1. So toll ist es also bei der “Bild”
(faz.net, Oliver Jungen)
Die ab heute abrufbare Amazon-Doku “Bild.Macht.Deutschland?” verspricht “exklusive Einblicke in die Redaktion von Deutschlands bekanntester und größter Medienmarke”. Oliver Jungen hat sich das Werk angeschaut. Sein Fazit: “Amazons eingebettete, kritikfreie Reportage über die ‘Bild’-Zeitung ist journalistisch eine Nullnummer. Ein Kniefall. Peinlicher geht es kaum.”
Weiterer Lesehinweis: Bei der “taz” kritisiert Peter Weissenburger besonders zwei Dinge: “Die Postproduktion, die immer wieder dramatisch das Springer-Haus im Zeitraffer zeigt und sich bei Einblendungen am Design der Bild orientiert, als wäre es ein Imagefilm. Und die Recherche, die kaum andere Stimmen zu Wort kommen lässt, als Bild-Leute.” (Rumsitzen im Krawallklub, taz.de)
Weitere Hör-Empfehlung: Die Journalistin Ferda Ataman hat sich Amazons “Bild”-Beobachtung für Deutschlandfunk Kultur angesehen. Ihr Urteil: “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt habe sich mit der Serie keinen Gefallen getan. (Kampf mit allen Mitteln, deutschlandfunkkultur.de, Audio: 7:29 Minuten)

2. “Vielleicht Seite schließen?” – Troll-Kommentare aus dem RBB-Netz auf Planet Interview
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Jakob Buhre ist nicht nur für seine gut vorbereiteten Interviews, sondern auch für seine nachfassenden Fragen bei Pressekonferenzen der Öffentlich-Rechtlichen bekannt. Sein kritisches Hinterfragen und seine wohltuende Unbequemlichkeit haben ihm dort anscheinend nicht nur Freunde beschert: Buhre berichtet, wie sich allerlei Negativkommentare verschiedenster Nutzerinnen und Nutzer auf seinem Blog ergießen. Allesamt von der IP-Adresse 192.108.72.0 versendet – ein Adressraum, der dem öffentlich-rechtlichen rbb zugeordnet ist.

3. Amtsgericht Hamburg: Abmahnungen von Christoph Scholz durch Rechtsanwalt Lutz Schroeder waren rechtsmissbräuchlich
(kanzleikompa.de, Markus Kompa)
Der Creative-Commons-Foto-Abmahner Christoph Scholz hat lange Zeit ein lukratives Geschäft betrieben, doch nun habe das Amtsgericht Hamburg vier nahezu gleich lautende Urteile gegen ihn gesprochen. Das Gericht sehe in seinem Handeln einen Rechtsmissbrauch. Die Art und Weise der Organisation des Abmahnwesens habe das “Gepräge einer Einkommensgenerierung durch provozierte Rechtsverletzungen”. Der Jurist Markus Kompa fasst zusammen: “Herr Scholz hat damit weder Anspruch auf Ersatz eines Lizenzschadens noch auf Ersatz von Anwaltskosten. Umgekehrt muss Herr Scholz dem Abgemahnten die Kosten vorgerichtlicher Abmahnabwehr ersetzen sowie alle Prozesskosten.” Kompas Fazit: “Diese aktuellen Urteile sind weitere Sargnägel für das Abmahn-Business der Urheberrechtsfallensteller.”

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4. Floskel des Monats: durchstarten
(journalist.de, Sebastian Pertsch & Udo Stiehl)
Sebastian Pertsch und Udo Stiehl sind die Initiatoren des sprach- und medienkritischen Projekts “Floskelwolke”, in dem sie Floskeln, Phrasen und Formulierungen in deutschsprachigen Nachrichtentexten analysieren. Im Fachmagazin “journalist” stellen sie regelmäßig die “Floskel des Monats” vor. Aktuell: “durchstarten”.

5. In der Druckkammer
(taz.de, Anne Fromm)
Die Corona-Pandemie hat viele Medienhäuser in Bedrängnis gebracht. Die “Süddeutsche Zeitung” begegnet dem mit einem rigorosen Sparprogramm. Trotz steigender Abozahlen und erhöhtem Arbeitsaufkommen sei die Redaktion in Kurzarbeit geschickt worden. Nun wolle der Verlag sich von 50 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen trennen. Gleichzeitig ändere sich die Unternehmenskultur: Die Chefs würden neuerdings duzen und sprächen von “Town Hall Meetings” und “Lunch mit Christian”.
Weiterer Lesehinweis: “Süddeutsche”-Autorin Aurelie von Blazekovic hat sich in der Medienbranche umgehört, ob und wie die Verlage ihre Mitarbeitenden in dem Corona-Jahr unterstützt haben. Bei Condé Nast habe es in Deutschland eine Corona-Sonderzahlung in Höhe von 1.000 Euro gegeben, bei der “Süddeutschen Zeitung” soll eine “Corona Beihilfe” von 100 Euro ausgezahlt werden (Ein freier Tag und schönen Dank, sueddeutsche.de).

6. Das Goldene Brett 2020 für Sucharit Bhakdi: “Noch nie gab es einen passenderen Kandidaten”
(blog.gwup.net)
Mit dem Negativpreis “Das goldene Brett” prämiert die Gesellschaft für kritisches Denken Personen oder Institutionen, die “mit wissenschaftlich widerlegten oder unsinnigen Behauptungen Medienpräsenz anstreben, Angst machen oder Geld verdienen wollen.” Diesjähriger Preisträger ist der Arzt Sucharit Bhakdi, der für seine Äußerungen zur Corona-Pandemie, nun ja, ausgezeichnet wird: “Es gab vielleicht noch nie einen Kandidaten, auf den das ‘Goldene Brett vorm Kopf’ so perfekt gepasst hat wie auf ihn.” Der Preis fürs “Lebenswerk” geht an Ken Jebsen und dessen Kanal KenFM. Dieses Jahr fand die Verleihung nicht live statt, es gibt jedoch ein Video mit den Laudationen von Katharina Nocun (Ballweg), “Hoaxilla” (Hildmann) und Krista Federspiel (Bhakdi) (youtube.com, 44:35 Minuten).
(Transparenzhinweis: Der “6 vor 9”-Kurator war im Jahr 2016 selbst Laudator des “Goldenen Bretts”.)

***

Dies ist die letzte “6 vor 9”-Ausgabe in diesem Jahr (mit dem sonstigen BILDblog-Programm geht es noch ein paar Tage weiter). Wir bedanken uns für Eure Treue und verabschieden uns in die “6v9”-Winterpause. Allen Leserinnen und Lesern unserer morgendlichen Medienrundschau frohe Festtage und ein gesundes Wiedersehen im kommenden Jahr!

Bild.de lässt sich eine Story nicht von sowas wie Fakten kaputtmachen

Spätestens seit in Großbritannien gegen Boris Becker ein Insolvenzverfahren läuft, hat sich die “Bild”-Redaktion auf den ehemaligen Tennisstar eingeschossen (zum Beispiel: “Jetzt wird’s ernst für Boris! Diese Horror-Liste kann ihn in den Knast bringen”). Und Becker schießt zurück: Er lasse es nicht zu, dass “Julian Reichelt und sein Blatt” versuchen, “einen Menschen kaputt zu machen …mich!”

Ende November hatte “Bild” den nächsten Knaller ausgegraben:

Screenshot Bild.de - Britischer Rechtsexperte erstaunt - Boris Becker fährt Luxus-Auto wie ein Dax-Vorstand

Was für ein Auto wird Boris Becker wohl wie so ein richtiger Dax-Vorstand fahren? Den größten BMW, den man kriegen kann? Den dicksten Audi auf dem Markt? Einen Ferrari wie der VW-Vorstandsvorsitzende Herbert Diess? “Bild”-Chefreporter John Puthenpurackal schrieb:

Auch nach der Privatinsolvenz gibt Boris Becker privat weiter Gas – mit einer Luxus-Limousine.

Vor und nach der Verhandlung wurde die Tennis-Legende in einer anthrazit-farbenen E-Klasse der Marke “Mercedes-Benz” gesichtet. Das Fahrzeug gehört laut Experten hinter der S-Klasse zur oberen Kategorie der Limousinen.

Die E-Klasse, die in der einfachsten Ausstattung aktuell knapp unter 50.000 Euro kostet, ist für die meisten sicher ein teurer Spaß. Möglich, dass es auch Dax-Vorstände gibt, die E-Klasse fahren. Allerdings dürfte sich jeder von ihnen auch deutlich teurere Modelle (eine S-Klasse ist erst ab etwa 95.000 Euro zu haben) leisten können: 2019 lag das Durchschnittsgehalt eines Mitglieds im Vorstand eines im Dax gelisteten Unternehmens bei 3,4 Millionen Euro. Ob man also wirklich sagen kann, dass Boris Becker ein “Luxus-Auto wie ein Dax-Vorstand” fährt?

Zumal Becker auf dem Foto, auf das sich Bild.de bezieht, gar nicht in einer E-Klasse sitzt, sondern in einer kleineren C-Klasse. Die ist ab knapp 35.000 Euro zu haben und ein Modell der Mittelklasse.

Es ist bezeichnend, wie die “Bild”-Redaktion mit ihrer falschen Darstellung umgeht.

Ein Twitter-User wies John Puthenpurackal auf den Fehler hin, wofür sich der “Bild”-Autor bedankte. Er habe seinen Artikel aktualisiert, schrieb Puthenpurackal.

Tatsächlich hat Bild.de den Fehler transparent korrigiert (“Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version stand anstelle der C-Klasse die E-Klasse als Fahrzeugtyp. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.”), was gut ist. Der Rest ist schlecht. Trotz der deutlich veränderten Faktenlage bleibt die “Bild”-Redaktion einfach bei ihrer Überschrift “Boris Becker fährt Luxus-Auto wie ein Dax-Vorstand” und bei ihrer “Luxus-Limousinen”-Geschichte:

Auch nach der Privatinsolvenz gibt Boris Becker privat weiter Gas – mit einer Luxus-Limousine.

Denn: Vor und nach der Verhandlung wurde die Tennis-Legende in einem anthrazitfarbenen Mercedes-Benz, einer C-Klasse, gesichtet.

Das Fahrzeug gehört hinter der S-Klasse und der E-Klasse zu der höheren Kategorien der Limousinen. Listenpreis: mindestens 34.000 Euro.

Dass preislich zwischen E- und C-Klasse einiges liegt – na und? Und dass damit die ursprüngliche Grundannahme futsch ist – egal. Von sowas wie Fakten hat sich die “Bild”-Redaktion noch nie eine Geschichte kaputtmachen lassen.

Mit Dank an @nutzwerker für den Hinweis!

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