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Lynchvorlage (2)

Im Juli hatte “Bild” groß über einen Mann berichtet, der ein siebenjähriges Mädchen in Thüringen sexuell missbraucht und getötet hatte. Im Rahmen ihrer Berichterstattung bezeichnete die Zeitung den geständigen mutmaßlichen Täter als “Schwein” und zitierte einen BKA-Beamten mit den Worten “Wenn er sich nicht selbst etwas antut, gäbe es im Knast genügend andere, die das gerne übernehmen würden.”

Wie um es den genügend Anderen im Knast einfacher zu machen, hatte “Bild” den Fall mit einem großen, unverfremdeten Foto des Mannes illustriert (BILDblog berichtete):

Das ist Mary-Janes Mörder: Er hat sie missbraucht, gewürgt und warf sie lebend in den Bach

Wir haben uns beim Deutschen Presserat über die Berichterstattung von “Bild” und Bild.de beschwert. Wie in solchen Fällen üblich nahm die Abteilung Verlagsrecht der Axel Springer AG dazu Stellung und erklärte unter anderem, es entspräche der ständigen Spruchpraxis des Deutschen Presserats, dass bei vorliegendem Geständnis auch identifizierend über Tatverdächtige berichtet werden dürfe. (Der Presserat merkt dazu an, dass sich das Justiziariat dabei “auf den einzigen Fall mit diesem Tenor” berufe.)

Die Bezeichnung “Schwein” drücke nach Ansicht der Axel Springer AG aus, was der “weitaus überwiegende Teil der Bevölkerung” über den Mann und die ihm zur Last gelegten Taten denke. Wer das Vertrauen und die Unterlegenheit eines Kindes ausnutze, um es sexuell zu misshandeln und es dann qualvoll umzubringen, sei nach herrschender Ansicht als “Schwein” zu bezeichnen. Auch die Einordnung als “beruflich und privat ein ewiger Verlierer” sei zulässig, da der mutmaßliche Täter sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich sein Leben nicht “auf die Reihe” bekommen habe, wie der Verlag weiter ausführte.

Den Abdruck des Fotos rechtfertigten die Springer-Juristen so:

Schon die Tatsache, dass jemand ein siebenjähriges Mädchen sexuell misshandele und sie danach ermorde, sei so außergewöhnlich, dass damit eine Fotoveröffentlichung gegen den Willen des Abgebildeten gerechtfertigt sei. Ein Großteil der deutschen Tagespresse haben über den Fall Mary-Jane berichtet.

Auszüge aus dem Pressekodex:

Ziffer 8 – Persönlichkeitsrechte

Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden. Die Presse achtet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.

Richtlinie 8.1 – Nennung von Namen/Abbildungen

(1) Bei der Berichterstattung über Unglücksfälle, Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren (s. auch Ziffer 13 des Pressekodex) veröffentlicht die Presse in der Regel keine Informationen in Wort und Bild, die eine Identifizierung von Opfern und Tätern ermöglichen würden. Mit Rücksicht auf ihre Zukunft genießen Kinder und Jugendliche einen besonderen Schutz. Immer ist zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abzuwägen. Sensationsbedürfnisse allein können ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht begründen.

Der Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserats ließ sich von dieser Begründung nicht beeindrucken und kam zu der Überzeugung, dass die Beiträge von “Bild” und Bild.de die Persönlichkeitsrechte des Abgebildeten verletzten und damit gegen Ziffer 8 in Verbindung mit Richtlinie 8.1 (s. Kasten) des Pressekodex verstoße.

Die identifizierbare Abbildung des Täters ist aus Sicht des Beschwerdeausschusses “ethisch nicht vertretbar”. Ein Tatverdächtiger könne ausnahmsweise abgebildet werden, wenn dies im Interesse der Verbrechensaufklärung liege oder wenn das Verbrechen unter den Augen der Öffentlichkeit begangen werde. Eine solche Ausnahme sei im konkreten Fall aber nicht gegeben, “Bild” hätte auch ohne Abbildung der Person oder mit ausreichend unkenntlich gemachten Bildern umfassend über den Fall berichten können.

Einen Verstoß gegen Ziffer 1 des Pressekodex, die zur Achtung der Menschenwürde mahnt, konnte der Beschwerdeausschuss jedoch nicht feststellen. Durch die Verwendung der Bezeichnung “Schwein” werde deutlich, “dass die Tat von der Redaktion als Schweinerei verstanden werde”. Sie bringe mit “bildhafter Sprache” eine zulässige Bewertung zum Ausdruck.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Die letzten Ausführungen sind bemerkenswert, hatte der Presserat den Begriff “Schwein” (anders als etwa den Begriff “Bestie”) oder “Dreckschwein” doch bisher meist als Verletzung der Menschenwürde angesehen.

Insgesamt wertete der Beschwerdeausschuss den Verstoß gegen Ziffer 8 aber als so schwerwiegend, dass er eine “Missbilligung” aussprach (s. Kasten). Nach § 15 Beschwerdeordnung besteht zwar keine Pflicht, Missbilligungen zu veröffentlichen. Als Ausdruck fairer Berichterstattung “empfiehlt” der Beschwerdeausschuss jedoch die Veröffentlichung.

Wolfgang Niedecken erklagt sich Respekt (2)

Der nicht einmal halbherzige Versuch, die Privatsphäre von Wolfgang Niedecken und seiner Familie zu respektieren, hat “Bild” schon zwei Einstweilige Verfügungen eingebracht (BILDblog berichtete). Vergangenen Donnerstag kam eine dritte hinzu.

Die Anwälte des BAP-Sängers schreiben auf ihrer Internetseite, es sei Bild.de jetzt verboten …

  • ein Foto zu verbreiten, das Niedeckens Kinder bei einem Krankenhausbesuch zeige,
  • den angeblichen Verlauf eines Schlaganfalltests zu veröffentlichen: Bild.de hatte geschrieben, Niedecken habe auf die Bitte eines Arztes, die Wochentage aufzuzählen, einen Arm gehoben. Diese Behauptung sei laut Niedeckens Anwälten “frei erfunden”.
  • Details über die Krankenhausbehandlung Niedeckens zu verbreiten,
  • sowie Details zu geplanten Nachbehandlungen zu veröffentlichen.

Weiter heißt es, Wolfgang Niedecken und seine Familie bäten erneut darum, die von Bild.de verbreiteten Behauptungen, die zum Teil frei erfunden seien, nicht zu übernehmen.

Wolfgang Niedecken erklagt sich Respekt

Vergangene Woche hatte die Kölner Rockgruppe BAP ihre anstehende Deutschlandtour wegen einer schweren Erkrankung des Sängers Wolfgang Niedecken absagen müssen. Das Management bat “eindringlich” darum, die Privatsphäre von Wolfgang Niedecken und seiner Familie zu respektieren, woran sich vor allem “Bild” nicht halten wollte (BILDblog berichtete).

Wolfgang Niedecken und seine Familie gingen vor Gericht und erwirkten zwei Einstweilige Verfügungen, die es “Bild” verbieten

  • die genaue Krankheit Niedeckens zu benennen,
  • Details des angeblichen Erkrankungshergangs zu veröffentlichen: Bild und bild.de hatten behauptet, Herr Niedecken sei in seinem Haus zusammengebrochen und von seiner Frau hilflos auf dem Boden liegend aufgefunden worden. Beides ist laut Niedecken falsch.
  • Details über den angeblichen Gesundheitszustand und Genesungsprozess Niedeckens zu verbreiten,
  • Details zur Fürsorge der Familie Niedecken für Wolfgang Niedecken zu veröffentlichen,
  • sowie Fotos zu verbreiten, die die Ehefrau und Kinder Niedeckens bei Krankenbesuchen zeigen.

Die mit dem Fall betraute Rechtsanwaltskanzlei bittet im Namen von Niedecken und seiner Familie darum, die Berichterstattung von “Bild” nicht zu übernehmen.

Das dürfte vor allem die “Rheinische Post” interessieren, die vergangenen Freitag recht ausführlich nacherzählt hatte, was “Bild” zuvor geschrieben hatte. Der rücksichtslose Tratsch kulminierte in dem Satz:

Dem Bericht zufolge verließen Niedeckens Frau Tina sowie die Töchter (…) am Nachmittag mit vom Weinen geröteten Augen die Klinik.

Sterben live

Vor zwei Jahren wurde “Bild” vom Presserat wegen “unangemessen sensationeller” Berichterstattung zum Tod von Michael Jackson gerügt. Zu der Überschrift “Hier verliert er den Kampf um sein Leben” zeigte die Zeitung damals ein riesiges Foto, auf dem Jackson auf einer Trage liegend und an Beatmungsgeräte angeschlossen zu sehen war. Da dadurch bei Lesern der Eindruck entstehe, einem Menschen unmittelbar beim Sterben zuzusehen, sah der Beschwerdeausschuss darin einen Verstoß gegen die Menschenwürde (BILDblog berichtete).

Hat die Rüge gefruchtet? Nun, das mit dem “beim Sterben zusehen” scheint immer noch spannend genug zu sein, um es auf der Startseite von Bild.de so anzuteasern:

FEUER IM FLUCHTMOBIL Hier verbrennen zwei Bankräuber

Im gut bebilderten Artikel heißt es:

Das Feuer lodert aus dem Dach des Wohnmobils, im Innenraum liegen zwei Bankräuber. Unklar, ob die beiden Männer schon tot sind, als das Feuer ausbricht, oder ob sie Opfer der Flammen werden.

Fehlen nur noch Chips und Bier …

Mit Dank an Christian S.

Griechen raus!

In dieser Woche haben sich ja die Ereignisse in der Griechenland-Krise förmlich überschlagen. Grund genug für “Bild” und Bild.de die mit Leidenschaft geführte Hetzkampagne gegen die “Pleite-Griechen” (BILDblog berichtete mehrfach) noch weiter auf die Spitze zu treiben.

Als Anfang der Woche bekannt wird, dass der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou eine Volksabstimmung über die empfindlichen Sparmaßnahmen plant, die mit dem zuvor beschlossenen Schuldenschnitt einhergehen, titelt Bild.de wenig diplomatisch:

Euro-Zocker Papandreou löst neue Krise aus Will uns der Griechen-Premier verarschen?

Ausgerechnet der windige Krawallnachwuchsjournalist Paul Ronzheimer, der bei seiner unsäglichen Drachmenrückgabeaktion vor einem Jahr bewiesen hat, dass er selbst ein hervorragender “Verarscher” ist, schreibt Sätze wie:

Alle fragen sich: warum tut Papandreou das? Warum jetzt? Will er uns verarschen? (…)

Der Euro-Zocker

(…)

Was zockt der Griechen-Premier?

Diese Reaktion ist schon allein deswegen bemerkenswert, weil eine Volksabstimmung den von “Bild” seit langem geforderten Austritt Griechenlands aus der Eurozone erheblich hätte beschleunigen können. Aber auch das vereinnahmende “uns” und “alle” ist unangebracht, wenn man bedenkt, dass es durchaus auch Stimmen gab, die die Entscheidung von Papandreou begrüßten.

Wie ein trotziges Kind forderte “Bild” dann am Donnerstag unverhohlen auf der Titelseite:

Nehmt den Griechen den Euro weg! Frau Merkel, wir wollen auch eine Volksabstimmung!

Die Marschrichtung ist deutlich. “Bild” glaubt wieder einmal für alle Deutschen sprechen zu können:

JETZT REICHT ES UNS! Wir bürgen für Hunderte Milliarden Euro, um die Pleite-Griechen zu retten – und dort soll erst eine Volksabstimmung klären, ob überhaupt gespart wird. Jetzt wollen wir auch eine Volksabstimmung: keine Milliarden mehr für Griechenland, Griechenland raus aus dem Euro!

Und den passenden “Stimmzettel” liefert “Bild” auch gleich mit (man beachte die falschen Landesfarben Schwarz-Schwarz-Rot):

Stimmzettel

Dieser Stimmzettel ist in seiner geballten Suggestivität und Einseitigkeit ein eindrucksvolles Zeugnis des Demokratieverständnisses von “Bild”: Kein Wort darüber, dass es vor allem deutsche Banken sind, die griechische Staatsanleihen halten und ohne die Milliardenhilfen ins Straucheln kommen würden. Kein Wort darüber, dass es rechtlich kaum möglich ist, dass die EU (und schon gar nicht Deutschland) den “Pleitegriechen (…) den Euro wegnimmt”. Kein Wort zu den bereits umgesetzten und geplanten Reformen und Sparmaßnahmen, für die Griechenland erst kürzlich gelobt wurde. Statt Informationen bietet “Bild” nur jede Menge Emotionen.

Selbst in einem späteren Artikel, in dem sich Bild.de dann doch mit den rechtlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzt, wird das “Wir-gegen-die” wie selbstverständlich aufrecht erhalten:

Drohender Bankrott in Athen Wie kriegen wir die Griechen aus dem Euro? BILD.de erklärt die Rechtslage und mögliche Folgen

Immerhin, das durch die geplante Volksabstimmung angeknackste Weltbild von “Bild” und Bild.de scheint wieder in Ordnung zu sein. Nachdem Papandreou aufgrund von innen- und außenpolitischem Druck die Volksabstimmung wieder abgesagt hat, sind die “Pleite-Griechen” wieder genau da, wo “Bild” sie anscheinend haben will – im Staub:

Euro-Krise beendet? Griechen kuschen vor Angela Merkules Papandreou bildet Not-Regierung! +++ Volksabstimmung abgesagt!

Widderlich

Die Kölner Rockgruppe BAP hat ihre anstehende Deutschlandtour wegen einer schweren Erkrankung des Sängers Wolfgang Niedecken absagen müssen. Das hat das Management gestern in einer Pressemitteilung verkündet und hinzugefügt:

Wolfgang Niedecken und seine Familie haben sich dazu entschlossen, keine weitere Stellungnahme zur aktuellen Situation abzugeben. Wir bitten daher eindringlich darum, von allen Anfragen abzusehen und die Privatsphäre von Wolfgang Niedecken und seiner Familie zu respektieren.

“Bild” drückt den Respekt in der Kölner Lokalausgabe unter anderem dadurch aus, dass sie Fotos von Niedeckens Frau und Kindern auf dem Krankenhaus-Parkplatz zeigt.

Und die Reporter haben Niedeckens Familie nicht nur fotografiert, wie sie bei Bild.de gestern selbst ausplauderten:

Die Familie ist bei ihm. Um 17.10 Uhr am Mittwoch verlässt seine Frau Tina (46) mit den Töchtern Isis-Maria (17) und Joana-Josephine (15) das Krankenhaus, ihre Gesichter vom Weinen gerötet und verquollen.​ Auf den Gesundheitszustand ihres Vaters angesprochen, sagen sie nur: “Kein Kommentar.”

Es ist unwahrscheinlich, dass “Bild”, die auch munter über die Art der Erkrankung spekuliert und die Ankunft des Notarztes beschreibt, als sei sie selbst dabei gewesen, die Pressemitteilung von Niedeckens Management nicht gelesen hat: Sie zitiert den ersten Absatz daraus.

Mit Dank an JJZ und Clemens W.

Faszinierend

Ein wenig unentschlossen wirken sie schon bei Bild.de:

43 Jahre wurde die Folge den Fans im deutschen Free TV vorenthalten, jetzt bringt ZDF neo die 50. Episode von “Raumschiff Enterprise”.

Das klingt ja erst mal, als seien die deutschen Zuschauer über Jahre bevormundet worden. Im nächsten Satz klingt es dann aber schon so, als sei diese Bevormundung ganz gut gewesen:

Am Freitagabend zeigt der Spartensender die umstrittene Nazi-Folge “Schablonen der Gewalt”.

Die Bezeichnung “umstritten” hat sich ZDF neo selbst in seine Ankündigung geschrieben und wie folgt begründet:

Bisher wurde die Enterprise-Folge “Schablonen der Gewalt” (Originaltitel: “Patterns of Force”) noch nie im deutschen Free-TV gezeigt. Denn in dieser Folge wird die Enterprise-Crew mit einem faschistischen Regime konfrontiert, das stark an den Nationalsozialismus und die diktatorischen Strukturen des Dritten Reichs angelehnt ist.

Tatsächlich hatte weder das ZDF noch einer der anderen Sender, auf denen die Serie später zu sehen war, “Schablonen der Gewalt” je gezeigt. Das ZDF hatte sowieso recht willkürlich nur 39 der 79 verfügbaren “Star Trek”-Folgen ausgestrahlt und den Rest abgelehnt (angeblich mit der Begründung, die anderen Folgen seien “geschmacklos und zu gewalttätig”), aber auch Sat.1 verzichtete bei der Ausstrahlung der gesamten Serie auf diese eine Folge.

Offizielle Begründungen dazu lassen sich nirgends finden, aber womöglich hätte die Öffentlichkeit vor 30, 40 Jahren noch empörter reagiert als Bild.de es heute tut:

"Raumschiff Enterprise" ZDF neo zeigt umstrittene Nazi-Folge. Wie kommt

Bild.de erklärt, dass eine synchronisierte Fassung seit 1995 im Handel zu kaufen sei, findet es aber offenbar komisch, dass die Folge jetzt trotzdem im Free TV zu sehen ist (im Pay-TV läuft sie schon länger).

Warum ZDF neo die umstrittene Folge jetzt zeigt? ZDFneo-Redaktionsleiterin Dr. Simone Emmelius zu BILD.de: “Mit der Ausstrahlung der “Enterprise”-Episode ‘Schablonen der Gewalt’ bietet ZDFneo den Enterprise-Fans die Kultserie erstmals in Gänze. Die Folge ‘Schablonen der Gewalt’, die einer FSK 16 unterliegt, wird nach 22 Uhr gesendet, so dass die Komplexität der Episode von den Zuschauern reflektiert und hinterfragt werden kann.”

Die Komplexität dieser Aussage war offenbar so hoch, dass Bild.de hinzufügen muss:

Wegen der Altersfreigabe ab 16 Jahren musste der Sender einen späten Sendeplatz (22.40 Uhr) wählen.

Und als wäre diese Aufruhr nicht schon künstlich genug – und damit durchaus im Sinne des Senders – wird aus der “umstrittenen” Folge zum Schluss auch noch eine “bislang verbotene”. Das ist zwar völliger Quatsch, scheint aber sowieso niemanden mehr beeindruckt zu haben:

ZDF zeigt bislang verbotene Nazi-Folge. Ich finde das… völlig okay 85%

Mit Dank an Lars H., Jürgen H., David K. und Martin E.

Schöner Einbrechen mit Facebook (2)

Und wer ist noch (und trotz BILDblog-Eintrag) hereingefallen auf die Ente, dass sich 78 Prozent der Diebe bei Facebook über gute Einbruchziele informieren?

Die “Welt” von heute — im womöglich ironisch benannten Ressort “Wissen”:

Der “Welt”-Remix “Berliner Morgenpost”:

Der Online-Auftritt des “Handelsblatts”:

Und natürlich, ganz frisch, Bild.de:

Auch der Braanchendienst “Meedia” hält unbeirrt an dem Irrsinn fest; “Welt Online” hat immerhin einen Teil der Fehler unauffällig korrigiert*.

*) so unauffällig, dass wir es zuerst übersehen hatten.

Mit Dank an Frank!

Unruhe bitte!

Was sorgt für mehr Unruhe? Ein Spieler, der sich in der Winterpause bei seinem ehemaligen und wahrscheinlich auch zukünftigen Verein fit halten will oder eine Schlagzeile wie diese?

Ex-Nationalspieler sorgt für Unruhe Dicke Luft zwischen Werder und Frings

Bild.de behauptet:

Er war viele Jahre Leistungsträger, Kapitän und Aushängeschild des Klubs. Jetzt herrscht dicke Luft zwischen Torsten Frings (34) und Werder!

Für die nötige Stimmung sorgt Bild.de vor allem selbst, indem sämtliche eher harmlosen Zitate der Beteiligten möglichst krawallig interpretiert werden:

“Ich habe gerne das Heft des Handelns in der Hand. Und der Trainer auch”, sagt Boss Klaus Allofs gereizt. “Ich habe noch nicht mit Torsten gesprochen. Wir müssen sehen, wie wir da eine Lösung finden.”
Harmonie klingt anders…
(…)
Was Allofs außerdem nervt:
Bis heute hat Frings seinen Anschlussvertrag noch immer nicht unterschrieben.
Geplant war, dass er nach seiner Spieler-Karriere bei in Werders Trainerstab einsteigt. Doch Frings lässt sich dabei Zeit: “Wer weiß denn heute schon, was in einem Jahr ist.”
Das ärgert Allofs, der den Anschlussvertrag als ein Entgegenkommen des Klubs ansieht: “Torsten sollte nach seiner Karriere hier was machen. Das zeigt, wie wir zu seiner Person stehen. Aber zwingen werden wir ihn nicht, bei uns zu arbeiten…”
Auch die geplante Verabschiedung im Weserstadion läuft nicht reibungslos.
(Hervorhebungen von uns.)

Torsten Frings selbst sieht die Situation ganz anders. In seinem eigenen Blog schreibt er unter der Überschrift “Zwischen Werder und mir ist alles gut!”:

Als ich heute bei Bild.de allein schon die Überschrift “Dicke Luft zwischen Werder und Frings” gelesen habe, konnte ich nur mit dem Kopf schütteln. Was soll denn das? Das bringt Unruhe in den Verein, schadet meinem Namen und so eine “Story” ist nicht nur überflüssig, sondern auch nicht richtig! Ich habe mich stets zu Werder bekannt und weiß nicht, was die Journalisten davon haben, einen Keil zwischen den Verein und mir zu treiben? Aber um es nochmals klar zu stellen: zwischen Werder und mir ist alles gut! Es gab verschiedene Gespräche in guter Atmosphäre bei denen wir gemeinsam die zukünftige Vorgehensweisen besprochen haben. Wir sind dabei eine gute Lösung für das “fit halten” zu finden und auch meine offizielle Verabschiedung wird an diesem Samstag wie geplant stattfinden. Und dass ich nach meinem Karriereende dem Verein gern zur Verfügung stehe, habe ich nun auch schon mehrmals öffentlich gesagt. (…)

Dazu passt, dass sich Frings und der SV Werder Bremen inzwischen geeinigt haben, wie sid und dpa melden:

“Es gab keinen Zoff”, sagte Allofs und reagierte damit auf entsprechende Medienberichte.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

Nachtrag, 4. November: Aus der von allen Beteiligten einvernehmlich getroffenen Vereinbarung, dass Torsten Frings mit der U19-Jugendmannschaft von Werder Bremen trainiert, konstruiert Bild.de das:

Praktikant bei U19 statt Training mit den Profis Werder schiebt Frings ab

Das hat sich Torsten Frings (34) ganz anders vorgestellt… (…)

Praktikant bei U19 statt Training mit den Profis – Werder schiebt Frings ab! (…)

Ob ihm diese Lösung wirklich schmeckt? (…)

Heißt: Basisarbeiter in der Jugend statt wie erhofft Assistent von Thomas Schaaf.

Wann und ob Frings, der immer noch beim FC Toronto unter Vertrag ist, jemals geäußert hat, er wolle Assistent von Thomas Schaaf sein, erfährt man bei Bild.de nicht — ebensowenig wie das, was Frings selbst laut kreiszeitung.de zur Einigung sagt:

Nach einem Gespräch mit Sportchef Klaus Allofs hat Frings die U 19-Lösung akzeptiert. “Das ist eine neue Erfahrung für mich – und es ist okay”, meinte Frings gestern und ergänzte: “Ich wollte ohnehin nicht jeden Tag trainieren – und bei den Profis hätte ich das machen müssen.”

Schöner Einbrechen bei Facebook

Es ist eine beunruhigende Meldung, die Bild.de da verbreitet:

Facebook-Zahlen: Hacker knacken 600.000 Konten pro Tag

Die Meldung, die auch auf anderen Nachrichtenwebsites zu finden ist, stammt von der Nachrichtenagentur Global Press, die schreibt:

“Problemfälle” heißen sie offiziell bei Facebook – jeden Tag werden 600 000 Nutzer Opfer eines Identitätsdiebstahls, weil Hacker ihre Konten bei Facebook übernehmen.

Diese Zahl hat das größte soziale Netzwerk nun in einem Blog-Eintrag öffentlich gemacht und zugleich relativiert. Nur 0,06 Prozent aller täglichen Anmeldungen bei Facebook seien illegale Logins, da man jeden Tag rund eine Milliarde Zugänge zu registrierten Konten verzeichne. Das Netzwerk hat weltweit 800 Millionen Mitglieder.

Gehen wir mal der Reihe nach vor: Das Wort “Problemfälle” taucht in der Mitteilung von Facebook, die sich im wesentlichen um neue Sicherheits-Funktionen dreht, gar nicht auf. Auch die Zahl von 600.000 stammt nicht von Facebook selbst, sondern von verschiedenen Medien, die sie auf Grundlage einer Infografik von Facebook ausgerechnet hatten. Das war übrigens schon vergangenen Freitag, also in Internet-Zeit vor ein paar Monaten.

Das Wichtigste aber: Die Zahl von 600.000 steht nicht für geknackte Konten, sondern für die Versuche, Facebook-Konten zu knacken. Vereitelte Versuche, wohlbemerkt.

msnbc.com führt dazu aus:

Der Facebook-Blogeintrag enthält eine Infografik, die die erfolgreichen Bemühungen des Netzwerks darlegt, Spam, Konto-Entführungen und andere Übel zu bekämpfen. Darin sagt Facebook, dass nur “nur 0,06% der mehr als 1 Milliarde Logins pro Tag kompromittiert” seien. Die Seite sei in der Lage, die Anzahl der gestohlenen oder anderweitig gefährdeten Logins genau zu bestimmen, denn sie fordere die Möchtegern-Hacker mit zusätzlichen Authentifizierungsfragen heraus, indem sie Benutzer etwa bitte, Freunde auf Fotos zu identifizieren, sagte Sprecher Barry Schnitt.

“Das bedeutet, dass wir 600.000 mal am Tag einen Bösewicht davon abhalten, Zugriff auf ein Konto zu erhalten, obwohl er die Login-Daten und das Passwort eines Kontos erraten, ergaunert oder gestohlen hat”, sagt Schnitt. “Darauf sind wir sehr stolz.”

Eine unbekannte weitere Anzahl von Hack-Versuchen sei erfolgreich, sagte Schnitt, um hinzufügen, dass es sich dabei um “einen extrem geringen Prozentsatz” von Konten handle.

(Übersetzung von uns.)

Korrekterweise müsste die Überschrift also nicht “Täglich werden 600 000 Facebook-Konten geknackt” lauten, sondern “Täglich werden 600 000 Facebook-Konten nicht geknackt”. Denn die Anzahl der tatsächlich geknackten Konten kennt nicht mal Facebook. Sagen sie dort.

Mit Dank an Andreas N. und Josef Sch.

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