Archiv für Bild.de

Bild.de demütigt Timoschenko

Diese Aufnahme sorgt für einen Sturm der Entrüstung in der Ukraine. Darauf zu sehen: die inhaftierte Julia Timoschenko.

Sie liegt in einem Krankenbett im berüchtigten Lukjaniwska-Gefängnis in Kiew. Offenbar wurde sie gegen ihren Willen gefilmt.

Sie hebt die Arme, als wollte sie sagen: Lasst mich in Ruhe! Müsst ihr mich auch noch demütigen?

So weit die Ausführungen der Menschenrechtsaktivisten von Bild.de.

Das Demonstrativpronomen “diese” im ersten Satz ist dabei bewusst gewählt: Der Satz steht unterhalb eines Screenshots aus einem Video, in dem die inhaftierte Julia Timoschenko offenbar gegen ihren Willen gefilmt wurde.

Inhaftierte Oppositionspolitikerin: Ukraine demütigt Timoschenko mit Video-Aufnahme. Politikerin gegen ihren Willen im Krankenbett gefilmt. Diese Aufnahme sorgt für einen Sturm der Entrüstung in der Ukraine. Darauf zu sehen: die inhaftierte Julia Timoschenko.

Wir sind uns nicht sicher, ob die Redakteure von Bild.de den Rouge-Test bestehen würden.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Ups, verarscht

Keine Frau belügt dich so
wie Boulevardzeitung und Castingshow!
(Unbekanntes Niederrheinisches Sprichwort)

Millionen Eltern müssen ihren Kindern heute erklären, warum eine Zeitung auf ihrer Titelseite so ein böses Wort schreiben darf:

"The Voice": Nenas Liebling verarscht die Zuschauer

Wie hat es ein einzelner Castingshow-Kandidat geschafft, “Bild” derartig zu empören?

Für Nena (51) war er einfach nur “wow”. Von Xavier Naidoo (40) gab’s “volle Punktzahl”: Stefan Zielasko (31) lieferte bei der Castingshow “The Voice” eine Hammer-Show ab.

Doch jetzt fällt ein Schatten auf seinen tollen Auftritt: Nachdem Stefan ein Millionen-Publikum mit dem Song “Nur in meinem Kopf” begeistert hatte, befragte ihn die Jury vor laufenden Kameras.

Xavier Naidoo: “Singst du normal vor Publikum?”
Stefan: “Nein, ich hab überhaupt keine Bühnenerfahrung.”
Nena: “Wow”, alle Coaches applaudieren.
Juror Rea Garvey (38): “Dass du überhaupt keine Bühnenerfahrung hast, ist unfassbar. Wo hast du schon vorher gesungen? Überhaupt?”
Stefan: “Ich bin eigentlich hauptberuflich Lehrer an einer Schule in Moers und musiziere nur in meinem Zimmer – und in der Karaokebar zusammen mit meinem Kumpel Daniel…”

Was er NICHT sagte: 2004 schaffte es Stefan Zielasko bis ins Finale der Pro7-Castingshow “Popstars”, scheiterte knapp und kam nicht in die Band “Nu Pagadi”!

Nun muss in der Regel jeder Kandidat bei einem TV-Casting einen Fragebogen ausfüllen, auf dem er auch angeben muss, ob er bereits an ähnlichen Formaten teilgenommen hat. Sollte Stefan Zielasko seine “Popstars”-Teilnahme gegenüber den Produzenten von “The Voice Of Germany” geheim gehalten haben, könnten die ihn jetzt feuern.

Allein: Sie stärkten ihm den Rücken. Nachdem Bild.de gestern angefangen hatte, sich über die Geschichte zu empören, veröffentlichte das ProSieben-Webteam eine Stellungnahme auf Facebook:

Liebe Facebook-Freunde, es wird viel über den sagenhaften Auftritt von Stefan Zielasko spekuliert und diskutiert. Er hat uns wie euch begeistert und allen Coaches den Stuhl verdreht.

Wir möchten klarstellen: Stefan hat weder gegenüber der Produktion noch gegenüber den Coaches ein Geheimnis daraus gemacht, dass er schon mal Kandidat bei POPSTARS war.

Es gab nach seinem Auftritt folgenden Dialog:

Rea: Und du hast keine musikalische Erfahrung?
Stefan: Ich hab vor Jahren mal bei einer Castingshow mitgemacht, leider ohne Erfolg
Alle Coaches durcheinander: Ja Gott sei dank, deswegen bist du heute hier…ist doch cool…

Diesen Dialog haben wir in der Sendung nicht erzählt. Und das hat bei einigen im Netz Verwirrung gestiftet. Deswegen stellen wir das hier klar.

Nun würde der gemeine Mensch sagen: “Okay, da hat ProSieben also den Zuschauern eine Information vorenthalten.” Etwas krawallig eingestellte Medienjournalisten hätten vielleicht getitelt: “ProSieben verarscht die Zuschauer”.

Die “Hamburger Morgenpost”, die dem Kandidaten zunächst ebenfalls eine “freche Lüge” unterstellt hatte, hat die Geschichte heute mit der Stellungnahme von ProSieben aufgeklärt:

Zoff um angebliche Casting-Lüge: "The Voice"-Macher: Stefan ist unschuldig!

Auch Bild.de hat diese Stellungnahme inzwischen entdeckt, sich aber für eine etwas andere Erzählweise entschieden:

"The Voice": Kostet der Schwindel Kandidat Stefan die nächste Runde?

Mit Dank an noir und Simon W.

Mark Zuckerberg “privat”

Durch eine Sicherheitslücke bei Facebook war es offenbar “zeitweise möglich, in einigen Fällen an geschützte Bilder von Nutzern heranzukommen”. Es überrascht nicht, dass sich Facebook-Kritiker und -Gegner auf die Suche nach privaten Fotos von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg gemacht haben und fündig wurden — auf gewisse Weise war Zuckerberg ja selbst schuld an dem Vorfall und vielleicht führt dies auch zu einem Umdenken in Sachen Datenschutz bei Facebook.

Es überrascht auch nicht, dass Medien wie Bild.de die gefundenen Privatfotos in Bildergalerien verbraten und sie somit einer noch breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen.

Die Haltung von “Bild” und Bild.de zu Privatsphäre, Persönlichkeits- und Urheberrechten und verwandten Themenfeldern wurde dabei wohl selten besser in Worte gefasst als in dieser Bildunterschrift unter einem Foto, das Zuckerberg im Gespräch mit US-Präsident Barack Obama zeigt:

Präsident Privat: Warum dieses recht offizielle Foto vom Obama-Besuch im Privat-Archiv landete, bleibt offen

Dass Mark Zuckerberg das Foto einfach nicht mit jedem (darunter “Bild”) teilen wollte, scheint für die Internet-Ausschlachter der “Bild”-Familie undenkbar.

Warum wir dieses Foto dann trotzdem zeigen, hat einen einfachen Grund: Zuckerberg hat es selbst im Februar für alle sichtbar bei Facebook veröffentlicht — auch etliche andere Fotos, die Bild.de jetzt als “privat” anpreist, sind teils schon seit Jahren in öffentlichen Ordnern auf Zuckerbergs Facebook-Profil einsehbar.

Mit Dank an David, Steffi und Basti.

Bild.de, dapd  etc.

Heiteres Zahlenpiraten (2)

Am Wochenende hat die Piratenpartei in Offenbach ihren neunten Bundesparteitag abgehalten.

Oder in den Worten der Nachrichtenagentur dapd:

Nach ihrem sensationellen Wahlerfolg von Berlin kommen die Piraten am Wochenende erstmals zu einem Bundesparteitag zusammen.

(Freitag, 10.36 Uhr)

Piraten kommen zum ersten Bundesparteitag zusammen

Offenbach (dapd). Nach ihrem sensationellen Wahlerfolg von Berlin kommen die Piraten heute erstmals zu einem Bundesparteitag zusammen.

(Samstag, 00.15 Uhr)

Piraten kommen zum ersten Bundesparteitag zusammen

Offenbach – Nach ihrem sensationellen Wahlerfolg von Berlin kommen die Piraten heute erstmals zu einem Bundesparteitag zusammen.

(Samstag, 04.15 Uhr)

Diesen Irrtum hatte am Freitag bereits Bild.de begangen (BILDblog berichtete), was die Redakteure von Bild.de am Samstag nicht davon abhielt, so über den Parteitag zu berichten:

BILD.de berichtet vom ersten Bundesparteitag der Piraten in Offenbach

Die falsche dapd-Formulierung wurde bei den Online-Medien nur von “RP Online” übernommen, nach Angaben unserer Leser haben aber unter anderem die “Heute”-Nachrichten im ZDF, das “Morgenmagazin” der ARD und die “Newstime” auf ProSieben vom “ersten” Bundesparteitag der Piraten berichtet.

Mit Dank an Matthias M. und Stefan M.

Nachtrag, 6. Dezember: “RP Online” hat seine Einleitung unauffällig geändert. Sie lautet jetzt:

Nach ihrem sensationellen Wahlerfolg von Berlin kommen die Piraten am Wochenende erstmals wieder zu einem Bundesparteitag zusammen.

Heiteres Zahlenpiraten

Am Wochenende findet in Offenbach der Bundesparteitag der Piratenpartei statt.

Oder, wie Bild.de es formuliert:

Am Wochenende findet in Offenbach der erste Bundesparteitag der Piratenpartei statt.

Dieser Satz wäre dann richtig, wenn es die Bundesparteitage 2008 in Hannover und Bielefeld, den Bundesparteitag 2009 in Hamburg, die Bundesparteitage 2010 in Bingen und Chemnitz und den ersten Bundesparteitag 2011 in Heidenheim nie gegeben hätte.

Insofern ist auch die Eröffnung des Interviews mit dem Piratenpartei-Vorsitzenden Sebastian Nerz mindestens unglücklich:

BILD.de: Die Piraten chatten normalerweise im Netz über ihre politischen Ziele. Jetzt findet ihr Parteitag in der Stadthalle Offenbach statt. Ist das nicht altmodisch?​

Gerade noch richtig wäre der Satz von Bild.de vielleicht, wenn er so lautete:

Am Wochenende findet der erste Bundesparteitag der Piratenpartei in Offenbach statt.

Mit Dank an Andre S.

Nachtrag, 18.00 Uhr: Bild.de hat sich für diese kreative Neufassung entschieden:

Am Wochenende findet in Offenbach der erste Bundesparteitag der Piratenpartei statt – seit dem sensationellen Erfolg bei der Berlin-Wahl.

Und Katzen würden Whiskas kaufen (2)

Bei aller Kritik, die in den letzten Tagen auf ihn einprasselt, darf sich Karl-Theodor zu Guttenberg wenigstens über eine positive Schlagzeile freuen.

Bild.de berichtet heute:

Neue Umfrage 15 Prozent würden "Guttenberg-Partei" wählen
Der neuesten Forsa-Umfrage zufolge würden 15 Prozent der Deutschen eine “Guttenberg-Partei” wählen.

15 Prozent. Das klingt so, als ob eine Partei mit Karl-Theodor zu Guttenberg an der Spitze in etwa so stark wäre wie die Grünen in aktuellen Umfragen. Für eine neue Partei ist das durchaus ein stolzes Ergebnis.

Was Bild.de seinen Lesern allerdings verschweigt, ist wie diese 15 Prozent zustande gekommen sind. Die Frage, die Forsa stellte, lautete nämlich in etwa so: “Könnten Sie sich vorstellen, eine Partei zu wählen, deren Vorsitzender Karl-Theodor zu Guttenberg heißt?”

Das Problem bei dieser Art von Umfrage ist, dass das Ergebnis so gut wie nichts mit tatsächlich zu erwartenden Stimmen bei einer Wahl zu tun hat. Jeder Befragte verfügt praktisch über beliebig viele Stimmen. Denn es geht nur darum, ob man sich vorstellen (!) kann, (irgendwann einmal) eine solche Partei zu wählen. Die meisten der 15 Prozent können sich wahrscheinlich auch vorstellen, noch ganz andere Parteien zu wählen.

Die gleiche Nummer hatte “Bild am Sonntag” schon vor über einem Jahr mit einer “Thilo-Sarrazin-Partei” abgezogen und das Ergebnis von 18 Prozent als “Umfrage-Schock für Merkel und Gabriel” bezeichnet (BILDblog berichtete).

15 Prozent sind allerdings auch vergleichsweise niedrig, wenn man bedenkt, dass selbst eine Spaßpartei 18 Prozent bei einer solchen Umfrage ergattern konnte — ein Umstand, den jetzt etwa auch die Nachrichtenagentur AFP als Einordnungshilfe angibt:

Eine neue Partei hätte aber auch mit [zu Guttenberg] als Zugpferd der Umfrage zufolge begrenztes Potenzial: Nur 15 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich vorstellen könnten, eine “Guttenberg-Partei” zu wählen. So viel Zustimmung hätte demnach vor zwei Jahre aber auch Komiker Hape Kerkeling für eine Partei seiner Kunstfigur Horst Schlämmer bekommen.

Als kleines Schmankerl haben wir exklusiv noch einmal die “Wahlergebnisse” aller fiktiven Parteien der letzten Jahre zusammengefasst. Dass das Gesamtergebnis über 100 Prozent liegt, ist kein Zufall:

Mit Dank an Maik H.

Wetter, dass..?

Leiden auch Sie unter den “knackig kalten” Temperaturen und kommen Sie kaum noch mit der Beseitigung des “vielen Schnees” nach? Nein? Dann leben Sie offenbar in einem anderen Deutschland als dem, für das Bild.de und mopo.de vor viereinhalb Wochen einen “Horror-Winter” bzw. “Arktis-Winter” angekündigt haben:

Knackig kalt und viel Schnee In vier Wochen beginnt der Horror-Winter

Schnee-Chaos schon im November? Bald kommt der Arktis-Winter!

Unter Berufung auf den Wetterdienst donnerwetter.de behauptete Bild.de am 22. Oktober:

Er wird kommen. Mit Minusgraden und viel Schnee. Drei Monate lang. Und Ende November geht es schon los!

Bibber-Alarm: In vier Wochen beginnt der Horror-Winter!

(…) Der November startet wahrscheinlich noch sehr mild, so dass der Absturz der Temperaturen Mitte/Ende November recht heftig ausfällt. Wir erwarten dann sogar schon die ersten Schneefälle bis ins Flachland, sagen die Donnerwetter-Experten in ihrer Winter-Prognose.

Und mopo.de orakelte ähnlich dramatisch:

Minusgrade. Schnee. Glatteis. Und das für Monate! Der nahende Winter – wird er so schlimm wie im vergangenen Jahr? Droht uns gar ein echter Horror-Winter? Michael Klein von „Donnerwetter.de“ ist sich zumindest ziemlich sicher, dass es richtig kalt wird – und kündigt für November bereits das erste Schnee-Chaos an.

Bereits am 24. Oktober kommentierte Jörg Kachelmann die Vorhersagen von Bild.de und mopo.de in einem Video auf YouTube folgendermaßen:

Niemand weiß heute, wie der Winter wird. Was Sie da lesen ist alles Schwachsinn. Sie brauchen sich nicht zu beunruhigen. Kann sein, dass ein kalter Winter kommt, muss aber nicht. (…) Das Wetter weiß es im Moment selbst noch nicht. Leider sind wir in der Meteorologie noch nicht so weit, das so weit im Voraus vorhersagen zu können. Es gibt (…) kein anderes Land, in dem dieser Stuss abgedruckt wird.

Ähnlich formulierte es der Leiter des Institutes für Wetter- und Klimakommunikation auf wetterspiegel.de, als vor einem Jahr ähnliche Prognosen über den Winter 2010/11 aufgestellt wurden:

Frank Böttcher, Leiter des Institutes für Wetter- und Klimakommunikation und stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft in Norddeutschland, stellt klar: “Wir können heute seriös Wetterprognosen für ein paar Tage machen. Wie das Wetter in ein paar Wochen wird, wissen wir nicht.” (…) Mit dieser Art von Vorhersagen steigen nach Ansicht von Frank Böttcher diese unseriösen Propheten in die “Fußstapfen von Nostradamus” und verlassen den Boden wissenschaftlich gesicherter Prognosen. “Diese Kollegen bringen die Meteorologie in Verruf. Sie nutzen die Unkenntnis der Öffentlichkeit für große Schlagzeilen.”, so Böttcher.

Immerhin zeigt sich Bild.de flexibel. Nachdem dort noch vor einem Monat für Ende November Schneechaos angekündigt wurde, heißt es jetzt:

DER TROCKENSTE NOVEMBER ALLER ZEITEN Sandsturm-Warnung fürs Wochenende

Mit Dank an BJ.

Angst, Hass, Titten und der Wetterbericht

Die Berliner Band Die Ärzte hält nicht viel von der “Bild”-Zeitung. Sie hält auch nicht viel von der Leipziger Band Die Prinzen.

Aus diesem Dreieck ist jetzt eine Geschichte in der Leipziger Regionalausgabe von “Bild” entstanden:

Wegen Prinz Sebastian! "Ärzte" legen sich mit ihren Fans an

Die Ärzte sind Deutschlands berühmteste Spaß-Punk-Kombo – doch bei den Prinzen hört für sie der Spaß auf!

Unglaublich, aber wahr: “Den die ärzte ihr offizieller Fanclub” (die Band schreibt sich bescheidenerweise selbst klein) muss das “offiziell” ab sofort streichen, heißt jetzt “Die Ärzte Fanclub” (5560 Mitglieder). Auslöser: Ein Interview mit Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel im Fanclub-Magazin “Prawda”!

Bei Bild.de ist die Überschrift sogar noch ein bisschen eskalativer:

Wegen Interview mit Prinzen-Sänger: "Die Ärzte" zensieren ihre Fans

Tatsächlich scheint das Interview in der Fanclub-Zeitschrift ein Katalysator für die Umbenennung gewesen zu sein:

Ärzte-Manager Axel Schulz auf der Fanclub-Homepage (www.​daefc.​de): “Nach außen wird durch den Zusatz ‘offiziell’ unkorrekterweise vermittelt, der Fanclub würde die Meinung der Band wiedergeben. (…) Höhepunkt war sicherlich das Interview mit Sebastian Krumbiegel.”

So weit das Zitat in “Bild”.

Aus dem, was Schulz noch so schrieb, lässt sich gut erkennen, wie unpassend die “Bild”-Schlagzeile mit der “Zensur” ist:

Wir können und wollen euch die Inhalte der PRAWDA und des Newsletters nicht vorgeben, geschweige denn alle Texte vor Abdruck prüfen. Der mündige Fan ist uns wichtig! Deshalb hat sich das Management, auch im Namen der Band, entschlossen, sich von dem Titel “offiziell” im Fanclub zu verabschieden. Wir sind der Ansicht, dass wir alle davon profitieren werden. Ihr gelangt so zu mehr Unabhängigkeit und werdet als eigenständiges Sprachrohr der Fans wahrgenommen. Auch der Vorwurf der Kritiklosigkeit durch eine vermeintlich zu große Nähe zum Management lässt sich so entkräften.

Und ganz so herzlos, wie “Bild” es darstellt, scheinen Band und Management auch nicht zu sein:

Zudem werden wir die Kosten der Namensumstellung übernehmen, und die versprochenen Ticketvergünstigungen wie bisher beibehalten, so dass aus der Namensänderung den Fans keine Nachteile entstehen.

Auch der Fanclub selbst ist mit der neuen Situation nicht unglücklich, befreit es den Club doch aus einem Dilemma:

Wir können uns eine Fanclubarbeit, bei der jede Kleinigkeit (insbesondere, wenn sie nicht direkt die Band betrifft) dem Management vorgelegt und abgesegnet werden muss, nicht vorstellen, und wir sind auch nicht der Meinung, dass das in eurem Interesse wäre. Das Management teilt in dieser Hinsicht unsere Meinung.

Von der Seite der Mitglieder wiederum hören wir immer wieder die Aussage, dass der Fanclub zu unkritisch berichtet und als reines Promoorgan des Managements fungiert.

Mit Dank an Miguel.

Auf dem Boulevard wird schon Salz gestreut

So lag “Bild” gestern in Berlin am Kiosk:

So zeigt sich ein Berliner Abgeordneter im Internet

Im Inneren erklärte die Zeitung dann, wer der Abgeordnete ist (Simon Weiß von der Piratenpartei) und was er da auf dem Foto macht:

Ein junger Mann beugt sich über eine Linie weißes Pulver. An seine Nase hält er eine Papierrolle. Und deutet an, die weiße Substanz hochzuziehen als wäre es Kokain. Daneben steht ein Salzstreuer. Das Foto zeigt Pirat Simon Weiß (26), der im Abgeordnetenhaus sitzt. Er hat es über den Internetdienst Twitter veröffentlicht.

Bei Bild.de ging die Geschichte erst nach einer Drehung an der Meta-Schraube online und klang dann so:

Seine Idee: ein bisschen Drogen-Provokation. Wie originell!

Auf seinem Twitter-Account hat er ein neues Profilfoto eingestellt. Zu sehen: Simon Weiß, wie er seinen Kopf über eine Tischplatte beugt, mit der linken Hand hält er sich das linke Nasenloch zu, an das rechte Nasenloch drückt er eine Papierrolle, deutet an, eine helle Substanz hochzuziehen als wäre es Kokain. Links im Bild: ein Salzstreuer. Ha-ha!

Die Salz-Schnupf-Experten von Bild.de finden das offenbar nicht lustig:

Lustig hin, lustig her, Fakt ist: Der Landespolitiker täuscht eine Straftat vor.

Denn der Konsum von harten Drogen ist in Deutschland verboten!

Das stimmt so nicht: Der reine Konsum von Kokain ist in Deutschland nicht verboten, wohl aber der Besitz, die Herstellung oder der Handel (der Konsum ohne vorherigen Besitz ist natürlich ein wenig knifflig). Und unter “Vortäuschen einer Straftat” versteht man die Anzeige einer nicht begangenen Straftat wider besseres Wissen.

Simon Weiß zeigte sich angesichts der großen “Bild”-Geschichte über seine Person auf Twitter recht entspannt und wollte die Aktion als “privat betriebene Satire” verstanden wissen. Dem Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses, der bei Bild.de erklärt hatte, dass seines Erachtens “durch das Foto der Konsum von harten Drogen verharmlost wird”, warf Weiß vor, den “Stichwortgeber” für das “Hetzblatt” “Bild” zu “spielen”. Abschließend verwies er auf die Fotografin des Salzbildes, die “Bild” nach eigenen Angaben darauf hingewiesen hatte, dass die Zeitung das Foto nicht ohne weiteres hätte abdrucken dürfen.

Mit Dank an Brainfucker, Markus M. und Sebastian C.

Blättern:  1 ... 128 129 130 ... 173