Archiv für 6 vor 9

Mysteriöser AfD-“Wahlhelfer“, Filterblasen, Netflix-Blasphemie?

1. “Radikalisierung ist nicht erst durch das Internet entstanden”
(zeit.de, Lisa Hegemann)
Kommunikationswissenschaftlerin Merja Mahrt forscht seit Jahren zu Filterblasen und Echokammern. Im Interview mit “Zeit Online” erklärt sie unter anderem, wie Empfehlungsalgorithmen zur Entstehung von Filterblasen beitragen: “Schauen Sie sich ein Video auf YouTube an, schlägt Ihnen das Portal vor, was Sie sich als Nächstes anschauen könnten, oder startet vielleicht sogar automatisch den nächsten Clip. Solche Empfehlungsalgorithmen sind in der Regel darauf trainiert, mehr vom Gleichen zu zeigen — sie sind nicht darauf programmiert, einen breiten Überblick zu geben. Dadurch bestätigen auch sie uns möglicherweise in unseren Meinungen.”

2. Wer hinter dem “Wahlhelfer” in Thüringen steckt: Der Mr. X der “freien” Medien
(correctiv.org, Till Eckert & Marcus Bensmann & Ulrich Stoll)
T-online.de berichtete jüngst über eine AfD-nahe und äußerst dubiose Wahlkampfzeitschrift in Thüringen, bei der es sich um verdeckte Parteienfinanzierung beziehungsweise Wahlkampffinanzierung handeln könnte. “Correctiv” und “Frontal21” haben den Fall weiterverfolgt und sich auf die Suche nach dem im Impressum angegebenen Herausgeber “Hanno Vollenweider” gemacht. Keine einfache Aufgabe, denn “selbst gegenüber seinen Vertrauten soll der Mann nicht seinen tatsächlichen Namen preisgeben. In der an Irrungen und Wirrungen inzwischen reichen Spendenaffäre der AfD dürfte das ein Novum sein. ”

3. Nikolaus Blome verlässt “Bild”
(taz.de, Steffen Grimberg)
Die “taz” beschäftigt sich mit dem Ausscheiden des stellvertretenden Chefredakteurs Nikolaus Blome bei “Bild”. Ein Rückzug aus “persönlichen Gründen”, bei dem viele über die wahren Hintergründe spekulieren würden. Eine kleine Spitze hat die “taz” in der Bildzeile versteckt, in der es heißt: “Nicht gerade die intellektuelle Spitze des deutschen Politjournalismus: Nikolaus Blome”.

4. Sind Serien über Gott, Teufel und Paradies Blasphemie?
(evangelisch.de, Till Frommann)
Auf der Suche nach neuen Filmstoffen und frischem Serienmaterial kommen Streaminganbieter wie Netflix und Amazon auch auf Geschichten mit im weitesten Sinn religiöser Thematik. Sind solche Serien blasphemisch? Tragen sie gar zur Trivialisierung des christlichen Glaubens und der Bibel bei? Till Frommann hat sich mit Pfarrer Sascha Heiligenthal über Gott, die Welt und Popkultur unterhalten.

5. Freie Journalisten beklagen erschwerte Recherche
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 5:13 Minuten)
Vor einigen Wochen hat sich der Journalist Christian Gesellmann bei Facebook die Wut über das prekäre Leben als freier Journalist von der Seele geschrieben: “Wenn vom Zustand der Pressefreiheit in Deutschland die Rede ist, dann geht es meist um Bedrohung von Journalisten durch Neonazis oder Diskriminierung durch Behörden. Das gibt es alles, und es ist ein Problem. Aber was das viel größere, viel mehr Autoren und andere freie Berufe betreffende Problem ist: unanständig niedrige Honorare und die Arschloch-Zahlungsmoral unserer Auftraggeber.” Der Deutschlandfunk hat die Thematik aufgegriffen und lässt Fachleute wie die Journalistikprofessorin Wiebke Möhring sowie Carola Dorner von der Gewerkschaft Freischreiber zu Wort kommen.

6. Das Märchen vom royalen Märchen
(spiegel.de, Patricia Dreyer)
Als Meghan Markle sich in den britischen Prinz Harry verliebte, sei sie von ihren Freunden gewarnt worden: “Als ich meinen Mann kennenlernte, waren meine Freunde wirklich happy für mich, weil ich so glücklich war. Aber meine britischen Freunde sagten: ‘Er ist bestimmt ganz toll — aber du solltest ihn nicht heiraten, die Boulevardpresse wird dein Leben zerstören.'” Patricia Dreyer beschreibt bei “Spiegel Online”, welchem medialen Psychoterror und welchen Angriffen durch die Boulevardpresse das royale Paar ausgesetzt ist.

“Landolf Ladig” alias Björn Höcke, Neue Klima-Mythen, “Unkorrekt”

1. Andreas Kemper über “Landolf Ladig” alias Björn Höcke (AfD) – Jung & Naiv: Folge 442
(youtube.com, Tilo Jung, Video: 1:49:14 Stunden)
Tilo Jung hat mit dem Soziologen Andreas Kemper über antidemokratische Tendenzen in der AfD gesprochen. Ab Minute 50 erzählt Kemper, wie er herausgefunden habe, dass AfD-Politiker Björn Höcke unter dem Pseudonym “Landolf Ladig” rechtsextreme Schriften verfasst habe (Auszüge beim Zentrum für Politische Schönheit). Ein auf vielen Ebenen empfehlenswertes und erkenntnisbringendes Gespräch, das man sich auch gut im Politikunterricht der Schulen vorstellen kann.
Weiterer Lesehinweis: Von wegen “Nazi-Methoden”: Die falsche Inszenierung von Bernd Lucke als Opfer (uebermedien.de, Andreij Reisin).

2. Die neuen Klimawandel-Mythen
(scienceblogs.de/astrodicticum-simplex, Florian Freistetter)
Wissenschaftsjournalist Florian Freistetter beschäftigt sich regelmäßig mit den Mythen und Falschbehauptungen zu Klimawandel und Klimakrise. In seinem Artikel schreibt er über die “neuen Klimawandel-Mythen” und die dahinterstehende Weltsicht. Diese ließe sich wie folgt beschreiben: “Wir können so weiterleben wie bisher und müssen uns nicht ändern, da alle Aktionen zum Klimaschutz “in Wahrheit” falsch, unnötig oder unwirksam sind. Es gäbe keinen Grund für Aufregung; es würde schon alles irgendwie gut gehen; in der Zukunft lasse sich das alles regeln und in der Gegenwart können wir uns daher entspannen. Was meiner Meinung nach ganz großer Quatsch ist.”
Weiterer Lesehinweis: In einem Gastbeitrag für “Spiegel Online” erklärt Klima- und Meeresforscher Stefan Rahmstorf: Darum schweigt die Bundesregierung zur wichtigsten Zahl beim Klimaschutz. Rahmstorfs Vorwurf: Deutschland genehmige sich besonders viel vom knappen Emissionsbudget: “Konkret bedeutet dies, dass wir fast doppelt so viel des CO2-Budgets beanspruchen, wie unserem Anteil an der Weltbevölkerung (1,1%) entspricht. So sieht es auch mit unseren aktuellen Emissionen aus: die sind pro Kopf doppelt so hoch wie im Weltdurchschnitt.”

3. Ahnungslose Polizisten
(djv.de, Hendrik Zörner)
Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten-Verband zeigt sich verwundert über einen Polizisten auf der Frankfurter Buchmesse, der sich in einem Streit zwischen dem rechtsextremen Verleger Götz Kubitschek und einem Pressefotografen auf die Seite des Verlegers geschlagen habe: “Offen ist die Frage, warum die Frankfurter Polizei Beamte zur Buchmesse schickt, die nur rudimentäre Kenntnisse vom Presserecht haben.”

4. Schwarze Balken statt Schlagzeilen
(taz.de, Urs Wälterlin)
In Australien haben Medien in einer gemeinsamen Aktion gegen die wachsende Einschränkung der Pressefreiheit protestiert und zensierte Titelseiten mit schwarzen Balken abgedruckt. Viele der mittlerweile über 75 sogenannten Sicherheitsgesetze, die nach den Anschlägen in New York erlassen worden seien, würden die Arbeit von Journalisten erschweren oder verunmöglichen.
Weiterer Tipp: Stefan Fries kommentiert im Deutschlandfunk (Audio: 3:18 Minuten): “Die Kampagne ist auch deshalb ungewöhnlich, weil zwischen den großen Medienhäusern in Australien normalerweise starke Konkurrenz herrscht. Dass sie sich jetzt zusammentun, sollte die australische Regierung alarmieren, die die Proteste bisher nicht sonderlich ernstgenommen hat.”

5. Nuhr & Ökogans: Die Welt der Greta-Hasser anhand der Kolumne “Unkorrekt”
(volksverpetzer.de, Natascha Strobl)
Der selbsternannte “unkorrekte” österreichische Journalist Heinz Sichrovsky arbeitet sich in der “Kronen Zeitung” regelmäßig an den “Korrektheits-Ayatollahs, Umweltblockwarten und Geschlechtsverkehrsregulatoren” (Pressetext zur Buchpräsentation) ab. Aktuell in einer Kolumne, in der er auf wirre Weise Greta Thunberg, Recep Tayyip Erdogan, Jan Böhmermann und Dieter Nuhr zusammenrührt und gegen “Teenie-Ayatollahs” hetzt. Natascha Strobl kommentiert: “Alles in allem haben wir hier einen völlig ungefilterten und durch Verankerung in der Realität unberührten Gedankenstrom eines Mannes, der den Grip in der jetzigen Zeit verliert und damit nicht klar kommt. Statt scharfer Analyse oder Kritik wird versucht, sich die Welt einfach zurecht zu zimmern.”

6. Qualitätsramsch
(sueddeutsche.de, Jürgen Schmieder)
Die legendäre Zeitschrift “Sports Illustrated” hat mit Ross Levinsohn einen neuen Chef, und der will alles anders machen. “Aus der Sportjournalismus-Ikone soll eine billige Inhaltsfabrik werden”, wie es Jürgen Schmieder in der “Süddeutschen Zeitung” beschreibt. Dazu habe man die Hälfte der Vollzeit-Redakteure rausgeschmissen, an deren Stelle eine Hundertschaft freier Mitarbeiter treten soll. Guter Journalismus werde dort zukünftig nicht stattfinden, dieser sei von Levinsohn schlicht nicht gewollt: “Er will Ramsch produzieren und ihn unter Sports Illustrated als Qualität verkaufen.”

Des “Spiegels” Umgang mit Moreno, Schweigende Verlage, Gendertracker

1. Was für eine großartige Geschichte!
(faz.net, Anna Vollmer)
Es klingt in der Tat ziemlich bizarr, was Anna Vollmer von Juan Morenos Buchmessen-Gespräch mit Clemens Höges, Mitglied der “Spiegel”-Chefredaktion, über die Causa Relotius berichtet, und das liegt nicht an Moreno: “Wie Höges da sitzt und Moreno die Schuld an der Krise seines Hauses gibt, dabei aber gleichzeitig zu versuchen scheint, diese irre Geschichte dann doch noch irgendwie als Aufdeckung des “Spiegels” zu verkaufen, denn dort ist sie ja schließlich erschienen, ist einigermaßen erstaunlich.” Das Ganze ist jedoch noch steigerungsfähig: “Zwei Stunden zuvor, beim Gespräch mit der “Süddeutschen”, war Moreno gefragt worden, ob ihm der “Spiegel” nach der Enthüllung des Skandals nicht eine Festanstellung angeboten habe. Die Antwort lautet: “Nein”. Er hätte, sagte Moreno, ein solches Angebot vermutlich angenommen.”
 PS: Besagtes Interview der “Süddeutschen” mit Juan Moreno gibt es hier zum Nachhören: “Irgendwann ist man in der Situation, dass man den für von Gott geküsst hält” (sueddeutsche.de, Detlef Esslinger, Audio: 33:37 Minuten).

2. Die Vorwürfe von BDZV-Präsident Döpfner und das Schweigen der Zeitungsverlage
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Mathias Döpfner hat unlängst einen Leitartikel veröffentlicht, der auf irritierende Art und Weise mit den Medien ins Gericht ging. Das ist bemerkenswert, weil Döpfner nicht nur Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE, sondern auch Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) ist. “Übermedien” hat bei führenden Medienhäusern um Stellungnahmen gebeten. Nur bei einem der Verlage habe es etwas wie leisen Widerspruch zu Döpfners Ausführungen gegeben. Boris Rosenkranz kommentiert: “Was interessant ist: Der BDZV-Chef unterstellt, ganz pauschal, viele Medien würden nicht die Realität beschreiben, sondern verschweigen und verharmlosen, was so ungefähr auch im Glaubensbekenntnis von AfD-Anhängern steht — doch keiner der angefragten Verlage protestiert laut dagegen. Die meisten schweigen, wollen drüber nachdenken, fühlen sich nicht angesprochen oder regeln das intern.”

3. SWR-Archiv online: Audiovisuelle Dokumente für eine eindrückliche Beschäftigung mit der Geschichte
(irights.info)
Der Gedanke liegt nahe, dass öffentlich-rechtliche Sender ihre Produktionen in Zeiten des Internets auch über den Ausstrahlungstermin hinaus zur Verfügung stellen. Der Südwestrundfunk (SWR) hat kürzlich damit begonnen, zunächst Nachrichtenbeiträge aus den 50er- und 60er-Jahren sowie einige Bildungs- und Unterhaltungsformate online zu stellen. iRights.info hat sich mit der SWR-Dokumentarin Rabea Limbach über das Vorhaben und dessen Wert für die Gesellschaft unterhalten.

4. Springer hält mehr Anteile als gedacht an Steingarts Firma
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Mit einiger Spannung wartet die Medienbranche auf Gabor Steingarts neues Medienprojekt: 2020 will Steingart mit seinem Team auf einem Redaktionsschiff durch das Regierungsviertel schippern und von dort über die Tagespolitik berichten. Vor einiger Zeit wurde bekannt, dass Steingart Anteile seines Unternehmens Media Pioneer Publishing an den Axel-Springer-Konzern veräußert hat. Dabei handele es sich um etwa 46 Prozent, was zehn Prozent mehr seien als bislang angenommen.

5. Bund prüft staatliche Unterstützung für Zeitungszustellung
(wuv.de)
Seit die Verlage ihren Zustellerinnen und Zustellern den gesetzlich garantierten Mindestlohn zahlen müssen, ist ein neues Klage- und Jammerfeld eröffnet. BDZV-Präsident Mathias Döpfner habe die Zustellung von Zeitungen gar als “brennendstes Thema” bezeichnet. Nun prüfe das Bundesministerium für Arbeit und Soziales “eine Unterstützung der Zeitungszustellung”. Im Rahmen einer Studie wolle das Ministerium zunächst “Handlungsoptionen aus einem internationalen Politikvergleich eruieren.”

6. Fehlen Ihnen die Frauenstimmen in der Berichterstattung?
(deutschlandfunk.de, Bettina Köster, Audio: 14:59 Minuten)
Der schwedische Gendertracker (“Gender Equality Tracker”) analysiert Medien und misst, wie oft Frauen in deutschen Nachrichtenmedien genannt werden. Im Schnitt seien rund zwei Drittel der erwähnten Personen in deutschen Tageszeitungen männlich. Führend bei der Erwähnung weiblicher Personen seien oft “taz” und “Wirtschaftswoche”. Das Schlusslicht werde häufig von der “Welt” gebildet.

“Bild” und “Welt” verlieren, Mario Barths Versagen, Euphemismen

1. “Bild” und “Welt” rutschen ab, “Spiegel” und “Focus” stabil
(dwdl.de, Alexander Krei)
Die neuen Quartalszahlen der Printmedien weisen teilweise schwere Auflagenverluste aus. Besonders gebeutelt sind die zwei Flaggschiffe des Axel-Springer-Konzerns: “Bild” habe im Vergleich zum Vorjahr 9,6 Prozent verloren. Bei der “Welt” sei es sogar ein Rückgang um 13,1 Prozent. Verloren habe auch die “FAZ”. Zu den “Gewinnern” kann man “Handelsblatt”, “Spiegel”, “Focus” und “Zeit” rechnen, die ihre Auflagen halten oder sogar leichte Zuwächse verzeichnen konnten.

2. Ein russischer Milliardär stiftet sich den grössten Journalismuspreis der Welt
(medienwoche.ch, Herwig G. Höller & Benjamin von Wyl)
Eine halbe Million Franken lässt sich ein russischer Milliardär den nach ihm benannten Journalismuspreis “Fetisov Journalism Awards” kosten. Was bewegte den Superreichen zu dieser Tat? Es hat etwas mit seiner Biographie, politischen Umständen und dem Verlangen nach Reputation zu tun. Aber warum die Schweiz, warum nur englischsprachige Beiträge, und was hat es mit den zwei kontroversen Jury-Mitgliedern auf sich? In ihrer spannenden Recherche sind Herwig G. Höller und Benjamin von Wyl all diesen Fragen nachgegangen.

3. “Journalisten sind wie Junkies” – #5 | Rekonstruktion eines Medienversagens
(ardaudiothek.de, Bastian Berbner & Alexandra Rojkov, Audio: 49:33 Minuten)
In der aufwändigen und journalistisch sorgsam produzierten Podcastreihe “180 Grad: Geschichten gegen den Hass” (NDR Info) geht es um die Frage, warum Populismus, Hass und Intoleranz immer mehr zunehmen und fast zu einer Spaltung der Gesellschaft führen. Die aktuelle Folge ist die “Rekonstruktion eines Medienversagens”. Es geht um die angebliche “Massenbelästigung” im Kieler Sophienhof, einem Einkaufszentrum in der Innenstadt: “Als Oliver Pohl seinen Job als Pressesprecher der Kieler Polizei antritt, nimmt er sich vor, so transparent wie möglich zu sein. Er will den Journalisten sagen, was er weiß und darauf vertrauen, dass sie vernünftig mit den Informationen umgehen. Genau das macht er am Morgen des 26. Februar 2016 und bringt so einen Strudel aus Hysterie und Rassismus in Gang, der ihn zu dem macht, was er nie sein wollte.”

4. Friedliche Worte für Krieg
(taz.de, Eric Wallis)
Viele Redaktionen tun sich schwer, einen Krieg einen Krieg zu nennen, und verwenden stattdessen lieber Umschreibungen wie “Militäreinsatz”. So auch beim jüngsten Fall des “völkerrechtswidrigen Angriffskriegs” der Türkei gegen die Kurden im benachbarten Syrien, wie es Eric Wallis beispielsweise eher bezeichnen würde: “Das Wort “Militäreinsatz” ist ein Euphemismus und enthält den Rezipienten im Falle von Nordsyrien die entscheidende Kriegsbotschaft vor. Unter Militäreinsatz firmiert schließlich auch das Sandsäckeschleppen beim Oderhochwasser oder das Eskortieren von Handelsschiffen.”

5. Medizinische Fakten mit Mehrwert
(fachjournalist.de, Ulrike Bremm)
Das Magazin “Fachjournalist” hat sich mit dem freien Medizinjournalisten Christoph Specht über seine Arbeit für n-tv, RTL oder das ZDF unterhalten. Eine abwechslungsreiche Tätigkeit mit teilweise minimalen Vorbereitungszeiten. Im Gespräch geht es um die immer wiederkehrenden Schwerpunktthemen, die laiengerechte Aufbereitung und Vermittlung, Recherchemethoden und Werte wie Objektivität und Neutralität. Es lohnt sich, das Interview komplett zu lesen. Zum Ende hin erklärt Specht mit einfachen Worten, warum die unterschiedlichen Statements von WHO-Instituten zu Glyphosat nur scheinbar so unterschiedlich ausfielen.

6. Mario Barth rechnet das Elektroauto kaputt – ein Versagen in 3 Akten
(watson.de, Philip Buchen)
“Mario Barth deckt auf” heißt das pseudoaufklärerische RTL-Format, in dem der Comedian den dauerempörten und staatsverdrossenen Wutbürger mimt und vermeintliche Skandale aufdeckt beziehungsweise Missstände zu Skandalen hochjazzt. In seiner jüngsten Sendung ging es unter anderem um die Öko-Bilanz von Elektroautos. Dabei hat sich Barth anscheinend tüchtig verrechnet, Fakten falsch präsentiert und einseitig Experten befragt.
Weiterer Lesehinweis: Christian Vock kommentiert bei web.de: “Hier wird nicht fein differenziert, sondern möglichst grob drauflos geklopft. Hauptsache am Ende steht das Bild von “denen da oben” und “uns da unten”. Glaubt man Barths Gesellschaftszeichnung, werden “wir” von lauter unfähigen Politikern und bekloppten Bürokraten regiert, drangsaliert und ausgenommen. Kennste, wa, kennste?”

Gartentor Handke, “Titanic”-Briefe, “Vertrautheit schafft Vertrauen”

1. “Stellt mir nicht solche Fragen”: Peter Handke kritisiert Medien
(kurier.at, Georg Leyrer)
Der Nobelpreisträger Peter Handke will “nie wieder” Journalistenfragen beantworten. Das hat etwas mit der öffentlichen Kritik an ihm, aber auch mit einem Gartentor, Homer und Cervantes zu tun: “Ich stehe vor meinem Gartentor und da sind 50 Journalisten und alle fragen nur wie Sie. Von keinem Menschen, der zu mir kommt, höre ich, dass er sagt, dass er irgendwas von mir gelesen hat.  Es sind nur die Fragen: Wie reagiert die Welt? Reaktion auf Reaktion auf Reaktion. Ich bin ein Schriftsteller, ich komme von Tolstoi, ich komme von Homer, ich komme von Cervantes. Lasst mich in Frieden und stellt mir nicht solche Fragen”.

2. Die Gutsherren legen die Axt an
(kontextwochenzeitung.de, Josef-Otto Freudenreich)
Bei der Südwestdeutschen Medienholding sollen tiefe Einschnitte anstehen: Gleich vier Redaktionen sollen geschlossen werden. Das wird einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Job kosten, wie “Kontext”-Autor Josef-Otto Freudenreich nach einem Gespräch mit einem Verdi-Vertreter befürchtet: “Die Gewerkschaft spricht von 40 bis 45 Stellen, die in der 270-köpfigen StZN-Redaktion gestrichen werden sollen. Als sicher gelte, dass in einem ersten Schritt die Außenredaktionen in Esslingen, Böblingen, Waiblingen und Göppingen geschlossen werden. Nach Kontext-Informationen müssen StZ [“Stuttgarter Zeitung”] und StN [“Stuttgarter Nachrichten”] auch jeweils drei ihrer zwölf sogenannten Exklusiv-Autoren einsparen.”

3. Das sind Twitters neue Regeln für Staatschefs
(spiegel.de)
In einem Blogpost will Kurznachrichtendienst Twitter “klarstellen, dass die Accounts von politischen Führungspersonen nicht komplett über unseren Regeln stehen”. Die entscheidende Formulierung ist dabei das “nicht komplett”, denn man lässt den Staatslenkern dennoch eine Menge durchgehen und wählt als Sanktion, außer bei Extremfällen, höchstens eine Einschränkung der Verbreitung.

4. “Bild TV” ist das Volk
(deutschlandfunk.de, Arno Orzessek, Audio: 4:17 Minuten)
Der Axel-Springer-Konzern will mit “Bild TV” noch stärker ins Fernsehgeschäft einsteigen. Arno Orzessek hat verfolgt, was “Bild”-Boss Julian Reichelt zu dem Thema gesagt hat und ist sich sicher: “Falls “Bild TV” ein ähnliches Bild vom Erleben der Menschen abbildet wie die “Bild”-Zeitung, und Sie zu diesen Menschen gehören, dann werden Sie entdecken: Sie sind voller Ressentiments! Sie verleumden, wenn es Ihnen passt! Sie nehmen es mit den Fakten nicht so genau! Sie mischen sich in Dinge ein, die Sie nichts angehen. Und so weiter.”

5. Jan Hofer: “Vertrautheit schafft Vertrauen”
(haz.de, Imre Grimm)
Imre Grimm hat sich mit der “Tagesschau”-Institution Jan Hofer unterhalten. Der 69-jährige Chefsprecher arbeitet dort seit stolzen 34 Jahren und weiß daher gut über die Konstanten und Wechsel im Nachrichtenbusiness Bescheid. Im Gespräch geht es nicht nur um die Sendung, sondern auch ihre Auswirkungen auf sein Privatleben: “Ich passe höllisch auf, dass meine Kinder nicht in die Presse kommen. Aber wenn es bei mir privat nicht so gut läuft, habe ich wochenlang die Boulevard-Typen vor der Tür stehen. Das ist alles nicht so angenehm. Damit muss man aber fertig werden.”
Weiterer Lesetipp: Grimm hat auch die “Tagesschau” besucht und dabei “ins Herz einer deutschen TV-Institution” geblickt.

6. 40 Jahre TITANIC – 40 Jahre zufriedene Leser Teil 1
(youtube.com, Caricatura – Museum für Komische Kunst, Video: 2:55 Minuten)
“Titanic”-Titelbilder lösen nicht immer vorbehaltlose Zustimmung aus, um es vorsichtig auszudrücken. In einem kurzen Video tragen Redakteurinnen und Redakteure des Satire-Magazins Zuschriften von Leserinnen und Lesern vor, die emotional besonders aufgewühlt waren.

Dubiose Wahlzeitschrift, Hart aber unfair, Post für Dieter Nuhr

1. Dubiose Zeitschrift macht Wahlwerbung in Thüringen
(t-online.de, Jonas Mueller-Töwe & Sarah Thust & Jan-Henrik Wiebe)
Reporter von t-online.de wollten wissen, wer hinter einer Wahlkampfzeitschrift in Thüringen steckt. Das Impressum gab darüber keine echte Auskunft. Nach einiger Recherchearbeit lichtete sich der Nebel: “Bei dem Herausgeber der Zeitschrift handelt es sich also zusammenfassend um eine Gruppierung mit unklarer Rechtsform und virtueller Adresse im Impressum, die sie laut Anbieter fälschlicherweise als ladungsfähige Adresse angibt. Trotz angeblich überparteilicher Ausrichtung sind die Autoren rechte Publizisten. Fragen zur Finanzierung der Auflage mit angeblich 500.000 Exemplaren will Sprecher Vollenweider nicht beantworten. Ist das Blatt nach zahlreichen Spendenskandalen der Partei eine erneute intransparente Wahlkampfhilfe für die AfD?”

2. Wir lassen das nicht stehen
(spiegel.de, Jonas Leppin)
In der ARD-Talkshow “Hart aber fair” wurde eine antisemitische Zuschauermail vorgelesen, die von Moderator Frank Plasberg mit den Worten “Wir lassen das einfach mal stehen” kommentiert wurde. Jonas Leppin kritisiert diese Vorgehensweise: “Mag sein, dass es ein redaktionelles Konzept ist, Zuschauermails unkommentiert zu lassen. Dann ist es ein schlechtes Konzept. Es wäre Aufgabe von Frank Plasberg gewesen, als Moderator diesen Kommentar einzuordnen. Ihn zu dechiffrieren und nicht so zu tun, als wäre Antisemitismus eine durchaus interessante Perspektive, die als eine von vielen die Diskussionsrunde bereichert.”

3. 380 Euro pro Stunde für Abwehr von Pres­se­an­fragen
(lto.de, Markus Sehl)
Einige Behörden und Ministerien beantworten Presseanfragen nicht selbst, sondern übergeben sie dem Rechtsanwalt. Und damit ist nicht etwa der hauseigene Justitiar gemeint, sondern externe Kanzleien, die sich ihre Dienste teuer bezahlen lassen: Zwischen 250 und 380 Euro pro Stunde geben Ministerien dafür aus, dass andere ihnen die lästigen Presseanfragen vom Hals halten. Das meiste Geld für juristische Türsteher investiert übrigens das Bundesamt für Verfassungsschutz.

4. Kommt die Swiss ID als gemeinsames Medien-Login der Schweizer Verlage?
(medienwoche.ch, Nick Lüthi)
Die großen Schweizer Verlage haben sich zu einer Digital-Allianz zusammengetan. Das Ziel: Die gemeinsame Etablierung einer verlagsübergreifenden Login-Pflicht für Onlineinhalte. Leserinnen und Leser sollen sich nach einer einmaligen Registrierung bei allen Medienmarken der beteiligten Unternehmen einloggen können. Als Basis soll die sogenannte “Swiss-ID” dienen, und das ist äußerst umstritten. Nick Lüthi kommentiert: “Wenn die Swiss Sign Group ihren Ruf als vertrauenswürdiger Login-Anbieter wahren will, dürfte sie ihre Swiss ID eigentlich nicht den Medien anbieten — erst recht nicht, wenn das Konsortium in Zukunft die elektronische Identitätskarte herausgeben will.”

5. Lieber Dieter Nuhr …
(facebook.com, Joshua Ben)
Satire darf alles, so heißt es manchmal. Gefährlich wird es jedoch, wenn Satire mit falschen oder ungeeigneten Zahlen operiert und Fakten verdreht, um Gags zu konstruieren. Joshua Ben erklärt dem Kabarettisten Dieter Nuhr die tatsächliche Datenlage und schließt mit den Worten: “Entschuldige, dass ich die Aussagen bei Deinen Auftritten so ernst genommen habe. Ich konnte ja nicht ahnen, wie egal Dir die tatsächlichen Daten sind. Aber kannst Du mir einen Gefallen tun? Berufe Dich doch bitte nicht andauernd auf Wissenschaftler, wenn Du offensichtlich nicht den blassesten Schimmer hast, was die Wissenschaftler (und #FFF) überhaupt empfehlen oder fordern.”
Weiterer Lesehinweis: Der “6 vor 9”-Kurator hat auf die Zusammenarbeit von Dieter Nuhr und Alice Schwarzers “Emma” mit diesem Rant reagiert.

6. Klatschtrottel vergiften Schönebergers Ehe
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Mats Schönauer ist der offizielle Regenbogenpressebeauftragte des medienkritischen Portals “Übermedien”. Dort ruft er regelmäßig zum “Schlagzeilenbasteln” auf: “Hätten Sie das Zeug, Redakteurin oder Redakteur bei der Regenbogenpresse zu werden? Finden Sie es heraus! Wir geben Ihnen eine Nachricht, und Sie versuchen, eine titelseitentaugliche Schlagzeile daraus zu basteln.”

Schlechtwetter bei Wetterexperten, Airbus-Pöbel-Beauftragter, Fortnite

1. “Frei erfunden”? Jörg Kachelmann streitet mit dem rbb übers Wetter
(uebermedien.de, Constantin Pläcking)
Wenn im Wetterbericht von “aktuellen Temperaturen” die Rede ist, gehen viele davon aus, es handele sich um tatsächlich erhobene, also gemessene Daten. Oftmals basieren die Werte jedoch nicht auf Messstationen, sondern werden rechnerisch per Interpolation erhoben. Über die Seriosität dieser Methode ist zwischen Meteorologe Jörg Kachelmann und dem rbb ein heftiger Streit entbrannt. Constantin Pläcking von der Initiative für glaubwürdiges Radio “Fairradio” sortiert auf “Übermedien” Positionen und Argumente.

2. Warum wir vom “sogenannten Wirtschaftsnobelpreis” sprechen
(deutschlandfunk.de, Tanja Köhler)
Dieser Tage wurde in den Medien viel über die Verleihung des “Wirtschaftsnobelpreises” berichtet. Das Problem: Einen “Wirtschaftsnobelpreis” gibt es nicht. Es handelt sich vielmehr um einen Preis, der parallel zu den Nobelpreisen verliehen wird. Anlass für den Deutschlandfunk, einige grundsätzliche Überlegungen zur Nachrichtensprache anzustellen. Und im konkreten Fall? Da spricht man lieber vom “sogenannten Wirtschaftsnobelpreis”.

3. Airbus’ Lobby-Chef bedroht Aktivisten
(taz.de, Malte Kreutzfeld)
Auf Twitter kam es zu einem irritierenden Pöbelanfall des PR-Chefs Public-Affairs-Chefs von Flugzeughersteller Airbus: Der Öffentlichkeitsarbeiter Lobbyist bedrohte und beleidigte Aktivistinnen und Aktivisten der Klimaschutzbewegung Extinction Rebellion. Sie mögen sich ihm besser nicht in den Weg stellen. Bei einer Blockade würde er “alles tun, was nötig sei”. In weiteren Tweets verglich er die bislang stets friedlich auftretenden Klimaschützer mit Nazis und antwortete einem Kritiker mit: “Komm her, wenn Du Eier hast”.
Nachtrag: Bei der “taz” hieß es zuerst, es handele sich um den PR-Chef von Airbus. Das hatten wir hier so übernommen. Inzwischen hat die Redaktion sich korrigiert: Es handelt sich um den Verantwortlichen für “die sogenannten Public Affairs des Konzerns in Deutschland — das sind die Kontakte zu Regierungen, Parteien und politischen Organisationen, also die Lobby-Aktivitäten des Unternehmens.”

4. Sprachverschmutzung: “Ethnische Säuberung”.
(kohlenspott.de, Lothar Lange)
Kohlen(s)pott-Blogger Lothar Lange ist entsetzt, dass in einem Interview bei Tagesschau.de in Zusammenhang mit der Vertreibung der Kurden von einer “ethnischen Säuberung” die Rede ist: “Wie verroht muss man sein, wenn man die gewaltsame Vertreibung von Menschen, die sie in unvorstellbar größte Ängste und Nöte bringt, als “Säuberung” bezeichnet — wie das Entfernen von Schmutz, Dreck oder Müll? Menschendreck also? Wie kann man es zulassen, dass sich ein solch menschenverachtender Begriff, wie “Ethnische Säuberung” so etablieren konnte?”

5. Wie Klaus Hermann und Christoph Dichand …
(twitter.com/florianklenk)
“Falter”-Chefredakteur Florian Klenk ist in einer Kolumne der österreichischen “Kronen Zeitung” auf unsägliche Weise angegriffen und beleidigt worden. Nun haben sich die “Kronen”-Chefs in einem Schriftstück hinter ihre Austria-Version des “Bild”-Kolumnisten Franz Josef Wagner gestellt. Und mit weiteren Angriffen nachgelegt.

6. Einfach mal selbst abschalten
(sueddeutsche.de, Jürgen Schmieder)
Spielehersteller Epic habe im vergangenen Jahr stolze drei Milliarden Dollar Profit erwirtschaftet. Ein großer Teil davon beruhe auf dem Erfolg des mittlerweile 250 Millionen Mal heruntergeladenen Spiels Fortnite. Angesichts des wirtschaftlichen Erfolgs ist es besonders bemerkenswert, wenn auf einmal die Spieleserver nicht erreichbar sind. Doch es spricht einiges dafür, dass Epic die Zwangspause aus Kalkül eingelegt hat, wie Jürgen Schmieder in der “Süddeutschen” berichtet.

Wirres Manifest, Handke-Gedanken, Millionenschwere Abzock-App

1. Ein wirres Manifest
(neues-deutschland.de, Leo Fischer)
Leo Fischer kommentiert den “Welt”-Leitartikel (mittlerweile hinter der Paywall) von Springer- und Verlegerchef Mathias Döpfner zum Terror-Anschlag in Halle: “Jahrelang hat Springer gezündelt und im rechten Milieu gefischt. Nun soll ausgerechnet ein rechtsradikales Attentat dafür sorgen, dass hier die letzten eventuell noch vorhandenen Schranken fallen — mit Thesen zur Migration, die der Attentäter von Halle wahrscheinlich vollinhaltlich unterschreiben könnte. Springer braucht die Rechte — die Rechte aber braucht Springer nicht. Dort spürt man, dass da einer verzweifelt ist, und bastelt lieber weiter am eigenen Medienimperium.”
Auch im eigenen Haus bekommt Döpfner (leichten) Gegenwind. Deniz Yücel schreibt: “Die jeweiligen Probleme muss man präzise benennen, weil es ohne den richtigen Befund keine Lösungen geben kann. Aber nichts davon sollte man gegeneinander aufrechnen. Nicht, weil man es nicht darf. Sondern weil es der Sache nicht gerecht wird. Und nicht hilft.”
Weiterer Lesehinweis: Der Kinderarzt und Autor (“Erziehung prägt Gesinnung”) Herbert Renz-Polster schreibt über das, Was wir von einem “Loser” lernen können: “Schutz vor Hass bildet sich dort, wo Kinder lernen, anderen Menschen angstfrei, empathisch und zugewandt zu begegnen. Schutz vor Hörigkeit bildet sich dort, wo Kinder mündig und selbstbewusst werden können. Schutz gegen Vorurteile und Ausgrenzung bietet nur die gelungene menschliche Entwicklung.”

2. Bischof verschwieg rechtsextreme Texte
(tagesschau.de, Arnd Henze)
Fassungslos fragt man sich beim Lesen dieses Textes, wie es dazu kommen konnte, dass ein Mann wie Carsten Rentzing überhaupt sächsischer Landesbischof werden konnte. Nach Informationen des WDR habe Rentzing schon während seines Studiums als Redakteur einer extrem rechten Zeitschrift gearbeitet und dort antidemokratische Beiträge verfasst. Immer wieder fänden sich rassistische und völkische Gedanken in den Aufsätzen. Nachdem Rentzing zunächst eine förmliche Distanzierung abgelehnt hatte, ist er nun zurückgetreten — um “Schaden von meiner Kirche abzuwenden”.

3. Worum es bei Handke alles nicht geht
(medium.com, leonceundlena)
BloggerIn Leonceundlena sortiert, worum es bei der Nobelpreisverleihung an Peter Handke alles nicht und worum es tatsächlich gehe: “Soll einer Person, die Genozid und Kriegsverbrechen leugnet, die höchste Auszeichnung der Literaturwelt zugesprochen werden? Die Person ist hier wichtig, denn der Preis wird ausschließlich einem Menschen zugesprochen, der noch lebt. Wenn einem/r Genozide egal sind, sondern die Innerlichkeit und der Rückzug ins Private als Maßstab ausreicht: Wie kann es sein, dass die Akademie, deren Komitee aufgrund von Skandalen unter anderem um sexuellen Missbrauch sich neu zusammensetzen musste, einem Mann den Preis zuspricht, der frei zugibt, seine Partnerin geschlagen und getreten zu haben, um dann nachzulegen, dass er sich damit auch nicht so gut gefühlt hätte?”
Weiterer Lesehinweis: Michael Martens Essay in der “FAZ” endet mit den bitteren Worten: “Angesichts der jüngsten Stockholmer Entscheidung kann man jungen Dichtern, die Wert auf äußerlichen Erfolg legen, eigentlich nur raten: Fangt am besten gleich morgen an, öffentlichkeitswirksam Kriegsverbrechen in Syrien zu leugnen oder zu verharmlosen, besucht Assad und porträtiert ihn als großen Unverstandenen, der von einer unverständig-bösen Journalistenmeute gehetzt wird, kontrastiert solche Beobachtungen mit einer lyrischen Beschreibung der Farbe syrischer Äpfel, dem anderssüßen Geschmack syrischer Trauben auf dem Markt von Damaskus oder den sich in einer Benzinlache spiegelnden Wolken über Homs. Ein Vierteljahrhundert später winkt dann vielleicht der Nobelpreis.”

4. Pornhub und xHamster: Sexualisierte Gewalt bleibt erstmal online
(vice.com, Sebastian Meineck & Yannah Alfering)
Pornoseiten freuen sich, wenn Nutzer ihnen ihre Privatvideos zuschicken. Schließlich lässt sich aus dem Content bequem Profit schlagen. Ob es sich dabei um einvernehmliche Aufnahmen handelt, scheint erstmal sekundär zu sein. Und deswegen erscheinen auf den Plattformen voyeuristische Aufnahmen, geheime Sex-Videos oder gar Videos von Vergewaltigungen. Obwohl sich die Plattformen nach außen hin als moralisch und ethisch anständig geben. Die “Vice”-Reporter Sebastian Meineck und Yannah Alfering erzählen, was passierte, nachdem sie derartiges Material bei den Plattformen gemeldet hatten.
Weiterer Lesehinweis: Auf Facebook kritisiert Huschke Mau die mediale Verharmlosung oder gar Verklärung von Luxusprostitution und Escortwesen (dieser rbb-Beitrag dient ihr als Beispiel): “Wenn ihr demnächst wieder im Restaurant sitzt, schaut doch mal nach links oder rechts: ja, genau, der Typ da. Könnt ihr euch vorstellen, mit dem jetzt 3 Stunden essen und ins Theater zu gehen, ohne ihn merken zu lassen, dass er euch anekelt, langweilt, zuwider ist oder dass seine Meinung zu verschiedenen Dingen der euren diametral entgegensteht? Könnt ihr euch vorstellen, danach mit ihm ins Bett zu gehen, ohne ihn spüren zu lassen, dass euch das nicht gefällt? Nein? Tja. Dann ist Escort wohl doch nichts anderes als der übliche sexuelle Missbrauch, der in der Prostitution stattfindet.”

5. Warum darf der NDR zur besten Sendezeit beitragsfinanzierte Arbeitgeberpropaganda senden?
(norberthaering.de)
Der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring bezeichnet einen “Panorama”-Beitrag (NDR) zur Rententhematik als “Schande für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk”: “Erzählt wird durchgängig eine Geschichte nach dem Geschmack und mit den Argumenten der Arbeitgeber mit einem Arbeitgeberökonomen als einzigem Experten, der aber nicht als solcher erkennbar gemacht wird. Der Beitrag lässt Wichtiges weg, verzerrt die Fakten und stellt sie in falsche Zusammenhänge. Viel schlimmer geht es eigentlich nicht.”

6. Coin Master – Abzocke mit Fun
(youtube.com, Neo Magazin Royale, Video: 19:59 Minuten)
Zahlreiche Promis und Influencer (unter anderem Dieter Bohlen und Youtube-Star Bibi) bewerben eine harmlos erscheinende Kinder-App, die sich bei näherem Hinsehen als riesige Abzocke herausstellt. Die “simulierte Glücksspiel-App” generiert hunderte Millionen von Umsatz. Geld, das oftmals aus den Sparschweinen Minderjähriger stammt. Die Böhmermann-Redaktion hat das ernste Thema in einem höchst unterhaltsamen Beitrag aufgearbeitet und fordert die Indizierung derartiger Apps bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.

Das Buch lebt, Dunkle Forenwelt, Der Heilige Sankt Spekulatius von n-tv

1. Im Netz mordet kein Terrorist allein
(sueddeutsche.de, Max Hoppenstedt & Simon Hurtz)
Max Hoppenstedt und Simon Hurtz nehmen ihre Leserinnen und Leser mit in die Parallelwelt der anonymen Onlineforen, in denen sich bevorzugt junge weiße träfen, um dort in missverstandener Redefreiheit und ohne Rücksicht auf Anstand und Gesetze “alles sagen zu dürfen”. “Dieses Selbstverständnis dient oft als Vorwand für rechtsradikale, rassistische und antisemitische Hetze. Auch Frauenfeindlichkeit und Schwulenhass sind weit verbreitet. Die Nutzer wandeln ständig auf der Grenze zwischen anarchischem Humor und offener Menschenverachtung. Memes werden zu Mordaufrufen, aus sarkastischen Insider-Witzen wird purer Hass. Das erschwert die Arbeit für Ermittler: Oft lässt sich nicht unterscheiden, wo der “Spaß” aufhört und der Ernst beginnt.”

2. Ganz dünnes Eis: Terror in Halle, live bei n-tv
(uebermedien.de, Video: 3:20 Minuten)
Anlässlich des Terroranschlags in Halle (Saale) unterbrach der Fernsehsender n-tv sein reguläres Programm und berichtete live vom Geschehen in Sachsen-Anhalt. Da es kaum gesicherte Informationen zu Tathergang und Motivlage gab, waren eigentlich nur Spekulationen möglich. Spekulationen, vor denen der Sender seine Zuschauerinnen und Zuschauer jedoch ausdauernd und über Stunden warnte. “Übermedien” hat daraus einen dreiminütigen Spekulationsfilm gemacht.

3. Neuer “Tagesschau”-Newsroom: Die Kleingärtner im Nacken
(dwdl.de, Alexander Krei)
Ganze zwei Jahre hat die ARD an ihrem neuen “Nachrichtenhaus” mit dem topmodernen Newsroom gebaut. Der Neubau hat 16 Millionen Euro gekostet. Angesichts des rasanten Wandels der Digital- und Medienwelt, ist es fast niedlich, wie NDR-Intendant Lutz Marmor das Investment rechtfertigt: Das Nachrichtenhaus soll nämlich 30 Jahre lang genutzt werden. “Mindestens”.

4. Eingesperrte Bücher: Warum E-Books nicht die Zukunft des Lesens sind
(rnd.de, Imre Grimm)
Wenn es nach manchen Technik-Propheten ginge, müsste das E-Book schon längst das klassische Buch abgelöst haben. Doch nichts dergleichen: Trotz verbesserter Geräte stagniert der Markt für Digitalbücher seit Jahren. Imre Grimm kommentiert: “Fünf Jahre Stillstand — in digitaler Währung ist das eine Ewigkeit. Warum ist das so? Warum stagnieren E-Books, obwohl digitale Medien insgesamt boomen? Warum lesen unverändert etwa 80 Prozent der Deutschen gedruckte Bücher, aber die Buchbranche macht nur 6 Prozent ihres Umsatzes mit E-Books? Weil es beim Genuss eines Buches um etwas anderes geht als beim Lesen von Nachrichten. Der “Verzehr” eines guten Buches ist hirntechnisch ein anderer Vorgang als das interessierte Scannen von Neuigkeiten. Über die Qualität des aktuellen Literaturangebots sagt das zwar wenig aus — technisch aber scheint die Sache entschieden. Das Buch ist tot. Es lebe das Buch.”

5. Das sind die wichtigsten Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2019
(blog.wdr.de, Dennis Horn)
Dennis Horn fasst die wichtigsten Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2019 zusammen und macht daraus vier Themenblöcke: “Erstens: Es gibt in den Zahlen keine großen Sprünge mehr. Zweitens: Nur jeder Zehnte hat die “Wanze im Wohnzimmer”. Drittens: Facebook ist weiter die Nummer eins. Viertens: Die Leute nutzen das Netz länger zum Hören.”

6. Zu gut, um wahr zu sein? Wie man Bilder und Videos verifiziert
(fachjournalist.de, Bernd Oswald)
Im Internet tauchen schon zu Normalzeiten unzählige manipulierte oder gefälschte Bilder auf. In Ausnahmesituationen mit ungeklärter Faktenlage sind diese besonders gefährlich. Bernd Oswald erklärt, wie man als Journalistin oder Journalist Bilder und Videos verifizieren kann. Vieles davon ist nicht nur für Leute aus der Medienbranche interessant, sondern sollte zur allgemeinen Medienkompetenz und in den Schulunterricht gehören.

Stream voller Hass, Politiker-Podcasts, Prekär bedroht

1. Stream voller Hass
(tagesschau.de, Karolin Schwarz & Patrick Gensing)
Der gestrige Terroranschlag auf eine Synagoge und einen Dönerimbiss in Halle (Saale), bei dem zwei Menschen getötet wurden, hat einen rechtsextremen und antisemitischen Hintergrund. Diese Feststellung wird auch durch das Video belegt, das der Täter während seiner Tat ins Netz streamte.
Weitere Lesetipps: Der “Flurfunk” mit einer größeren Übersicht zum “Breaking-News-Wahn der Medien”. Und bei Twitter stellt ein BILDblog-Leser der “Bild”-Redaktion eine berechtigte Frage.

2. Hören wir endlich auf, die falschen Fragen zu stellen!
(journalist-magazin.de, Benjamin Piel)
Pflichtlektüre für alle Medien- und Journalismus-Interessierten: Die Serie “Mein Blick auf den Journalismus”. Dort beschreiben einige Größen der Branche ihre Sicht auf das aktuelle Mediengeschehen und die zukünftige Entwicklung. Im mittlerweile 13. Teil kommt Benjamin Piel, Chefredakteur des “Mindener Tageblatt”, mit einem Plädoyer für den Lokaljournalismus zu Wort.

3. Der große Politiker*innen-Podcast-Test: Wer podcastet in der deutschen Politik?
(hamburger-wahlbeobachter.de, Martin Fuchs)
Podcasts sind nach wie vor ein boomendes Medium. Das hat sich auch bei Politikerinnen und Politikern rumgesprochen, die gern auf den Zug aufspringen. Finn Lasse Andresen und Martin Fuchs haben sich die Mühe gemacht, alle Podcasts von EU-Parlamentarierinnen und -Parlamentariern sowie Bundestags- beziehungsweise Landtagsabgeordneten zusammenzutragen und einer kurzen Bewertung zu unterziehen.

4. So viel Pressefreiheit – und so bedroht
(arminwolf.at)
Der österreichische TV-Moderator Armin Wolf sowie die deutschen Journalisten Arndt Ginzel und Gerald Gerber sind mit dem “Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien 2019” ausgezeichnet worden. Der Preis ist für Medienschaffende gedacht, “die sich mit großem Einsatz, oft unter Inkaufnahme persönlicher Risiken, gegen Beschränkungen der Pressefreiheit und eine unabhängige Berichterstattung einsetzen.” Auf seiner Website veröffentlicht Preisträger Wolf seine Dankesworte.

5. Europa lässt sich auch im Osten entdecken
(faz.net, Kevin Hanschke)
Die “Märkische Oderzeitung” deckt flächenmäßig eines der größten Verbreitungsgebiete Deutschlands ab. Die tägliche (verkaufte) Auflage der Zeitung für Ostbrandenburg beträgt 64.000 Exemplare, nahezu alle im Rahmen von Abonnements. Kevin Hanschke stellt das Blatt vor, dem eine große Bedeutung zukomme: “In einer Gegend, die wohl zu jenen gehört, die nach der Wiedervereinigung die größte Transformation durchmachen musste und gerade das europäische Zusammenleben ganz neu definiert, operieren ihre Redakteure und Reporter zwischen dem Bewusstsein für die Region und der Abbildung des großen Ganzen innerhalb Brandenburgs. Gleichzeitig müssen Liesegang und seine Redaktion um einen Journalismus kämpfen, der die Wahrheit findet, aber auch optimistisch in die Zukunft schaut.”

6. Der Monat geht in seine zweite Woche.
(facebook.com, Christian Gesellmann)
Der Journalist Christian Gesellmann hat sich bei Facebook die Wut über das prekäre Leben als Journalist von der Seele geschrieben: “Wenn vom Zustand der Pressefreiheit in Deutschland die Rede ist, dann geht es meist um Bedrohung von Journalisten durch Neonazis oder Diskriminierung durch Behörden. Das gibt es alles, und es ist ein Problem. Aber was das viel größere, viel mehr Autoren und andere freie Berufe betreffende Problem ist: unanständig niedrige Honorare und die Arschloch-Zahlungsmoral unserer Auftraggeber.”

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