Archiv für 6 vor 9

Corona-Berichterstattung, Xavier Naidoo, Apotheken-Postillen

1. Das Coronavirus und die Medien
(ndr.de, Armin Ghassim & Gabor Halasz, Video: 2:51 Minuten)
Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité Berlin, hält die Berichterstattung über das Coronavirus für teilweise kontraproduktiv: “Die Bundespressekonferenz zuletzt habe ich als Zeitverschwendung empfunden. Ich wurde nur nach leeren Fußballstadien und dem CDU-Parteitag gefragt, anstatt inhaltliche, medizinische Fragen zu beantworten.”
Weiterer Lesehinweis: Sternstunde für die Regionalen: “Die überregionalen Medien berichten längst nicht mehr über jede Neu-Infektion mit Corona. Nun schlägt die Stunde des Lokaljournalismus — zum Beispiel beim ‘Bonner General-Anzeiger'” (deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 4:53 Minuten).
Und auf vielen Ebenen interessant: So veranschaulichen Datenjournalist:innen das Coronavirus (netzpolitik.org, Dominic Lammar) — aber Achtung: Diese Coronavirus-Karte stiehlt Passwörter (futurezone.at).

2. RTL trennt sich mit sofortiger Wirkung von Xavier Naidoo
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Nachdem fragwürdige Videos des Künstlers Xavier Naidoo mit äußerst irritierenden, teils rassistischen Textstellen aufgetaucht sind, hat sich RTL von Naidoo getrennt. Dem Wortlaut der Stellungnahme des Privatsenders nach, beziehe sich das zunächst aber nur auf die nächste “Deutschland sucht den Superstar”-Ausgabe. “Dass Naidoo jedoch zu ‘DSDS’ zurückkehren wird, hält man nicht nur bei der Produktionsfirma UFA Show & Factual für unwahrscheinlich”, so “DWDL”-Chefredakteur Thomas Lückerath.

3. Irreführende Aussagen über rechten Terror
(tagesschau.de, Patrick Gensing & Georg Mascolo)
Der heutige AfD-Europaabgeordnete und frühere stellvertretende “Bild am Sonntag”-Chefredakteur Nikolaus Fest weiß in einem Video von angeblich brisanten Informationen zu berichten: Ein Bericht der EU-Polizeibehörde Europol sehe seiner Aussage nach keine Gefahr durch rechten Terror. Vielmehr seien Islamismus und Linksterror die großen Bedrohungen. Dies wolle man jedoch, so die Fest-Diktion, aus politischen Gründen nicht eingestehen und habe den Bericht daher als geheim eingestuft. Der ARD-“Faktenfinder” ist dem Fall nachgegangen und kommt zum gegenteiligen Ergebnis. Damit konfrontiert, gerät Fest ziemlich ins Rumeiern.

4. NDR verzichtet auf Studiopublikum und sagt Veranstaltungen ab
(presseportal.de)
Der Norddeutsche Rundfunk hat ein ganzes Bündel an Maßnahmen beschlossen, um die Ausbreitung des Corona-Krankheitserregers zu verlangsamen. Das reicht von der Einschränkung des Besucherverkehrs bis hin zu Veranstaltungsabsagen. Sendungen, die auf dem NDR-Gelände produziert werden, etwa die “NDR Talk Show” und “extra 3”, fänden bis auf Weiteres ohne Studiopublikum statt.

5. Und dann will das BKA an Ihr Passwort
(zeit.de, Lisa Hegemann)
Am heutigen Donnerstag wird im Bundestag ein Gesetzesentwurf diskutiert, der Rechtsextremismus und Hasskriminalität in Sozialen Netzwerken bekämpfen soll. Was sinnvoll klingt, hat seine Tücken, denn das Gesetz greife massiv in unsere Grundrechte ein und sei untauglich. Lisa Hegemann erklärt die Problemfelder und berichtet von den Bedenken der Kritikerinnen und Kritiker.

6. Kundendienst
(sueddeutsche.de, Helena Ott)
Hinter der Gesundheitspostille “Apotheken-Umschau” steckt ein pfiffiges Konzept: Das Gratisblatt bezahlen nämlich nicht die Leser und Leserinnen, sondern die Apotheken. Je nach Vertrag sollen dies um die 35 Cent pro Stück sein. Nun wolle der Verlag den Erfolg mit einem anderen Magazin wiederholen: Er habe dazu 650.000 Exemplare des “Digital-Ratgebers” gedruckt und bundesweit an Apotheken ausgeliefert. Das erste Heft sei für die Apotheken kostenlos. Wie es danach weitergeht, sei noch nicht bekannt.

Goldene Blogger, Trickreiche TikTokker, Empörte Fußballreporter

1. 119 Angriffe auf Reporter in fünf Jahren
(faz.net)
Eine Erhebung des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit in Leipzig liefert beunruhigende Zahlen: In den vergangenen fünf Jahren sei es in Deutschland in 119 Fällen zu Angriffen auf Journalisten und Journalistinnen gekommen. Trauriger Spitzenreiter sei Sachsen mit fast der Hälfte aller bundesdeutschen Attacken auf Medienschaffende.

2. Fukushima: Freie Berichterstattung zulassen
(reporter-ohne-grenzen.de)
Exakt neun Jahre ist es her, dass im japanischen Fukushima aus einer Naturkatastrophe eine Nuklearkatastrophe wurde. Neun Jahre, in denen sich Medien immer wieder darüber beklagen würden, von Regierung und Atomlobby in ihrer Berichterstattung behindert zu werden. Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, fordert ein Umlenken: “Die japanischen Behörden müssen sicherstellen, dass Medien uneingeschränkt über Fukushima berichten können. Journalistinnen und Journalisten — dazu gehören auch Auslandskorrespondentinnen und -korrespondenten sowie freie Medienschaffende — müssen Zugang zu den kontaminierten Regionen und zu allen verfügbaren Daten bekommen.”

3. Nach Angriff auf RTL-Kameramann: Rapper Fler verhaftet
(dwdl.de, Kevin Hennings)
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin gab gestern bekannt, dass gegen den Rapper Fler ein Haftbefehl wegen Raubes und Körperverletzung “zum Nachteil eines RTL-TV-Teams” erlassen und vollstreckt worden sei. Kevin Hennings erklärt bei “DWDL” den Hintergrund und den vorangegangenen Streit um die “unhatewomen”-Kampagne zu verbaler Gewalt gegen Frauen in Rap-Texten.
Nachtrag: Die Generalstaatsanwaltschaft teilt auf Twitter mit: “Im Termin zur Verkündung des Haftbefehls ist der Ermittlungsrichter der Bewertung der Staatsanwaltschaft nicht gefolgt und hat den HB wegen Zweifeln am dringenden Tatverdacht aufgehoben. Der Beschuldigte ist entlassen. Die Staatsanwaltschaft prüft die Einlegung einer Beschwerde.”

4. Das sind die Preisträger*innen der Goldenen Blogger 2019
(die-goldenen-blogger.de)
Anfang der Woche wurden in Berlin zum dreizehnten Mal die “Goldenen Blogger” verliehen. Die Wahl erfolgte per Online-, Saal- und Akademievoting und erstreckte sich auf insgesamt 19 Kategorien. Mit dem “Sonderpreis fürs Lebenswerk” wurde der Autor und “Spiegel”-Kolumnist Sascha Lobo ausgezeichnet. Die weiteren Preisträger samt der dahinterstehenden Projekte finden sich auf der oben verlinkten Seite.

5. Wie Fußballreporter im Empörungsrausch den Ton angeben
(uebermedien.de, Andrej Reisin)
Wenn Fußballreporter über Kritik der Fußballfans und Ultras am Sportbusiness berichten, seien differenzierte Betrachtungen oft Mangelware, so Andrej Reisin auf “Übermedien”. Ein Grund dafür sei mangelnde Professionalität und mangelnde Distanz zum Berichtsgegenstand: “Die Ausbildung zum Sportjournalisten findet im besten Fall in extra eingerichteten Studiengängen statt, von denen es nur wenige gibt, die sich wiederum (wie an der Sporthochschule Köln) geradezu ihrer Praxisverbundenheit rühmen. Das heißt: Je näher der Berichterstatter am sportlichen Geschehen ist, vielleicht sogar einst selbst Athlet war, desto besser. Das alte Klischee vom Fan, der es auf die andere Seite der Absperrung geschafft hat, trifft hier noch immer häufig zu. Das Resultat ist allzu oft eine vollkommen fehlende Distanz vom Gegenstand der Berichterstattung. Reporter werden zu Gala-Empfängen nach Europapokalspielen als Gäste eingeladen; einige duzen Spieler, Trainer und Vereinsbosse vor laufender Kamera — in anderen Feldern der Berichterstattung ein absolutes No-Go.”

6. TikTok-Tricks: Mit diesen drei Engagement-Hebeln hacken TikTokker die Für-Dich-Seite
(omr.com, Roland Eisenbrand)
Wer sich ein wenig für die Social-Video-App TikTok interessiert, sollte unbedingt einen Blick auf Roland Eisenbrands Analyse werfen. Dort verrät er, wie TikTokker mit ungewöhnlichen Ideen und schmutzigen Tricks Reichweite erzeugen und Kasse machen.

Sabotage-Kampagne, Manifest der Freien, Framen für Fortgeschrittene

1. Eine rechte Sabotage-Kampagne will ARD und ZDF zu Fall bringen
(buzzfeed.com, Felix Huesmann)
Rechtskonservative, Neurechte und Rechtsextreme haben seit langer Zeit einen erklärten Lieblingsgegner: den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Bei der Bekämpfung von ARD und ZDF greift die Allianz auf die unterschiedlichsten Mittel zurück — vom Zahlen der Beiträge in Cent-Stücken bis hin zum massenhafte Einreichen von Datenschutzanfragen. Felix Huesmann hat sich die Sabotage-Kampagne näher angeschaut.

2. Wie Facebook und Youtube mit Fakes zum Coronavirus umgehen
(deutschlandfunk.de, Henning Hübert, Audio: 6:09 Minuten)
In den Zeiten von Corona häufen sich in den Sozialen Medien die Falschmeldungen. Wie geht eine Plattform wie Facebook mit den Fakes um? Der Deutschlandfunk hat sich mit Martin Fehrensen vom Social Media Watchblog über Strategien und Maßnahmen zur Bekämpfung von falschen Inhalten unterhalten.
Weiterer Lesehinweis: Wie Rechte das Coronavirus zur Hetze gegen Flüchtlinge benutzen (blog.zeit.de, Frank Jansen).

3. Manifest der Freien
(freischreiber.de)
Der Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten Freischreiber appelliert mit einem “Manifest der Freien” an alle Medienhäuser, ihre freien Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen besser gegen Bedrohungen aus dem Internet zu schützen: “Wir sind freie Journalist*innen geworden, weil wir diesen Beruf lieben. Wir wollen für ihn aber nicht durch die Hölle gehen, wenn uns der Hass trifft. Stellt euch vor uns, eindeutig und unmissverständlich.”

4. Klaas Heufer-Umlauf entschuldigt sich “ohne jede Ironie”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Klaas Heufer-Umlauf hat knapp eine Woche nach Bekanntwerden der Fake-Vorwürfe gegen ihn und Joko Winterscheidt um Entschuldigung gebeten, und zwar “ohne jede Ironie”. Und er hat dabei angefügt, er habe sich für die Verhandlung bei Richter Alexander Hold “schon mal nen Rollator bersorgt”, wohl eine launige Anspielung auf Harvey Weinsteins Prozessauftritte. Spätestens dieser Satz zeigt, wie man diese “Ohne jede Ironie”-Entschuldigung einordnen kann.

5. Framen für Fortgeschrittene
(taz.de, Eric Wallis)
“Ein besonders schmieriger Euphemismus unserer Zeit ist das Wort ‘Sachpolitik’. Ein hehrer Anwender der Vokabel ist Friedrich Merz. Aber das Wort wird von vielen Politikschaffenden gebraucht. Und immer wieder schleusen sie das Wort in Medienüberschriften und -formate ein.” Eric Wallis hat sich angeschaut, mit welchen Vokabeln operiert wird, wenn von “Politik” die Rede ist. Das reicht von “Parteipolitik” und “Symbolpolitik” bis hin zu besagter “Sachpolitik”.

6. Coverfotos stammen nur selten von Frauen
(spiegel.de, Elisa von Hof & Angela Ölscher)
Die Fotos auf den Titelbildern deutscher Zeitschriften stammen mehrheitlich von Männern. Das ergibt eine Analyse des “Spiegel” und des Deutschen Journalisten-Verbands Hamburg, die über 500 Cover des vergangenen Jahres auswerteten.

V-Mann-Legende, Licht ins Dunkle, TikTok-Liebe und keine Entschuldigung

1. Licht ins Dunkle bringen
(journalist.de, Juliane Löffler & Pascale Müller)
Juliane Löffler und Pascale Müller erklären, warum es in Deutschland besonders schwierig sei, über sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt zu schreiben. Wer öffentlich Vorwürfe erhebt, trage ein doppeltes Risiko: “Erstens, dass der mutmaßliche Täter nicht bestraft wird. Und zweitens, dass man stattdessen selbst bestraft wird.” In ihrem Artikel erläutern die couragierten Reporterinnen, warum über die Kriterien und Zulässigkeit von Verdachtsberichterstattung mindestens neu diskutiert werden müsste.

2. Deconstructing Woody
(taz.de)
Der Rowohlt-Verlag will die Autobiographie des amerikanischen Komikers und Filmemachers Woody Allen veröffentlichen. Dagegen wenden sich einige Rowohlt-Autoren und -Autorinnen in einem Offenen Brief. Ähnlich wie der US-Verlag Hachette möge Rowohlt die Veröffentlichung zurückziehen: “Wir zeigen uns solidarisch mit den Angestellten des Hachette-Verlags, deren Proteste dazu geführt haben, dass der Verlag sich gegen eine Veröffentlichung des Buches entschieden hat. Wir fordern Sie auf, diesem Beispiel zu folgen. Das Buch eines Mannes, der sich nie überzeugend mit den Vorwürfen seiner Tochter auseinandergesetzt hat, und der öffentliche Auseinandersetzungen über sexuelle Gewalt als Hexenjagd heruntergespielt hat, sollte keinen Platz in einem Verlag haben, für den wir gerne und mit großem Engagement schreiben.” Auf der Rowohlt-Seite zu Allens Autobiographie steht derzeit der Hinweis: “Dieses Buch wird auf unbestimmte Zeit verschoben”.
Weiterer Lesehinweis: David Steinitz hält die Entscheidung des US-amerikanischen Verlags Hachette, das Buch fallen zu lassen, für mindestens problematisch: “Die Entscheidung von Hachette sendet ein fatales Signal: an Missbrauchsopfer, weil den Verlag der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs nicht gestört zu haben scheint, solange in Aussicht stand, dass man mit dem Buch Geld verdienen kann; und an Autoren, weil der Verlag sie nicht aufgrund von Fakten und Beweisen, sondern von Meinungen und Stimmungen fallen zu lassen scheint. Das hat nichts mehr mit den ehernen Absichten der ‘Me Too’-Bewegung und ihren Unterstützern zu tun, sondern ist schlicht und einfach ein Trauerspiel.” (sueddeutsche.de)

3. Legendärer V-Mann – so lief die Recherche
(spiegel.de, David Walden, Video: 6:26)
Der “Spiegel” spricht von Murat Cem als dem “wohl wichtigsten Polizeispitzel der deutschen Kriminalgeschichte”, und das könnte stimmen, wenn man die aktuelle Titelgeschichte des Nachrichtenmagazins zugrunde legt. “VP01” habe viele Jahre für die Polizei gearbeitet und die Behörden frühzeitig vor Anis Amri gewarnt, dem Terroristen, der am Berliner Breitscheidtplatz einen Anschlag beging. Im Video berichten die beteiligten “Spiegel”-Redakteure von ihren Treffen mit dem V-Mann und ihrer Recherche. Es ist ein abenteuerlicher Stoff, aus dem Netflix mühelos mehrere Serien machen könnte.

4. Donald Trump verklagt jetzt auch CNN
(faz.net)
Nachdem das Wahlkampfteam des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump bereits “Washington Post” und “New York Times” verklagt habe, ziehe es nun juristisch gegen den Fernsehsender CNN zu Felde. In der Klageschrift sei von einer “verleumderischen Berichterstattung” die Rede.

5. Warum das Urteil ver­öf­f­ent­licht werden darf
(lto.de, Martin W. Huff & Pia Lorenz)
Der Ehemann der Bundesministerin Franziska Giffey (SPD) wollte die Veröffentlichung eines Urteils verhindern, das ihn wegen Arbeitszeit- und Reisekostenbetrugs aus dem Beamtenverhältnis entfernte. Er blieb damit erfolglos: Das Verwaltungsgericht habe das Urteil veröffentlichen dürfen, so die aktuelle Entscheidung des Gerichts. Martin W. Huff und Pia Lorenz schreiben über die Hintergründe der Causa Giffey und erläutern, wie es zu dem Urteil kam.

6. Ich liebe TikTok, und ich werde mich nicht dafür entschuldigen
(uebermedien.de, Gabriel Yoran)
Gabriel Yoran erklärt in seiner Glosse anhand einiger praktischer Beispiele, warum er die chinesische Video-App TikTok so liebe: “Ich kann problemlos stundenlang TikTok gucken, und ich werde mich nicht dafür entschuldigen.”

Bundestag ausgerechnet, Igitt-Faktor Rechtsextremismus, Lesbos-Attacken

1. So haben wir den Bundestag ausgerechnet
(projekte.sueddeutsche.de, Martina Schories)
Wie diskutiert der Bundestag über Geflüchtete und Migration? Eine Datenanalyse der “Süddeutschen Zeitung” zeigt, was sich verändert hat. Dazu habe man alle Parlamentsprotokolle der Bonner Republik und des wiedervereinigten Deutschlands seit 1949 mit computerlinguistischen Methoden ausgewertet — 4.200 Schriftstücke. Der Rechtsruck in der Debatte sei nachweisbar: “Der politische Diskurs, das zeigt sich in der Datenanalyse, hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert. Der Einfluss der AfD dürfte ein wichtiger Grund dafür sein, denn die Partei hat den Korridor des politisch Sagbaren nach rechts verschoben.”

2. “Ich bin von Joko und Klaas enttäuscht”
(deutschlandfunknova.de, Daniel Fiene & Herr Pähler, Audio: 16:39 Minuten)
Medienkritiker Stefan Niggemeier war bei “Was mit Medien” zu Besuch, dem wöchentlichen Medienmagazin bei Deutschlandfunk Nova. Dabei ging es um die jüngst enthüllten Fakes der ProSieben-Protagonisten Joko & Klaas und die Frage, warum derlei Betrügereien auch im Unterhaltungsfernsehen problematisch seien. Die komplette Sendung mit weiteren interessanten Themen, zum Beispiel zu den Vorgängen bei der “Berliner Zeitung”, gibt es hier (41:18 Minuten).

3. Die taz ist es wert
(blogs.taz.de, Andreas Bull)
Es sind überaus ernüchternde Zahlen, von denen “taz”-Geschäftsführer Andreas Bull im “Hausblog” berichtet: Im vergangenen Quartal habe man werktags eine Remissionsquote (Rückgaben durch den Handel) von 83 Prozent hinnehmen müssen, bei der Wochenendausgabe sei sie mit 76 Prozent geringfügig besser ausgefallen. “Von den Verkaufspreisen müssen nun mehrere an diesem Geschäft Beteiligte bezahlt werden: nach Abzug der Mehrwertsteuer die Druckereien und die Speditionen, dann die Grossisten und letztlich der Einzelhandel, die beide zusammen an die 40 Prozent des Einzelverkaufspreises einbehalten. Grob gefolgert: es bleibt nichts übrig, um das zu bezahlen, was drinnen steht.” In seinem Beitrag erklärt Bull, warum die “taz” trotzdem an dem wenig lukrativen Geschäft festhalte.

4. Lesbos: Attacken gegen Journalisten und Geflüchtete
(netzwerkrecherche.org, Franziska Grillmeier & Julian Busch)
Die freie Journalistin Franziska Grillmeier und der Fotograf Julian Busch wurden während ihrer Arbeit auf Lesbos von maskierten Rechtsradikalen angegriffen. In ihrem Beitrag schildern sie, wie es dazu kam und wie es ihnen derzeit geht: “Nach wie vor gibt es eine große Unsicherheit, sich auf der Insel zu bewegen. Wir versuchen, das Haus nicht mehr alleine zu verlassen und abends nicht mehr in der Stadt unterwegs zu sein. In den sozialen Medien trifft uns mittlerweile ein rechtsradikaler Shitstorm.”

5. “Die große Mehrheit findet dieses Thema eher schmutzig”
(deutschlandfunk.de, Bettina Köster, Audio: 8:32 Minuten)
Annette Ramelsberger ist die langjährige Gerichtsreporterin der “Süddeutschen Zeitung” und in Fachkreisen bekannt für ihre ausdauernde und gewissenhafte Berichterstattung über den NSU-Prozess. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk kritisiert Ramelsberger die Medien dafür, in der Vergangenheit zu wenig über rechtsextremistische Entwicklungen und die damit verbundene Gefahr berichtet zu haben: “Wir haben das über die letzten Jahrzehnte vernachlässigt. Das war immer ein Thema, das den Igitt-Faktor hatte, wo man auch häufig mal als Korrespondent so die rollenden Augen gesehen hat und die Frage: Schreiben wir jetzt die Rechten hoch? Und immer die Frage: Muss das sein?”

6. “Es ist schwierig, angemessen bezahlte Jobs zu finden”
(fachjournalist.de, Ulrike Bremm)
Sportjournalist Christoph Biermann schreibt für das Fußballmagazin “11 Freunde” und hat zahlreiche Bücher zum Thema Fußball veröffentlicht. Im Interview mit dem “Fachjournalist” erzählt Biermann von den Besonderheiten und Herausforderungen seiner Arbeit und verrät, auf welche Themen er ein besonderes Auge habe: “Unser Magazin und auch ich persönlich sehen etwa RB Leipzig sehr kritisch. Der Verein wurde quasi gegründet, um Red Bull zu promoten. Das halten wir für falsch, weil es ein Bruch mit der Fußballkultur in unserem Land ist und den Wettbewerb verzerrt.”

Medien von Tickern infiziert, Des Rappers Brunftgebrüll, Fakende Idole

1. Wohldosierte Panikmache
(deutschlandfunk.de, Samira El Ouassil, Audio: 5:03 Minuten)
Samira El Ouassil beschäftigt sich in ihrer Deutschlandfunk-Kolumne unter anderem mit der medienethischen Frage, inwieweit die ständige Berichterstattung über das Coronavirus in Live-Tickern sinnvoll ist: “Tickern ist die mediale Form der Stunde. Es wird über den Virus getickert als handele es sich um ein Fußballspiel von der Dauer einer Präsidentschaftswahl. ‘Bild’, ‘Welt’, ‘Spiegel’, ‘Focus’ haben alle natürlich einen Ticker. Ja, sogar die ‘Superillu’ berichtet minutengenau über die ersten Infektionen in Brandenburg. Es stellt sich die Frage, wie sinnvoll das Vermelden jeder neuen Infektion wirklich ist, denn es vermittelt lediglich eine protokollarische Unmittelbarkeit und inszeniert eher das Informieren, als tatsächlich zu informieren.”

2. Zahlen lügen nicht
(journalist.de, Carsten Fiedler)
In der empfehlenswerten Serie “Mein Blick auf den Journalismus” sprechen Mediengrößen über ihre Ideen für einen besseren Journalismus. In der siebzehnten Folge ist Carsten Fiedler zu Gast, der Chefredakteur des “Kölner Stadt-Anzeigers” und vormalige Chef des Boulevardblatts “Express”. Letzteres merkt man ihm noch etwas an: Fiedlers elf Empfehlungen tragen die Namen von erfolgreichen Popsongs.

3. Viel Brunftgebrüll
(zeit.de, Daniel Gerhardt)
Als “Härtetest für die deutsche Rapszene” bezeichnet Daniel Gerhardt das Verhalten des Rappers Fler: “Wer den Einsatz von #unhatewomen schmälert oder Flers Drohgebärden verharmlost, überschreitet eine rote Linie, die nicht verhandelbar sein darf. Gerade dort, wo sich Sexismus, Misogynie, Antisemitismus und Gewaltverherrlichung vollkommen unverhohlen zeigen, ist es wichtig, sie zu benennen und dagegen vorzugehen.”

4. “Demokratie ist kein Kaufhaus”
(kontextwochenzeitung.de, Susanne Stiefel)
Die Wochenzeitung “Kontext” hat sich mit der Journalistin Anja Reschke unterhalten, die bei der ARD das Magazin “Panorama” moderiert. Im Gespräch geht es um Gleichberechtigung, Antifeminismus und rechtes Gedankengut, um Freude an der Empörung und Besonnenheit.

5. Zoff um Johnsons Hausblatt
(taz.de, Steffen Grimberg)
Die für ihren konservativen Grundton bekannte britische Tageszeitung “Daily Telegraph” macht wirtschaftlich schwere Zeiten durch. Die Auflage sei vergleichsweise zusammengebrochen, und das Blatt habe sich der offiziellen Auflagenkontrolle entzogen. Zu alldem sei auch noch eine Familienfehde zwischen den adligen Eigentümern entbrannt, wie Steffen Grimberg in der “taz” berichtet.

6. Fakes bei Joko und Klaas – “Wir haben Hinweise bekommen”
(ndr.de, Juliane Puttfarcken, Video: 5:36 Minuten)
“Ich habe gegen meine eigenen Medienidole recherchiert.” Han Park vom Youtube-Format “Strg_F” erzählt, wie es zur Aufdeckung der gefakten Joko-&-Klaas-Videos kam. Ein angenehm unaufgeregtes Gespräch, das nachdenklich macht. Und in dem Han Park anregt, der Frage nachzugehen, was Unterhaltungsfernsehen darf und was es nicht dürfen sollte.

Unehrliche Unterhalter, Schäbige Gewaltausbrüche, Sexszenen-Expertin

1. Das Ende von Joko & Klaas als ehrliche Unterhalter
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier kommentiert den Fall der reihenweise zusammengetricksten und geschummelten Videos von Joko & Klaas: “Es war immer schon ein atemberaubender Spagat, dass Joko und Klaas gleichzeitig die albernsten, pubertärsten, extremsten Späße machen und sich glaubwürdig gesellschaftspolitisch engagieren konnten. Dieser Spagat funktionierte auch deshalb, weil die beiden Protagonisten für ehrliche Unterhaltung standen — sei es durch schlichte, eindimensionale Spaß-Aktion oder durch ein cleveres, ironisches, oft genug entlarvendes Spiel mit dem Medium und seinen Regeln. Beide Seiten ihrer Prominenz, die reine Spaß-Existenz und die engagierte Persönlichkeit, beruhen auf dem Vertrauen, dass sie das Publikum nicht für dumm verkaufen. Damit ist es erstmal vorbei.”
Weiterer Lesehinweis: Ausgerechnet an dem Tag, an dem der Schwindel um die Joko-&-Klaas-Videos aufgedeckt wurde, verkündete das Grimme-Institut, wer seine begehrten Preise bekommen soll. Joko & Klaas sollen einen erhalten, aber nicht für eine ihrer Fernsehshows, sondern für ihre 15 Live-Minuten bei ProSieben. Und ab hier ging bei Bild.de und Welt.de einiges durcheinander. Stefan Niggemeier fragte dazu gestern auf Twitter: “Ist es nicht irre, dass diese Falschmeldung, dass #LateNightBerlin wegen der Fake-Vorwürfe der Grimme-Preis aberkannt worden sei, bei der @Welt auch nach 7 Stunden immer noch nicht korrigiert wurde? Merkt da niemand irgendwas?”

2. Die schäbigen Gewaltausbrüche des Patrick Losensky
(tagesspiegel.de, Sebastian Leber)
Sollte man über die Gewaltausbrüche des Rappers Fler berichten oder ihn mit medialer Nichtbeachtung strafen? Für Sebastian Leber gehören die Vorgänge öffentlich gemacht: “Weil es Menschen gibt, die real von ihm bedroht, sexistisch beleidigt und verprügelt werden. Weil sich diese Betroffenen alleingelassen fühlen. Und weil Strafrahmen in der Vergangenheit offenbar so wenig ausgeschöpft wurden, dass Fler nicht einmal Reue zeigt und seine Opfer nach Taten sogar öffentlich verhöhnt.”

3. Die zweifelhaften Zocker-Ratschläge der “Bild”
(ndr.de, Philipp Eckstein & Stella Peters & Jan Lukas Strozyk)
Online-Glücksspiel ist in Deutschland, außer in Schleswig-Holstein, illegal. Dennoch trommele die “Bild”-Redaktion mit ihrer werblichen Berichterstattung für diverse Online-Casino-Angebote. Ein NDR-Team ist der Sache nachgegangen und hat Beteiligte und Behörden dazu befragt. Die Glücksspielaufsicht prüfe Schritte gegen “Bild”. Die weist jeden Vorwurf empört zurück: Man berichte über Glückspiel “ausgesprochen verantwortungsvoll.”

4. Leipziger Buchmesse 2020 abgesagt: »Sicherheit geht vor«
(buchreport.de)
Rund 280.000 Besucherinnen und Besucher wurden zur diesjährigen Leipziger Buchmesse erwartet, etwa 2500 Aussteller wollten dort den Lesern und Leserinnen ihr Angebot näherbringen. Doch gestern wurde das wichtige Branchenereignis abgesagt. Das Gesundheitsamt Leipzig sei “der Aufforderung des Bundesgesundheits- und des Bundeswirtschaftsministeriums gefolgt, wonach eine Rückverfolgbarkeit von Kontaktpersonen bei Großveranstaltungen gewährleistet sein muss. Es empfahl dringend, dass jeder Messeteilnehmer schriftlich belegen muss, nicht aus definierten Risikogebieten zu stammen oder Kontakt zu Personen aus Risikogebieten gehabt zu haben.” Da dies nicht zu bewerkstelligen sei, habe man die Buchmesse schweren Herzens abgesagt.

5. Berliner Verlag: Wer ist schuld am Abgang Thiemes?
(newsroom.de)
Über die Gründe des Abgangs des kurzzeitigen Chefredakteurs von “Berliner Zeitung” und “Berliner Kurier” sind sich die Beteiligten uneinig: Während die Verleger Silke und Holger Friedrich mitteilen, dass Ex-Chefredakteur Matthias Thieme aus persönlichen Gründen ausgeschieden sei, entgegnet dieser über einen Anwalt, es habe sich um betriebliche Gründe gehandelt.

6. Expertin für Sexszenen im Film: Deutschlands erste Intimitätskoordinatorin
(rnd.de, Tilmann P. Gangloff)
In den USA sei es schon gang und gäbe, nun soll es diese Praxis auch hier geben: Deutschlands erste “Intimitätskoordinatorin” will Schauspieler und Schauspielerinnen bei Sexszenen im Film beraten.

Fakevideos bei Joko & Klaas?, Chaos zur Unzeit, Hate Speech im alten Rom

1. NDR/STRG_F: Fake bei Joko und Klaas – Schauspieler in Einspielfilmen eingesetzt
(presseportal.de)
Laut einer Recherche von “Strg_F” (NDR) haben die Moderatoren und Unterhaltungskünstler Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf bei diversen Einspielfilmen geschummelt, die dem Publikum als authentisch und spontan verkauft worden seien. Anhand mehrerer Beispiele habe man den Einsatz gecasteter Laiendarsteller nachweisen können. Außerdem gebe es Zeugenaussagen und privates Videomaterial, das beweise, dass Szenen mehrfach gedreht worden seien. Winterscheidt, Heufer-Umlauf, ProSieben und die betroffenen Protagonisten hätten sich nicht zu den Vorwürfen äußern wollen. Die gesamte Recherche mit zahlreichen Fällen soll am heutigen Dienstag ab 17 Uhr bei “STRG_F” auf YouTube zu sehen sein.

2. “Gewalt gegen Journalisten in Griechenland kein neues Phänomen”
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 5:43 Minuten)
Auf der griechischen Insel Lesbos ist es für Journalistinnen und Journalisten derzeit gefährlich, wie die Angriffe der vergangenen Tage zeigen. Doch auf dem Festland sind die Bedingungen nicht unbedingt besser, so Deutschlandfunk-Korrespondent Panajotis Gavrilis. Auch dort gebe es Gewalt gegen Medienvertreter: “Das hat es am Rande von rechten Demonstrationen auch in Athen gegeben, wo mit Eisenstangen auf Kameraleute losgegangen wurde und auch griechische Kolleginnen und Kollegen zum Teil schwer verletzt wurden.”
Weiterer Lesehinweis: Der Europaabgeordnete Erik Marquardt (Grüne) befindet sich derzeit auf Lesbos und erzählt von den dramatischen Entwicklungen: “Vermummte schlagen auf Leute ein”“ (taz.de, Ulrich Schulte).

3. Neues Chaos zur Unzeit
(taz.de, Steffen Grimberg)
Dem Verlegerehepaar Silke und Holger Friedrich und der “Berliner Zeitung” ist kürzlich der Chefredakteur abhanden gekommen. Steffen Grimberg spekuliert über die Gründe und kommentiert: “Für den Berliner Verlag, der bei seinem Schlagzeilen produzierenden Eigentümer-Verleger-Paar mal ein ruhigeres Fahrwasser bräuchte, kommt die klare Kante zur Unzeit. Insider fürchten, dass die ohnehin erratisch reagierenden Friedrichs sich nun erst recht in der Opferrolle wähnen und unberechenbarer werden könnten.” Auch Medienjournalist Daniel Bouhs hat sich im Deutschlandfunk zu den Hintergründen und Folgen der Personalie geäußert (Audio, 4:23 Minuten).

4. Anhörung von Julian Assange: keine US-Beweise
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen zeigt sich hinsichtlich des britischen Auslieferungsverfahrens von Wikileaks-Gründer Julian Assange an die USA äußerst beunruhigt: “Im Zuge der Anhörung wurde mehrfach deutlich, dass die USA keine Beweise dafür haben, dass Julian Assange Quellen ‘ernsthaft und unmittelbar’ gefährdet hat, aber ihre Anklage dennoch auf der Grundlage der von ihm vermeintlich wissentlich verursachten Risiken weiterführen.”

5. “Der Täter von Hanau wird jetzt schon glorifiziert”
(spiegel.de, Ann-Katrin Müller & Jurek Skrobala)
Die Journalistin Karolin Schwarz erklärt im Gespräch mit dem “Spiegel”, wie sich Rechtsextremismus im Netz breit macht und dort vor allem eine jüngere Zielgruppe anspricht: “Rechtsradikale haben vor Jahren schon versucht, MySpace und StudiVZ für sich zu nutzen, aber nicht besonders erfolgreich. Das lag daran, dass StudiVZ-Nutzer eben nicht die ganze Zeit irgendwelchen Kram geteilt haben, sondern sich auf Gruppen im Profil beschränkt haben, die aussagekräftig sein sollten. Mit der heutigen Empörungslogik von Plattformen wie Facebook und Twitter klappt das besser.”

6. Hate Speech im alten Rom
(schweizermonat.ch, Martin Jehne)
Geschichtsprofessor Martin Jehne erinnert im “Schweizer Monat” daran, dass es bereits vor 2000 Jahren Hate Speech gegeben habe. Im alten Rom seien gnadenlose Schmähungen der Gegner eine gängige Praxis gewesen: “Die Römer kannten durchaus Grenzen des Anstands, aber mit ihren Schmähungen setzten sie sich leicht darüber hinweg. Kristallisierte sich ein Verlierer im invektiven Schlagabtausch heraus, dann war er vielleicht für den Moment mundtot gemacht, suchte aber eifrig nach einer Möglichkeit, sich zu rächen. Die heutzutage immer wieder erklingenden Appelle, sich doch nicht auf die Stufe der Hassredner hinabzubegeben, hätten bei den Römern Unverständnis ausgelöst.”

Lesbos-Lichtenhagen, Unkontrolle, Frauenhassende Rapper

1. “Da braut sich ein Pogrom zusammen”
(tagesspiegel.de, Paul Gäbler)
Als der Foto- und Videojournalist Michael Trammer auf Lesbos die Ankunft von Geflüchteten dokumentierte, wurde er von Rechtsradikalen angegriffen und verletzt. Der “Tagesspiegel” hat mit Trammer gesprochen, der zum Zeitpunkt des Gesprächs aus Sicherheitsgründen die Insel verlassen wollte: “Die Situation erinnert ein wenig an Rostock-Lichtenhagen 1992. Hier braut sich gerade ein Pogrom zusammen. Ich habe schon seit ein paar Tagen Angst gehabt, dass es bald eskalieren könnte. Europa hat monatelange weggeschaut. Lange wird das hier nicht mehr gut gehen.”

2. Chefredakteur von “Berliner Zeitung” hat gekündigt
(spiegel.de, Stefan Kuzmany)
Nach der Übernahme durch das Ehepaar Silke und Holger Friedrich will bei “Berliner Kurier” und “Berliner Zeitung” einfach keine Ruhe einkehren. Zunächst sorgte ein wirres Manifest für Kopfschütteln, dann ging es um die Stasi-Vergangenheit des Neueigentümers. Vorher hochgelobte Chefredakteure verließen den Verlag, und seit gestern steht der Vorwurf im Raum, das Verlegerehepaar habe die Existenz einer Schweizer GmbH vorgetäuscht. Zudem müssen sich die Friedrichs nach neuem Führungspersonal umsehen: Nach gerade einmal drei Wochen habe der neue Chefredakteur von “Berliner Zeitung” und “Berliner Kurier” seine Kündigung eingereicht.

3. Die sehr freiwillige Selbstkontrolle der deutschen Presse
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Laut Pressekodex (Artikel 16) “entspricht es fairer Berichterstattung, vom Deutschen Presserat öffentlich ausgesprochene Rügen zu veröffentlichen, insbesondere in den betroffenen Publikationsorganen bzw. Telemedien.” Doch wie halten es die Medien mit dieser “fairen Berichterstattung”? Nicht sonderlich gut, wie Stefan Niggemeier feststellt. Und auch der Presserat selbst lässt es an Transparenz missen.

4. Vorurteilsbewusster Journalismus
(medium.com, Lorenz Matzat)
Lorenz Matzat fordert Journalisten und Journalistinnen dazu auf, sich stärker ihrer Verantwortung für eine möglichst rassismusfreie Gesellschaft bewusst zu sein und ihre berufliche Praxis zu überprüfen: “Wir könnten beispielsweise unsere Quellenarbeit überdenken. Reicht es, wenn wir schlicht darauf setzen, dass es zwei voneinander unabhängige Quellen gibt? Oder müssen wir nicht auch darauf schauen: Wer spricht über wen? Wie können marginalisierte Perspektiven stärker zu Wort kommen? An welcher und wessen Norm orientieren wir unsere Wort- und Bildwahl? Und vielleicht könnte es ein redaktioneller Maßstab werden zu fragen: Wenn eine Person mit Rassismuserfahrung unser journalistisches Stück liest, sieht oder hört: Was könnte für sie verletzend sein, wie kommt das bei ihr an?”

5. Rapper setzt Kopfgeld auf Frau aus und bedroht Komiker
(t-online.de, Janna Halbroth)
Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes hat ein Video veröffentlicht, in dem Frauen Textstellen aus Songs von Rappern wie Kollegah, Farid Bang, Gzuz und Fler vorlesen, die an Frauenfeindlichkeit und Gewaltverherrlichung kaum zu überbieten sind. Für den Rapper Fler war dies wohl eine Art Aufforderung, seinem Hass freien Lauf zu lassen und diverse Personen übel zu beleidigen und zu bedrohen.

6. Deutsche Konzert- und Tourneeveranstalter bangen um ihre Existenz
(bdkv.de)
Der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft ist besorgt wegen der Ausbreitung des Coronavirus und der Auswirkung auf das Veranstaltungsgeschäft: “Wir beobachten bereits seit einigen Tagen einen erheblichen Einbruch bei den Kartenverkäufen, und Inhaber von Karten versuchen zunehmend, diese gegen Erstattung des Eintrittsgeldes zurückzugeben”. Zahlreichen Veranstaltungsunternehmen drohe der wirtschaftliche Kollaps.

Kontraproduktive Klarnamenpflicht, Blinde Flecken, Paparazzi-Promi-Deals

1. Gastbeitrag: Diskutierte Klarnamenpflicht kontraproduktiv gegen Hass im Netz
(heise.de, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger)
Die Länder Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben eine Initiative zur Verschärfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) gestartet, die eine Registrierungspflicht im Internet zur Folge hätte. Soziale Netzwerke und Spieleplattformen sollen demnach verpflichtet werden, sämtliche Nutzerinnen und Nutzer zu erfassen und zu identifizieren. Die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kritisiert das Vorhaben mit warnenden Worten. Der Schutz der Anonymität im Internet sei auch der Schutz unserer individuellen Freiheitsrechte: “Die Medien- und Informationsfreiheit sind Teil unserer Grundrechte und damit für alle Deutschen universell gültig. Gerade in Deutschland gibt es historisch gute Gründe, diese Freiheit als unser höchstes rechtliches Gut gegen jede staatliche Einschränkung zu verteidigen — im Netz wie in der analogen Welt.”

2. “Bild” und die journalistische Sorgfaltspflicht
(berliner-zeitung.de, Kai-Hinrich Renner)
“Bild” hat für sein Projekt “Bild TV” eine Rundfunklizenz beantragt. Dies sei keine bloße Formalie und schon gar kein Selbstgänger, erklärt Kai-Hinrich Renner in seiner Medienkolumne. Unter Umständen könnten die Rundfunkwächter “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt die beantragte Rundfunklizenz verwehren — und sich dabei auf dessen fragwürdige Äußerungen berufen.

3. Warum langsames Denken bei der Recherche hilft
(message-online.com, Christina Elmer)
Was Christina Elmer Journalisten und Journalistinnen empfiehlt, geht im Großen und Ganzen uns alle an: Es geht darum, dass wir dazu neigen, unsere Welt eingeschränkt und oftmals verzerrt wahrzunehmen. Es geht um die “mentalen Abkürzungen”, die nötig, aber auch gefährlich sind, weil sie viele Details und Perspektiven ausblenden. Und es geht um Wege für ein besseres und ganzheitliches Verständnis unserer Umwelt.

4. “Islamische Sprechpuppe” – YouTuber nach Hasskommentaren freigesprochen
(spiegel.de, Wiebke Ramm)
Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) muss es nach einem Urteil des Amtsgerichts Berlin Tiergarten hinnehmen, mit allerlei üblen Bezeichnungen belegt zu werden. Ein 46 Jahre alter Ex-Polizist, der sie wüst beschimpft hatte, wurde vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen. Laut Chebli wollen sie und die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen. PS: Was für ein grölendes Volk sich zum Prozess eingefunden hatte, lässt sich hier anschauen.

5. Die blinden Flecken der Nachrichtenwelt
(de.ejo-online.eu, Johanna Mack)
Medien-Professor Hektor Haarkötter verrät im Interview, was und wer es in die Top-Liste der vergessenen Nachrichten des Jahres geschafft hat, was man tun muss, um auf die Liste zu kommen, und warum es diesmal nur eine “Top Seven” geworden ist.

6. Promi-Fotos: Deals zwischen Stars und Paparazzi
(ndr.de, Andrea Richter, Video: 5:35 Minuten)
Früher konnte man als Paparazzo noch richtig Kasse machen, heutzutage ist dies nicht mehr ganz so leicht. Der Grund liegt unter anderem im visuellen Überangebot: Die Stars und Sternchen fluten den Markt mit ihren Selfies und Instagram-Bildchen. Pfiffige Paparazzi suchen deshalb die Kooperation mit Promis. Das Erfolgsmodell heißt “gestellter Abschuss”, eine Zusammenarbeit, bei der sich Promi und Fotograf sogar die Erlöse teilen würden.

Blättern:  1 ... 146 147 148 ... 491