Archiv für 6 vor 9

Heinsberg-Update, Home-Office bei den “Waltons”, Versteckspiel der AfD

1. Streeck, Laschet, StoryMachine: Vom PR-Plan zum Exit-Rush – ein Update
(riffreporter.de, Christian Schwägerl & Joachim Budde)
Die wirtschaftlichen, politischen und sonstigen interessengeleiteten Verflechtungen rund um die sogenannte Heinsberg-Studie des Virologen Hendrik Streeck und das Engagement der PR-Agentur “Storymachine” geben Anlass zu weiteren Diskussionen. Nach ihrem ersten, viel beachteten Text schließen Christian Schwägerl und Joachim Budde mit einem Update an und schildern, was sich in der Woche danach getan hat.

2. «Für den Journalismus als Geschäft sieht es immer schlechter aus»
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
Viele Medienhäuser waren vor der Corona-Krise schon angeschlagen und geraten jetzt in ernsthafte Schwierigkeiten. Wie soll es weitergehen in Zeiten, in denen der werbefinanzierte Journalismus kaum mehr eine Zukunft hat? Sich in die Abhängigkeit von Google und Facebook begeben, einen reichen Gönner suchen oder auf eine stärker werdende zahlende Nutzerbasis hoffen? Es sei eine Situation, bei der die Gewinner vor allem auf der anderen Seite des Ozeans sitzen, wie Adrian Lobe resümiert: “Die Krise unbeschadet überstehen werden hingegen Google und Facebook, die auch in Zukunft das Gros der Werbeeinnahmen absorbieren und den darbenden Medien mit ihrem Almosen ein prekäres Weiterleben ermöglichen.”

3. Das Versteckspiel der AfD
(netzpolitik.org, Daniel Laufer & Jan Petter)
Nach Recherchen von Daniel Laufer und Jan Petter werde das neue rechtsradikale Jugendportal “Fritzfeed” offenbar von Angestellten der AfD-Fraktion in Nordrhein-Westfalen betrieben. Einer von ihnen sei sogar als Pressesprecher für die AfD-Fraktion tätig und habe sich am Telefon verleugnen lassen.

4. Wikipedia als Eldorado für PR-Abteilungen
(verdi.de, Marvin Oppong)
Vor wenigen Tagen hat der Deutsche Rat für Public Relations der Online-Enzyklopädie Wikipedia eine Rüge erteilt. Für die Leserinnen und Leser sei “nicht auf den ersten Blick erkennbar, ob die Beiträge von den Autoren auf Eigeninitiative oder im Auftrag von Dienstleistern erstellt wurden.” Marvin Oppong nimmt dies zum Anlass, an die Aktivitäten eines Burda-Accounts zu erinnern, der den Wikipedia-Eintrag über den “Focus” in manipulativer Absicht und auf beschönigende Weise bearbeitet habe.
Dazu auch aus unserem Archiv: “Verlagsleitung BILD Gruppe” hübscht “Bild am Sonntag” bei Wikipedia auf.

5. Star der Inszenierung
(taz.de, Ralf Leonhard)
Wenn Österreichs Boulevardzeitungen Bundeskanzler Sebastian Kurz als Helden in der Corona-Krise feiern, sei dies kein Wunder, so Ralf Leonhard: “Kurz und seine Regierung danken die Hofberichterstattung mit einem Füllhorn an Sonderförderungen. Aus dem mit 12,1 Millionen Euro dotierten Coronatopf für Printmedien bekommt die Krone mit 2,72 Millionen den üppigsten Happen, gefolgt von den nicht minder Kurz-hörigen Gratisblättern Österreich und Heute (1,81 bzw. 1,82 Millionen).”
Weiterer Lesehinweis: Coronavirus bedroht Pressefreiheit, Österreich rutscht weiter ab (derstandard.at, Doris Priesching).

6. Die Corona-WG
(sueddeutsche.de, SZ-Autorinnen und Autoren)
Netflix-Aficionados und Bingewatcher kennen das Phänomen: Manchmal taucht man derart intensiv in die TV-Parallelwelt ein, dass man sich bei den Protagonistinnen und Protagonisten regelrecht zu Hause fühlt. Wie wäre es, wenn man dort gedanklich sein Home-Office aufschlägt? Die “Süddeutsche Zeitung” hat sich bei ihren Autoren und Autorinnen erkundigt, ob zum Beispiel die “Waltons”, die “Gilmore Girls” oder “Better Call Saul” eine wünschenswerte Arbeitsumgebung abgäben.

Kurz- und Mehrarbeit, Auszeichnung für Drosten, Alkoholisierte Medien

1. Kurzarbeit trotz hoher Nachfrage
(deutschlandfunk.de, Christoph Sterz)
Durch das wegbrechende Anzeigengeschäft verzeichnen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage derzeit hohe Einnahmeverluste. Die Medienhäuser verfallen daher oft auf das Mittel der Kurzarbeit. Dabei hätten Arbeitsaufwand und Nachfrage in Zeiten von Corona zum Teil deutlich zugenommen, so Christoph Sterz im Deutschlandfunk. Der Deutsche Journalisten-Verband habe darauf hingewiesen, dass “viele Kolleginnen und Kollegen derzeit mehr arbeiten als vor Corona, weil die digitalen Angebote erheblich ausgeweitet wurden und gewohnte Abläufe umgestellt werden mussten”.
Weiterer Lesehinweis beziehungsweise Hörtipp: Kurzarbeit beim “Tagesspiegel”: “Müssen sehen, dass wir wirtschaftlich überleben”, ein Gespräch mit der “Tagesspiegel”-Geschäftsführerin Ulrike Teschke im Deutschlandfunk.

2. Besondere Auszeichnung für herausragende Kommunikation in der Coronavirus-Pandemie
(dfg.de)
Christian Drosten, Virologe an der Berliner Charité, erhält den “Sonderpreis für herausragende Kommunikation der Wissenschaft in der Covid19-Pandemie”. Der Preis wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Stifterverband vergeben und ist mit 50.000 Euro dotiert. Drosten erkläre den Menschen “auf anschauliche, transparente und faktenbasierte Weise, was die Wissenschaft weiß, wie sie arbeitet und welche Unsicherheiten bestehen.”
Hörtipp: “Das Coronavirus-Update”, der vielgelobte NDR-Podcast mit Christian Drosten.

3. Medien im Corona-Rausch: Finger weg vom Alkohol
(uebermedien.de, Frederic Servatius)
Laut Gesellschaft für Konsumforschung habe der Einzelhandel in den vergangenen Monaten im Vergleich zum Vorjahr deutlich mehr alkoholische Getränke verkauft. Es gehe um Steigerungsraten von 31 Prozent für klare Spirituosen und 34 Prozent bei Wein. Einige Medien sahen die Republik bereits im coronabedingten Vollrausch, unterschlugen dabei jedoch einen wichtigen Aspekt, so Frederic Servatius: “Natürlich verlagert sich in einer Zeit, in der Bars und Restaurants geschlossen haben, der Einkauf von Alkohol auf den Einzelhandel. Gibt ja quasi keine Alternative mehr. Die Folge ist aber nicht, dass insgesamt mehr Alkohol gekauft wird. Es wird bloß im Einzelhandel mehr gekauft.”

4. Zensurheberrecht: Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf
(fragdenstaat.de, Arne Semsrott)
Das Informationsfreiheitsgesetz gewährleistet den Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen gegenüber Bundesbehörden und sonstigen Bundesorganen. Doch was nützt ein Rechtsanspruch, wenn er von behördlicher Seite mit oftmals zweifelhaften Begründungen (“Urheberrecht”) unterlaufen und abgewimmelt wird? Das Portal “FragDenStaat” kennt dieses Problem nur zur Genüge — es wurde wegen der Veröffentlichung eines Gutachtens zu Krebsrisiken von Glyphosat sogar von Behördenseite verklagt. Eine Kleine Anfrage der Grünen habe nun ergeben, dass das klagende Bundesamt für dieses und ähnliche Verfahren bereits mehr als 100.000 Euro ausgegeben habe.

5. Wie die Tagesschau auf TikTok junge Leute erreicht
(anchor.fm, Levin Kubeth, Audio: 1:04:34 Stunden)
Als die “Tagesschau” ihr Angebot auf die Kurzvideo-Plattform TikTok ausdehnte, um dort mit eigenen Inhalten ein junges Publikum zu erreichen, wurde dies von vielen belächelt und bespöttelt. Doch das Angebot wird von den TikTok-Userinnen und -Usern sehr geschätzt: Rund 450.000 Follower freuen sich über die Info-Schnipsel, die kurzen Erklärvideos und das Behind-the-scenes-Material. Im “Unter zwei”-Medienpodcast hat sich Levin Kubeth mit Antje Kießler unterhalten, die im “Innovationslabor” der “Tagesschau” arbeitet und verschiedene Formate auf TikTok und Instagram moderiert.

6. Schlechtes Timing für den Abgang
(sueddeutsche.de, Cathrin Kahlweit)
Die britische Boulevardpresse kann es anscheinend nur schwer verwinden, dass sich die beiden nunmehr Ex-Royals Harry und Meghan dem Yellow-Press-Zirkus entziehen und wettert und geifert ihnen noch einmal hinterher. Das Paar dürfte sich deshalb in seinem Entschluss bestätigt fühlen, den Kontakt mit vier großen britischen Boulevardmedien (“Sun”, “Daily Mirror”, “Daily Mail”, “Express”) abgebrochen zu haben. Cathrin Kahlweit berichtet aus London über den Konflikt, der auch auf juristischem Weg ausgetragen wird: Demnächst beginnt ein Prozess wegen eines privaten Briefs von Meghan an ihren Vater, der ohne ihre Erlaubnis von der “Mail on Sunday” abgedruckt worden war.

Corona-Studien-Inszenierung, Kurzarbeit zu kurz gedacht, “maiLab”

1. Heinsberg-Studie: Deutscher PR-Rat prüft Vorgehen der Agentur Storymachine
(stern.de, Hans-Martin Tillack)
Die mediale Vermarktung der Heinsberg-Studie durch die PR-Agentur “Storymachine” wurde bereits vielfach kritisiert (zum Beispiel hier, hier und hier). Nun habe der Deutsche Rat für Public Relations ein förmliches Prüfverfahren eingeleitet. Investigativreporter Hans-Martin Tillack hat sich die Vorgänge um die PR-Agentur, die neuerdings abstreitet, eine PR-Agentur zu sein, näher angeschaut und ist auf einen Dschungel von geschäftlichen, politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen gestoßen.
Weiterer Lesehinweis: Auch “Capital” hat zu dem Fall recherchiert und berichtet von einem internen PR-Konzept der Agentur “Storymachine”, das weder nach einer “journalistischen Herangehensweise” noch nach einer “Beobachtung” der Forschungsarbeit klinge. Das Papier lese sich eher wie eine klassische PR-Kampagne, die über den Umweg einer Erzählung beziehungsweise Inszenierung ihr Ziel verfolge: Corona-Studie: der Plan hinter dem „Heinsberg-Protokoll“ (capital.de, Thomas Steinmann).

2. “Je länger wir für die Recherche gebraucht haben, desto besser kommt es an”
(brandeins.de, Johannes Böhme)
Die Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim betreibt auf Youtube den Kanal “maiLab” und hat dort mehr als 800.000 Abonnenten und Abonnentinnen. Ihr Erklärvideo zur Covid-19-Pandemie verzeichnet mittlerweile mehr als 5,7 Millionen Aufrufe. Johannes Böhme hat sich mit Nguyen-Kim über die Vermittlung von komplexen Sachverhalten unterhalten. Eine ihrer Erkenntnisse: “Je länger wir für die Recherche gebraucht haben, desto besser kommt es an. Je mehr Details wir präsentieren, je tiefer wir gehen, desto besser. Die Leute sind regelrecht besessen von Fakten. Viele fragen sofort nach Quellen, die wir deshalb auch detailliert unter unseren Videobeschreibungen auflisten.”
Weiterer Guckhinweis: “Schauen wir uns die Kommunikation von drei der prominentesten Virologen Deutschlands an: Professor Christian Drosten, Professor Hendrik Streeck und Professor Alexander Kekulé”: Virologen-Vergleich (youtube.com, maiLab, Video: 17:36 Minuten).

3. Sind alle Journalisten Versager?
(faz.net, Werner D’Inka)
Der ehemalige “FAZ”-Herausgeber Werner D’Inka unternimmt in Sachen Corona-Berichterstattung so etwas wie eine Medienkritik der Medienkritik: “Medienkritik tut not und gut, aber gerade wer eine wache wissenschaftliche Begleitung des Journalismus für berechtigt und notwendig hält, darf erwarten, dass sie sich auf den Gegenstand einlässt, den zu kritisieren sie vorgibt.” Dies sei laut D’Inka keineswegs immer der Fall, wie er an Beispielen festmacht.

4. “Die massenhafte Verbreitung von Bullshit ist das Problem”
(zeit.de, Dirk Peitz)
Der Brite Peter Pomerantsev hat ein Sachbuch über Desinformation und Wirklichkeitsverzerrungen auf Social Media geschrieben (“Das ist keine Propaganda”). Im Gespräch mit “Zeit Online” geht es um Fake-Realitäten, die Ausbreitung von Verschwörungstheorien und die Zerstörung demokratischer Debatten: “Die Redefreiheit wird heutzutage dafür benutzt, Menschen zum Schweigen zu bringen, ihr Sprechen mit Lärm zu übertönen. Und die Pluralität der Meinungen und Haltungen hat sich in eine derart starke politische Polarisierung insbesondere in den USA verwandelt, dass dort Debatten nicht mehr ergebnisoffen geführt werden können. Die Metapher vom Markt der Ideen schließlich ist untauglich geworden, weil nicht mehr klar ist, ob eine Zunahme an Informationen tatsächlich zu einem Mehr an Demokratie führt.”

5. “Entscheidend ist, jemanden in einem Stream zu halten und zu einem Fan zu verwandeln” – Kunst im Stream
(dirkvongehlen.de)
Dirk von Gehlen hat auf seinem Blog eine kleine Serie zu Livestreams und Videokonferenzen gestartet (“Zehn Lehren aus der Coronakrise”). Regelmäßig befragt er Menschen, die in Zeiten der Corona-Pandemie statt auf Live-Events auf Videostreams und Online-Lehre setzen. Aktueller Gesprächspartner: Der Performancekünstler Marcus John Henry Brown. Dessen Empfehlung an Streaming-Interessierte: “Recherchiere, bis Deine Augen blutig werden. Denke an den Kontext des Streams. Denke in Formaten. Talent imitates — genius steals: Stehle vom Live-Fernsehen. WWE Pay-per-Views, Frühstücksfernsehen, Tele-Shopping, Nachrichten oder alte MTV-Formate wie ‘MTV’s Most Wanted’ mit Ray Cokes. Verbringe Tage in TWITCH, YouTube oder MIXER. Denke daran: Das, was Du da planst, ist ‘Internet-Fernsehen’.”

6. Da passt was nicht zusammen
(taz.de, Anne Fromm)
Es ist ein höchst widersprüchliches Phänomen: Einerseits freuen sich die Verlage über Webseiten- und Digital-Abo-Rekorde, andererseits schicken sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Kurzarbeit. Die zusätzlichen Online-Erlöse würden nicht das ausgleichen, was im Anzeigengeschäft verlorengehe, so die Begründung der Medienhäuser. Anne Fromm merkt dazu an: “Wer JournalistInnen in Kurzarbeit schickt, senkt die Qualität. Und riskiert Subventionsbetrug. Wenn bei Kurzarbeit die JournalistInnen weiter 100 Prozent arbeiten, ist das illegal. Denn das ausfallende Gehalt und die Sozialbeiträge werden zu bis zu 67 Prozent von der Allgemeinheit übernommen. Ja, Corona bedeutet für angeschlagene Presseverlage weitere Verluste. Bloß ist Kurzarbeit, pauschal für ganze Redaktionen, dagegen kaum das richtige Mittel.”
Weiterer Lesehinweis: Medien: Hier könnte Ihre Anzeige stehen — Wie Covid‑19 ProSieben, RTL, SPIEGEL & Co trifft (deraktionaer.de, Leon Müller).

Verhaftet und bedroht, Mahnmal “Heinsberg Protokoll”, Leere Stühle

1. Verhaftet, angegriffen, bedroht
(sueddeutsche.de, Paul-Anton Krüger)
In einigen Ländern ist es schwer bis nahezu unmöglich, über die Corona-Pandemie zu berichten. Wer es dennoch tut, werde mit Arbeitsverbot belegt, drangsaliert, bedroht und bestraft. Besonders stark werde die Pressefreiheit laut “Reporter ohne Grenzen” derzeit zum Beispiel im Irak, in China und in Ägypten eingeschränkt.

2. 7+1 Ideen für Social-Distancing-Journalismus
(freienbibel.de, Anja Reiter & Jakob Vicari)
Freie Journalisten und Journalistinnen haben es derzeit besonders schwer: Weil es schwerer geworden ist, Abnehmer für Geschichten zu finden, aber auch, weil es schwerer ist, über Menschen zu schreiben, wenn man sie nicht persönlich treffen darf. Anja Reiter und Jakob Vicari haben “7+1” Vorschläge für einen gelingenden “Social-Distancing-Journalismus” — das reicht von Berichten aus dem virtuellen Raum bis hin zu kollaborativen Recherchen und Drohnenjournalismus.

3. VICE-Recherche: So radikalisiert Xavier Naidoo seine Fans mit Verschwörungstheorien
(vice.com, Sebastian Meineck)
Sebastian Meineck sieht in Xavier Naidoo mehr als einen vereinzelten Promi, der den Bezug zur Realität verloren habe: “Hinter Verschwörungserzählungen über gefolterte Kinder stecken gefährliche Weltanschauungen, die Menschen Angst machen und zu Gewalt treiben können. Auch der mutmaßliche Attentäter von Hanau sprach in einem seiner Videos von Kindern, die im Geheimen getötet würden. Der Fall Naidoo macht sichtbar: Verschwörungsglauben ist ein unterschätztes Problem, das weit über die Fantasien eines Sängers hinausgeht.”

4. Das üble Geschäft mit der Corona-Angst
(freitag.de, Katharina Nocun)
Katharina Nocun schreibt über erfolgreiche Quacksalber, windige TV-Evangelisten und geschäftstüchtige Scharlatane, die in der Corona-Pandemie ein Geschäft wittern.

5. Heinsberg: Fragwürdige Arbeit von Storymachine
(ndr.de, Sebastian Friedrich)
Sebastian Friedrich ist für das Medienmagazin “Zapp” den fragwürdigen Vorgängen um die mediale Vermarktung des sogenannten “Heinsberg Protokolls” nachgegangen und hat dazu auch einen Vertreter der Organisation “Lobbycontrol” befragt.
Weiterer Lesehinweis: In einem Gastbeitrag für “Meedia” bezeichnet der Kommunikationsexperte Jens Rehländer das “Heinsberg Protokoll” als “ein Mahnmal missglückter Wissenschaftsvermittlung”.

6. Warten auf Merkel: Medien, die auf Stühle starren
(yotube.com, Übermedien, Video: 3:55 Minuten)
Mittwochnachmittag. Die Medien warten gespannt auf die Pressekonferenz von Angela Merkel zu ihrem Gespräch mit den Ministerpräsidenten. Auch in den TV-Redaktionen herrscht große Spannung, und so wird immer wieder zum Ort des Geschehens geblendet. Dort ist jedoch wenig zu sehen, außer ein paar leeren Stühlen. Boris Rosenkranz mit einem oscarreifen Zusammenschnitt: “Medien, die auf Stühle starren”.

Zu Besuch bei Gujer, Zukunft von “Buzzfeed”, Fragerecht per Los

1. Wie war ich?
(republik.ch, Daniel Ryser)
Daniel Ryser hat ein überaus lesenswertes Porträt des “NZZ”-Chefredakteurs Eric Gujer verfasst. Er hat ihn im Schweizer Stammhaus besucht und ist nicht davor zurückgeschreckt, Gujer auch mit unangenehmen Fragen zur wirtschaftlichen Entwicklung zu konfrontieren: “Gujer lächelt das mit einem Kopf­schütteln weg, und natürlich kann man durchaus sagen, dass es völlig unwesentlich ist, dass in meinen komplett vernachlässigbaren, in Bubbles erstickenden linken Zecken­kreisen niemand mehr die NZZ liest, weil man es zum Beispiel in einer Welt der Trumps, Erdoğans, Putins, Orbáns, Bolsonaros und Johnsons irgendwann als intellektuelle Beleidigung empfand, wöchentlich erzählt zu bekommen, dass wir offenbar — zumindest in der Wahrnehmung an der Falkenstrasse — kurz vor einer totalitären Diktatur eines queer­feministischen Regen­bogens stehen. Aber 30’000 verloren gegangene Print-Jahres­abos lassen sich womöglich doch nicht so einfach mit Bubble und ‘lesen einfach keine Zeitung mehr’ schönreden.”

2. Was wird aus der deutschen Redaktion?
(deutschlandfunk.de, Daniel Bouhs, Audio: 4:51 Minuten)
Vergangenes Jahr wurde “Buzzfeed News”-Chef Daniel Drepper noch als “Chefredakteur des Jahres” ausgezeichnet. Heute bangen er und seine Redaktion um die berufliche Existenz. Die “Buzzfeed”-Zentrale will seinen mit Lob und Preisen ausgezeichneten deutschen Ableger abstoßen. Man möchte meinen, dass sich deutsche Medienhäuser um das tüchtige Team reißen, doch die derzeitigen Aussichten seien ungewiss.

3. Rechtsextreme podcasten ungestört bei Spotify
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
Rechtsextreme haben das Medium Podcast für sich entdeckt — um in der Corona-Krise die Deutungshoheit zu erlangen und um ihre Ideen unters Volk zu bringen. Matthias Schwarzer hat sich angeschaut beziehungsweise angehört, wie die Gruppierung “Ein Prozent” bei ihren Audio-Produktionen vorgeht und welche Köpfe hinter dem Netzwerk stecken.

4. Lotterie: Gewinner dürfen Fragen stellen
(verdi.de, Reiner Wandler)
Pressekonferenzen der spanischen Regierung finden derzeit online und vor leeren Stuhlreihen statt. Journalistinnen und Journalisten, die eine Frage stellen wollen, müssen auf eine Art Gewinnspiel hoffen: Nur wer ausgelost werde, könne per Videoschalte auf der Pressekonferenz zu Wort kommen. Dagegen richte sich nun der Widerstand zahlreicher Medienschaffender: Mittlerweile hätten über 400 von ihnen ein Manifest mit dem Titel “Die Freiheit zu fragen” unterzeichnet.

5. Podcasts zwischen Corona-Hype und Spotify-Monopol
(medienwoche.ch, Nick Lüthi)
Corona-Podcasts haben viel für die Akzeptanz des Mediums Podcast getan. Gleichzeitig versuche Spotify, eine marktbeherrschende Stellung zu erreichen, so Nick Lüthi in der Schweizer “Medienwoche”: “Befürchtungen gehen dahin, dass sich Spotify zu einem Gatekeeper entwickelt, vergleichbar mit der Rolle von Google oder Facebook im Netz. Noch ist es nicht so weit, aber Spotify geht den Weg in diese Richtung ziemlich zielstrebig. Dabei profitiert das Unternehmen auch von jenen Produzenten, die ihre Podcasts dort zum Abruf einstellen. Und das sind so ziemlich alle.”

6. “Misstrauen Sie dieser Video-Kolumne!”
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz, Video: 1:19 Minuten)
“Focus”-Kolumnist Jan Fleischhauer kommentiert die Video-Kolumne von Jan Fleischhauer. Boris Rosenkranz hat eine Video-Collage mit Fleischhauer-Sprech-Schnipseln arrangiert und lässt ihn unter anderem sagen: “Misstrauen Sie dieser Video-Kolumne! Bis irgendwann die Polizei kommt.”

Neue Fakten der “Storymachine”, Was für ein Aufzug, Sonja Zietlow

1. Streeck, Laschet, StoryMachine: Schnelle Daten, pünktlich geliefert
(riffreporter.de, Christian Schwägerl & Joachim Budde)
Die “Riffreporter” haben in einem längeren Lesestück die Vorgänge um das sogenannte “Heinsberg Protokoll” rekonstruiert. Eine lesenswerte Chronologie und Analyse mit erschreckenden Erkenntnissen: “Es ist Laschet, Streeck und StoryMachine gelungen, in der politischen Themen- und Prioritätensetzung neue Fakten zu schaffen und Aufmerksamkeit vom Lockdown auf den Exit umzulenken. Doch das PR-Bündnis hat einen Preis: Die Kritik an der Seriosität des Vorgehens.”

2. Traue keiner Statistik, …?
(spiegel.de, Marcel Pauly & Patrick Stotz)
Die Berichterstattung über das Coronavirus basiert häufig auf Zahlen. Doch welche Datenquellen und welche Messgrößen werden verwendet? Der “Spiegel” erklärt, woher die Daten kommen, wie aussagekräftig die Infiziertenzahlen sind, welche Kennzahlen für die Ländertabelle verwendet werden, und beantwortet weitere Fragen zum Umgang mit den Covid-19-Zahlen.

3. Was machen all diese Politiker in einem Aufzug?
(hessenschau.de)
Im ganzen Land heißt es Abstand halten, aber ausgerechnet die, die es besser wissen müssten, quetschen sich in einen proppenvollen Aufzug. Mit dabei: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Kanzleramtsminister Helge Braun, Ministerpräsident Volker Bouffier, Regierungssprecher Michael Bußer (alle CDU) und Hessens Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne), dazu noch mindestens sechs weitere Personen. Das Foto der irren Szene sorgte in den Sozialen Medien für allerlei Gesprächsstoff: von kritischen Anmerkungen bis hin zu spöttischen und lakonischen Bemerkungen.

4. Susanne Gaschke fragt sich, ob Corona der neue Hitler ist
(uebermedien.de, Jürn Kruse)
Gefallen sich die Deutschen tatsächlich “in 150-prozentigem Corona-Gehorsam”, wie von Susanne Gaschke in der “NZZ” behauptet? Jürn Kruse hat sich den Artikel absatzweise vorgenommen und die darin enthaltenen Vorwürfe und Unterstellungen (“Totalitarismus”, “Ermächtigungsgesetz”, “Unterwerfung”) seziert.

5. Forum Recht, Ausgabe “Don’t @ me” (1/2020)
(forum-recht-online.de)
“Forum Recht” ist ein rechtspolitisches Magazin, das vom Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen sowie einem Trägerverein herausgegeben und vor allem von Studierenden, Referendarinnen und Referendaren gefüllt wird. Die aktuelle Ausgabe widmet sich dem Thema Social Media: Wie agieren Menschen und staatliche Akteure in den Sozialen Medien? Und wie kann das Recht darauf reagieren? Das Heft steht jetzt zur freien Online-Lektüre bereit.

6. Sonja Zietlow irritiert mit Facebook-Posts zum Coronavirus
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
In den vergangenen Tagen postete die prominente RTL-Moderatorin Sonja Zietlow (“Dschungelcamp”) allerlei Seltsamkeiten auf ihrem verifizierten Facebook-Kanal und lockte damit Verschwörungstheoretiker der unterschiedlichsten Couleur an. Am Ostersonntag veröffentlichte sie eine Liste mit Personen aus Medizin und Forschung, die ihrer Auffassung nach in der Gesellschaft als “Verschwörungstheoretiker” gelten würden. Das Problem: Viele davon hatten tatsächlich fragwürdige oder gänzlich widerlegte Aussagen über das Coronavirus verbreitet. “Wer nicht als Verschwörungstheoretiker gilt”, so Zietlow weiter in ihrem Post: “Prof. Dorsten (!), Lothar Wieler RKI, Bill Gates, Spahn.” Der Spuk scheint jedoch beendet, zumindest vorerst: Zietlows Facebookseite ist seit gestern Abend nicht mehr erreichbar.

Heinsberg und die “Storymachine”, Corona-Stillstand, 100 Jahre Kicker

1. Offene Fragen: Sportmanager Mronz und die Heinsberg-Studie
(sportschau.de, Niklas Schenk)
Rund um die sogenannte “Heinsberg-Studie” von Hendrik Streeck, Chefvirologe der Uni Bonn, tauchen allerhand Fragen auf, die nichts mit den medizinischen Ergebnissen zu tun haben, sondern sich auf einen Nebenaspekt beziehen: “Warum ist eine PR-Agentur an einer wissenschaftlichen Studie beteiligt? Wer hat [Michael] Mronz und seine Firma ‘Storymachine’ beauftragt? Wer bezahlt diese?”
Weitere Lesehinweise: Kritik und Zweifel an Studie aus Heinsberg (sueddeutsche.de, Kathrin Zinkant) und auf “Meedia” hat sich einer der “Storymachine”-Betreiber geäußert: “Heinsberg Protokoll”: Zum ersten Mal spricht Philipp Jessen über ein Storymachine-Projekt.

2. Im Stillstand der Städte
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Stadt- und Kulturmagazine trifft die derzeitige Lage besonders hart, da kaum noch Werbung für Veranstaltungen, Restaurants, Partys oder sonstige Events geschaltet wird. Boris Rosenkranz hat sich bei einigen Magazinen umgehört, wie sie mit der Krise umgehen.

3. Corona-Falschmeldungen erreichen ein Millionenpublikum
(sueddeutsche.de, Simon Hurtz & Hannes Munzinger)
Eine der “Süddeutschen Zeitung”, NDR und WDR vorliegende Analyse hat Videos und Artikel erfasst, die bei Faktenchecks als irreführend oder falsch gekennzeichnet wurden, und deren Ausbreitungswege ausgewertet. Die Corona-Krise mache Menschen besonders anfällig für Falschinformationen: Die betreffenden Videos würden millionenfach geklickt. Löschungen gälten in der Szene als besonderes Merkmal der Glaubwürdigkeit, und Faktenchecks könnten nur einen Bruchteil der Nutzerinnen und Nutzer erreichen.

4. Virale Propaganda
(netzpolitik.org, Daniel Laufer & Jan Petter)
Die rechte Szene habe ein Propagandaportal mit rechtsradikalen und rassistischen Botschaften gestartet, das sich vornehmlich an junge Leute richte und dabei auf die typischen Stilelemente wie Listen, Quizspiele und gut teilbare Grafiken setze. Recherchen von netzpolitik.org und “Bento” würden zeigen, dass der Gründer der Seite seit Jahren in der rechten Szene aktiv sei: “Er und seine Mitstreiter:innen haben nicht nur enge Verbindungen zu AfD-Politikern und der Jungen Alternative (JA), sondern auch ins rechtsextreme Milieu rund um die Identitäre Bewegung (IB) und zu anderen Medien, die teils vom Verfassungsschutz beobachtet werden.”
Weiterer Lesehinweis: Warum Rechtsextremisten Mythen zu Corona verbreiten (kattascha.de, Katharina Nocun).

5. Breitbart ist wieder da – und Facebook hilft tatkräftig mit
(nzz.ch, Marc Neumann)
Facebook stellt sich gern als Plattform dar, das alles Menschenmögliche gegen die Verbreitung von “Fake News” unternehme. Für Irritation sorgt da die Aufnahme des verschwörungstheoretischen und rechtsextremen Mediums “Breitbart” in das Nachrichtenangebot “Facebook News”. Wie immer hat man zur Verteidigung einen schön klingenden Grund zur Hand: Das Netzwerk wolle damit für “Standpunktdiversität” sorgen.

6. 100 Jahre Kicker: Ein Sportmagazin schreibt Geschichte
(ardmediathek.de, Andreas Kramer, Video: 41:24 Minuten)
Das Fußballmagazin “Kicker“ wird 100 Jahre alt. Anlässlich des runden Geburtstags berichtet eine TV-Doku über Geschichte, Gegenwart und Zukunft der bekannten Fußballzeitschrift. Was sind die Konstanten, was hat sich verändert? Der Beitrag ist eine bunte und abwechslungsreiche Collage mit vielen Informationen und Anekdoten aus der langen Historie.

Corona-Schub für Online-Angebote, Verbockt es nicht, Quarantäne-Keller

1. Hört auf mit den Stereotypen!
(journalist.de, Stella Männer)
“Während wir in Porträts über [Friedrich] Merz von seinem Hobby dem Fliegen erfuhren, lernten wir in Texten über [Annegret] Kramp-Karrenbauer, wie viele Kinder sie hat.” Die freie Journalistin Stella Männer hat in ihrer Masterarbeit die geschlechtsstereotype Diskriminierung von Frauen in Spitzenpositionen untersucht. Aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen leitet sie acht konkrete Forderungen für einen besseren Journalismus ab.

2. Medien, verbockt es nicht!
(zeit.de, Rezo)
Der Youtuber Rezo beschäftigt sich in seiner aktuellen “Zeit”-Kolumne unter anderem mit dem Corona-Clickbait und erinnert die Medien an deren Verantwortung: “Wenn jemand auf etwas klickt, enttäuscht ist und es genervt wieder schließt, kommt nur eine Metrik an: ein Klick mehr. Wundervoll quantifizierbar, einheitlich vergleichbar, aber gerade deshalb oft völlig überbewertet und trügerisch. Den Verlust von Vertrauen und Respekt merkt man im Gegensatz dazu oft erst dann, wenn es zu spät ist. Und die Auswirkungen können drastisch sein, denn das Vertrauen, das man mit zehn guten Erfahrungen im Leser aufbaut, zerstört man mit einer schlechten wieder. ‘Wer einmal lügt’ und so.”

3. Werbung für Geldspiele: Transparenz sieht anders aus
(medienwoche.ch, Nick Lüthi)
Nick Lüthi kritisiert PR-getriebene Artikel über Schweizer Online-Casinos, die oftmals nicht klar als Werbung zu erkennen seien. Besonders auf Blick.ch würden immer wieder derartige grenzwertige Formate auftauchen. Lüthi plädiert für eine “Selbstverpflichtung auf klare Erkennbarkeit der Werbung”. Dies entspräche der liberalen Werbeordnung der Schweiz.

4. Ich bin immer ein bisschen unseriös.
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Jakob Buhre hat für “Planet Interview” mit der Autorin und Moderatorin Laura Karasek gesprochen. Es geht unter anderem um ihre Sendung “Zart am Limit”, Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung von Frauen in den Medien, zweischneidige beziehungsweise vergiftete Komplimente und ihre frühere Autorenschaft für “Bild”.

5. Moderation aus dem Quarantäne-Keller: CNN-Starreporter Chris Cuomo kämpft vor Millionenpublikum mit Corona
(meedia.de, Nils Jacobsen)
CNN-Reporter Chris Cuomo ist an einer Corona-Infektion erkrankt. Seit einer Woche berichtet er aus der privaten Keller-Quarantäne über den Verlauf der Erkrankung und schildert, was diese mit ihm psychisch mache. Zugeschaltet ist ein Arzt, der die Symptome medizinisch einordnet. Das Format werde von manchen Journalisten wegen der familiären Verbandelung Cuomos kritisiert: Chris Cuomo ist der jüngere Bruder von New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo.

6. Corona-Schub nicht nur im TV: n-tv.de überholt spiegel.de
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Dem aktuellen Geschehen geschuldet, sind die Besuchszahlen der großen Nachrichtenhäuser geradezu explodiert: Oft haben sich die Visits im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Leider konnten die spektakulären Online-Zuwächse viele Medienhäuser nicht vor der Kurzarbeit bewahren. Besonders eindrucksvoll hat sich übrigens n-tv.de entwickelt, das sich vor den “Spiegel” und direkt hinter Bild.de geschoben hat.

Berichten über Armut, Corona-Klicks, Bauer und die Medienkrise

1. Armutszeugnis – Wie das Fernsehen die Unterschichten vorführt (PDF)
(otto-brenner-stiftung.de, Bernd Gäbler)
Der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler hat untersucht, welches Bild von Armut in den Medien erzeugt wird. Zu diesem Zweck habe er sich RTL-2-Sendungen wie “Hartz und herzlich” und “Armes Deutschland – Stempeln oder abrackern?”, Formate von RTL wie “Zahltag! Ein Koffer voller Chancen” und Berichte von ARD und ZDF angeschaut. Das Resümee der Otto-Brenner-Stiftung, die die Untersuchung in Auftrag gegeben hat: “Angehörige der Unterschichten bekommen im ‘Unterschichtenfernsehen’ ein Zerrbild von sich selbst präsentiert — und die übrige Gesellschaft ignoriert das weitgehend: sowohl die Armut selbst, die mitten im reichen Deutschland existiert, als auch die medialen Klischees, die über die Betroffenen verbreitet werden.”
Weitere Lesehinweise: Eine Übersichtsseite der Otto-Brenner-Stiftung unter anderem mit weiterführenden Links zum Thema. Sowie der von der “Armutskonferenz” herausgegebene “Leitfaden zur respektvollen Armutsberichterstattung” (PDF).

2. Angesteckt
(zeit.de, Marc Brost & Bernhard Pörksen)
“Auch für Journalisten ist diese Krise anders als jede zuvor. Sie ist schwieriger zu begreifen und viel emotionaler, weil sie jeden trifft, beruflich wie privat. Dramen und Krisen, die eskalieren — das ist die intensivste Zeit für Journalisten, und gleichzeitig fühlt man sich ohnmächtig, kann schlechter recherchieren, sehnt einfach das Ende der Krise herbei. Man sucht Halt und verliert ihn zugleich.” Der Politikchef der “Zeit” Marc Brost und der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen schreiben von der Notwendigkeit von Journalismus während der Corona-Krise — und all den damit verbundenen Schwierigkeiten.

3. “Im Alltag ohne Isolation geht es mitunter deutlich rauer zu”
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Zwei Wochen lang hielt ORF-Journalist Armin Wolf zusammen mit vielen anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vom ORF-Zentrum aus den Sendebetrieb aufrecht. Timo Niemeier hat sich mit Wolf über die TV-Quarantäne unterhalten: Wie kann man sich das Arbeiten und Leben in ORF-Isolation vorstellen? Was war die größte Herausforderung? Was kann er anderen Kollegen und Kolleginnen für den “Fall der Fälle” raten?

4. Buzzfeed Deutschland steht zum Verkauf
(meedia.de, Andreas Marx)
Der deutsche Ableger des US-amerikanischen Medienunternehmens “Buzzfeed” steht zum Verkauf. Dies wurde mittlerweile auch vom “Buzzfeed Deutschland”-Chef Daniel Drepper auf Twitter bestätigt.
In diesem Zusammenhang sei auch nochmal an Dreppers lesenswerten “Blick auf den Journalismus” erinnert: Wir brauchen eine investigative Kultur in allen Redaktionen (journalist.de).
Weiterer Lesehinweis: Das Landgericht Berlin habe einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands gegen “Buzzfeed” Recht gegeben, so der Verband. Produktempfehlungen seien nicht ausreichend als Werbung gekennzeichnet worden: Gericht verbietet Schleichwerbung auf Buzzfeed (vzbv.de, Franka Kühn).

5. Medien: Klicks mit Corona
(infosperber.ch, Tobias Tscherrig)
Tobias Tscherrig kritisiert die Schweizer Medien für die Ausbeutung der Corona-Krise: “Sie überfluten die Bevölkerung auch mit Nebensächlichem, mit Nichtigkeiten und Belanglosem. Sie reiten die Corona-Welle, weil es billig ist und sich dadurch die Klickzahlen erhöhen. Damit wird aber nicht das ‘Recht auf Information’ oder der ‘gesellschaftlich notwendige Diskurs’ gesichert, wie es die Präambel der ‘Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten’ verlangt. Es ist Effekthascherei.”

6. Wie der Bauer Verlag Neuseeland in eine Medienkrise stürzt
(faz.net, Anke Richter)
Dass der Zeitschriftenverlag Bauer eine Niederlassung in Neuseeland schließt, klingt zunächst nach einer Petitesse. Doch weit gefehlt: Dahinter stecke eine Nachricht, die das ganze Land betreffe und sogar Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern auf den Plan gerufen habe. Anke Richter erklärt, warum der Rückzug des deutschen Unternehmens am anderen Ende der Welt eine ausgewachsene Medienkrise ausgelöst hat.

Dünnbartbohrer, Heimliches Strategiepapier, Falscher Tod

1. Exklusiv: Deutschlands beste Corona-Ticker
(kress.de, Christian Lindner)
Medienberater Christian Lindner stellt 15 beispielhafte Corona-Ticker vor. Sein Überraschungssieger: Der Corona-Feed der “Hamburger Morgenpost”. “Total regional, stimmig, kraftvoll, nüchtern im Sound und optisch perfekt.”
Wie es um Europas Presse in Zeiten der Pandemie steht, berichten “SZ”-Korrespondenten aus sechs Ländern. Angenehm kurze Infohäppchen der Auslandsreporterinnen und -reporter.
Doch wie wirkt sich die Corona-Krise im Inland aus? Gregory Lipinski hat sich für “Meedia” bei den großen Verlagshäusern umgeschaut. Nach Bertelsmann, Funke, SWMH und “Zeit”-Verlag wolle jetzt auch Axel Springer zumindest partielle Kurzarbeit anmelden. Und auch beim “Tagesspiegel” werde es wegen massiver Anzeigenrückgänge bald Kurzarbeit geben.
Im Podcast “Unter Zwei” von Levin Kubeth geht es ebenfalls um Die Herausforderungen der Coronakrise. Kubeth hat, wie so oft, hochkarätige Interviewgäste aus der Medienbranche in der Sendung.
Die “taz” plant eine Sonderausgabe für und gefüllt durch freie Fotografen und Fotografinnen: “Die taz wird am Donnerstag, Gründonnerstag Dokumente dieser Zeit aufbereiten — Dokumente, die uns unsere Fotograf:innen selbst bereitstellen, als visuelle Zeitzeug:innen.”
Beim “Fachjournalist” gibt es ein Interview mit dem Datenjournalisten Marcel Pauly vom “Spiegel”: “Die Coronakrise dominiert den Arbeitsalltag aller Datenteams”.
Lesenswert ist zudem Dennis Horns Einordnung der Medienkritik des Virologen Christian Drosten.
Und wer nach all den Corona-News etwas Abstand und Ablenkung braucht: Die “Süddeutsche” hat eine tolle Zusammenstellung von Kulturlinks: Konzerte, Lesungen und Kunst von zu Hause erleben.

2. Der Dünnbartbohrer
(neues-deutschland.de, Christian Y. Schmidt)
Christian Y. Schmidt ärgert sich über die journalistische Begleitung der Corona-Krise durch den Wirtschaftsjournalisten Gabor Steingart in dessen Newsletter: “Seit 2018 verschickt er per E-Mail ein sogenanntes ‘Morning Briefing’, eine Art ‘Breitbart light’ für Wirtschaftsliberale, das stilistisch den schmalen Grat zwischen Claas Relotius und Franz Josef Wagner auslotet. ‘Dünnbart’ wäre kein schlechter Name. Für den Verfasser aber müsste man aufgrund seiner Corona-Verlautbarungen ebenfalls eine neue Bezeichnung finden. Am besten würde eine passen, die ich hier nicht hinschreibe, denn ich habe keine Lust, mich von Steingart verklagen zu lassen.”

3. Veröffentlicht die Dokumente!
(uebermedien.de, Arne Semsrott)
In der Presselandschaft zirkuliert ein vertrauliches Strategiepapier des Bundesinnenministeriums zum Umgang mit der Corona-Pandemie. Viele Medien hätten sich aus dem 17-seitigen Papier unterschiedliche Aspekte herausgepickt und würden daraus zitieren. Obwohl das Strategiepapier bereits in der Branche kreise, weigere sich das Innenministerium, es auch anderen Journalistinnen und Journalisten auf Basis des Pressegesetzes herauszugeben. Arne Semsrott ist deshalb initiativ geworden: “Es über das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) zu bekommen, würde sich einen Monat hinziehen, viel zu lange. Und auch kein Sender, kein Verlag hat das Papier bisher veröffentlicht. Deshalb haben wir von ‘FragDenStaat’ das gemacht.”

4. Umstrukturierung als Mentalitätswandel
(deutschlandfunk.de, Daniel Bouhs, Audio: 5:21 Minuten)
Der Hessische Rundfunk befindet sich mitten in der Transformation. Das betrifft sowohl die Personalstruktur als auch die Inhalte und Ausspielwege. Es ist eine gewaltige Herausforderung, denn die Änderungen finden an vielen Stellen gleichzeitig statt, und die Corona-Krise verlangt dem Sender Weiteres ab. Daniel Bouhs hat sich die Reformanstrengungen näher angeschaut.

5. Konkurrenz mit Sonntags-Talks
(sueddeutsche.de)
Neulich lagen ARD und ZDF im Clinch wegen zeitgleich laufender Nachrichtensendungen, nun sollen parallel angesetzte Polit-Talkshows für Unmut sorgen. Spezial-Talkshowausgaben rund um das Coronavirus mit Maybrit Illner (ZDF) kollidierten mit dem festen Sendetermin ihrer ARD-Kollegin Anne Will.

6. Korrektur: Meldung zum Tod von Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger war falsch
(nzz.ch)
Die “Neue Zürcher Zeitung” (“NZZ”) ist offenbar auf einen berühmt-berüchtigten Twitter-Hoaxer hereingefallen, der sich als “Suhrkamp Verlag” ausgegeben und den angeblichen Tod des Schriftstellers Hans Magnus Enzensberger verkündet hatte.
Weiterer Lesehinweis: Felix Neumann hat mit dem Mann Kontakt aufgenommen, der sich als Politiker, Bischof und Künstler ausgebe: Tommasso Debenedetti – “Meisterfälscher” und Papst-Serienmörder (katholisch.de).
PS: Die “NZZ”-Redaktion wäre besser gefahren, wenn sie Neumanns 4 Strategien gegen Twitter-Fakes gelesen hätte, bevor sie die Falschnachricht ungeprüft weiterverbreitete. Ein Artikel für den digitalen Handwerkskoffer und die ewige Bookmarkliste.

Blättern:  1 ... 144 145 146 ... 492