Einpeitscher, Mehdorn, Nutzungsrechte

1. “Medien = Einpeitscher!”

(martina-kausch.de)

Martina Kausch macht ein paar Screenshots aus Newsportalen, die über den aktuellen G20-Gipfel in London berichten. “Ich habe mir erlaubt, einmal die Fotografen optisch hervorzuheben. Und wenn Ihr Euch die weiteren Bilder anseht, werdet Ihr schnell feststellen, dass mehr Fotografen am Schauplatz des Geschehens waren als Demonstranten oder Polizisten.”

2. “Überwachungssystem Bahn: Kampf gegen kritische Journalisten”

(ndr.de, Video, 8:20 Minuten)

Der zurückgetretene Bahn-Chef Hartmut Mehdorn zeigte den Medien lieber Zugreisende massierende Betreuer der Bahn als masslos überfüllte Züge. Mit angebrachter Kritik konnte er kaum umgehen und reagierte darauf mit Schimpftiraden per Fax und Telefon sowie mit Anzeigenboykotten.

3. “ZEIT MAGAZIN: über Luxusuhren schreiben und gleichzeitig für sie werben”

(spiegelblog.net, T. Engelbrecht)

Das Zeit Magazin Leben, eben bei den Lead Awards 2009 zum Leadmagazin des Jahres gewählt, schreibt erst im redaktionellen Teil über achteinhalb Seiten werbewirksam über Luxusuhren – und druckt dann auf der Rückseite ihres Magazins eine ganzseitige Anzeige der Luxusuhrenmarke Breitling ab.

4. “Zitieren Sie nicht die FAZ!”

(perlentaucher.de/blog, Anja Seeliger)

Die Frankfurter Allgemeine schreibt einen Brief an den Perlentaucher und fordert Nutzungsrechte in der Höhe von 590 Euro. Darauf meldet sich der Autor des Artikels, Thomas Hürlimann: “Ich meine, dass das Copyright immer noch bei mir ist. Deshalb können Sie das Zitat gern wieder aufnehmen.”

5. “Zwei sind weniger als eins”

(blog.persoenlich.com, Roger Schawinski)

Roger Schawinski äussert sich zur neuen Tages-Anzeiger-Chefredaktion: “Man greift auf zwei hauseigene Leute zurück, die man viel zu lange in der Warteschlaufe schmoren liess. Alles wirkt so, als ob man eine bessere Lösung gesucht hat und dabei gescheitert ist.”

6. “Endlich verstehen: Wer wird Millionär?”

(christophkoch.wordpress.com)

Über die Sendung “Wer wird Millionär”: “Doch welchen Joker wann einsetzen? In Russland gilt: Nie das Publikum fragen! Denn hier hat sich die Tradition eingebürgert, dass das Publikum absichtlich falsche Antworten gibt, um dem Kandidaten zu schaden.”

Gewalt, Tages-Anzeiger, Web-Wörter

1. “Brüssel soll die Presse retten”

(faz.net, Hajo Friedrich)

“Der Europäische Verband der Journalistenverbände sieht angesichts der Medienkrise die Demokratie gefährdet. Grund genug für ihn, von der Europäische Union Hilfe zu fordern. Setzen die Medien dabei ihre Unabhängigkeit aufs Spiel?”

2. “Bündnis der Medien mit der Gewalt”

(heise.de/tp, Benjamin Laufer)

“Man kennt das von vielen Großereignissen sozialer Bewegungen: Die mediale Berichterstattung ist getrieben von Sensationslust, dramatisiert Gewalttaten und reduziert die gesamten Proteste gerne auf solche. Über die Inhalte der Protestierenden wird in verschwindend geringem Ausmaß berichtet.”

3. Interview mit Andreas Strehle und Markus Eisenhut

(tagesanzeiger.ch, Peter Wälty und Michael Marti)

Die neuen Chefs der Printausgabe des Tages-Anzeigers stellen sich den kritischen Fragen der Chefs online. Res Strehle: “Wir wollen mehr Eigenleistungen bringen. Mehr Glanzlichter setzen. Der Tages-Anzeiger kann nicht mehr eine Art Protokollführer des Zeitgeschehens sein, der über alles berichtet. Wir werden mehr gewichten, mehr Schwerpunkte setzen – und damit exklusive, aussergewöhnliche Leistungen erbringen.”

4. Berliner Kurier: Überfall auf die Redaktion

(berlinonline.de)

Die Redaktion der Boulevardzeitung Berliner Kurier wurde von mehreren Vermummten überfallen. “Ohne ein Wort zu verlieren, warfen die schwarz gekleideten Männer Tische um, zerstörten Computer und Arbeitsmaterial. Verletzte gab es nicht.” Eine Bildergalerie zeigt das Ausmass der Verwüstung.

5. “Wie bitte? Was sagen die da auf der Re:publica?”

(morgenpost.de, Sonja Haase)

Die Berliner Morgenpost erklärt zur heute beginnenden re:publica’09 “Spezialbegriffe”. Gemeint sind damit “Web-Wörter” von “Alpha Blogger” über “Posten” bis “Youtube”.

6. “Dodale Verandwordung”

(focus.de, Josef Seitz)

“Können die Zeiten hart werden, wenn der Wirtschaftsminister aus Franken kommt? Egal. ‘Beckmann’ spült eh alles weich.”

ORF, Eiltz, Spring, Gottlieb

1. “Manifest: Rettet den ORF!”

(diepresse.com)

“Österreichs unabhängige Zeitungen starten die Aktion ‘Rettet den ORF’: Denn Parteipolitik und Führungsprobleme bedrohen Existenz und Unabhängigkeit.”

2. “Macht die Glotze aus!”

(tagesspiegel.de, Mercedes Bunz und Nadine Lantzsch)

“Wenn heute keine Generation wütend an die Mattscheibe klopft und Einlass fordert, hat das einen Grund: Wir toben uns woanders aus. Über das Fernsehen ärgern wir uns nicht lang. Gut, kurz waren wir ein wenig wehmütig. Aber warum sollen wir uns übergangen und unterdrückt fühlen, wenn unser Computer die viel besseren Angebote macht?”

3. Interview mit Ernst Elitz

(fr-online.de, Daland Segler)

Der abtretende Intendant von Deutschlandradio Kultur erklärt, wie es “vollkommen wahnfrei” gelungen sei, “den Altersdurchschnitt der Hörerschaft auf 49-50 Jahre zu senken”: “Wir bringen über den Tag keine langen Sendungen, sondern fünf, sechs, sieben Minuten lange Beiträge, immer unterbrochen von Kultur- oder auch Weltnachrichten, ein relativ kurzer Rhythmus, wo man einschalten, aber auch schnell wieder rausschalten kann”.

4. Interview mit Roy Spring

(persoenlich.com)

Kommunikatons-Allrounder Roy Spring fällt ein Urteil über die aktuellen Journalisten: “Je härter die Umstände, desto mehr versuchen die Journalisten ihre schwindende Bedeutung mit dem Anschein von Wichtigkeit zu kompensieren. So werden sie zu Missionaren ihrer Ideologien — statt neugierige Beobachter zu bleiben. Kein Wunder, macht es oft keinen Spass, ihre Texte zu lesen. Viele, die ich früher bewundert habe, sind heute fantasielose Wiederkäuer ihrer alten Ansichten.”

5. Interview mit Martin Gottlieb

(spiegel.de, Stefan Simons)

Für Martin Gottlieb, leitender Redakteur der ‘International Herald Tribune’, ist die Zeitung noch nicht am Ende: “Zeitungen, heißt es, seien dem Tod geweiht wie einst Dinosaurier. Tatsächlich sind sie für Millionen Menschen noch immer die wichtigste Informationsquelle.”

6. “European Newspapers Find Creative Ways to Thrive in the Internet Age”

(nytimes.com, Eric Pfanner)

Die New York Times guckt neidisch nach Europa, das noch gar nicht richtig in der Medienkrise angekommen ist. Die Rezession habe noch nicht durchgeschlagen, weil sich europäische Zeitungen mehr auf Leser denn auf Werbung stützen würden. Positiv erwähnt: Axel Springer, Schibsted, VG Nett.

In eigener Sache: Clarissa sagt Tschüssi

Ihr Lieben,

bei mir um die Ecke hat kürzlich ein kleiner Tante-Emma-Edeka dichtgemacht.

Aber zunächst zu etwas anderem. Am Sonntag, dem 6. April vergangenen Jahres, erreichte mich um ca. 23 Uhr eine SMS mit unbekannter Nummer und folgendem Inhalt:

Ich kann einfach nicht mehr. Ich setze jetzt meinem Leben ein Ende!

Den Namen des Absenders, den er dazugeschrieben hatte, kannte ich – aus Überschriften in der “Bild”-Zeitung. Wir hatten deshalb schon mal miteinander telefoniert. Als ich ihn nun zurückrufen wollte, erklang während des Wartezeichens ein heiterer Evergreen, wie es ihn auch als Spieluhr gibt. Doch es ging niemand ran. Ich sprach ihm auf die Mailbox, dass er mich bitte umgehend anrufen möge. Was er nicht tat. Und ich wählte zum ersten und bislang einzigen Mal in meinem Leben die 110…
(Nein, keine Sorge: Ist soweit gutgegangen die Sache, halbwegs.)

Mit anderen Worten: In viereinhalb Jahren BILDblog lernt man einiges dazu. Es gibt noch mehr solcher Geschichten (und unfassbarere) über “Bild”, die sich dennoch nie aufschreiben ließen – und sei es nur aus Rücksicht auf Betroffene. Andererseits: Bei unserer BILDblog-Lesung habe ich erlebt, wie beängstigend kathartisch ein gemeinsames Auslachen der “Bild”-Zeitung sein kann. Herrje. Wieviel Wut über “Bild” so in den Leuten steckt! Außerdem weiß ich jetzt, dass es keine gute Idee ist, sich bei Minusgraden mit seinem Laptop in Berliner Parks fotografieren zu lassen – auch nicht für ein tolles internationales Blatt: Die Fotos hinterher waren schön, aber der Laptop ging danach nie wieder an. Auch ‘ne Erfahrung. Und dass ich mich mal dazu habe hinreißen lassen, ein Autogramm zu geben (auf eine “Bild”-Zeitung!), bereue ich zutiefst. Sogar die “Bild”-Zeitung verstehe ich nach viereinhalb Jahren gelegentlich besser als zuvor. Leider. Selbst wenn sie nach wie vor ein Drecksblatt ist. Aber ich weiß auch, dass ich oft gesagt habe, als BILDblogger kann man doch nicht einfach aufhören – und nie daran gedacht, dass das womöglich gar nicht stimmt.

Damit zurück zum kleinen Edeka. Da hängt im Schaufenster ein Zettel:

"Danke! Es war zu schön um wahr zu sein, aber 50 Jahre sind genug. Wir schließen."

Wir schließen nicht. Aber ich schließe mich an, verlasse das BILDblog mit unbekanntem Ziel. Und einem duseligen Gefühl.

Tschüss,

Eure Clarissa aka Christoph Schultheis

P.S.: Kann mal bitte jemand für Persönlichkeitsrechtsverletzungen ein besseres Wort erfinden als “Persönlichkeitsrechtsverletzungen”? Oder alternativ: einfach damit aufhören?! Danke.

Mit Dank an Stefan N., Heiko D., Lukas H., Kai B., Peer S. und alle sachdienlichen Hinweisgeber!

Raten und Lachen mit “Bild”

Beginnen wir mit dieser Geschichte aus der gestrigen “Bild am Sonntag”:

Frage: Welche Überschrift trägt diese Meldung in der “BamS”?

Klar.

***

Schon am Freitag meldete “Bild”, dass der japanische Fußballer Makoto Hasebe, der beim VfL Wolfsburg spielt, ein Problem mit der deutschen Sprache habe: Er könne kein “ch” aussprechen.

Frage: Mit welchen beiden Wörtern demonstriert “Bild” die konkreten Auswirkungen dieser Deutsch-Schwäche in der Praxis?

Richtig.

***

Und schließlich: Wenn Guy Ritchie nach seiner Scheidung von Madonna heiß begehrt ist, dann ist er einer der begehrtesten was Londons?

Genau.

Mit Dank an Daniel V., Thorsten M., Hans K. und Michael M.!

DuMont, Huffington, Bild, Pattaya

1. Interview mit Arianna Huffington

(sueddeutsche.de, Leif Kramp und Stephan Weichert)

Die Herausgeberin der Huffington Post, Arianna Huffington, glaubt, dass sich Online-Abonnements nur bei Porno und bei der Finanzberatung durchsetzen werden. Den Journalisten sagt sie: “Ein Großteil der Unzufriedenheit mit dem traditionellen Journalismus rührt daher, dass die meisten Journalisten anscheinend vergessen haben, dass ihre erste Pflicht darin besteht, der Wahrheit nachzuspüren – egal, welche Konsequenzen ihnen blühen.”

2. “Klick auf den tiefgefrorenen Fuchs”

(fr-online.de, Daniel Bouhs)

Bild und sein Onlineangebot bild.de setzen konsequent auf Inhalte aus den Regionen, sei es von lokalen Ablegern der Zeitung oder von Leserreportern. Refinanziert werden diese teilweise mit Gebührengeldern, dann nämlich wenn die Boulevardmagazine der Öffentlich-Rechtlichen solche einkaufen.

3. “DuMont – Alles auf Print”

(zeit.de, Christian Meier)

“Die Kölner Mediengruppe DuMont steigt nach Zukäufen in Frankfurt am Main und Berlin zum drittgrößten Zeitungsverlag in Deutschland auf.”

4. “Bei den Rohstoffrebellen”

(medien-monitor.com, Katharina Kruppa)

Klaus Werner-Lobo gibt sich für eine Recherche im Kongo aus als Rohstoffhändler Robert Mbaye Leman und “verspricht, er könne das Tantal zu einem besonders günstigen Preis besorgen. Er bekommt sofort Rückmeldungen – unter anderem auch von der Bayer AG.”

5. Interview mit Geert Lovink

(futurezone.orf.at, Patrick Dax)

Geert Lovink über Bezahlen im Internet: “Ich würde eine technische Lösung bevorzugen, bei der man über Mikrobezahlungen im Hintergrund einfach für das bezahlt, was man sich ansieht.”

6. “Tod im Paradies”

(spiegel.de, Alexander Osang)

“Tausende deutsche Pensionäre leben im thailändischen Pattaya. In dem Hotel ‘Villa Germania‘ verwirklichen sie ihren Traum von Freiheit, mit Alkohol und Frauen. Es ist ein Leben unter der Zeitglocke: Ihr Kanzler heißt Helmut Schmidt, ihr Kapitän Franz Beckenbauer.”

Schweine-Ärger mit Ansage

"Schon wieder so ein brandgefährlicher Kinderschänder frei -- JUSTIZ LÄSST ******* LAUFEN (Schwein darf BILD nicht schreiben, sonst gibt es Ärger mit dem Presserat)"

Vielleicht kamen sie sich besonders clever vor bei “Bild”, als sie im vergangenen Oktober diese Schlagzeile formulierten (wir berichteten); vielleicht auch nur besonders witzig.

Jedenfalls schaffte es die Überschrift geschickt, sich doppelt zu empören über den deutschen (Un-)Rechtsstaat, der angeblich nicht nur “Kinderschänder” laufen lässt, sondern es anständigen Zeitungen wie “Bild” auch noch verbietet, diese Menschen wenigstens “Schweine” zu nennen.

Ziffer 1 Pressekodex

Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.

Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.

Dabei hatte niemand “Bild” verboten, den Mann ein “Schwein” zu nennen — es verstößt nur gegen seine Menschenwürde und damit das, was der Pressekodex eines der “obersten Gebote der Presse” nennt (siehe Kasten rechts).

Das bekam die Zeitung nun auch schriftlich. Aufgrund einer Beschwerde von BILDblog sprach der Presserat eine “Missbilligung”* gegen “Bild” aus und erklärte:

(…) dass die Bezeichnung “Schwein” wie wirklich geschrieben zu bewerten ist, da sie trotz der Tatsache, dass das Wort durchgestrichen wurde, klar zu erkennen ist. Diese Gleichsetzung des betroffenen Mannes mit einem Tier verletzt seine Menschenwürde.

Der Beschwerdeausschuss stellt zudem fest, dass die Redaktion durch diese Veröffentlichung der Verantwortung, die die Presse hat, nicht gerecht wird. Es verletzt das Ansehen der Presse nach Ziffer 1 Pressekodex, wenn eine Zeitung — wenn sie selbst offensichtlichen Zweifel daran hat, ob ein Begriff aus ethischer Sicht verwendet werden kann — diese Bezeichnung dann doch in vorliegender Form verwendet.

Die Rechtsabteilung der Axel Springer AG teilte dem Presserat mit, dass sie auch diese Beschwerde von uns für einen Missbrauch dieses Gremiums hält (mehr zur Vorgeschichte dieses Streites). Zur Sache werde man sich daher nicht einlassen.

*) Missbilligungen sind für die betroffenen Zeitungen folgenlos. Der Presserat “empfiehlt” ihnen zwar, sie zu veröffentlichen — “als Ausdruck fairer Berichterstattung”. Die “Bild”-Zeitung verzichtet aber naturgemäß in der Regel darauf.

Auf Opfer kann “Bild” keine Rücksicht nehmen

Das ARD-Magazin “Panorama” hat sich bei der “Bild”-Zeitung nach den von ihr und der “Bild am Sonntag” veröffentlichten Fotos von den Opfern des Amoklaufes in Winnenden erkundigt:

“Hat die BamS-Redaktion diese Fotos von den Angehörigen oder Freunden erhalten oder sie aus dem Internet heruntergeladen?

Haben die Angehörigen dieser Veröffentlichung zugestimmt?

Wenn nicht, warum haben Sie die Fotos ohne Freigabe durch die Familien veröffentlicht?

Was sagen Sie zu dem Vorwurf des Vaters von Chantal S.: ‘Die Bild-Zeitung und andere, auch Fernsehsender, ziehen Profit aus unserem Leid! Die reißen die Bilder an sich und fragen nicht danach, was wir Hinterbliebenen denken und fühlen.'”

“Bild”-Sprecher Tobias Fröhlich antwortete schriftlich :

“Entgegen Ihrer Annahme dürfen Fotos von Opfern auch ohne Genehmigung gezeigt werden, sofern es sich um Bildnisse im Zusammenhang mit wichtigen zeitgeschichtlichen Ereignissen handelt. Der Redaktion fällt eine solche Entscheidung nicht leicht und sie muss in jedem Einzelfall sorgfältig abwägen, ob das öffentliche Interesse so überragend ist, dass man die Fotos auch ohne Einwilligung zeigen darf. Offensichtlich haben das auch alle anderen Zeitungen und Zeitschriften so beurteilt, die die besagten Bilder veröffentlichten.

Natürlich gehört unser Mitgefühl den vielen Familien in Winnenden, denen der schlimmstmögliche Schicksalsschlag widerfahren ist. Nichts kann den Schmerz und die Trauer über Verlust eines Kindes und eines Angehörigen lindern. Leider gehört es zu den Aufgaben von Journalisten, auch über solch dramatischen Ereignisse und die dahinter stehenden Schicksale zu berichten — sowohl über Täter, als auch über Opfer.”

Medienanwalt Christian Schertz widerspricht:

“Wenn ein Schüler oder ein Student sein Foto bei StudiVZ einstellt, willigt er damit noch lange nicht ein, dass dasselbe Foto im Falle eines Unglücksfalles, an dem er beteiligt ist, auf der Titelseite einer Boulevardseite veröffentlicht wird. (…)

Das Leid von anderen Menschen ist natürlich auch etwas, das die Sensationsgier befriedigt und damit Auflage macht. Und da ist es oft eine Abwägung von möglichen Anwaltskosten und den vielleicht noch zu zahlenden Schmerzensgeldern und dem, was man mit der Auflagensteigerung erreicht. Und dann ist das Ergebnis relativ eindeutig aus Sicht mancher Chefredakteure.”

Der “Panorama”-Beitrag greift auch den Fall von Sara L. auf, einer jungen magersüchtigen Frau, die im vergangenen Jahr starb. Fotos: INTERNETGegen den ausdrücklichen Willen ihrer Eltern hatte “Bild” damals einen großen Artikel mit Fotos von Sara veröffentlicht, die das Blatt sich im Internet besorgt hatte (wir berichteten).

“Bild”-Sprecher Fröhlich gibt den Eltern indirekt die Schuld daran, dass “Bild” das Schicksal ihrer Tochter ausgeweidet hat. Sie hätten Sara dadurch, dass sie einem Nachruf auf Sara im “Tagesspiegel” zugestimmt hätten, zu einer “relativen Person der Zeitgeschichte gemacht”, behauptet Fröhlich:

“In solch einem Fall bedarf es keiner Zustimmung des Abgebildeten oder der Hinterbliebenen.”

Tatort, Aust, Sigg, Holtzbrinck

1. “Seichte Talkshow-Soziologie prägt den ARD-‘Tatort'”

(nzz.ch, H. Sf.)

H. Sf. macht im Krimi, den ganz Deutschland jeden Sonntagabend zu verfolgen scheint, Veränderungen aus. “Es dominieren, mit wenigen Ausnahmen, Gutmenschen, Allesversteher und Betroffenheits-Betschwestern”: “Die Bösen sind meist Immobilienhändler, Baulöwen, Chefärzte, renommierte Juristen, Diamantenhändler, Grossgrundbesitzer oder, ganz schlimm, Angehörige von Burschenschaften.”

2. Interview mit Stefan Aust

(haz.de, Stefan Stosch)

“Wenn die Anzeigenerlöse und die Abo-Zahlen zurückgehen, muss jeder Verleger sparen. Das hat nicht unbedingt einen Qualitätsverlust zur Folge, kann es aber haben. Alles ist besser als betriebsbedingte Kündigungen. Dann können Sie nicht mehr selbst aussuchen, wen Sie entlassen. Dann geht es nicht mehr nach Qualifikation. Dann können Sie zumachen.”

3. “Und fast jeder Maurer ist besser ausgebildet…”

(blog-cj.de, Christian Jakubetz)

Christian Jakubetz traf kürzlich auf Zeitungsvolontäre und ihm ist “fast die Luft weggeblieben”: “Eine Gruppe (aus ganz unterschiedlichen Häusern), für die es selbstverständlich war, dass es keinen Ausbildungsplan gibt, keinen Redakteur, der sich um sie kümmert, kein Feedback, keine Anleitung, einfach nichts, außer: mach mal.”

4. Interview mit Oswald Sigg

(tagesanzeiger.ch, Pascal Tischhauser)

Oswald Sigg, abtretender Vizekanzler in der Bundeskanzlei, im Gespräch: “Der Medienschaffende ist heute eher – so denke ich – seinem Unternehmen verpflichtet, als einer irgendwie gearteten öffentlichen Aufgabe.”

5. “Holtzbrinck-Brüder im Interview”

(handelsblatt.com, Bernd Ziesemer)

Ein Interview aus der Holtzbrinck-Familie: “Bernd Ziesemer: Wie wird das Verhältnis der beiden unabhängigen Verlagsgruppen zueinander künftig aussehen? Dieter von Holtzbrinck: Freundschaftlich, eng, partnerschaftlich, familiär. Stefan von Holtzbrinck: Genau.”

6. “Phänomen Schweizer Familie”

(schneiderinechtzeit.blogspot.com, Markus Schneider)

“Das Phänomen Schweizer Familie besteht womöglich darin, dass diese Zeitschrift einen andern Zugang zu den Themen findet. Sogar zu einem Thema wie der öden Wirtschaftskrise. Da publiziert sie Artikel wie diesen hier.”

Der Papst kommt am Freitag (oder gar nicht)

Der März geht zuende, und außer dem Frühling müsste längst der Papst vor der Tür stehen. Vor einem Jahr, am 4. April 2008, hatte “Bild” seine Ankunft für diesen April avisiert, groß auf der Seite 1 (außerhalb Berlins natürlich mit “Deutschland” statt der Hauptstadt in der Schlagzeile):

Die Grundlage für den Artikel war bei genauerem Hinsehen dünn: Dieter Althaus, der Ministerpräsident von Thüringen, hatte den Papst am Tag zuvor bei einer Privataudienz eingeladen und der Papst hat anscheinend nicht sofort Nein gesagt.

Aber “nach BILD-Informationen” stand nicht nur der voraussichtliche Reisetermin fest (April 2009); die Zeitung wusste aus “gut informierten Kreisen des Vatikans” (also nicht von Andreas Englisch) unter anderem auch,

  • dass der Papst ein Wochenende bleiben möchte,
  • dass er “an einem Freitagabend auf dem militärischen Teil des Flughafens Tegel landen wird”,
  • dass er “in der Vatikanbotschaft neben der St. Johannes-Basilika an der Lilienthalstraße (Neukölln) übernachten wird”,
  • dass er am Sonntag “in Heiligenstadt Station machen will”,
  • dass es vermutlich “auf dem Gelände vor Burg Scharfenstein einen feierlichen Gottesdienst mit Zehntausenden Gläubigen” geben wird
  • und dass er am Sonntagnachmittag “nach Erfurt fliegt” und “den Domberg besucht”.

All das wusste “Bild” damals schon über den Papst-Besuch, nur das winzige Detail, dass der Papst womöglich gar nicht kommt, jedenfalls nicht 2009, das wollte “Bild” nicht wissen.

Dabei hatten unter anderem das Bistum Erfurt und der Vatikan schon am Vortag die Vorabmeldung von Bild.de dementiert und bestritten, dass ein Besuch feststehe. Die “Süddeutsche” schrieb einen Tag später, die Spekulationen von “Bild” und thüringischen Medien “dürften bislang eher den Vorstellungen der hoffnungsfrohen Deutschen entsprechen als denen des Vatikans”.

Inzwischen sieht es so aus, als ob der Papst eventuell 2010 Deutschland besuchen könnte. Vielleicht macht er ja “Bild” sogar eine Freude und kommt an einem Freitag und bleibt bis Sonntag.

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