Riepl, Ronaldo, Teenie-Blogger

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die Rieplsche Fata Morgana”
(handelsblatt6.blogg.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer analysiert die Liebe vieler Medienmenschen zum “Rieplschen Gesetz” und meint: “Wenn Herr Riepls Dissertation der Rettungsring der Medienhäuser ist, dann ist die Empfehlung, einen Schwimmkurs zu belegen, nicht die schlechteste.”

2. “Warum Kassieren online so schwierig ist”
(spiegel.de, Christian Stöcker)
“Google hat US-Zeitungsverlegern ein System vorgeschlagen, mit dem man für Journalismus im Internet Geld einziehen könnte. Solche Systeme gibt es längst, durchgesetzt haben sie sich aber nie. Reicht die Macht der Suchmaschinisten, auch das Bezahlen im Netz zu revolutionieren?”

3. “Die kommende Blogger-Elite”
(freitag.de, John Crace)
John Crace vom “Guardian” porträtiert Teenie-Blogger (hier im Original).

4. “Mutprobe Nr. 6: Zu Besuch in der Redaktion”
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Axel Hacke)
Axel Hacke zieht eine verwegene Mutprobe durch – er besucht die Redaktion der “Süddeutschen Zeitung”.

5. “Der öffentliche Babybauch”
(zeit.de, Ursula März)
In der Rubrik “Gesellschaftskritik” stellt Ursula März prominente Schwangere in Frage, die “ihr wachsendes Bäuchlein in allen Stadien in die Kameras halten”. Denn: “Was sagt eigentlich das Kind zu einem solchen Foto?”

6. ZDF blendet Ronaldo statt Cristiano Ronaldo ein
(youtube.com, Video, 2:32 Minuten)
Fußball: Das ZDF illustriert einen Bericht über Cristiano Ronaldo mit Ronaldo.

Wie in Bluewater einmal nichts passierte (2)

Die Nachrichtenagentur dpa bedauert, auf die Fälschung hereingefallen zu sein. Die dpa überprüft nach dem Vorfall ihre Regeln für den Umgang mit Informationen aus dem Internet und wird sie wo nötig verschärfen.

Mit diesen Sätzen endet im Original eine Meldung, in der die Nachrichtenagentur dpa ausführlich das Fiasko beschreibt, das sie heute erlebte (BILDblog berichtete). Sie ist zunächst auf ein vorgetäuschtes Selbstmordattentat in den USA hereingefallen und dann auf die vorgetäuschte Enthüllung, dass eine Gruppe von Berliner Rappern namens “Berlin Boys” ein Selbstmordattentat in den USA vorgetäuscht hätten. In Wahrheit war alles Fake — und eine PR-Aktion für den neuen Film “Shortcut to Hollywood” von Jan Stahlberg, in dem es um eine Band geht, die tatsächlich alles tut, um in die Medien zu kommen.

Die Aktion war generalstabsmäßig geplant und beruhte auf mehreren, sich gegenseitig bestätigenden falschen Internetseiten mit Telefonnummern, die nur scheinbar in die USA führten, in Wahrheit aber zum Team der Filmemacher. Die mutwillige Irreführung von dpa und anderer Medien war aufwändig vorbereitet — wäre aber tatsächlich aufgrund vieler Indizien leicht zu entlarven gewesen. Dass die größte deutsche Nachrichtenagentur viele Stunden lang einem Fernsehsender traut, der nicht existiert, und einen Anschlag in einer Kleinstadt meldet, die nicht existiert, lässt tatsächlich an ihren “Regeln für den Umgang mit Informationen” zweifeln, und zwar nicht nur solchen “aus dem Internet”.

Erst um 13:44 Uhr, mehr als vier Stunden nach dem ersten Bericht, brachte dpa folgende Eilmeldung:

Bitte verwenden Sie die Berichterstattung über den angeblichen Anschlag in der kalifornischen Kleinstadt Bluewater nicht (dpa 0294, dpa 0241, dpa 0237, dpa 0229). Die Deutsche Presse-Agentur dpa geht Hinweisen nach, dass die als Quelle genannte Website des Fernsehsenders gefälscht ist und auch andere Websites über Bluewater nicht echt sind.

Bis dahin hatte es die Ente sogar schon über die belgische Grenze, auf die Homepage der Zeitung “De Morgen” geschafft.

Besonders hart erwischte es allerdings auch heute.de, das Online-Nachrichtenangebot des ZDF, das aus den Informationen des (falschen) deutschen VPK7-Hospitanten Rainer Petersen, der auch bei dpa und anderen Medien angerufen hatte, gleich ein längeres Feature machte (inzwischen gelöscht):

Rainer Petersen ist Deutscher und arbeitet seit drei Monaten bei vpk-tv. Im Gespräch mit heute.de beschreibt er – am Telefon immer noch hörbar geschockt — die Situation. (…)

Die Stadt steht noch Stunden nach der Entwarnung unter Schock. “Mindestens fünf Menschen sind mit einem Kreislaufkollaps ins Krankenhaus gekommen”, sagt Petersen. Die Stimmung in der Stadt schwanke zwischen großer Wut und sehr großer Erleichterung. “Es gibt viele Leute, die Tränen in den Augen haben.” Der Gedanke an einen terroristischen Anschlag sei bei vielen Einwohner der Stadt sofort da gewesen. Die Behörden hätten ein hartes Vorgehen gegen die Deutschen angekündigt. “In deren Haut möchte ich jetzt nicht stecken”, sagt Petersen. Und schiebt noch hinterher, dass er jetzt wohl erstmal ein Bier trinken werde, um selber wieder etwas runterzukommen.

Dass selbst die scheinbare Auflösung noch ein Fake war und in Bluewater tatsächlich: nichts passiert ist, es also auch keine Aufregung und Panik gab, verwirrte viele Medien nachhaltig, darunter “Welt Online” (inzwischen geändert) in Kombination mit der gefälschten Stadt-Homepage …

… und sueddeutsche.de (inzwischen geändert):

Und die “B.Z.” mochte sogar nach der vollständigen Auflösung der Geschichte durch die Filmemacher noch nicht glauben, dass die “Berlin Boys” nur eine Erfindung sind und kontrastierte Stahlbergs Enthüllung des Fakes treuherzig mit den Äußerungen des fiktiven Managements (inzwischen verschlimmbessert):

Natürlich muss niemand fürchten, dass nun ausgerechnet die trashige Boulevardzeitung “B.Z.” anfangen wird, ihre “Regeln für den Umgang mit Informationen” zu überprüfen. Der zitierte Absatz zeigt, wie hartnäckig sie guten Geschichten glauben möchte, selbst wenn sie falsch sind.

Mehr zum Thema:

dpa  

Wie in Bluewater einmal nichts passierte

Die Deutsche Presse-Agentur dpa meldete heute morgen um 9:38 Uhr:

Los Angeles (dpa) – In der kalifornischen Kleinstadt Bluewater soll es nach einem Bericht des örtlichen Senders vpk-tv zu einem Selbstmordanschlag gekommen sein. Es habe in einem Restaurant zwei Explosionen gegeben, berichtete der Sender. Die Polizei sei im Einsatz und habe das Restaurant evakuiert. Ob Menschen zu Schaden kamen, sei unklar. Das Restaurant wirkte auf ersten Bildern nicht zerstört. Die Täter wurden von dem Sender als arabisch-stämmig beschrieben.

Um 9:59 Uhr ergänzte die Nachrichtenagentur ihre Meldung mit:

Ein Sprecher der Feuerwehr in der Kleinstadt Bluewater an der Grenze zum Bundesstaat Arizona bestätigte der Deutschen Presse- Agentur dpa, dass es in einem Restaurant zwei Explosionen gegeben habe. Sie hätten sich gegen 2300 Uhr Ortszeit (0800 MESZ Donnerstag) ereignet.

Um dann um 10:06 Uhr alles zu dementieren:

Los Angeles (dpa) – TV-Berichte über einen Anschlag in der kalifornischen Kleinstadt Bluewater scheinen falsch zu sein. Ein Polizeisprecher in Bluewater dementierte, dass es einen Anschlag gab. Vermutlich habe es sich um einen gefälschten Bericht gehandelt.

Passiert ist: gar nichts. Berichte über den Anschlag gibt es nach der Meldung durch die dpa: einige.

Gehen wir auf die Suche nach dem TV-Sender “vpk-tv”, der von der dpa als Quelle genannt wird. Wer auf Google oder Bing nach “vpk-tv” sucht, findet den Sender nicht. Vielleicht aber stösst er auf den Wikipedia-Eintrag KPVK-TV, der gestern, am 9. September 2009, angelegt wurde. Dort wiederum findet sich ein Link zur Website vpk-tv.com, wo gleich ein Video in Endlosschlaufe startet, das, was für ein Zufall, ein Selbstmordattentat in Bluewater, Kalifornien zum Thema hat.

In diesem Video tritt eine Nachrichtensprecherin auf, die einen aufgeregten Bericht ansagt, in dem Reporter, Polizisten, Opfer und sogar Täter vorkommen. Es wird erklärt, dass sich eine deutsche Gruppe von Rappern namens “Berlin Boys” in einem Video im Internet zur Tat bekannt hätten. Das Video gibt es tatsächlich, bereits seit gestern ist es auf MySpace und auch auf YouTube zu sehen.

Es fragt sich, warum denn ein “Sprecher der Feuerwehr in der Kleinstadt Bluewater an der Grenze zum Bundesstaat Arizona” der dpa bestätigte, dass es um 23 Uhr Lokalzeit zwei Explosionen gegeben habe. Auf der Website bluewatercity.com steht im Abschnitt “Public Safety” eine Telefonnummer der Feuerwehr (weit wichtiger und grösser darüber die “Mosquito & Vector Control”). Hat der dpa-Journalist diese angerufen?

Leider ist die Domain bluewatercity.com (whois.net) so echt wie vpk-tv.com (whois.net), nämlich gar nicht. Beide Websites wurden am 29. Juni 2009 registriert, lediglich die Adressen und die E-Mails unterscheiden sich, die Fax-Nummer ist sogar die Gleiche.

Doch auch ohne diese Indizien könnte man zum Schluss kommen, dass es diesen TV-Sender gar nicht gibt. Denn aus all diesen Quellen (inklusive den Videos der angeblichen Rapgruppe “Berlin Boys”) schreit ein Wort: Fälschung! Es gibt keine Quelle, die tatsächlich für ein einigermassen geübtes journalistisches Auge so aussieht, als wäre sie echt. Auf amerikanischen Nachrichtenseiten ist auch nichts dazu zu finden. In Deutschland hingegen verbreitet sich die Meldung noch immer, der dpa und ihren blinden Kopierern wegen. Als unter Dutzenden herausgepickte Beispiele sind welt.de, morgenpost.de, nordsee-zeitung.de, sz-online.de oder das wiesbadener-tagblatt.de zu nennen.

Auf Twitter produzieren die Nutzer @JFKindling (erste Twitter-Nutzung: 16. Juni 2009), @kimmieblu (erste Twitter-Nutzung: 26. Mai 2009) und @NormanKlein75 (erste Twitter-Nutzung: 23. Juni 2009) die Berichterstattung zum Stichwort #bluewater im Alleingang.

Von dort aus verlinkt wird ein Augenzeugenbericht auf YouTube, angelegt vom Nutzer KindlingerEscapePlan, der bisher noch nie ein Video hochgeladen hatte.

Um 10:48 Uhr, als allen schon klar ist, dass es sich bei der Meldung nur um eine virtuelle Realität handelt, kommt eine weitere dpa-Meldung:

Los Angeles (dpa) – Entwarnung in der kalifornischen Kleinstadt Bluewater: Am späten Mittwochabend (Ortszeit) berichtete der örtliche Sender vpk-tv, es habe einen Selbstmordanschlag in dem Restaurant Artisan Diner gegeben. Die Täter seien arabisch-stämmig.

Nach einer Stunde stand fest, es war ein böser Scherz: Drei deutsche Rapper hätten sich Bombenattrappen umgebunden und seien in das Restaurant gestürmt, um Medienaufmerksamkeit zu erlangen. Die Behörden kündigten ein hartes Vorgehen gegen die Deutschen an, berichtete der Sender.

Ein Sprecher der örtlichen Polizei bestätigte der Deutschen Presse-Agentur dpa, dass die drei Männer festgenommen wurden. Details des Vorfalls seien weiterhin nicht ganz klar. Es habe jedenfalls keine echte Explosion gegeben.

(Achtung Redaktionen: Bei den drei deutschen Rapper soll es sich nach Angaben des Senders um die Berlin Boys handeln. Die weitere Berichterstattung läuft im Ressort Vermischtes)

Warum sich die dpa auch im dritten Bericht noch auf einen “örtlichen Sender” verlässt, den es offenkundig gar nicht gibt, ist ein Rätsel. Ebenso liegt noch im Dunklen, wer der dpa von der angeblichen Festnahme von drei Männern erzählte.

Vor zwei Tagen meldete die dpa, sie wolle sich künftig zunehmend für User Generated Content öffnen. Warum? Das ist doch, wie sich heute gezeigt hat, längst der Fall.

Mit Dank an Benjamin N.

Nachtrag, 15:45 Uhr: Auf der Website vpk-tv.com wird das Spiel jetzt aufgelöst. Sie zeigt zwei “Making-of”-Videos und die beiden “Bluewater Attack”-Videos. Es handelt sich bei dem doppelten Fake (es gab in Bluewater weder einen Selbstmordanschlag, noch einen vorgetäuschten Selbstmordanschlag durch deutsche Rapper) um eine PR-Aktion zu dem Film “Shortcut To Hollywood”. In der Pressemitteilung dazu heisst es:

“VPK”, der Sender, von dem Sie jetzt gehört haben werden, existiert nicht. Die “Berlin Boys” mit ihrem Song “Hass” hat es nie gegeben. Es gibt auch keine Stadt “Bluewater”, und es gab auch nie einen Polizisten, Bürgermeister oder Feuerwehrmann, die dort am Telefon geantwortet haben. Es sind amerikanische Schauspieler mit komischen Mützen auf. Es gab keinen “Rainer Petersen” bei diesem erfundenen Sender aus einer erfundenen Stadt – nein, Rainer wird morgen aus Kreuzberg anrufen – aber geben tut es ihn deswegen noch lange nicht. Nichts davon gibt es. Selbst im Impressum des Senders steht in schlechtem Englisch, dass dies alles nicht existiert.

Weser Kurier, Tempo, Mohren

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Warum die ‘Hamburger Erklärung’ am Thema vorbeigeht”
(thereachgroup.de)
Die Unternehmensberatung Reach Group GmbH hat “die Ergebnisse mehrerer Millionen Google-Suchanfragen analysiert” und fand heraus: “Nur gut fünf Prozent der Top-10-Ergebnisse gehören zu den Verlags-Angeboten. Anders formuliert: 95 % aller deutschen Suchabfragen beinhalten auch jetzt schon keine Ergebnisse von Verlagsseiten auf Seite eins. Die wirtschaftliche Bedeutung der Verlagsinhalte für Google scheint also sehr gering.”

2. “Schmiergelder im MDR”
(taz.de, Daniel Bouhs)
Vor dem Leipziger Landgericht beginnt heute der Prozess gegen den früheren MDR-Sportchef Wilfried Mohren: “Insgesamt geht es um 350.000 Euro, die Mohren eingesackt haben soll, indem er vor allem Belangloses gegen Geld in die Teile des MDR-Programms hob, für die er als Leiter der Sportredaktion zuständig war – bis er nach Bekanntwerden seiner Aktionen 2005 erst suspendiert und dann entlassen wurde.”

3. “Tom Kummer”
(kurtschrage.de)
Kurt Schrage liest “Blow up”, das Buch von Tom Kummer, ein Journalist, der vor rund 10 Jahren fiktive Interviews als echt verkaufte. Und Schrage erzählt aus alten Zeiten beim Magazin “Tempo”: “Ich sollte die Mülltüten von Heino abgreifen und nach Hamburg schicken, damit sie im feinsten Studiolicht eines gerade angesagten Hamburger Fotografen abgelichtet werden können. Negativ. Ich weigerte mich den Auftrag anzunehmen.”

4. “Leitfaden für Streit mit Bloggern”
(grenzpfosten.de)
6 Tipps für Unternehmen, die Blogger kontaktieren wollen, die über sie schreiben: Nicht den Anwalt anrufen, eine Nacht drüber schlafen, erstmal mehr über den Blogger rausfinden, nachdenken, dann reden, am Schluss wieder über einen Anwalt nachdenken.

5. “Teure Illustration beim ‘Weserkurier'”
(ndr.de, Video, 5:43 Minuten)
Ein Illustrator erstellt für den ‘Weser Kurier’ ein Werk und erhält dafür 30 Euro. Danach soll er für gestellte Schadenersatzforderungen in der Höhe von 10’000 Euro aufkommen. Bei der Vorlage handelte es sich um ein Partyfoto aus dem Internet. Man einigt sich “salomonisch”.

6. “The Story Behind the Story”
(theatlantic.com, Mark Bowden, englisch)
Eine Fallstudie unseres post-journalistischen Zeitalters.

Lady Gagas kleiner Penis kriegt so einen Bart

Vor fünf Wochen diskutierten deutsche und internationale Medien darüber, ob Lady Gaga einen Penis habe oder nicht (BILDblog berichtete).

Vergangene Woche sprachen australische Radiomoderatoren die Sängerin selbst auf das Thema an (nachzuhören hier) und die Antwort (“Ich selbst bin nicht beleidigt. Meine Vagina ist beleidigt.”) schien selbst Bild.de überzeugt zu haben:

Damit ist das Thema dann wohl geklärt. Lady Gaga ist eindeutig eine Frau.

Nicht ganz so überzeugt war offenbar Viva-Moderatorin Collien Fernandes, die Lady Gaga bei einer Pressekonferenz in Berlin noch einmal auf das Thema ansprach und eine ähnliche Antwort erhielt. Anschließend wurde sie aus dem Saal geleitet.

In der Berliner Ausgabe berichtete “Bild” gestern über den “Skandal”. Dabei wiederholten die Zeitung und die Viva-Moderatorin unisono die äußerst unwahrscheinliche Behauptung, Lady Gaga habe den Wirbel um ihr Geschlecht selbst ausgelöst:

Die Sängerin schürte die Spekulationen auch noch selbst (“Ich bin sexy. Ich bin heiß. Ich habe eben beides”). Fernandes: “Wenn man so einen Skandal selber in die Welt setzt, finde ich dieses Verhalten etwas peinlich!”

“Welt Online” hielt den ganzen Vorfall für so bedeutend, dass man ihm gleich zwei fast wortgleiche Artikel widmete.

Auch dort kennt man keinerlei Zweifel an der Authentizität von Lady Gagas angeblichem Coming-Out:

Anlass für diese Frage war das anhaltende Gerücht, das Lady GaGa selbst in die Welt gesetzt hatte. In einem Interview hatte sie vor einiger Zeit gesagt: “Ich bin sexy. Ich bin heiß. Ich habe eben beides.” […]

Im Internet kursiert ihr eigener Blogeintrag, in dem sie sich als Zwitter outete: “Ich habe sowohl männliche als auch weibliche Genitalien – ich sehe mich aber als Frau.”

Nein. Es spricht alles dagegen, dass Lady Gaga sich selbst zu ihrem “Penis” bekannt hat — schon gar nicht in einem “Interview”.

Mit Dank an Twipsy.

Bild  

Gericht verbietet Foto von “U-Bahn-Schläger”

Das Oberlandesgericht Hamburg hat der “Bild”-Zeitung untersagt, einen der beiden Täter zu zeigen, die Ende 2007 als “U-Bahn-Schläger” von München bekannt wurden. Das Blatt hatte in seiner Berichterstattung über den Fall und den Prozess immer wieder, teilweise groß auf der Titelseite, die Täter gezeigt. Einer der beiden, der zum Zeitpunkt der Tat erst 17 Jahre alt war, hat dagegen erfolgreich auf Unterlassung geklagt.

Er müsse zwar die Berichterstattung hinnehmen, nicht aber die Veröffentlichung seines Bildes, weil eine spätere Resozialisierung dadurch fast unmöglich gemacht werde. Die Freiheit der Berichterstattung müsse hier hinter dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers in den Hintergrund treten — das habe “Bild” durch die Veröffentlichung verletzt.

Der besondere gesetzliche Schutz jugendlicher Straftäter entfalle auch nicht, wenn der Betroffene zum Zeitpunkt der Berichterstattung bereits volljährig ist. Daher sei eine Bildberichterstattung über die Straftat eines Jugendlichen unzulässig, urteilten die Richter (7 U 36/09, 7 U 37/09).

Mit Dank an Andreas K.!

(Do You) Remember The Time

Fast hätten die Leser von Bild.de einen Tag ohne Neuigkeiten vom “King Of Pop” verbringen müssen.

Aber nur fast:

Seit Kurzem kursiert ein Video im Internet, das Jackson von einer Seite zeigt, die uns oft verborgen blieb: ganz normal und frei von Zwängen.

Anders als sonst hat Bild.de das Video nicht mit dem eigenen Logo versehen und online gestellt, sondern direkt von YouTube eingebunden.

Und das macht es einem besonders leicht, herauszufinden, was für einen Zeitraum Bild.de mit “seit Kurzem” meint:

06 April 2007
Knapp zweieinhalb Jahre.

Mit Dank an Robert, Andre S. und Can K.

Gaul, Sarkozy, Wash Echte

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. Interview mit Richard Gaul
(zeit.de, Jonas Viering)
Der Vorsitzende des Wächterrats für die PR-Branche, Richard Gaul, hält nichts von Täuschungen und Schummeleien: “Wird der Qualitätsjournalismus als Wächter geschwächt, so ist der Unwahrheit, der Manipulation bis hin zur Lüge, Tür und Tor geöffnet. Kurzfristig könnte da ein Konzern mit seiner geballten Kommunikationsmacht profitieren, aber auf Dauer wäre er verdammt angreifbar.”

2. “Neues vom sehr kleinen Nic”
(faz.net, Jürg Altwegg)
Zur Bilderpolitik des französischen Präsidenten, Nicolas Sarkozy: “Sarkozy werden nur Arbeiter zur Seite gestellt, die ihn an Körpergröße nicht überragen: Tage im voraus hatte man die Statisten ausgewählt. Auch in Zweigstellen der Firma. Sie wurden speziell zum Besuch gefahren. Mit einem naiven ‘Ja’ beantwortet eine leicht verlegene Fabrikarbeiterin die Frage des Korrespondenten, ob sie auf Grund ihrer Körpergröße ausgewählt worden sei.”

3. “Für mehr Harmonie zwischen Print- und Online-Medien”
(nzz.ch, Nico Luchsinger)
Nico Luchsinger kritisiert in einem Blogeintrag, dass das Internet (auch im eigenen Haus) von vielen als Bedrohung für das gedruckte Wort gesehen wird: “So lange das Internet hauptsächlich als Gefahr wahrgenommen wird, dominieren Abwehrstrategien – und die sind selten zukunftsträchtig.”

4. “the internet is for free”
(pudri.blogspot.com, Mary Scherpe)
“Vor einem Jahr hat die mittlerweile schon wieder eingestellte Zeitschrift ‘Young’ des Burda Verlags NEUN meiner Stil in Berlin Bilder für eine siebenseitige Story verwendet. Ohne Erlaubnis. Ohne Credit. Ohne Honorar.”

5. “Keeping up with the news”
(ichwerdeeinberliner.com, Wash Echte, englisch)
Ein lesenswerter Beitrag des in Berlin lebenden Wash Echte (mehr hier) über den Medienkonsum der Deutschen: “Spiegel Online” werde “religiously” besucht, oft mehrmals die Stunde. Zu “Bild” notiert er: “Being caught reading Bild or worse, citing from it in public means irreversible instant social death in Germany.”

6. “Die Angst des Moderators im Erklärraum”
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
“Für die ‘heute’-Sendung um 19 Uhr wird um 18 Uhr 30, für das ‘heute-journal’ um 21 Uhr 45 um 21 Uhr aufgezeichnet. Damit der Zuschauer nicht irritiert wird, gehen die Moderatorinnen und Moderatoren perfekt geschminkt und genau so gekleidet zur Aufzeichnung, wie sie dann in der Sendung auftreten werden.”

Schummeln beim Schwanzvergleich

Das Boulevardblatt “Bild” verkauft trotz kontinuierlich sinkender Auflage täglich immer noch ungefähr dreimal so viele Exemplare wie das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” wöchentlich. Im vergangenen Monat schaffte es in der offiziellen Statistik der IVW erstmals auch der Online-Ableger von “Bild”, den Online-Ableger des “Spiegel” nach Besuchen (“Visits”) zu überholen.

Bild.de feiert sich mit einem Artikel und einer Grafik, die gleich beweist, wie wenig diese Zahlen über die Qualität des Angebotes aussagen:

Denn was auch immer die beiden Säulen repräsentieren sollen — die jeweiligen Visits sind es nicht. Wenn die linke Fläche 103 Millionen Besuche darstellt, entspricht die rechte im Verhältnis gerade einmal 87,5 Millionen Besuchen. Bild.de hat die knapp überholte vermeintliche Konkurrenz gleich einmal um rund ein Sechstel kleiner gemacht, als sie ist.

Korrekt hätte die Grafik so ausgesehen:

Andererseits ist das Original-Diagramm von Bild.de schon treffend. Denn genau das ist ja ein wesentliches Erfolgsrezept dieses Internet-Angebotes: übertreiben und verfälschen.

Mit Dank an Michael K.!

Internet-Manifest, Gran Canaria, Strunz

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Internet-Manifest”
(internet-manifest.de)
Die von verschiedenen Bloggern und Journalisten aufgestellten 17 Behauptungen, wie Journalismus heute funktioniert, polarisieren und werden ausgiebig in News und Blogs diskutiert.

2. “Zeitungen gehen Web-Satire auf den Leim”
(spiegel.de, pat)
Die bengalische Boulevardzeitung “Manab Zamin” nimmt eine Satire von “The Onion” auf und verbreitet sie unter ihren Lesern als die Wahrheit. Neil Armstrong soll auf Basis einiger “Clips bei YouTube” zum Schluss gekommen sein, er sei “gar nicht auf dem Mond gelandet, sondern auf einer Bühne in New Mexiko”.

3. “Gran Canaria: TV zeigt Homo-Sex in Dünen”
(queer.de, dk)
Der spanische TV-Sender Telecinco, mehrheitlich in Besitz von Mediaset (Silvio Berlusconi), filmte Touristen heimlich beim Sex im Freien und zeigte die Bilder am Samstagabend.

4. “Schlechter Journalismus und Facebook”
(neunetz.com, Marcel Weiß)
Marcel Weiß analysiert einen Artikel über Facebook auf dem Newsnetz-Portal bazonline.ch. Ein Journalist habe mal wieder das “Ich-habe-eine-These-und-bastle-mir-dazu-anekdotische-Fakten-Spiel gespielt, und zwar in der beliebten Nicht-passende-Fakten-werden-angepasst-Edition.”

5. “Der Mantel des Schweigens beim WDR”
(ruhrbarone.de, David Schraven und Marvin Oppong)
David Schraven und Marvin Oppong entdecken “beim WDR in Köln einen ähnlichen Fall” wie “in der Causa Heinze”. Doch im Gegensatz dazu “wurde dieser nicht in der Öffentlichkeit verhandelt, sondern in aller Stille bereinigt. Beim WDR mag man das Schweigen wohl.”

6. “Eine Zeitung für alle, voller Optimismus”
(abendblatt.de, Claus Strunz)
Ein Leser vertritt die Meinung, dass “Eyecatcher, d. h. auflagensteigernde Überschriften” nicht “in eklatantem Widerspruch zur Realität bzw. zum Inhalt des eigentlichen Artikels” sein sollten. Claus Strunz, Chefredakteur des “Hamburger Abendblatts”, antwortet: “Wir berichten fair, ehrlich und professionell. (…) Ihr Argument, wir überspitzten Überschriften zu sehr, um Auflagenerfolge zu erzielen, zielt ins Leere.”

Blättern:  1 ... 726 727 728 ... 1127