China, Sperrfristen, Content & Curation

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Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die China-Berichterstattung in den deutschen Medien”
(boell.de)
Die Heinrich-Böll-Stiftung untersucht detailiert die Berichterstattung deutscher Medien über China (PDF, 304 Seiten, 2,46 MB). Beklagt wird unter anderem Eurozentrismus, eine Fokussierung auf eine konfliktträchtige Kernagenda, eine “teilweise ideologische Berichterstattung” und ein starker Fokus auf “auf deutsche Elite-Personen und Unternehmen”.

2. “Raufende Ermittlungen”
(sueddeutsche.de, W. Janisch)
Für W. Janisch ist das Klima für Medien, die über laufende Ermittlungen berichten, rauer geworden: “Das liegt auch daran, dass dort ein Geschäftsfeld für Medienrechtsanwälte entstanden ist, die auf der Seite der Betroffenen agieren. Promi-Anwalt Matthias Prinz war ein Wegbereiter, Christian Schertz in Berlin und Michael Nesselhauf in Hamburg gehören zu den aktivsten Klagevertretern.”

3. “hysterie im web2.0 – chronographie einer twitter-ente”
(stenographique.wordpress.com)
Ein lauter Knall in Göttingen und die Folgen bei Twitter: “so schnell die aufregung kam, so schnell ist sie auch wieder verstummt. gerade einmal 15minuten und mehrere hundert nachrichten lagen zwischen panikähnlichen zuständen und business as usual. 11.15 uhr: man wendet sich wieder der kaffeetasse, dem lernskript oder dem terminplaner zu. als wäre nichts gewesen…”

4. “Skandalöse Rezensionspraktiken im Fall Christa Wolf”
(freitag.de/community/blogs, Michael Angele)
Michael Angele beachtet die Sperrfrist des Suhrkamp-Verlags zum neuen Roman von Christa Wolf, andere Medien aber nicht. Das sei auch “ein Betrug am Leser, denn der kann das besprochene Buch ja noch gar nicht kaufen”.

5. “Content Is No Longer King: Curation Is King”
(businessinsider.com, Steve Rosenbaum, englisch)
“‘Content is King’ — no longer. Today, the world has changed. ‘Curation Is King.'”

6. “Holzmedien versuchen HTML”
(hetjens.com, Philip Hetjens)
Philip Hetjens prüft die Websites einiger deutschsprachigen Zeitungen mit dem W3-Validator. “Im Boulevard scheint gutes HTML beliebt zu sein, aber sonst sieht es oft eher mässig aus. Den Vogel schiesst aber definitiv das Handelsblatt ab: Bei über 1300 Fehler auf der Homepage müssen die schon absichtlich eingebaut werden.”

Fernsehgarten, Focus, Futurezone

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1. “Wir Meinungsspekulanten”
(taz.de, Wolfgang Storz)
Für den Ex-Chefredakteur der “Frankfurter Rundschau”, Wolfgang Storz, ist “die gute alte Zeit, in der nur Bild dummmachte”, vorbei. “Auf die immer komplizierteren Entscheidungssituationen der Politik reagieren die meisten Journalisten mit immer banaleren Personalisierungen, die Ereignisse in Duelle umwandelt: Merkel gegen …, Wulff gegen …, Gabriel für …, Niederlage oder Sieg, Schwarz oder Weiß.”

2. “Focus enthüllt”
(dieganzewahrheit.blog.com, Thomas Weiss)
Thomas Weiss liest eine “Focus”-Story mit dem Titel “Die junge Republik – Präsident mit 51: Das aufwühlende Leben des Christian Wulff”.

3. “Sarkozy will über die Welt bestimmen”
(fr-online.de, Axel Veiel)
Die französische Regierung redet mit im Bieterverfahren um die Zeitung “Le Monde”. “Wenn zutrifft, was das Konkurrenzblatt Libération schreibt, dann ist Sarkozy die Vorstellung, die drei könnten die Kontrolle über Le Monde übernehmen, so unangenehm, dass er Fottorino gar mit dem Entzug staatlicher Unterstützung für die Modernisierung der Zeitungsdruckerei gedroht hat.”

4. “Fall Kölle: Dünger für Andrea Kiewel”
(sueddeutsche.de, Antje Hildebrandt)
Nach Informationen von sueddeutsche.de soll der “Wert der sogenannten Produkthilfen” (Pflanzen und Gartenzubehör), die eine private Firma dem ZDF-Fernsehgarten in einer vertraglich festgesetzten Kooperation zur Verfügung stellt, 250’000 Euro betragen.

5. “Die Futurezone, der VÖZ und die Politik.”
(datum.at, Jacqueline Godany)
Jacqueline Godany bloggt über die Einstellung, die der ORF Futurezone droht. “Zeitungsverleger sollten für Informationsfreiheit stehen. Stattdessen lassen sie per Gesetz die Konkurrenz abschalten.”

6. “Ist das Gleichberechtigung?”
(raul.de, Raul Krauthausen)
Rollstuhlfahrer Raul Krauthausen wird beim Telefonieren das iPhone aus der Hand gerissen. “Im Grunde bin ich froh, dass mir nicht mehr passiert ist. Sie hätten mir auch locker den Arm brechen oder mich zusammenschlagen können. Insofern hatte ich Glück im Unglück. So langsam kommt auch wieder meine sarkastische Seite hoch und fragt sich, ob es nicht auch irgendwie eine Form der Gleichberechtigung ist, wenn sogar vor Behinderten nicht Halt gemacht wird.”

Bravo  

Der wahre Loser

“Bravo”-Chefredakteur Philipp Jessen scheint ernstlich aufgebracht:

Feiges Cyber-Mobbing! Heute schreibe ich mal nicht über Stars. Warum? Weil mir ein anderes Thema besonders am Herzen liegt. Immer mehr Leser berichten uns, dass sie Opfer von Diss-Attacken im Internet geworden sind. So was ist wirklich das Letzte: fies, feige und gemein! Wer andere online beschimpft - und damit auch noch vor anderen prahlt - ist für mich der wahre Loser. Was Cyber-Mobbing anrichten kann und wie Du Dich dagegen wehrst, wenn Du selbst betroffen bist, erfährst Du auf Seite 56.

“Feiges Cyber-Mobbing”? Wie kommen die jungen Menschen nur immer auf solche Ideen?

Ach ja:

7. Auf seiner Online-Pinnwand postet Du: "Ich hab Windeln in deiner Größe gefunden. Jetzt musst du nicht mehr täglich die Bettwäsche wechseln!" 10. Du schreibst der Lehrerin, die er nicht ausstehen kann, eine Liebes-E-Mail von seinem Account. 7. Du setzt mit einem Bildbearbeitungs-Programm ihren Kopf auf ein Nacktmodell und schickst das Foto an all ihre Bekannten!
Mit erneutem Dank an Stefan W.

Bild  

“Ein Missbrauch der Pressefreiheit”

Was der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt von der Griechenland-Berichterstattung in “Bild” hält, hat er Giovanni di Lorenzo im aktuellen “Zeit-Magazin” verraten:

ZEITmagazin: Wo ist die Grenze zwischen rhetorischer Überzeugungskraft und purer Demagogie?

Schmidt: Ich kann das an einem Beispiel festmachen: Wenn ich lese, wie die auflagenstärkste europäische Tageszeitung, genannt Bild, in den letzten Wochen beinahe jeden Tag den Lesern klargemacht hat, dass man sein eigenes Geld nicht dafür verwenden sollte, dem aus eigener Schuld in Not geratenen Nachbarstaat Griechenland zu helfen, dann ist das in Wirklichkeit Demagogie oder, wenn Sie so wollen, ein Missbrauch der Pressefreiheit.

ZEITmagazin: Es ist auch ein Indiz dafür, dass Zeitungen in Versuchung geraten, solche Positionen einzunehmen, wenn es im Parteienspektrum niemanden gibt, der das tut.

Schmidt: Für Demagogie, sei es seitens einzelner Politiker oder politischer Parteien, einer Zeitung oder einer Fernsehanstalt, gibt es niemals eine Entschuldigung. Es gibt immer eine Erklärung, aber keine Entschuldigung.

Mit Dank an Martin Sch. für den Hinweis.

Der erste Millionär ist immer der Schwerste

Wenn sie bei Bild.de besonders erregt sind, bleiben sie schon mal auf der Feststelltaste ihrer Tastatur stehen:

DEUTSCHLANDS ERSTER MILLIONÄR FORDERT DIE REICHEN-STEUER!

Bild.de meint übrigens nicht den ersten Millionär in der Geschichte der Bundesrepublik, sondern etwas anderes:

Reeder Peter Krämer: Erster Millionär fordert Reichen-Steuer

Langjährige BILDblog-Leser werden sich anhand des Signalworts “erster” schon denken können, was jetzt kommt: Obwohl Peter Krämer die Wiedereinführung der Vermögenssteuer seit mindestens zwei Jahren befürwortet, ist er nicht der erste Millionär, der das tut.

In Deutschland hat sich um den Millionär Reiner Menter eine Gruppe gebildet, die sich für die für die Wiedereinführung der Vermögensteuer stark macht. Bis Ende 2002 hoffen sie, 200 Unterschriften von Millionären zu sammeln.

schrieb die Gewerkschaft ver.di anlässlich ihrer “Steuergerechtigkeit Kampagne 2002/2003” irgendwann im Jahr 2002.

Mit Dank an Marco S.

Klimaforscher, Macheten, Vuvuzelas

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1. “Wie Schiffeversenken, nur ernster”
(sueddeutsche.de, Peter Glaser)
Peter Glaser nennt Journalismus “die zivilisierteste Form von Widerstand”. Sein Text zur Zukunft des Journalismus befasst sich unter anderem mit der Suchmaschinenoptimierung und der Auflösung der klassischen Bündelungsform.

2. “SPIEGEL vs. ZEIT”
(wissenslogs.de/wblogs/blog/klimalounge, Stefan Rahmstorf)
Eine Diplomarbeit vergleicht die von “Spiegel” und “Zeit” in Artikeln zum Thema Klimawandel zitierten Klimaforscher.

3. “Opfer von Täuschungsmanöver”
(stuttgarter-zeitung.de, Erik Raidt)
Unbekannte geben sich gegenüber der Presse als “Junge Liberale” aus und wenden sich “mit drastischen Parolen gegen Arbeitslose”: “Die Stuttgarter Zeitung bedauert, dass die Jungen Liberalen durch die Berichterstattung über die von Dritten fälschlich in Umlauf gebrachten Behauptungen in ein falsches Licht gerückt worden sind.”

4. “Gewalt? Chaos? Desorganisation?”
(profil.at, Johannes Dieterich)
Die Fußball-WM in Südafrika hat begonnen. Johannes Dieterich erinnert nochmals an die zuvor verbreiteten Vorbehalte: “WM-Besucher müssten damit rechnen, von machetenschwingenden Farbigen zerstückelt zu werden, schrieb der Reporter eines britischen Boulevardblatts. Ein deutsches Sicherheitsunternehmen empfahl seiner Nationalmannschaft, ihr Hotel nur mit kugelsicheren Westen zu verlassen.”

5. “Frisch am Stück.”
(alexander-kissler.de)
Alexander Kissler sieht den kritischen Sportjournalismus während der WM in einer Auszeit: “Kritik hat Sendepause, Sportjournalismus wird zum angewandten Fan-Sein. Jetzt werden, je nach Verbreitungsgebiet, Helden gemacht, Stars gepriesen, Führer gebenedeit.”

6. “Vuvuzela-Filter”
(surfpoeten.de)
Wie macht man ein Audiosignal vuvuzelafrei? Eine kurze Anleitung.

Macht der Islam Jugendliche gewalttätig?

Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen KFN macht es Journalisten mit seinem jüngsten Forschungsbericht “Kinder und Jugendliche in Deutschland: Gewalterfahrungen, Integration und Medienkonsum” nicht leicht. Immerhin umfasst das unter Federführung von Institutsdirektor Prof. Dr. Christian Pfeiffer entstandene Mammutwerk, für das 45.000 Schülerinnen und Schüler befragt wurden, stolze 324 Seiten — und das ohne Such- und Kopierfunktion.

Da trifft es sich gut, dass das KFN — wie schon bei der kürzlich veröffentlichten Studie zur Polizeigewalt (BILDblog berichtete) — so freundlich war, auch eine zweiseitige Kurzzusammenfassung mit dem Titel “Religion, Integration und Delinquenz junger Menschen in Deutschland” zu erstellen. Dieser Kurzbericht konzentriert sich fast ausschließlich auf den Zusammenhang von Religiosität und Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen, der in der zugrunde liegenden Studie nur einen kleinen Teil ausmacht. Laut Pfeiffer liegt das daran, dass gerade zu diesem Aspekt neue Erkenntnisse gewonnen wurden.

Aus der Studie geht hervor:

Für junge Christen gilt, dass sie mit steigender Religiosität weniger Gewalttaten begehen. Bei jungen Migranten sinkt beispielsweise die Quote der Gewalttäter von 21,8 Prozent (nichtreligiöse Jugendliche) auf 12,4 Prozent (sehr religiöse Jugendliche) oder den Angehörigen sonstiger Religionen entsprechend von 26 Prozent auf 8,5 Prozent. Für junge Muslime geht dagegen die zunehmende Bindung an ihre Religion mit einem Anstieg der Gewalt einher. Die höchste Quote erreichen hier die “sehr religiösen” Jugendlichen mit 23,5 Prozent, die niedrigste die “etwas religiösen” mit 19,6 Prozent.

Dieser — wohlgemerkt relativ geringe — Anstieg der Gewaltbereitschaft betrifft ausschließlich “sehr religiöse” muslimische Jugendliche, nicht aber “etwas religiöse” oder “religiöse” (vgl. Tabelle KFN-Studie, S. 116). Er wird sowohl in der Langfassung als auch in der Kurzfassung der Studie nicht etwa mit der Religon, sondern mit anderen Faktoren wie der Akzeptanz gewaltlegitimierender Männlichkeitsnormen (“Machokultur”), der Zahl straffälliger Freunde oder der Nutzung gewalthaltiger Medien begründet.

In einem Artikel der “Süddeutschen Zeitung” mit dem sehr plakativen Titel “Die Faust zum Gebet”, dessen Inhalt über dpa und AFP seinen Weg in weitere Medien fand, wird KFN-Direktor Christian Pfeiffer dennoch so zitiert (alle folgenden Hervorhebungen von uns):

Selbst wenn man diese Faktoren herausrechnet, bleibt ein signifikanter Zusammenhang zwischen Religiosität und Gewaltbereitschaft.

Da könnte man glatt meinen, Herr Pfeiffer kennt seine eigene Studie nicht, denn was die Signifikanz angeht, kann man an mehreren Stellen (der für vielbeschäftigte Journalisten zu zeitaufwendigen Langfassung) das genaue Gegenteil lesen:

Das Modell III belegt ferner, dass diese erhöhte Gewaltbereitschaft weitestgehend auf andere Belastungsfaktoren zurückzuführen ist, wobei die vier bereits bekannten Faktoren einbezogen werden. Dies führt dazu, dass von der Zugehörigkeit zu einer Konfessionsgruppe kein Effekt mehr auf das Gewaltverhalten zu beobachten ist. (KFN-Studie, Seite 116)

(…) Mit stärkerer religiöser Bindung steigt die Gewaltbereitschaft tendenziell an. Da dieser Zusammenhang aber als nicht signifikant ausgewiesen wird, ist bei islamischen Jugendlichen von keinem unmittelbaren Zusammenhang (und damit auch nicht von einem Gewalt reduzierenden Zusammenhang) zwischen der Religiosität und der Gewaltdelinquenz auszugehen. (KFN-Studie, S. 118)

(…) Mit den hier dargestellten Forschungsergebnissen ist noch nicht ausreichend belegt, dass der Islam für die dargestellte Problematik direkt verantwortlich gemacht werden kann. Zur Klärung bedarf es tiefergehende Analysen (…). (KFN-Studie, S. 129)

Auf Anfrage von BILDblog sagte Pfeiffer dazu: “Die Formulierung im Text der SZ ist offenkundig die Folge davon, dass man meine Aussage aus Platzgründen verkürzt wiedergegeben hat.”

Dumm nur, dass die Kombination aus einer “verkürzten Aussage”, einer unsachlichen Überschrift und enormer Recherchefaulheit längst den Siegeszug durch die Medien angetreten hat und so auch zu einem gefundenen Fressen für islamfeindliche Seiten und Blogs wurde. Denn obwohl in der KFN-Studie kein signifikanter Zusammenhang zwischen Gewalttätigkeit und dem Islam festgestellt werden konnte, rauschte es im Blätterwald so:

Mit Dank an die Hinweisgeber!

Lass die Finger von Vuvuzela (2)

“Bild” machte gestern keinen Hehl daraus, was sie von den “Vuvuzela” genannten Plastiktröten hält, die bei der Fußball-WM in Südafrika massiv zum Einsatz kommen:

Tröööööööt-Wahnsinn bei der WM! Fan-Trompeten nerven pausenlos. TV- und Radio-Reporter kaum zu verstehen. Löw übt schon Zeichensprache.

Das also ist der Sound der WM! Was für ein Tröt-Wahnsinn bei den Spielen Südafrika gegen Mexiko (1:1) und Uruguay gegen Frankreich (0:0). Der nervige Dauerton der Plastiktrompeten (“Vuvuzelas”) erinnert an gewaltige Bienenschwärme.

Die Kommentatoren in TV und Radio sind kaum zu verstehen. Dröhnen uns jetzt vier Wochen lang die Ohren? BILD beantwortet die wichtigsten Fragen.

Diese Fragen finden sich auch auf Bild.de — und darüber hinaus auch die Antwort auf die gar nicht gestellte Frage “Und wo bekomme ich jetzt so ein Teil?”:

Deutschland Fan-Set: Fahne, Schminke und Vuvuzela für 9,99 Euro

Siehe auch:

Mit Dank an die vielen, vielen Hinweisgeber!

Kleine Gegendarstellungen unter Feinden

Das NDR-Eurovision-Blog fasst das Verhältnis zwischen Grand-Prix-Siegerin Lena Meyer-Landrut und “Bild” recht plastisch zusammen:

Für ein Medium, das beansprucht, die Phantasien von Massen zu kennen und diese entsprechend zu bedienen, also für eine Zeitung wie die “Bild”, muss es ein GAU sein, in Sachen Lena und ihrer ESC-Performances dauerhaft draußen gestanden zu haben – vorher, währenddessen und auch jetzt.

Um den eigenen Lesern irgendwas über Lena erzählen zu können, tragen “Bild” und Bild.de also seit Wochen Informationen aus Sekundär- und Tertiärquellen zusammen, die sich mal widersprechen und mal gar nichts aussagen.

Lena sagt Danke!Am 3. Juni, wenige Tage nach Lenas Sieg in Oslo, erklärte “Bild” anhand der Danksagungen im Booklet ihrer fast vier Wochen zuvor erschienenen CD, wem Lena “jetzt” Danke sagt. Auch Bild.de veröffentlichte einen umständlichen und etwas hilflosen Versuch einer Entschlüsselung.

Während manche der Dankeszuordnungen ziemlich unkonkret daherkommen (“im Internet glauben viele …”), waren andere Namen wie “Stefan” (Raab) und “Jörg” (Grabosch, von der TV-Produktionsfirma Brainpool) leichter zuzuordnen.

Dummerweise ist Bild.de dabei ein kleiner Fehler unterlaufen, den nicht mal wir aufgeschrieben hätten. Aber das war für Stefan Raab offenbar kein Kriterium:

Gegendarstellung: Zu dem Artikel "So sagt Lena Danke" vom 3.6. BILD.de veröffentlichte am 03.06.2010 den Artikel "So sagt Lena Danke", in welchem Lena aus dem Booklet ihrer CD "My Cassette Player" wie folgt zitiert wurde: "Ich danke den Leuten in, um und um Brainpool herum, (...)" Klickte man auf "Brainpool", öffnete sich ein Fenster, in dem es erklärend hieß: "Es handelt sich um die 1994 u.a. von Stefan Raab gegründete "Brainpool TV GmbH (...)". Hierzu stelle ich fest, dass ich die Brainpool TV GmbH nicht 1994 mitbegründet habe. Stefan Raab, Köln, den 07.06.2010. Anmerkung der Redaktion: Stefan Raab hat recht.

Mit Dank an Tobi.

Nachtrag, 12. Juni: Heute erschien die Gegendarstellung auch in der gedruckten “Bild”.

Bild  

WM-Pakete packen mit alten Freunden

Ab heute! WM-Knaller von Lidl und Bild: 6 Flaschen Bier + 1 Tüte Erdnuß-Flips + 1 Deutschland-Fahne nur 99 Cent!Es ist Sommer, wir schreiben eine gerade Jahreszahl und viele Privatfahrzeuge sind beflaggt wie sonst nur Staatskarossen. Kein Zweifel: Uns steht ein internationales Fußballgroßereignis ins Haus.

Anlässlich der Fußball-WM 2006 hatte “Bild” mit einem “WM-Knaller” überrascht: Mit einem in der Zeitung abgedruckten Gutschein konnte man beim Discounter Lidl für 99 Cent 6 Flaschen “köstliches Grafenwalder Premium-Pils”, “eine große Tüte knackige Erdnuß-Flips” und eine Deutschland-Fahne erstehen.

Nach langem Zögern sah der deutsche Presserat darin einen Verstoß gegen die Ziffern 6 und 7 des Pressekodex und sprach – unter anderem wegen eines Verstoß gegen des Trennungsgebot von Werbung und redaktionellen Inhalten – gegen “Bild” einen “Hinweis” aus (BILDblog berichtete).

"Lidl-EM-Paket exklusiv in BILD"Zwei Jahre später bekam der geneigte Leser zur Fußball-EM für “nur einen Euro” sechs Flaschen “Grafenwalder Premium Pils” und ein Paket Grillwürstchen (“Dulano, 350 Gramm”). “Bild” pries die “größte EM-Aktion aller Zeiten” zwei Mal auf der Titelseite an und schwärmte in den dazugehörigen Artikeln u.a. vom “Party-Hammer”. Der Gutscheincoupon selbst war immerhin – gleich zwei Mal – mit dem Wörtchen “Anzeige” versehen (BILDblog berichtete auch dazu).

WM-Paket von Lidl und BILD: 6 Würstchen, 6 Bier für 1 EuroHeute startet – wie die Meisten vielleicht mitbekommen haben – mal wieder eine Fußballweltmeisterschaft — und da sind “Bild” und Lidl natürlich bestens aufgestellt:

Im … äh: “redaktionellen” Artikel wurde gestern schon mal vom “WM-Knaller von BILD und Lidl” geschwärmt, der “sechs Flaschen Grafenwalder Pils und ein Paket Grillwürstchen (6 Stück) für nur 1 Euro” verspricht (“Sie sparen bis zu 70 Prozent gegenüber dem Einzelkauf!”).

WM-Paket von BILD & Lidl: 6 Bier und 6 Würstchen für 1 EuroHeute nun ist es laut “Bild”-Titelseite ein “Mega-Kracher zum WM-Start”.

Auf einer Viertelseite wird in der Zeitung “die größte Fan-Aktion aller Zeiten” gefeiert, “mit allem, was Sie für Ihre WM-Feier brauchen”. Als “Anzeige” gekennzeichnet ist allerdings – in alter Tradition – nur der Gutschein-Coupon selbst. Das aber natürlich wieder doppelt:

6 Würstchen und 6 Bier für nur 1 Euro! Mit diesem Coupon. [...] Anzeige

Mit Dank auch an die vielen Hinweisgeber!

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