Kronen Zeitung, Daily Star, Love Parade

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Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Griechenlands Medien”
(sueddeutsche.de, Kai Strittmatter)
Kai Strittmatter stellt den griechischen Medien ein miserables Zeugnis aus. “Die meisten griechischen TV-Sender und Zeitungen gehören Firmen, die gleichzeitig in der Schifffahrt, im Bausektor, in der Telekommunikation, in der Pharma- oder Ölindustrie tätig sind. Sie existieren, um den Interessen dieser Firmen zu dienen.”

2. “WDR hält Wallraff-Film unter Verschluss”
(spiegel.de, Vorabmeldung)
Der WDR schneidet angeblich juristisch heikle Szenen aus dem Film “Informationen aus dem Hinterland”, die Günter Wallraff als Hans Esser bei “Bild” zeigen. Während der Springer-Verlag juristische Schritte dementiert, hält Wallraff das Vorgehen für einen klaren “Fall von Selbstzensur”.

3. “Die jungen Milden vom Kleinformat”
(diepresse.com, Rosemarie Schwaiger)
Rosemarie Schwaiger sieht das führende Boulevardblatt Österreichs, die “Kronen Zeitung”, nach dem Tod von Hans Dichand bereits deutlich verändert und fragt, ob sich eine “Revolution in Richtung Normalität” anbahne: “Kann der heimische Durchschnittsphilanthrop schon bald ohne schlechtes Gewissen das Kleinformat lesen?”

4. “Britische Zeitung behauptet Rockstar plane Amoklauf-Spiel”
(onlinewelten.com, Tobias Ritter)
Eine bemerkenswert ausführliche Gegendarstellung und Entschuldigung veröffentlicht der “Daily Star” nach einer Geschichte über ein nichtexistierendes Videospiel. Onlinewelten.com übersetzt: “Wir haben keinen Versuch unternommen, die Geschichte auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, bevor wir sie veröffentlicht haben, (…). Wir haben nun eingesehen, dass es niemals Pläne von Rockstar Games gab, einen solchen Titel zu veröffentlichen, und dass die Geschichte offensichtlich falsch war.”

5. “Shirley Sherrod’s ‘Racism’ And Fox News”
(youtube.com, Video, 8:56 Minuten, englisch)
Rachel Maddow fasst zusammen, wie Rassismusvorwürfe des Senders “Fox News” zum Rücktritt der Politikerin Shirley Sherrod führten.

6. “Tod und Spektakel”
(hdschellnack.de)
HD Schellnack denkt in einem langen Artikel über das Unglück bei der Loveparade in Duisburg nach und darüber, wie es von Medien und Medienkonsumenten aufgenommen wird.

Bild  

Sie haben das Recht zu Schweigen

“Bild” hat’s bekanntlich nicht so mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen.

Am Donnerstag erklärte die Zeitung in ihrer Ruhrgebietsausgabe:

Wurden hier Spuren eines Verbrechens vernichtet? Ehemann Dirk L. (43) kann oder will das den Fahndern offenbar nicht erklären, verweigert die Aussage. Und macht sich so verdächtig.

“Bild” mag es “verdächtig” finden, dass der Mann die Aussage verweigert, aber es ist sein gutes Recht, das von dem Augenblick an gilt, in dem er als Beschuldigter gilt. Der Beschuldigte muss zu keinem Zeitpunkt etwas sagen und muss sein Schweigen auch nicht rechtfertigen

Gestern dann fragte das Blatt in einem anderen Fall:

Warum lässt der Richter einen Killer so im Gericht sitzen?

Mal davon ab, dass das, was der Mann da über den Kopf gezogen hat, keine “Decke” ist, wie “Bild” schreibt, sondern eher ein Oberhemd, geht es hier natürlich um die Persönlichkeitsrechte des Mannes, die er auch als Angeklagter, Verurteilter oder “Killer” nach wie vor hat.

Das Gericht gestattete dem Angeklagten, sich zu vermummen, solange die TV-Kameras liefen. Mit Prozessbeginn wurde die Maskerade beendet.

“TV-Kameras”, hihi, der war gut. Denn man kann sich nur zu gut vorstellen, wie eine große deutsche Boulevardzeitung den Mann heute abgebildet hätte, wenn er sein Gesicht nicht verborgen hätte.

Der Rechtsanwalt und Lawblogger Udo Vetter erklärt dazu:

Es gehört zu den Aufgaben des Gerichts, im Rahmen der Hauptverhandlung die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten zu respektieren. Teil davon ist es auch, dass das Gericht die Befugnis des Angeklagten respektiert, sich nicht an identifizierender Berichterstattung indirekt zu beteiligen, indem er sein Gesicht hinhalten muss. Identifizierende Berichterstattung ist ja in solchen Fällen regelmäßig sowieso nicht zulässig. Der Angeklagte hat also das gute Recht, sein Gesicht überhaupt nicht fotografieren zu lassen.

Der konkrete Fall ist sogar noch etwas schwerwiegender, wie “Bild” selbst schreibt:

Er wurde gestern verurteilt, wird den Rest seines Lebens in die Psychiatrie gesteckt. (…)

Der zum Islam Konvertierte (“Allah hat geschossen”) leidet unter paranoider Schizophrenie.

Mit seiner “Maskerade” hat der Angeklagte “Bild” vor einem Verstoß gegen den Pressekodex bewahrt:

Richtlinie 8.4 – Erkrankungen
Körperliche und psychische Erkrankungen oder Schäden fallen grundsätzlich in die Geheimsphäre des Betroffenen. Mit Rücksicht auf ihn und seine Angehörigen soll die Presse in solchen Fällen auf Namensnennung und Bild verzichten und abwertende Bezeichnungen der Krankheit oder der Krankenanstalt, auch wenn sie im Volksmund anzutreffen sind, vermeiden. (…)

Mit Dank an David R., Marcel S., Stefan H., Esther K., René, Martin und Maik H.

Mängel beim Wetter

Weil offenbar niemand bei tagesschau.de Lust verspürte, mit der Digitalkamera zum Bahnhof zu laufen, wurde ein Interview zur Störanfälligkeit von Zügen in Deutschland kurzerhand mit einer Anzeigetafel aus dem Archiv illustriert:

Eine Stunde später am Ziel - wegen Mängel bei der Wartung

Vielleicht hätte man das Foto oben ein bisschen beschneiden sollen, denn die gewählte Bildunterschrift entpuppt sich bei näherer Betrachtung als nicht ganz zutreffend:

Unwetter in NRW! Zur Zeit kein Zugverkehr!

Die dpa-Bildbeschreibung lautet übrigens:

Auf der Zuganzeige sind am Montag (12.07.2010) im Düsseldorfer Hauptbahnhof die Verspätungen der Züge zu sehen. Die Bahn hat am gleichen Tag wegen des Unwetters den Verkehr zeitweise eingestellt.

Mit Dank an Christian H.

Nachtrag, 13:45 Uhr: Tagesschau.de hat die Bildunterschrift ausgetauscht. Sie lautet neu: “Die hochwertigsten Züge Europas – oft verspätet oder ausgefallen”.

Bild.de, Bravo  etc.

Jugend-Kondom in aller Munde

Das hat die Jugendzeitschrift “Bravo” ja gefickt eingeschädelt: Legt der aktuellen Ausgabe einfach ein “Jugend-Kondom” bei und alle schreiben sie drüber.

Die Bauer Media Group preist in einer Pressemitteilung die Vorzüge des Objekts:

BRAVO stellt gemeinsam mit dem Hersteller Coripa in der aktuellen Ausgabe 30/2010 (EVT: Mittwoch, 21. Juli) das erste Jugend-Kondom vor. Das beigelegte Kondom ist 49 mm breit – damit 3 mm schmaler als handelsübliche Standard-Kondome. Das Special erklärt die richtige Anwendung.

Das Magazincover verspricht gleich eine “Welt-Sensation!”, dabei handelt es sich nicht einmal um das erste Jugend-Kondom Deutschlands: Die Firma Amor Gummiwaren hat “schon einige Jahre”, wie man uns am Telefon sagte, das Produkt “Amor Young” im Programm, das sich mit einem Durchmesser von 49 Millimetern extra an Jugendliche richtet.

In der Schweiz gab es im Frühjahr dieses Jahres große Diskussionen um ein von der Aids-Hilfe mitentwickeltes “Jugend-Kondom”, dessen Öffnung sogar nur 45 Millimeter misst.

Bild.de hält das “Teenie-Kondom” der “Bravo” für eine gute Idee:

Die kleinere Lümmeltüte gibt es als Beilage zur aktuellen Ausgabe, die am Mittwoch erschienen ist. Das Jugend-Kondom ist 49 Millimeter breit und damit um drei Millimeter schmaler als herkömmliche Ware. Auch die richtige Anwendung wird erklärt.

Die drei Millimeter Unterschied waren Bild.de vor zweieinhalb Jahren indes noch zu wenig:

Kleinere Verhüterlis gibt es zwar auf Bestellung in der Apotheke und bei Onlineshops. Sie sind aber gerade mal drei Millimeter schmaler als der Standard.

Mit Dank an Alexander M. und Julian M.

Fußball, Rüdiger Grube, Bücherfreunde

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1. “Bild dir deinen Fussball”
(spox.com, eshkeeya)
Ein aufschlußreicher Hintergrundartikel in drei Teilen (1, 2, 3) dreht sich um die Abteilung Fußball bei “Bild”, die rund 80 Prozent des Sportteils ausmacht. Einzeln beleuchtet werden die Kapitel “Fleiß. Einfluss. Polemik. Freundschaftspflege. Feindschaftspflege.”

2. “Wie Bahnchef Grube mit ‘Fakten’ verwirrt”
(nilsole.net, Nils Glück)
Nils Glück vergleicht Interviews mit dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, Rüdiger Grube, bei “Deutschlandfunk”, “Spiegel” und “Tagesthemen”.

3. “Badische Zeitung: eBook-Leser kulturlos”
(lesen.net, Johannes Haupt)
“Welcher wahre Bücherfreund bestellt sein kostbares Gut seelenlos bei Amazon?” fragt Bettina Schulte in der “Badischen Zeitung”. Johannes Haupt antwortet.

4. “Wasser in der Sahara”
(sportmedienblog.de)
Das Sportmedienblog denkt nach über die halbjährlichen Ranglisten in der Sportzeitschrift “Kicker”: “Ob Weltklasse, Internationale Klasse, im weiteren Kreis oder Blickfeld – bei Fans wie Profis sorgen die regelmäßigen Einstufungen jedes mal für intensive Diskussionen.”

5. “Wie eine Vollmacht zum Abzocken der Hörer”
(blogmedien.de, Horst Müller)
Horst Müller hält Gewinnspiele der Privatradios “Radio Schleswig-Holstein”, “Radio PSR” und “Antenne MV” für fragwürdig: “Kaum zu glauben, dass solche dubiosen Spielpraktiken von den aufsichtführenden Landesmedienanstalten nicht nur geduldet, sondern sogar noch gefördert werden.”

6. “Fernsehprogramm von Juli 1985”
(retro-tv.de, Video, 21:17 Minuten)
Retro-TV denkt zurück an die “Muppet Show”, an das “Trio mit vier Fäusten” und an “Monaco Franze”.

Nur ein toter Star ist ein guter Star

In der Welt von “Bild” und Bild.de gibt es viele Stars: All die Leute, die Norbert Körzdörfer trifft, Lothar Matthäus oder den Filmproduzenten Arthur Cohn, der einzige Mensch, hinter dessen Namen “Bild” in Klammern nicht sein Alter, sondern die Zahl seiner Oscars (“sechs”) schreibt.

Und dann gibt es Menschen, die Teil des Medienbetriebs sind, aber nicht im Rampenlicht von “Bild” und Bild.de stehen — es sei denn, in ihrem Leben passieren außergewöhnliche Dinge: Ein Schauspieler, der in verschiedenen kleineren und größeren Nebenrollen im Fernsehen zu sehen war, kann schnell zum “TV-Star” werden, wenn er verdächtigt wird, zwei Frauen vergewaltigt zu haben.

Ein sicherer Weg, zum “Star” zu werden, ist ein früher Tod: Der Name des Schauspielers Frank Giering hatte fast zehn Jahre nicht mehr in “Bild” gestanden, als er Ende Juni im Alter von 38 Jahren starb.

Ganze sechs Autoren brauchte es, um Sätze wie diese zu schreiben:

Sein TV-Gesicht kennen Millionen, sein wahres Ich hielt er versteckt: Schauspieler Frank Giering (“Der Kriminalist”) ist tot. Er starb im Alter von nur 38 Jahren.

ER WAR VERZWEIFELT UND ALKOHOLKRANK.

Die zunächst unklaren Todesumstände erlaubten es “Bild”, noch eine Reihe kleinerer Meldungen abzudrucken, die bei Bild.de riesig aufgeblasen wurden.

Die walisische Rockband Stereophonics war Bild.de in Ermangelung großer Eskapaden in den letzten Jahren gerade mal einen CD-Tipp wert, aber als ihr ehemaliger Schlagzeuger Stuart Cable im Juni im Alter von 40 Jahren starb, schaffte er es mit einem Foto auf die Startseite.

Gleich völlig unbekannt dürfte den meisten Bild.de-Lesern der Musiker Vic Chesnut gewesen sein, aber sein Tod mit 45 war eine Meldung wert.

Über den Schauspieler Heinrich Schmieder hatte Bild.de noch nie ein Wort verloren, doch sein plötzlicher Tod während eines Mountainbike-Etappenrennens machte ihn zum “TV-Star” — wenn der Begriff auch einiger Erklärung bedurfte:

TV-Star* Heinrich Schmieder tot mit 40 nach Radrennen * "Tatort", "SOKO Köln"

Klatschkritik, 9Live, Matthäus

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1. Interview mit Antje Tiefenthal
(meedia.de, Stefan Winterbauer)
“Medienkritiker befassen sich eher mit Tageszeitungen oder TV-Formaten”, sagt Klatschkritik-Bloggerin Antje Tiefenthal, die das Segment der Klatschmagazine für weitgehend unbeobachtet hält. “Man gibt viel Geld aus für diese Magazine, in der Hoffnung ein glaubwürdiges Produkt zu bekommen und wenn man ein bisschen genauer hinschaut, entdeckt man, das ist alles nicht so.”

2. “Es gibt keine Presse mehr”
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz hält die Einschätzung von Michael Hanfeld, die Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender würden das “Ende der freien Presse und die Herrschaft des Staatsjournalismus” bedeuten, für “so maßlos überzogen, dass es keiner weiteren Erwähnung wert wäre, stünde es nicht ausgerechnet in der FAZ”. Tatsächlich könne man nicht mehr abgrenzen: “Es gibt keinen Rundfunk mehr, der nur noch Rundfunk macht. Und es gibt keine Presse mehr, die nur noch Presse macht.”

3. “Das Beste im Fernsehen”
(fernsehkritik.tv)
Der Fernsehkritiker fragt sich, warum Bild.de die Sendung “Bei uns” auf 9Live zum TV-Tipp des Tages macht.

4. “How to Tell a Journalist from a Blogger”
(jolieodell.wordpress.com, englisch)
Jolie O’Dell schreibt auf, was für sie einen professionellen Journalisten ausmacht.

5. “Der typische WissensTV-Beitrag”
(philippundphilippunterhaltensich.de, Video, 2:44 Minuten)
Wie ein typischer “WissensTV-Beitrag” aufgebaut ist.

6. “Wie Lothars Fans trauern”
(11freunde.de, Benjamin Kuhlhoff)
Nach der “medienwirksamen Trennung” zwischen Lothar Matthäus und seiner Frau drücken Fans im Gästebuch seiner Website ihr Mitgefühl aus. Eine kurze Sammlung von Mitleidsbekundungen.

Der Lübecker Fenstersturz

So kann man sich natürlich auch eine Geschichte basteln:

Die unglaublichste Geschichte des Tages, gefunden bei stern.de: Stürzte dieses Paar beim Sex aus dem Fenster?

Die Zweifel, die “Bild” in der Überschrift simuliert, halten keine fünf Zentimeter bis zum Vorspann, dann ist daraus Gewissheit geworden:

Zwischen Höhepunkt und Vorgarten lagen etwa fünf Meter: Mirja P. (30; alle Namen geändert) und Robert K. (28) fielen beim Sex aus dem Fenster im ersten Stock!

Oder doch nicht?

Das berichtete Stern.de. Nachbarn sollen sie beim Liebesspiel vorm Sturz beobachtet haben.

stern.de wiederum hat sein Video über den Vorfall direkt vom Online-Video-Liferanten “Zoom In”, mit Material vom “Nachrichtendienst” “Nonstop News”, der sich auf das Abfilmen von Unfallstellen, Blaulichtern und Leichenwagen spezialisiert hat.

“Nonstop News” war – neben den Nachbarn, die offenbar bereitwillig in jedes Mikrofon plauderten, das man ihnen unter die Nase hielt – auch die einzige Quelle für einen “Nachrichten”-Beitrag des Boulevardsenders RTL, in dem eine Reporterin dramatisch in die Kamera sprach:

Nachbarn wollen das junge Pärchen hier im ersten Stock dieses Mehrfamilienhauses beim Liebesakt auf der Fensterbank beobachtet haben.

RTL würde nie behaupten, dass stimmt, was die Nachbarn beobachtet haben wollen: “Das Paar soll hier Geschlechtsverkehr gehabt haben”, sagt die Offsprecherin wichtigtuerisch, während Schwarz-Weiß-Bilder zweier sich gegenseitig entkleidender Menschen zu sehen sind — eine “Nachgestellte Szene”, natürlich.

Etwas Gänzlich anders stellen sich die Ereignisse in den “Lübecker Nachrichten” dar: Dort hatten die beiden Personen zunächst gemeinsam auf dem Fenstersims gesessen und die Füße heraus baumeln lassen:

Plötzlich ließ sich das Paar auf einen etwa 15 Zentimeter breiten Vorsprung an der Hauswand herab – von dort kamen sie allerdings aus eigener Kraft offenbar nicht mehr zurück in die Wohnung. Ob die beiden daraufhin freiwillig in die Tiefe gesprungen sind, weil ihnen keine andere Lösung eingefallen ist, oder ob die jungen Leute von dem Vorsprung abgerutscht sind, war gestern noch unklar.

Der Lübecker Internetdienst “HL-Live” wurde gleich noch eine Spur deutlicher:

Den Bericht eines Fersehsenders, das Pärchen sei “beim Sex aus dem Fenster gefallen”, weist Polizeisprecher Jan-Hendrik Wulff als Unsinn zurück. Beide seien beim Eintreffen der Polizei bekleidet gewesen.

Mit Dank an Volker G. und Rainer B.

Nachtrag, 16.55 Uhr: Die Meldung hat es – inklusive einiger zusätzlicher übersetzungs- und transportbedingter Fehler – auch ins Repertoire der britischen “Sun” geschafft.

Mit Dank an Sabine T.

Große Leuchte

Am Wochenende stellte die “Welt am Sonntag” eine “Solarglühbirne” vor. Die Meldung ist nicht sonderlich lang, aber sie preist eine wissenschaftliche Sensation an:

Helligkeit erzeugt es über Kerosinlampen, die lediglich ein Zweihundertstel so viel Strom verbrauchen wie herkömmliche Modelle.

Eine solarbetriebene LED-Leuchte, die Helligkeit “über Kerosinlampen” erzeugt, die wiederum Strom verbrauchen. Wow. Passt vielleicht noch ein atombetriebenes Wasserwindrad mit rein?

Nun, so irre ist das Teil dann doch wieder nicht, wie die Produktwebsite erklärt:

Nokero offers five times the light and 1/200th the energy consumption of fuel lights.

Nokero bietet das Fünffache an Licht und ein Zweihundertstel des Energieverbrauchs von Öllampen.

Und weil diese Glühbirnen vor allem Öllampen (Kerosin) ersetzen sollen, hat sich die Firma auch Nokero genannt — und nicht “Nokera”, wie die “Welt am Sonntag” konsequent behauptet.

Mit Dank an Kai.

Primärquellen, Sonntagszeitung, Griechenland

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1. “Journalisten und Primärquellen – Managergehälter”
(marcmichels.blogspot.com, Marc Michels)
“Nutzt endlich mal die verdammten Primärquellen!”, ruft Marc Michels Journalisten, Bürgern und Politikern entgegen. Während ein Bericht der “Thüringer Allgemeinen Zeitung” über Managergehälter auf den “Focus” verweist, schreibt “Bild”: “Eine neue Umfrage macht deutlich…”. Dabei seien die betreffenden Informationen schlicht frei im Internet verfügbar.

2. “Kachelmann-Verfahren: Schweizer Zeitung wirft Befangenheit auf”
(morgenweb.de, M. Wirth, A. Lin, J. Gruler)
In ihrer neusten Ausgabe äußert die “Sonntagszeitung” “Zweifel an der Unabhängigkeit des Richters” im Fall Jörg Kachelmann. Einige Regionalblätter vermeldeten darauf, “Vater und Richter seien im gleichen Verein und würden sich gut kennen”, was “zahlreiche seriöse deutsche Tageszeitungen und sogar die berühmten Nachrichtenmagazine Spiegel und Stern” sofort aufnahmen. Der betreffende Richter, Michael Seidling, dementiert und gibt an, weder die Klägerin noch ihren Vater überhaupt zu kennen.

3. “Im Würgegriff der Parteien”
(echo-online.de, Klaus Thomas Heck)
Klaus Thomas Heck sieht die öffentlich-rechtlichen Sender von den Parteien stark beeinflusst. Die Folge: Es ergießen sich “auf beiden Seiten telegene Gesichter in inhaltsarmen Worthülsen, um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Man kennt sich, ist einander viel zu nah und hat sich vor der Kamera nichts zu sagen. Ergebnis ist meist journalistisch wie politisch der kleinste gemeinsame Nenner.”

4. “Mehr Mut zur Zensur”
(nzz.ch, Rainer Stadler)
Rainer Stadler fürchtet, dass “unterhalb der offiziellen Medienangebote”, also in den Kommentarspalten, “bizarre Parallelgesellschaften” entstehen. “Wer interessante Publikumsmeinungen finden will, muss darum oft durch kniehohen Wortmüll stapfen.” Er empfiehlt, kommerzielle Wege zu prüfen: “Wenn eine Website als Blitzableiter für Enttäuschte oder als Auffangbecken für Unterbeschäftigte dient, sollte man doch daraus eine Geschäftsidee entwickeln können.”

5. “Griechenland: Tödlicher Terror gegen Journalisten”
(focus.de, Wassilis Aswestopoulos)
Journalist Sokrates Giolias wird “im Athener Vorort Ilioupolis” von mehreren Attentätern vor seinem Haus erschossen. “Giolias war wie viele andere Journalisten auf Webseiten autonomer, extremistischer Gruppen als zu eliminierender Klassenfeind erwähnt worden.”

6. “Why Journalists Make Mistakes & What We Can Do About Them”
(poynter.org, Mallary Jean Tenore, englisch)
“Misspelled names and typos are among the more basic errors journalists make. But there’s another type of error that is harder to correct: when journalists miss the story completely.”

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