Der Tod ist schon lange kein Tabuthema mehr. Über das vorzeitige Ableben eines Menschen unter tragischen Umständen kann man auch ganz locker Witze reißen, wie am Fall Robert Enke (s. Kasten) zu sehen.
Aber es muss ja nicht immer ein Fußball-Torwart sein, der sich das Leben genommen hat. Manchmal tut es auch ein früherer Politiker, der unter nicht ganz geklärten Umständen bei einem Fallschirmsprung ums Leben gekommen ist:
Investigative Journalisten erkennt man daran, dass sie nach den Antworten auf die wirklich wichtigen Fragen im Leben suchen. Bild.de macht heute vor, wie’s geht:
Besagtes “Skandal-Video”, das ursprünglich auf der amerikanischen Promiklatschseite tmz.com erschienen war, hat Bild.de selbstverständlich auch gleich parat. Und eine messerscharfe Analyse:
Die Pfeife verfehlt dabei nicht ihre Wirkung! Miley kichert und redet wirres Zeug
Apropos “wirres Zeug”: Was die Beantwortung der Eingangsfrage angeht, erfährt der interessierte Leser Folgendes:
Angeblich sollen sich in der Bong nur Salbei-Kräuter befunden haben, die nicht verboten sind. Bei den Bildern fällt es jedoch schwer zu glauben.
So schwer zu glauben ist das nicht, wenn man weiß, dass es hier nicht um herkömmlichen Heilsalbei (Salvia officinalis) geht. Tatsächlich soll Miley Cyrus laut tmz.com und anderenMedien sogenannten Azteken-Salbei (Salvia divinorum) konsumiert haben — ein in Deutschland nach dem Betäubungsmittelgesetz nicht-verkehrsfähiges Rauschmittel, dessen Wirkstoff Salvinorin A als das potenteste natürlich vorkommende Halluzinogen gilt.
In Kalifornien, wo das Video auf der Feier zum 18. Geburtstag von Miley Cyrus entstand, ist Azteken-Salbei jedoch erlaubt. Und zwar ab 18.
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Rechtsstaat, in dem Gewaltenteilung praktiziert wird. Die Strafverfolgungsbehörden gehören dabei der Exekutive, die Gerichte der Judikative an. In Strafprozessen erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage, der Angeklagte hat das Recht auf einen fairen Prozess und juristischen Beistand, am Ende urteilt das Gericht.
Soweit die graue Theorie der Juristerei. Und jetzt schnell wieder hinein in die bunte Wunderwelt von Bild.de:
Mit Dank an Lisa H. und Robert K.
Nachtrag, 16.15 Uhr: Bild.de hat aus der “Staatsanwaltschaft” das “Landgericht Frankfurt (Oder)” gemacht.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Die Pressefreiheit liegt schon im Bett” (taz.de, Jakob Augstein) Jakob Augstein ruft dazu auf, sich mit der (selbst gewählten) Abhängigkeit der Journalisten zu befassen, die es “sich im System gemütlich gemacht, sich selbst embedded” haben: “Jene Kollegen, die die Wikileaks-Veröffentlichungen unter dem Gesichtspunkt der Legalität sahen, wurden dazu nicht gezwungen. Sie taten das freiwillig. Sie wollen Herrschaft nicht kritisieren, sondern stabilisieren.”
2. “Schafft viele Wikileaks!” (fr-online.de, Jörg Kantel) Jörg Kantel sieht Wikileaks als eine Aufforderung an, “die Regierenden nicht einfach gewähren” zu lassen. Was wäre, wenn “das Regime in Peking so reagiert hätte, wie nun die westliche Politik auf die Wikileaks-Papiere” reagiert? “Das Geschrei hätte ich gerne gehört. Und sicher wäre Assange für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden, und jeder wäre fest davon überzeugt, dass an den Vergewaltigungsvorwürfen nichts dran sei, dass sie auf einem Komplott der chinesischen Regierung beruhen.” Zu Wikileaks siehe auch “WikiRebels – The Documentary” (svtplay.se, Video, 57 Minuten, englisch).
3. “Schneewittchen does Peking” (wissenslogs.de, Anatol Stefanowitsch)
Anatol Stefanowitsch verfolgt eine AFP-Meldung, “in der es um einen scheinbar peinlichen Fehler bei der Übersetzung von Grimms Märchen ins Chinesische geht”.
4. “Stockholm: Eklatante Schwächen beim dapd” (meedia.de, Daniel Bouhs)
Von der Nachrichtenagentur dapd war in der Nacht von Samstag auf Sonntag nichts zu den Ereignissen in Stockholm zu hören, da der Besetzungsplan dann (noch) eine Lücke aufweist. “Der dapd muss sich angesichts solcher Pannen fragen lassen, ob er in der Lage ist, das Weltgeschehen stets verlässlich abzudecken.”
5. “‘Wetten, dass..?’ Wie war das noch mit Samuel Koch?” (katatonie.org, Markus Mertens)
Ganze vier Artikel liest Markus Mertens auf “Spiegel Online” zur angeblichen “Quotengeilheit des ZDF”. “Wieso aber habe ich ein solches Verhalten beim ZDF nicht beobachten können?”
6. “Dr. Nakamats, die Berliner Zeitung und ich” (tokyofotosushi.wordpress.com, Fritz Schumann)
Fritz Schumann sieht seine ausführlichen, zuvor von der Redaktion abgelehnten Recherchen über den japanischen Erfinder Dr. Nakamats plötzlich in der “Berliner Zeitung” abgedruckt.
Wikileaks bestimmt nochimmer die Schlagzeilen. Doch heute bekommen die Enthüllungen auf der Plattform selbst kaum Raum, vielmehr konzentriert sich die redaktionelle Aufmerksamkeit ganz auf den “Hacker-Krieg” um die Enthüllungsplattform. Die lose Gruppierung “Anonymous” hat zu Attacken auf vermeintliche Wikileaks-Feinde aufgerufen — und tatsächlich waren einige Webseiten für kurze Zeit nicht erreichbar.
Grund genug für Bild.de, drängende Fragen zu stellen:
Die Antwort jedoch enthält Bild.de seinen Lesern vor. Dass beide Gruppierungen betonen, keine direkte Verbindungen untereinander zu haben und dass “Anonymous” bereits zahlreiche andere Kampagnen durchgeführt hat, kommt weder in diesem, noch in den zwei anderen Artikeln zum Thema vor.
Stattdessen hat Bild.de ganz exklusiv erfahren wie teuer die Aktionen der “Wikileaks-Hacker” sind:
Die Zahl ist besonders beeindruckend, wenn man berücksichtigt, dass keine der bisher angegriffenen Organisationen ihren Sitz in Deutschland hatte. Die Schäden in den Ländern, die tatsächlich Ziel der Angriffe waren, müssen in die Trillionen gehen.
Oder auch nicht. Bei den Kollegen von “Welt Online” klingt es nämlich ganz anders:
Aber auch ohne Wikileaks sind deutsche Unternehmen seit Jahren in höchstem Maße durch Computerspionage gefährdet. Grobe Schätzungen sprechen von Schäden in Höhe von 20 bis 50 Milliarden Euro jedes Jahr. Laut einer Statistik des Wirtschaftsberatungsunternehmens KPMG wurde jedes vierte deutsche Unternehmen in den letzten drei Jahren Opfer von Cybercrime.
Bild.de hat also mal eben alle digitalen Straftaten in Deutschland auf das publizistische Konto von Wikileaks geschrieben. Weitere Exklusiventhüllungen um den Super-Bösewicht “Dr. Leaks” lassen damit bestimmt nicht lange auf sich warten.
Warum Assanges Aktivitäten so überaus verwerflich sind, erklärt Profi-Rechercheur ”Bild”-Kolumnist Ernst Elitz heute in einem Kommentar:
Zum Staatsfeind wird man also, wenn man keinen ordentlichen Journalismus betreibt, die Wahrheit unter der Oberfläche ignoriert und nur bloßstellen will. Wenn es danach geht, müsste Elitz eigentlich in Kürze zum Einsatz der Bundeswehr gegen Bild.de aufrufen.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Ist die Bild-Zeitung noch zu retten?” (iphone-fan.de, Dirk Kunde)
Die “Bild”-iPad-App erhält von Tester Dirk Kunde 1 von 5 möglichen Punkten: “‘Evolution der Zeitung’ nennt Springer seine App. Da muss ich schmunzeln. Die Menüführung und Gestaltung ist genauso unübersichtlich und wirr wie die Webseite. Das Geld geht vermutlich eher ins Marketing als in Nutzer-Tests.”
2. “Die perfide Logik der Bildzeitung” (investigativerecherche.de, Boris Kartheuser)
Wikileaks: Boris Kartheuser stellt fest, dass es “Bild” tatsächlich schafft, “in einer einzigen Ausgabe einerseits Assange als Verräter zu beschimpfen und nur drei Seiten weiter stolz auf die bisherige Berichterstattung im Fall Cablegate zu verweisen.”
3. “Worüber man halt so redet… und wieviel” (wahrheitueberwahrheit.blogspot.com, Thomas)
Thomas versucht, die Wichtigkeit eines Begriffs zu messen. Während auf der X-Achse die Anzahl Sprachen, in die ein Begriff bei Wikipedia übersetzt wurde, anzeigt wird, werden auf der Y-Achse die Anzahl Google-Treffer für den gleichen Begriff angeordnet. “Und damit haben wir es tatsächlich und endlich offiziell und unumstößlich! Franz Josef Wagner liegt leicht über der Hauptreihe und ist damit gerade eben überpräsent in der öffentlichen Diskussion. Kachelmann und Sarrazin dagegen liegen deutlich über der Hauptreihe. Ihre Namen werden mehrfach häufiger verwendet, als ihre Bedeutungen es rechtfertigen würden!”
4. “Crunks 2010: The Year in Media Errors and Corrections” (regrettheerror.com, Craig Silverman, englisch)
“Regret The Error” sammelt die Fehler, Korrekturen und Entschuldigungen des Jahres. Der Tippfehler des Jahres 2010: “This blog post originally stated that one in three black men who have sex with me is HIV positive. In fact, the statistic applies to black men who have sex with men.”
5. “Nicht in diesem Leben” (katrinschuster.de)
Katrin Schuster ist überrascht, “mit welcher Dreistigkeit Pro Sieben noch so tut, als wäre Popstars eine Fernsehsendung”.
6. “A wie Antonomasie” (welt.de, Marc Reichwein)
Marc Reichwein befasst sich mit der Antonomasie: “Weil jeder gern mit dieser Stilfigur herumspielt, ob talentiert oder nicht, ist die Antonomasie so etwas wie der Fußball unter den journalistischen Stilfiguren: eine Breitensportart, die auch andere Ressorts nutzen.”
Man soll mit sowas ja keine Späße machen, aber stellen wir uns für einen Moment mal vor, der Fahrer von Angela Merkels Dienstwagen setzt das Automobil in den Straßengraben. Er war allein unterwegs, um die Kanzlerin abzuholen, und ihm ist nichts schlimmes passiert.
Würden die Zeitungen am nächsten Tag groß über diese, für Merkel gefährliche Situation berichten? Es ist nicht auszuschließen.
Die Yacht des Formel-1-Fahrers Felipe Massa ist bei einem Unfall vor der Küste von Sao Paulo völlig zerstört worden. Der Kapitän hatte bei der Anfahrt zum Hafen offenbar einen Anfall erlitten und die Kontrolle über das Schiff verloren, weswegen es mit einem Felsen kollidierte. Massa selbst und seine Familie waren nicht an Bord, sie hatten auf die Yacht gewartet und den Unfall am Telefon verfolgt.
Und so berichten deutsche Medien über das Geschehen: