Winnetou, Dauerfernsehen, Hermann Scheer

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Mathias Döpfner – Der weiße Gentleman mit der sehr verwegenen Zunge”
(nice-bastard.blogspot.com, Dorin Popa)
Dorin Popa prüft eine Aussage, die Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des Axel-Springer-Verlags, in einer Rede über den Film Winnetou III macht.

2. “Tom Kummer”
(hossli.com, Peter Hossli)
Peter Hossli fragt sich, warum Tom Kummer als “als verhinderter Künstler, der sich in den Journalismus verirrt hatte”, dargestellt wird. “Als ‘Borderline’-Journalisten reden viele Kummer schön, wie wenn solches Grenzgängertum eine Krankheit oder gar ein eigener Stil wäre. Dabei ist es hohle Wortklauberei, mehr nicht. Irgendwie pervers, wie andere Krea­tionen unserer Branche: ‘Midrisk’, ‘zuspitzen’, ‘kalt schreiben’ – deswegen verlieren wir Leser, nicht wegen der Gratiszeitungen.”

3. “Falschmeldung: Panik wegen Facebook”
(kurier.at, Susanne Kohn)
Rund hundert Meldungen nehmen die Polizeistationen im Bezirk Neunkirchen entgegen. Grund ist eine sich in Facebook verbreitende Meldung, es seien zwei Kriminelle unterwegs, die “Kinder ins Auto locken unter dem Vorwand, dass die Eltern im Spital sind”.

4. “Nebenjob Dauerfernsehen”
(jetzt.sueddeutsche.de, Andreas Glas)
Sandra Baumann und Nils Rieger sichten für die ZDF-Satiresendung “heute-show” täglich fünf Stunden TV-Sendungen: “Der Bestfall ist, wenn sich ein Politiker zu einem aktuellen Thema verhaspelt oder eine völlig bescheuerte Aussage macht, über die er vorher nicht nachgedacht hat.”

5. Interview mit Hermann Scheer
(guenterbartsch.de)
Zum Tod von Hermann Scheer publiziert Günter Bartsch ein 2008 mit ihm geführtes Interview: “Es gibt ja heute ganze Artikel, wo nur noch anonyme Zitate vorkommen. Theoretisch kann man die erfinden – das ist überhaupt nicht mehr nachprüfbar. Über die Kämpfe in der SPD gibt es Artikel, in denen nur noch anonyme Zitate vorkommen. Man kann damit einen politischen Trend erfinden, den es gar nicht gibt. Hier wird die Kultur des Hinterhalts geradezu gepflegt.”

6. “Volksverhetzung wird alltagstauglich”
(lawblog.de, Udo Vetter)
Udo Vetter macht sich Gedanken über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des § 130 des Strafgesetzbuchs. “Die Volksverhetzung ist schon jetzt mit Meinungsfreiheit kaum in Einklang zu kriegen. Nun soll die Strafvorschrift also auch noch für das Alltagsgeschäft tauglich gemacht werden.”

Bild  

In Sachen Schwarzer ./. Kachelmann

Berichtigung: Anders als in BILD am 15.10.2010 berichtet, hat Jörg Kachelmanns Verteidigung das mutmaßliche Opfer nicht als Stalkerin bezeichnet und auch nicht verlauten lassen, der Moderator kenne es gar nicht.

“Typisch ‘Bild'”, möchte man angesichts dieser Berichtigung heute sagen, aber das wäre ungerecht. “Typisch Alice Schwarzer” träfe es vielleicht eher.

Die “Emma”-Herausgeberin berichtet bekanntlich für das Blatt über den Vergewaltigungsprozess. Manchmal müsse “man etwas selber erleben und darf sich nicht nur mit Informationen aus zweiter Hand begnügen”, erklärte sie ihr Engagement, bei dem sie sich manchmal mit Informationen aus zweiter Hand begnügt und dabei so tut, als hätte sie etwas selber erlebt.

Munter und frei von juristischem Sachverstand schreibt die Frau, die “Bild” am vergangenen Mittwoch zum “Gewinner” ernannt hatte, gegen Kachelmann und seine vermeintlichen Unterstützer in den Medien an. Freitag klagte sie über die “Spielchen” und “taktischen Manöver” der Verteidigung, weil die empört war, dass das angebliche Opfer als Zeugin nicht vom Gericht über sein Aussageverweigerungsrecht belehrt wurde: Nach Paragraph 55 der Strafprozessordnung hat ein Zeuge das Recht, die Aussage zu verweigern, wenn er sich damit selbst belasten könnte, und muss auf dieses Recht hingewiesen werden.

Der Anwalt Udo Vetter kommentiert in seinem Blog:

Der Nebenklägerin, die Kachelmann vergewaltigt haben soll, sind bereits unwahre Aussagen nachgewiesen worden (…). Darüber steht natürlich die weitaus größere Möglichkeit, dass die Nebenklägerin die Vergewaltigung insgesamt erfunden hat. (…)

Jedes Wort, das die Zeugen also sagt, kann für sie strafrechtlichen Ärger bedeuten. Um so wichtiger, dass ihr das Gericht vor der Aussage erklärt, wie sie diesen Ärger vermeiden kann. Um so unverständlicher, wieso das Landgericht Mannheim meint, ausgerechnet bei Kachelmanns Ex-Freundin bestehe für die Belehrung, die vielleicht mal anderthalb Minuten dauert, keine Notwendigkeit. (…)

Die Weigerung, die Zeugin korrekt zu belehren, wirft erneut ein schlechtes Licht auf die Richter. Denn es gibt wenige andere Erklärungsansätze als jenen, dass sie offenbar schon jetzt meinen, die Nebenklägerin lüge keinesfalls.

Alice Schwarzer, die verwirrenderweise formuliert, die Zeugin solle “zusätzlich ‘nach § 55’ vereidigt” werden, sieht in dem Bestehen auf einer rechtlichen Vorschrift aber bloß den Versuch, die Nebenklägerin als Lügnerin hinzustellen. Kachelmanns Verteidiger bezichtige sie “damit indirekt des Vortäuschens einer Straftat”.

Ihr Angriff auf Kachelmanns Verteidigung endet so:

Wir erinnern uns: Kurz nach der Verhaftung des Wetter-Moderators hieß es, Jörg Kachelmann kenne diese Frau gar nicht, sie sei eine Stalkerin. Dann hieß es, es sei “vor allem um Sex” gegangen. Sodann erfuhren wir: Die beiden hatten elf Jahre eine Beziehung, er hatte ihr die Ehe versprochen und mit ihr auch schon das gemeinsame Heim im Schwarzwald besichtigt. Alles schien gut. Bis zu der Nacht vom 9. Februar 2010…

Der (falsche) Vorwurf des Stalkings hat aber eine andere Quelle. Er stammt ironischerweise aus der “Bild”-Zeitung. Die schrieb am 23. März:

Ein enger Geschäftspartner von Kachelmann erklärte gegenüber BILD, Kachelmann habe in Schwetzingen niemals eine langjährige Bekanntschaft gepflegt. Er sprach von “Stalking”.

Weder Bild.de noch Alice Schwarzer noch Emma.de haben Schwarzers Kolumne selbst korrigiert.

Mit Dank auch an Helmut O.

  • Die (juristische) Fortsetzung der Geschichte steht hier.

Sunglasses At Night

Die spektakuläre Rettungsaktion für die chilenischen Bergleute, die 69 Tage in mehr als 600 Metern Tiefe eingeschlossen waren, war auch ein Medienereignis: Seit Monaten wurde das Schicksal der Männer medial begleitet, ihre Rückkehr an die Erdoberfläche wurde weltweit live übertragen, teils rund um die Uhr.

Dennoch sind laut “Spiegel Online” die wichtigsten Fragen immer noch unbeantwortet:

Wann zerbricht die Gemeinschaft der Mineros? Wann kommt der Rückschlag nach der Euphorie? Warum sprachen die Arbeiter so druckreif? Warum trugen die Männer bei ihrer Rettung keine Bärte? Warum wurde der schönste Kumpel als Erster nach oben gebracht? Warum warteten auf einen Arbeiter zwei Frauen? Wie hätten sich 33 Frauen unter Tage verhalten? Wie viel Licht braucht der Mensch? Warum küssten so wenige Mineros ihre Frauen?

(Wenn Sie auch ernst zu nehmende Antworten auf diese Fragen erwarten, ist “Spiegel Online” allerdings der falsche Ort, danach zu suchen.)

Einer weiteren brennenden Frage hat sich “Welt Kompakt” angenommen: Was waren das eigentlich für geile Sonnenbrillen, die die Kumpels trugen?

Coolness für die Augen der Kumpels. Das die geretteten Bergleute aussahen wie Stars, lag an den Sonnenbrillen, mit denen sie aus der Tiefe auftauchten, gestiftet von der kalifornischen Firma Oakley (Modell Radar, Preis: ab 209 Euro). Die Brille filtert laut der Firma sämtliche UVA-, UVB- und UVC-Strahlen und wird für besonders helle Lichtverhältnisse empfohlen. Genau das Richtige für die licht-entwöhnten Augen der Bergarbeiter. Oakley-Sprecher Christian Schramm betont, dass man sich den Bergarbeitern nicht aufgedrängt habe: "Uns hat ein chilenischer Journalist um die Brillen gebeten."

Immer diese Journalisten …

Mit Dank an Thomas N. und Axel F.

Fakten, Rette die Million, @tiny_tales

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “10 Fallen beim Checken von Fakten”
(journalist.de, Marcus Lindemann)
Marcus Lindemann gibt Tipps zum Prüfen von Fakten.

2. “Das ist Freiheitsberaubung”
(derwesten.de, Angelika Wölke)
Bei einer Aufzeichnung der ZDF-Quizsendung “Rette die Million” müssen (zwölf Euro für den Eintritt bezahlende) Zuschauer während sieben Stunden ausharren.

3. “Demokratie auch für Rechte”
(fr-online.de, Jagoda Marinic)
Jagoda Marinic zur Integrationsdebatte: “Die Wirklichkeit dieses Landes, die durch die Medien geformt wird, scheint eine jämmerliche. Weit jämmerlicher, als es im Alltag nachvollziehbar ist. Die Profiteure dieser hysterischen Kultur der Öffentlichkeit sind bekannt. Ohne Rücksicht werden Thesen skandalisiert und wird genbelastetes Schwadronieren auf Bestsellerlisten gehievt.”

4. Interview mit Florian Meimberg
(welt.de, Céline Lauer)
Twitterer Florian Meimberg (@tiny_tales) gibt ein Interview in 140 Zeichen. “Eine Tiny Tale fühlt sich an wie eine lange Geschichte. Sie löst ein Kopfkino aus. Und das kann durchaus episch sein.”

5. “From Spoof to Star”
(tabloid-watch.blogspot.com, MacGuffin, englisch)
Der “Daily Star” titelt: “Chile Mine To Open As Theme Park”. Und steht mit dieser Information alleine da. Ähnliches meldet nur eine Website namens “The Spoof” (“Always there with the funniest spoof headlines”).

6. “The True Size Of Africa”
(informationisbeautiful.net, englisch)
Kontinente und Länder im Größenvergleich.

A Streetcar Named Desire

In Leipzig sind heute Morgen zwei Straßenbahnen zusammengestoßen. Die “Leipziger Volkszeitung” hat fleißig fotografiert und eine zwölfteilige Bildergalerie angelegt, damit man mal von allen Seiten sehen kann, wie es so aussieht, wenn eine Straßenbahn auf eine andere auffährt.

Doch trotz einiger kaputter Scheiben und zweier deformierter Bahnen war das alles für Bild.de offenbar nicht spektakulär genug. Die dortige Bildergalerie wird daher mit einem Foto eröffnet, das aus dem Mai 2006 stammt und mit dem aktuellen Unfall nichts zu tun hat:

Spektakulärer Straßenbahn-Unfall (Archivbild).

Mit Dank an Daniel K., Clemens, Oleg W. und Torsten.

Nachtrag, 23.10 Uhr: Bild.de hat das Foto entfernt.

Don’t call it Schnitzelkrieg

Vor sieben Monaten kam es im rheinland-pfälzischen Betzdorf bei der Essensausgabe in der örtlichen Christophorus-Grundschule zu einer folgenschweren Verwechslung: Eine Lehrerin hatte an muslimische Schüler versehentlich Schweineschnitzel verteilt, die diese aus religiösen Gründen nicht hätten essen dürfen. Der Vorfall sorgte für rund zwei Wochen für etwas Aufregung in der 10.000-Einwohner-Stadt, dann war lange Ruhe.

So lange, bis eine tobende Integrations-Debatte den richtigen Hintergrund bot, die Geschichte medial noch einmal so richtig hoch zu kochen: Diese Woche berichteten dann RTL und “Bild” über den Fall und erklärten, die Lehrerin, die seit dem Vorfall krank geschrieben ist, sei wahlweise “gefeuert”, “suspendiert” oder “beurlaubt” worden (BILDblog berichtete).

Und während sich regionale Medien wie die “Siegener Zeitung” und die “Rhein-Zeitung” um eine angemessene Darstellung der Geschichte bemühen, wird sie im deutschsprachigen Ausland munter weiter gedreht:

Der Schweizer “Blick” glaubt etwa zu wissen:

Jetzt musste die 59-jährige die Christophorus-Gesamtschule im deutschen Betzdorf verlassen.

Mal davon ab, dass es sich bei der Christophorus-Schule um eine Grundschule handelt, “musste” die Lehrerin die Schule mitnichten verlassen: Der Schulleiter hatte ihr nach der ersten Aufregung lediglich geraten, nach Hause zu gehen, um sich zu erholen — seitdem ist sie krank.

Nicht einmal den vollständigen “Bild”-Artikel, auf den sie sich berufen, haben die “Blick”-Autoren gelesen, wenn sie behaupten:

An der Schule wurde Schweinefleisch daraufhin komplett abgeschafft.

Ja, vorübergehend. Seit Schuljahresbeginn wird den Schülern auch wieder Schweinefleisch zum Mittag angeboten, wenn sie es denn wollen.

Eine ähnliche Ahnungslosigkeit stellt die österreichische Boulevardzeitung “Heute” unter Beweis, die erklärt:

Die Kündigung einer deutschen Lehrerin in Rheinland-Pfalz sorgt bei unseren Nachbarn für Riesenaufregung. Die türkischen Eltern hatten den Rauswurf der Pädagogin verlangt, der Schulleiter gab den Protesten nach.

Und weiter:

Ein paar Tage später standen die erbosten Eltern der Kinder in der Schule, verlangten vom Direktor die Kündigung von Ursula E. (59). Dieser gab den Protesten nach. Mehr noch: Er verhängte an der Schule (von 302 Kindern sind 45 muslimisch) ein Schweinefleischverbot.

Dass bei einer derart gezielten Falschinformation die Leserkommentare besonders derb ausfallen, ist natürlich klar.

Aber auch in Deutschland sind die Medien an den Fakten des Falls nicht interessiert: Zu Beginn seiner gestrigen ZDF-Talkshow berichtete Markus Lanz im Plauderton, die Lehrerin sei “suspendiert” worden.

Mit Dank an Raphael M., Jörg W., Michael S., Michael P. und Philipp S.

heute  

Von Gewalt gegen die Polizei und Polizeigewalt

Die Bundesregierung hat gestern einen Gesetzentwurf beschlossen, durch den Polizeibeamte und andere Einsatzkräfte besser vor gewalttätigen Angriffen geschützt werden soll. Unter anderem soll schon der bloße Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte mit drei statt bisher zwei Jahren Gefängnis geahndet werden können.

Zur Illustration zeigte die “heute”-Sendung des ZDF diverses Archivmaterial, das Angriffe auf die Polizei zeigen sollte. Während der Sprecher von Leuten sprach, “die sich gegen das Abführen oder einen Polizeigriff wehren”, waren diese Bilder zu sehen:

Die gezeigten Aufnahmen haben eine gewisse Berühmtheit erlangt. Und tatsächlich wurde dem Mann im blauen T-Shirt vorgeworfen, bei der Demonstration “Freiheit statt Angst” in Berlin vor einem Jahr Polizisten gestört und Widerstand geleistet haben.

Zur Illustration des Themas eignen sich die Aufnahmen dennoch denkbar schlecht. Die Ermittlungen gegen den Mann wurden nämlich eingestellt. Stattdessen wurde gegen zwei Polizisten ermittelt, die ihn zusammengeschlagen haben sollen.

Mit Dank an Johannes Z.!

Focus Money, Tatort Internet, Whistleblowing

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Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Aktienbetrug – Journalisten unter Verdacht”
(ndr.de, Video, 10:41 Minuten)
Zwei Journalisten von “Börse online” und ein Journalist von “Focus Money” stehen im Verdacht, Teil eines kriminellen Netzwerks zu sein, das durch gezielte positive oder negative Berichterstattung Geld verdiente.

2. “Live-Video Manipulation-Software”
(nerdcore.de, René, Videos)
Zwei Videos zeigen auf, wie Videoinhalte manipuliert werden können. Mehr dazu bei der TU Ilmenau und beim Max-Planck-Institut.

3. “‘Tatort Internet’ wird zum Pranger”
(spiegel.de, Konrad Lischka, Hannah Pilarczyk, Christian Stöcker und Alexander Kühn)
Einer der Männer, die in der RTL2-Sendung “Tatort Internet” Kontakt zu Minderjährigen suchten, “wurde unzureichend anonymisiert – und konnte enttarnt werden”. “Bei ihm zu Hause sei ‘die Hölle’ los, schreibt er in einer Mail: ‘Telefonterror, Beschimpfungen’, Facebook-Kontakte würden mit Mails überschüttet. Auch seine Familie werde massiv bedroht.”

4. “Wie RTL für Lolita-Prostitution wirbt”
(faz-community.faz.net, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier zeigt ein “Reportage-Highlight” von RTL, einen Beitrag über “Deutschlands erstes Teeny-Bordell” in der Dokumentations-Reihe “30 Minuten Deutschland”. Siehe dazu auch “Die zweite Seite von RTL” (fernsehkritik.tv, Video).

5. “Der gute Verrat”
(freitag.de, Daniel Domscheit-Berg)
Daniel Domscheit-Berg verteidigt das Whistleblowing: “Whistleblowing ist für eine Gesellschaft ein wichtiger Fehlerkorrekturmechanismus, und oftmals auch die Ultima Ratio, das letzte Mittel, um die Zustände zu verbessern. Es geschieht dort, wo Insider und Praktiker erkennen, dass etwas wirklich schief läuft. Und es ist die effizienteste Methode für positive Veränderung – wo man sie zulässt. ”

6. “Truth Lies Here”
(theatlantic.com, Michael Hirschhorn, englisch)
Michael Hirschhorn macht sich Gedanken über Fakten in US-amerikanischen Debatten. “What is unique, and uniquely concerning, about digital media is the speed with which properly packaged (dis)information can spread and how hard it is for fact and reason to catch up.”

Der Flug des Homer S.

Für die Folge vom 10. Oktober baten die Macher der TV-Serie “Die Simpsons” den Künstler Banksy, den üblichen Vorspann nach eigenen Vorstellungen umzugestalten. Die gleichentags von banksyfilm auf YouTube hochgeladene Alternativversion wurde bereits millionenfach angesehen.

Das Onlineangebot der Zeitung “B.Z.” band das Video in einen Artikel ein und schrieb dazu:

Spätestens, als Homer in der Garage dem Wagen seiner Frau nicht ausweichen kann und durch die Tür gestoßen wird, ist klar: Hier ist etwas anders.

Eben nicht. Obwohl in der Banksy-Alternativversion vieles anders ist, fliegt Homer auch in der Originalversion durch die Tür. Jedenfalls seit der Episode “Take my Life, Please” von Februar 2009. Mit der Umstellung auf HDTV wurde ein neuer Vorspann produziert, der seitdem jede Episode einleitet.

Vergleich zwischen alter und neuer Version:

Simpsons Opening Comparison Old vs New

Alternativversion von Banksy:

Simpsons

Mit Dank an Holger S.

Bild, RTL  

Boulevard erklärt Moslems den Schnitzelkrieg

Seit in Deutschland (mit tatkräftiger Hilfe von “Bild”) eine sogenannte Debatte über die angeblich mangelnde Integration von Ausländern tobt, versucht die Zeitung täglich, den Untergang des Abendlandes herbei zu schreiben. Zum Beispiel mit der neuen Serie “Wenn Multi-Kulti zum Irrsinn wird”:

Lehrerin gefeuert weil sie muslimischen Schülern versehentlich Schweineschnitzel gab

Die Geschichte basiert im Großen und Ganzen auf einem Bericht, den das RTL-Krawall-und-Sex-Magazin “Extra” am Montag ausgestrahlt hatte. Gedreht wurde der allerdings schon im Mai, denn der ganze Fall liegt über ein halbes Jahr zurück, war dem Sender aber offenbar ohne die aktuelle Debatte nicht aufregend genug.

Im Februar hatte die Lehrerin bei der Essensausgabe verschiedene Schnitzelsorten vertauscht und dann muslimischen Kindern versehentlich Schweineschnitzel serviert (eine willkommene Gelegenheit für RTL, den “Schnitzelkrieg” auszurufen). Einige Eltern der muslimischen Schüler beschwerten sich in der Woche darauf bei der Schulleitung, nachdem “ein Versuch der telefonischen Klärung zwischen Eltern und der betroffenen Lehrkraft für die Eltern unbefriedigend verlaufen war”, wie die Schulleitung in einem Elternbrief mitteilte, in dem auch der vorläufige Verzicht auf Schweinefleisch beim Schulmittagessen erklärt wurde.

Zwei Tage später und vor einer abschließenden Klärung des Vorfalls reichte die Lehrerin eine Krankmeldung ein und ist jetzt seit sieben Monaten fortwährend krank geschrieben. Die Frau wurde also weder “gefeuert”, wie es “Bild” in der Überschrift groß verkündet, noch sitzt sie “ohne Job” zuhause, noch wurde sie “beurlaubt” oder versetzt — wie die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier als zuständige Behörde betont. Es seien im Gegenteil überhaupt keine Disziplinarmaßnahmen vorgesehen gewesen und die Lehrerin hätte ihren Dienst ganz normal fortsetzen können, wenn sie nicht krank geworden sei. Im Übrigen werde seit Schuljahresbeginn auch wieder Schweinefleisch ausgegeben, der Vorfall sei an der Schule und im Ort kein Thema mehr.

Das hat die Sprecherin übrigens nicht nur uns erzählt, sondern auch “Bild”. Die Zeitung hat diese beiden Informationen zwar ganz am Ende des riesigen Artikels zitiert:

Eveline Dziendziol, Pressesprecherin der zuständigen Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier, sagt dazu: “Die Lehrkraft wurde nicht suspendiert, sie ist erkrankt und deshalb zu Hause. Das ganze Geschehen ist kein Thema mehr. Mittlerweile gibt es auch wieder Schweinefleisch an der Schule.”

… aber im übrigen komplett ignoriert:

Lehrerin gefeuert weil sie muslimischen Schülern versehentlich Schweineschnitzel gab

Und damit das mit der Integration in Deutschland noch ein bisschen schwieriger wird, gießt Bild.de mit seiner Überschrift noch mal richtig Öl ins Feuer:

Deutsche Lehrerin von Moslems weggemobbt! Weil sie muslimischen Schülern versehentlich Schweineschnitzel gab

Mit Dank an Marcel Sch., MrB, Rhanjid und Stefan L.

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