Presserat, Zeitungsverkäufer, Denis Scheck

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Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Der Presserat braucht dringend eine Reform: Die Brand-Eins-Affäre”
(journalismus-handbuch.de, Paul-Josef Raue)
Paul-Josef Raue fordert eine Reform des Deutschen Presserats: “1. Transparenz fehlt, 2. Unschuldsvermutung fehlt, 3. Unterstützung der Journalisten fehlt.”

2. “‘Ich habe ein breites Kreuz'”
(spiegel.de)
Der Berliner Zeitungsverkäufer Olaf Forner: “Alleine konnte ich immer gut davon leben, aber eine Familie damit zu ernähren, ist schwierig. Deshalb habe ich seit anderthalb Jahren noch einen Vollzeitjob: Tagsüber bin ich Assistent bei den ambulanten Diensten, betreue Menschen mit Körperbehinderung.”

3. “‘Kein Sex in Entenhausen!'”
(cicero.de, Sarah Maria Deckert)
Literaturkritiker Denis Scheck wundert sich über fehlende Kritik in anderen Bereichen: “Ich fordere Brötchenkritik, Hosenkritik, Sockenkritik, Lampenkritik! Es gibt die Kritik im kulinarischen Bereich, merkwürdigerweise in der Automobilindustrie, im Kunst- und Musikbereich, aber in vielen Feldern unseres Alltagsleben fehlt sie. So steckt auch die Kindergartenkritik noch in den Kinderschuhen. Deshalb gibt es auch ganz wenig gesellschaftliches Fortkommen.”

4. “Autorisierung von Interviews”
(drehscheibe.org)
Eine Umfrage unter Lokaljournalisten zur Handhabe der Autorisierung von Interviews.

5. “Von toller Stimmung zu Nulltoleranz”
(sonntagszeitung.ch, Michael Lütscher)
Vor einigen Jahren wurde in Schweizer Medien über das Zünden von Feuerwerkskörpern in Fußballstadien ganz anders berichtet als heute. Neu zur Diskussion hinzugekommen ist das Wort “Nulltoleranz”.

6. “Journalisten wetteifern um fiesesten Leserbrief”
(ftd.de, Sebastian Kunigkeit und Antonia Lange)
Journalisten lesen erhaltene Leserbriefe vor: “Sie ehemaliger Schülerzeitungs-Redakteur. Sie Schreiberlein. Sie Wurm. (…) Schulen Sie um und werden doch Bioladen-Besitzer.”

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Das ist keine Strafe!

Wenn eine, dem breiten Volk eher unbekannte PR-Managerin juristischen Ärger hat, ist das keine Meldung, mit der man als Zeitung punkten kann. Wenn die Frau aber zufälligerweise unter anderem für einen Mann arbeitet, dessen Verhältnis zu deutschen Boulevardmedien einigermaßen angespannt ist, dann kann das schon der richtige “Dreh” für eine Geschichte sein:

Bevor Sie sich wundern, warum Stefan Raab so komisch aussieht: Das ist gar nicht Stefan Raab, sondern seine Wachsfigur. Es gibt offenbar kein anderes “gemeinsames” Bild.

In der Überschrift in der Kölner Regionalausgabe heißt es, die PR-Managerin Gaby Allendorf müsse eine Geldstrafe zahlen, im ersten Satz, es sei ein Strafbefehl gegen sie ergangen. Ein Strafbefehl ergeht ohne mündliche Hauptverhandlung, quasi nach Aktenlage, und kann als Geldstrafe festgesetzt werden. Es gab aber in diesem Fall weder einen Strafbefehl noch eine Hauptverhandlung, in der Frau Allendorf hätte “verurteilt” werden können.

Um das Begriffschaos komplett zu machen, schreibt “Bild”:

Das Verfahren wurde jetzt vorläufig eingestellt — aber nur gegen Zahlung einer Geldbuße in fünfstelliger Höhe an gemeinnützige Einrichtungen.

Diese Zahlung ist allerdings auch keine “Geldbuße”, die bei Ordnungswidrigkeiten fällig würde.

Auf den Fall von Frau Allendorf trifft das alles nicht zu: Das Verfahren gegen sie wurde gegen eine Geldauflage eingestellt (endgültig, übrigens), sie wurde nicht verurteilt oder “bestraft”.

Im Laufe des Tages änderte sich die Online-Version des Artikels bei Bild.de dann Stück für Stück, bis dort nun zutreffend steht:

Das Verfahren wurde jetzt eingestellt – aber nur gegen Zahlung einer Summe in fünfstelliger Höhe an gemeinnützige Einrichtungen.

Gaby Allendorfs Anwalt Christoph Meyer-Bohl teilte uns auf Anfrage mit, er habe die “Bild”-Juristen “höflich darum gebeten, sachliche Fehler zu korrigieren”, da ihn immer wieder Anfragen von anderen Medien erreicht hätten, die sich auf “Bild” beriefen.

Mit Dank an Daniel K., Karsten H. und Kinga H.

Nachtrag/Korrektur: In der ursprünglichen Fassung dieses Artikels hatten wir bei der Erklärung der Begriffe “Geldstrafe” und “Strafbefehl” einen Fehler gemacht, der nun korrigiert ist.
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Eine “persönliche Katastrophe”

Das war “Bild” dann sogar eine Meldung oben auf der Titelseite wert:

Andreas Türck: Fernseh-Comeback!

Es ist aber auch eine dramatische Geschichte, um die es da geht:

Er ist über Nacht vom Bildschirm verschwunden – als ihm gekündigt wurde, weil er vor Gericht stand. Doch er war unschuldig.

Jetzt, acht Jahre später, endlich das TV-Comeback.

“Bild” erklärt:

Viele hatten nicht mehr mit seiner Rückkehr gerechnet – nach all dem, was damals passierte …

Was damals passierte, umreißt “Bild” eher knapp (“Türck musste sich wegen des Verdachts der Vergewaltigung vor Gericht verantworten. Er verlor alle Jobs, obwohl er ein Jahr später freigesprochen wurde: unschuldig in allen Punkten!”) und bezeichnet es als “persönliche Katastrophe”.

Doch diese “persönliche Katastrophe” hatte auch eine öffentliche Dimension — die vor allem in “Bild” stattfand: “Bild” veröffentlichte damals ein “Protokoll der Sex-Nacht” und eine “Sex-Akte Türck” und “Bild am Sonntag” schrieb über Türck, dass dessen “Rückweg in die vorhersehbare Bedeutungslosigkeit” nur dadurch kurz gestoppt worden sei, dass er “etwas Unvorhersehbares tat”

Noch nachdem Türck freigesprochen worden war, behauptete “Bild”, es handele sich nicht um einen “Freispruch erster Klasse”, weil die Tat bloß nicht mit Sicherheit hätte bewiesen werden können, zählte auf, wie viel “Schmutz” an ihm hängen bleibe und fragte süffisant: “Der schöne Andreas ist 1,93 Meter groß, sportlich, schlank, lächelt gern — aber für was soll er jetzt sein Gesicht ins Fernsehen halten?” Später landete Türck wegen seines Prozesses in einer “Bild”-Kolumne mit der Überschrift “Peinliche Promis”.

Die “Bild”-Meldung von Andreas Türcks TV-Comeback ist also eine gute Gelegenheit, mal wieder auf diesen Text im BILDblog zu verlinken:

Die Kommentarfunktion unter dem Artikel bei Bild.de wurde übrigens deaktiviert. Einer unserer Leser gibt an, dort gestern noch auf die unrühmliche Rolle von “Bild” im Zusammenhang mit Andreas Türck verwiesen zu haben.

Mit Dank auch an Jan S. und Rainer T.

Ein bisschen Friedensnobelpreis

Vermutlich wird “Bild” nicht so unoriginell wie Bild.de sein und morgen auf der Titelseite behaupten “wir” seien jetzt “Friedensnobelpreis”. Aber immerhin: 27 Staaten mit insgesamt 500 Millionen Einwohnern – mithin die Europäische Union – werden in diesem Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Bild.de hat dafür ordentlich Platz auf der Startseite freigeräumt und zeigte noch oberhalb vom “Nacktfoto-Klau bei Justin Bieber” dieses Banner:

Bemerkenswert daran ist vor allem die Karte, die Bild.de zeigt:

Das, was da zu sehen ist, ist zwar grob der europäische Kontinent, aber es sind nicht die Länder der Europäischen Union. Die abgebildeten Länder Norwegen, die Schweiz, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Weißrussland, Moldawien, die Ukraine und die russische Exklave Kaliningrad gehören nämlich nicht dazu. Dafür fehlen die EU-Mitglieder Zypern, Malta und Griechenland.

***

Die Nachrichtenagentur dapd schreibt in ihrem “Stichwort: Friedensnobelpreis”, das von zahlreichen Medien übernommen wurde:

Das Komitee überreicht den mit acht Millionen schwedischen Kronen (923.000 Euro) dotierten Preis am 10. Dezember, dem Todestag Nobels. Den ersten Friedenspreis erhielten 1901 der Gründer des Roten Kreuzes, Henri Dunant, und der Gründer der französischen Friedensgesellschaft, Frédéric Passy. Bisher wurden zwei Deutsche mit dem Preis ausgezeichnet: Carl von Ossietzky und Willy Brandt.

Diese Formulierungen verbreitet die Agentur (bzw. ihr Vorläufer, der deutsche Dienst der Associated Press) mit leichten Abwandlungen seit mehr als 20 Jahren, aber sie sind falsch: Ebenfalls mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurden der frühere deutsche Reichskanzler Gustav Stresemann (1926) und der deutsche Pazifist Ludwig Quidde (1927).

(Albert Schweitzer [1952] und Henry Kissinger [1973] wurden zwar in Deutschland geboren, hatten zum Zeitpunkt ihres Auszeichnung aber bereits die französische bzw. amerikanische Nationalität angenommen.)

Mit Dank an Marc E., Joachim L. und Matthias.

Nachtrag/Korrektur, 14. Oktober: In der ursprünglichen Fassung dieses Eintrags hatten wir angegeben, dass auch Montenegro auf der Karte von Bild.de zu sehen sei. Das stimmt nicht: Dort, wo Montenegro liegen müsste, klafft auf der Karte ein Loch zwischen Bosnien und Herzegowina und Serbien.

Wenn Wirkungen vor der Ursache eintreten

Alexander Kissler, Autor des Buches “Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet”, schreibt in seiner aktuellen “Focus Online”-Kolumne über den “Triumph der Strippenzieher”:

Na bitte, geht doch: Kaum rollt Günther Jauch den roten Teppich aus für Peer Steinbrück, legt dieser in den Umfragen zu. Am Sonntag hielt Steinbrück Hof in der ARD-Talkshow “Günther Jauch”, am gestrigen Mittwoch lasen wir, dass die SPD beim Marktforschungsinstitut Forsa ein Sechs-Jahres-Hoch von 30 Prozent erklommen habe. Auch die persönlichen Zustimmungswerte für Steinbrück verbesserten sich. Wäre Günther Jauch George W. Bush, könnte er nun sagen: “Mission accomplished”, Auftrag erfüllt.

Klitzekleines Logikproblem: Die am Mittwoch veröffentlichte Forsa-Umfrage beruht auf Interviews, die zwischen 1. und 5. Oktober geführt wurden, also spätestens am Freitag vor der Jauch-Sendung. Was auch immer der “Auftrag” Jauchs oder die Wirkung der Sendung gewesen sein mag: An den Forsa-Zahlen, die Kissler zitiert, kann man es ohne größerer Verknotungen des Raum-Zeit-Kontinuums nicht ablesen.

(Solche Verknotungen passieren Journalisten allerdings häufiger.)

Focus Money, Turkmenistan, Buchtapete

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1. “Always believe in your soul”
(stefan-niggemeier.de)
Stefan Niggemeier nennt “Focus Money” das “Fachblatt für Hysteriker mit Alzheimer” und zeigt zur Veranschaulichung einige Titelblätter der letzten Jahre. Siehe dazu auch “Der Spiegel und die vielen Euro-Tode” (meedia.de, Stefan Winterbauer) und “Der SPIEGEL und die Inflation” (nachdenkseiten.de, Jens Berger).

2. “Die Lehren der ‘Spiegel’-Affäre”
(youtube.com, Video, 5:22 Minuten)
“Zapp” blickt zurück auf die Spiegel-Affäre. 1962 wurden sieben “Spiegel”-Mitarbeiter wegen angeblichem Landesverrat festgenommen, darunter auch Herausgeber Rudolf Augstein. Nach und nach wurden sie wieder entlassen, zuletzt, nach 103 Tagen in Untersuchungshaft, auch Augstein.

3. “Turkmenischer Bückling”
(nzz.ch, René Zeller)
Die Schweiz empfängt Gurbanguly Berdymuchammedow, Staatschef von Turkmenistan, mit militärischen Ehren. Bei der anschliessenden Pressekonferenz werden den anwesenden Schweizer Journalisten lediglich zwei Fragen zugestanden (die sie unter sich absprechen sollen), Nachfragen sind nicht erlaubt. “Es ist unstatthaft, die Presse aufzubieten, um den diplomatischen Händedruck zu orchestrieren – und die Journalisten wie Lemminge zu dressieren.”

4. “‘Warum lese ich das? Vermutlich, um mich aufzuregen'”
(zeit.de, Harald Martenstein)
Harald Martenstein liest in Zeitungen die Rubrik “Leute”. “Und dann lese ich ständig, nur im Internet würden unseriöse Sachen stehen, Gerüchte, belangloses Zeug.”

5. “‘Man kann als Zuschauer gar nicht so viel kotzen'”
(tagesspiegel.de, Markus Ehrenberg)
Oliver Kalkofe beschreibt Scripted-Reality-Formate: “Formate mit der Aussage: Guck mal, wie scheiße die Welt ist, wie doof die Leute da draußen alle sind. Programme, die boshaft Menschen vor die Kamera schubsen und zum Auslachen vorführen, damit die Blöden unter den Zuschauern denken können: Cool, die sind ja noch bekloppter als ich!”

6. “Mein letztes Buch”
(freitag.de, Malte Herwig)
Malte Herwig digitalisiert seine rund 4500 Bücher: “Die bürgerliche Buchtapete kenne ich aus meiner Kindheit. Auf den Regalen meines Vaters stehen noch immer Enzyklopädien, Kunstbände, Briefeditionen von Goethe bis Adenauer. In keines dieser Bücher hat er je hineingeschaut. Dafür hat er jeden Abend mit Hingabe Kriminalromane gelesen.”

Heute anonym: Claudia D.

Das Verhältnis zwischen Jörg Kachelmann und der Axel Springer AG ist so nachhaltig gestört, dass es schwer fällt, sich bei diesen Sätzen keine feixenden “Bild”-Redakteure vorzustellen:

Schlappe für den ehemaligen ARD-Wettermoderator Jörg Kachelmann (54): Seine Ex-Geliebte Claudia D. (39) ließ die Auslieferung seines neu erschienenen Buches vom Landgericht Mannheim verbieten.

Eine Begründung lieferte Bild.de gestern gleich mit:

Per einstweiliger Verfügung ist es Kachelmanns Verlag untersagt, das Buch “Recht und Gerechtigkeit – Ein Märchen aus der Provinz” weiter zu verbreiten, so lange die Ex-Geliebte darin mit vollem Namen genannt wird. Das teilten Kachelmanns Anwälte am Mittwoch in Schwetzingen mit.

In der Begründung heißt es, in Kachelmanns Buch würde das “allgemeine Persönlichkeitsrecht” der Ex-Geliebten verletzt.​ Für jeden Fall der Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro.​

Kachelmanns Anwälte hätten in dieser Sache gar nichts mitgeteilt, erklärte uns Kachelmanns Medienanwalt Ralf Höcker auf Anfrage.

Der Halbsatz “so lange die Ex-Geliebte darin mit vollem Namen genannt wird” fehlt heute in der gedruckten “Bild”, aber beide Texte, die über die Persönlichkeitsrechtsverletzungen gegenüber der Frau berichten, sind mit einem Foto der Frau illustriert.

Allerdings müssen “Bild” und Bild.de nicht gerade fürchten, nun wegen Verletzung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte von Claudia D. zur Rechenschaft gezogen zu werden: Im Juni 2011 erschien in der “Bunten” ein großes Porträt inkl. Interview mit ihr, das mit Bildern illustriert ist, auf denen sie sich “für BUNTE fotografieren ließ”, wie die Zeitschrift anmerkte.

Im Herbst 2011 erschien in der Zeitschrift “Emma” (von “Bild”-Gerichtsreportagepraktikantin Alice Schwarzer) und auf emma.de ein Interview mit ihrem Therapeuten und Traumatologen Günter H. Seidler, in dem sogar der volle Name von Claudia D. genannt wird.

Gegen diese Art der Berichterstattung ist Frau D. offensichtlich nicht vorgegangen, sie hat sie sogar forciert, wie Kachelmanns Anwalt Höcker meint:

Frau D. muss ihrem Therapeuten für dessen EMMA-Interview von seiner ärztlichen Verschwiegenheitspflicht entbunden haben. Außerdem muss sie selbst über ihren Anwalt die Presse darüber informiert haben, dass derzeit vor dem LG Frankfurt ein Schadensersatzprozess Kachelmanns gegen sie läuft. Von unserer Seite ging zu dem Thema gar keine Stellungnahme heraus. Frau D. selbst hält also die Berichterstattung am Köcheln.

Mit Dank auch an Mareike H., Mikroblume und Barbara.

Nachtrag, 15.25 Uhr: Auch “Spiegel Online” berichtet über die Einstweilige Verfügung und verlinkt dabei auf eine Pressemitteilung des Landgerichts Mannheim, in der es unter anderem heißt:

Des weiteren habe sich die Antragstellerin durch die von ihr gegebenen Interviews nicht ihrer Rechte begeben, da diese anonymisiert verbreitet worden seien. Auch die im Einzelfall erfolgte bildliche Darstellung der Antragstellerin erfordere keine abweichende Entscheidung, da die Antragstellerin damit nur für ihr nächstes Umfeld identifizierbar sei.

Die Namensnennung in “Emma” scheint am Gericht vorbeigegangen zu sein.

2. Nachtrag, 12. Oktober: Wird immer verwirrender: Die Onlineversion des “Emma”-Artikels ist auf emma.de verschwunden. Vor zwei Wochen war der Text dort noch verfügbar. Wir haben gestern bei der “Emma”-Redaktion angefragt, aus welchen Gründen der Artikel offline genommen wurde, haben bisher aber keine Antwort erhalten.

Uwe Barschel, Apokalypse, Followerkauf

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1. “Schluss mit der Selbstzensur”
(ftd.de, Klaus Max Smolka)
Die Autorisierung von Interviews führe zu vier Opfern, schreibt Klaus Max Smolka: der Sprache (“nachgearbeitetes PR-Gewäsch”), dem Respekt vor dem Interviewpartner (“ein DAX-Vorstandsschef mit 4 Mio. Euro Jahresgehalt, der nach einem Interview nicht mehr zu seinen Aussagen steht?”), dem Ansehen der Presse (“mancher PR-Berater gibt zu verstehen, dass er die Zitatenorgie selbst verachtet”) und der Kontrollfunktion der Medien.

2. “Mordfall im Jobcenter Neuss: BA stellt knapp 40 Strafanzeigen”
(arbeitsagentur.de)
Nach dem Tod einer Jobcenter-Mitarbeiterin in Neuss durch einen Messerangriff stellt die Bundesagentur für Arbeit Strafanzeigen “gegen die Verfasser von hetzerischen Online-Kommentaren”.

3. “Barschels ungeklärter Tod”
(stuttgarter-zeitung.de, Rainer Pörtner)
Rainer Pörtner befragt Sebastian Knauer, der Uwe Barschel am 11. Oktober 1987 tot in einer Badewanne aufgefunden hatte: “Ich sah den leblosen Körper, aber ich wusste nicht, ob Barschel tot war. Dass ich dann fotografiert habe, kann man mir vorwerfen. Es war ein journalistischer Reflex, auch diese Situation zu dokumentieren. Vielleicht auch der Versuch, mich abzusichern. Es gab später ja auch irrwitzige Vorwürfe, ich hätte irgendetwas mit dem Tod zu tun.”

4. “Die Bewerberin, die sich ausspioniert sah”
(blog.rhein-zeitung.de, Christian Lindner)
Christian Lindner, Chefredakteur der “Rhein-Zeitung”, im E-Mail-Wechsel mit einer Bewerberin für ein Volontariat.

5. “Von 0 auf 16.000 und zurück”
(spiegel.de, Judith Horchert)
Judith Horchert kauft Follower für das Twitter-Konto @clubmolke.

6. “Die Apokalypse kommt im Advent!”
(scienceblogs.de/astrodicticum-simplex, Florian Freistetter)

Das Weltall ist zu weit (2)

Gestern wollte der Extremsportler Felix Baumgartner aus einem Ballon in 36 Kilometern Höhe (“36 576 Meter”, Bild.de) springen.

Oder, wie manche Medien es ausdrückten:

“Bild”:
Die letzten Stunden vor dem Sprung aus dem Weltall

Bild.de:
Der irre Sprung aus dem All

Tatsächlich fängt das Weltall – je nach Definition – zwischen 80 und 100 Kilometer Höhe an. Aber das wissen Sie ja schon.

Nach mehrfacher Verschiebung mussten Ballonfahrt und Sprung für gestern dann abgesagt werden, worüber “Bild” heute beinahe zurückhaltend schreibt:

Rekord-Sprung vom Rand des Alls abgeblasen

Wobei Baumgartner mit den 36 Kilometern nicht mal die Hälfte der Strecke bis zum eigentlichen “Rand des Alles” zurücklegt.

Bei Bild.de geht der All-Wahn aber sowieso unvermindert weiter:

Findet derWeltall-Sprung nie statt?

Und für Franz Josef Wagner ist der Fallschirmsprung aus der Stratosphäre ein “Todessturz aus dem Weltall”.

Mit Dank an Dani, Martin und Max.

Nebeneinkünfte, Doping, Volontäre

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1. “Spitzenverdiener im Parlament”
(blog.abgeordnetenwatch.de, Martin Reyher)
Ex-“Bild”-Chefredakteur Hans-Hermann Tiedje verteidigt in einem “Bild”-Kommentar Peer Steinbrück. Martin Reyher schreibt dazu: “Der als Journalist getarnte Agenturchef Tiedje verteidigt seinen Klienten Steinbrück. Ein Hinweis auf diese Geschäftsbeziehung wäre reizend gewesen, BILD! Von wegen Transparenz und so…”

2. “Sind wir nicht alle ein bisschen Steinbrück? – Radiomacher und ihre Nebenjobs”
(fair-radio.net, Thomas Korte)
Thomas Korte erinnert daran, dass Journalisten Nebeneinkünfte nicht nur kritisieren, sondern sie auch gerne selbst akzeptieren: “Interessenkonflikte scheinen programmiert. Denn die Inhalte und die Entscheidung, wie ein Reporter über den Event vorher oder nachher berichtet, sind entscheidend mit der Frage verbunden, wie sehr er sich mit dem Thema verbunden fühlt. Und ist es nicht ein deutlicher Unterschied, ob man als unbeteiligter Journalist, als Zuschauer, Kulturkritiker, als interessierter Vertreter von Öffentlichkeit und damit als unabhängiger Berichterstatter über die Veranstaltung berichtet oder ob man als eingekaufter Moderator, Präsentator oder Kommentator dem Ereignis bewohnt?”

3. “‘Die Presse’: Fake-Falafel statt Fact-Check”
(deranderefellner.wordpress.com)
“Die Presse” stellt eine Satire-Story aus den USA als Realität dar. Der Autor nimmt Stellung: “In flagranti erwischt, in der Tat. Ist mir auch noch nie passiert und durchaus Scheiss-peinlich.”

4. “Die Geschichte von der vergessenen Klemme”
(journalist.de, Wolfgang Lenders)
Ein Foto liegt über Jahre hinweg mit einer irreführenden Bildunterschrift in den Bilddatenbanken von dpa und dapd. Aufgedeckt wird der Fehler nach der Intervention eines Lesers des “Donaukuriers”.

5. “Urteil im Dopingprozess Röthlin ./. Steffny: Gut für Berichte über Doping”
(derwesten-recherche.org, Daniel Drepper)
Ein Urteil des Kammergerichts Berlin zu Dopingvorwürfen gegen Marathonläufer Viktor Röthlin: “Das Urteil ist gut für die Berichterstattung über Doping. Steffnys Text ist weiß Gott kein Paradebeispiel für guten Dopingjournalismus. Er steckt voller Vermutungen und Recherchefehler. Trotzdem hat er das Stück nicht um die Ohren gehauen bekommen. Ein paar Richtigstellungen, ein bisschen Gerichtskosten, das war es.”

6. “Abschiedsfilm der BR-Volontäre 2012”
(youtube.com, Video, 8:05 Minuten)

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