Was ist das Schlimmste, was ein Fußballer nach seinem letzten Spiel für einen Verein machen kann? Zum Beispiel sich wutentbrannt sein Trikot runterreißen und schnurstracks im Kabinentrakt verschwinden, ohne sich von den Fans zu verabschieden.
Und was das Sympathischste? Vielleicht noch schnell sein Trikot einem Fan mit Behinderung schenken, bevor er ordnungsgemäß und direkt zur vom Verband angeordneten Dopingkontrolle geht.
Na, und wie haben “Bild” und Bild.de wohl dieses Foto interpretiert?
Der Hintergrund: Am vorletzten Spieltag der 2. Fußballbundesliga bekam Fortuna Düsseldorfs Stürmer Charlison Benschop seine fünfte Gelbe Karte der laufenden Spielzeit. Er ist damit für die letzte Partie der Saison am kommenden Sonntag gesperrt. Gut möglich, dass Benschop nie wieder für Fortuna Düsseldorf aufläuft: Es gibt Gerüchte, dass er bald den Verein wechselt.
Diese Gemengelage nutzt “Bild” für eine kleine Skandalgeschichte:
Direkt nach Abpfiff stürmt Benschop vom Platz, reißt sich sauer das Trikot vom Körper und verschwindet zur Doping-Probe — ohne sich wie der Rest des Teams von den mitgereisten Anhängern zu verabschieden.
Die Wahrheit: Ich gab mein Trikot dem behinderten Mann hinter dem Zaun, der es gerne haben wollte und musste anschließend direkt mit dem Herren links in blau zur Doping Kontrolle. Ich kann am Sonntag leider nicht spielen, was mich natürlich ärgert aber ich bin mit der Mannschaft dabei. Danke an alle mitgereisten Fans, die uns immer unterstützen und bis Sonntag :) @f95_fortunaduesseldorf
Aber auch ohne Benschops Erklärung stünde die “Bild”-Interpretation auf wackeligen Beinen. Man sollte bei Sportreportern schließlich das Wissen voraussetzen können, dass Fußballprofis vor einer Dopingprobe nicht noch lange Fans umarmen und alte Wegbegleiter herzen können. In den “Anti-Doping-Richtlinien” des DFB steht dazu (PDF):
Jeder betroffene Verein ist dafür verantwortlich, dass seine zur Kontrolle bestimmten Spieler den Chaperons bzw. dem Doping-Kontrollarzt und/ oder seinem Helfer nach Spielende direkt vom Spielfeld zum Raum für die Doping-Kontrolle folgen.
2. “Depressiv werden in den Medien: Vom Schreiben ins Schweigen” (kress.de, Sophia-Therese Fielhauer-Resei)
Sophia-Therese Fielhauer-Resei schreibt einen Text über Depressionen. Und über die Arbeitsbedingungen bei der Zeitschrift “Bunte” 1993: “Chefredakteur Franz Josef Wagner brüllt und schreit so tief, dass die Wände wackeln, Wagner schmeißt das Magazin kurz vor Druck komplett um, kündigt Mitarbeiter um vier Uhr morgens und erinnert sich am gleichen Vormittag nicht mehr daran. Wagner glorifiziert den Autoren Helge Timmerberg, der zumeist in Havanna oder Marrakesch sitzt – ein Großteil dessen, was die Stammbesetzung schreibt, wird nach Kuba und Marokko gefaxt, auf der Schreibmaschine von ihm umgedichtet und retour gefaxt. Das Selbstwertgefühl von Teilen der Redaktion leidet erheblich.”
3. “Seitenwechsler, Verräter: Lieber Christof Moser” (davehertig.com)
Dave Hertig schreibt an Christof Moser, der Journalisten, die in PR-Abteilungen wechseln, als “Verräter” bezeichnet hatte. “Die meisten Journalisten, die auf der aus deiner Sicht ‘guten Seite’ arbeiten, sind eine Blackbox. Ob sie selbständig und unabhängig denken und nicht auch ein bisschen gekauft und gesteuert sind, das werde ich nie erfahren. Als Leser weiss ich nicht, wem ich vertrauen kann.”
4. “Ein Plädoyer gegen Mehrfachfragen” (abzv.de, Tim Farin)
Warum Mehrfachfragen nicht zielführend sind: “Man könnte schon verwirrt reagieren, oder? Es könnte aber auch sein, dass man so etwas schon kennt – und nur auf die Frage antwortet, die einem gerade mehr in den Kram passt. Nach dem Motto: Ich suche mir aus, worauf ich antworte.”
5. “Marie, 19, Instagram-Star” (gruenderszene.de, Hannah Loeffler)
Ein Interview mit Marie von Behrens, deren Instagram-Konto mvb412 derzeit 88000 Abonnenten hat.
Seit Mitte vergangener Woche zieht eine neue Horrorstory aus Nordkorea ihre Kreise durch die westliche Medienwelt. Bild.de fasst sie so zusammen:
Schon wieder eine brutale Hinrichtung in Nordkorea.
Verteidigungsminister Hyon Yong Chol ist laut einem Agenturbericht abgesetzt und hingerichtet worden. (…)
Grund: Der Minister war (…) dabei ertappt worden, wie er bei offiziellen Militärveranstaltungen eindöste. Außerdem habe er Kim Widerworte gegeben.
Besonders brutal: Die Exekution wurde den Angaben zufolge mit Flakfeuer vollzogen.
Die Geschichte war am Mittwoch zuerst von der südkoreanischen Agentur Yonhap in die Welt gesetzt worden, die sich auf den südkoreanischen Geheimdienst NIS berief. Hierzulande wurde sie dann von den Agenturen AFP, AP, Reuters und dpa verbreitet.
Und wie das mit Horrormeldungen aus Nordkorea so ist, übernahmen so ziemlich alle die Geschichte und ließen bis auf ein paar vereinzelte „offenbar“s und „soll“s kaum einen Zweifel an ihrem Wahrheitgehalt:
Südkorea relativiert Angaben zu Exekution nordkoreanischen Ministers
Südkoreas Geheimdienst hat am Donnerstag zuvor kolportierte Angaben zur Absetzung und Hinrichtung des nordkoreanischen Verteidigungsministers Hyon Yong Chol relativiert. Hyon sei zwar entlassen worden, sagte ein Sprecher des Geheimdiensts NIS der Nachrichtenagentur AFP. Auch gebe es Geheimdienstberichte, denen zufolge er hingerichtet worden sein könnte. “Dies konnte aber noch nicht verifiziert werden”, sagte der Sprecher.
Also doch wieder nur ein unbestätigtes Konjunktivkonstrukt aus irgendeiner geheimen Quelle, das von den Medien fälschlicherweise als Tatsache dargestellt wird.
Nun wäre das nicht ganz so schlimm, wenn die Journalisten, die solche Geschichten rumposaunen, wenigstens auch bei der Richtigstellung so eifrig bei der Sache wären. Doch die Meldung vom Rückzieher des Geheimdienstes hat es nur in die wenigsten deutschen Medien geschafft (bisher haben wirganzeviergezählt). Auch von den Agenturen, die die Story wie wild verbreitet hatten — allein die dpa hat sieben Texte dazu rausgehauen –, hat (bis auf die AFP) keine darüber berichtet, dass der Geheimdienst zurückgerudert ist.
Wahrscheinlich wird die Story nun also Teil des schaurig-bunten Nordkorea-Horror-Pools, aus dem sich die Medien alle paar Monate bedienen (“So grausam richtet der Diktator seine Minister hin”), wenn das nächste Gerücht die Runde macht. Da hat die dpa anlässlich der Flak-Geschichte sogar die Nummer mit dem von Hunden zerfleischten Onkel wieder rausgefischt, die (wie die dpa an anderer Stelle selbst schreibt) in Wirklichkeit eine Satiremeldung war. Auch die von der vergifteten Tante wird aufgezählt, obwohl sie (wie die dpa an anderer Stelle ebenfalls selbst schreibt) vom südkoreanischen Geheimdienst als grundlos zurückgewiesen wurde.
Fakten und Fiktion werden gefährlich vermischt, aber es gibt sich auch kaum jemand die Mühe, das zu verhindern. Auch in der Flak-Sache hätten die Journalisten mit ein bisschen Recherchewillen schon früh stutzig werden können, denn es gab bereits kurz nach der Veröffentlichung konkrete Zweifel an der Geschichte. So berichteten unter anderem die „New York Times“ und der „Guardian“ schon am Mittwoch (also an dem Tag, als die Meldung aufkam) über Cheong Seong-chang vom südkoreanischen Sejong Institute, der die Authentizität des Berichts infrage stellte. Der Verteidigungsminister sei kürzlich noch im nordkoreanischen Fernsehen zu sehen gewesen — normalerweise würden abgesetzte und hingerichtete Offizielle aber sofort aus allen TV-Bildern entfernt. Außerdem sei sein Name am 30. April (seinem angeblichen Hinrichtungstag) in der Tageszeitung des Regimes veröffentlicht worden.
„Das bedeutet, er war bis zum 29. April nicht verhaftet,“ sagte [Cheong Seong-chan]. „Das bedeutet, er wurde am 30. April verhaftet und am selben Tag hingerichtet. Das ist schwer zu glauben, es sei denn, er hat etwas Ungewöhnliches versucht, zum Beispiel ein Attentat auf Kim Jong-un.“
Hierzulande hat sich nur Welt.de ausführlich mit diesem Kritikpunkt beschäftigt. Die AFP erwähnte die Zweifel des Analysten am Mittwoch immerhin am Rande und zitierte ihn mit den Worten, der Bericht sei “unüberlegt”; es handele sich um “wackelige, unbestätigte Geheimdienstberichte”.
Dieses Zitat steht auch beim „Guardian“. Da geht es allerdings noch weiter:
He added: “It needs to be verified, but is already being reported as fact by the media, which only adds to the confusion.”
In deutschen Medien sucht man diesen Satz vergeblich.
1. “Es ist etwas faul mit den Medien dieses Landes” (derstandard.at, Helge Fahrnberger)
Helge Fahrnberger schreibt über Medien in Österreich: “In Zeiten, in denen die direkte Demokratie ausgebaut werden soll, frage ich mich: Wie kann das funktionieren? Wie soll die Bevölkerung eine Entscheidung treffen, wenn Massenmedien die Öffentlichkeit nicht informieren, sondern vorsätzlich manipulieren, und die, die das nicht tun, dazu schweigen? Wer kontrolliert die vierte Gewalt, wenn sie das nicht selbst tut?”
3. “Kraut- und Rübenreporter” (ackerbaupankow.blogspot.de)
Der Artikel “Von der Schwierigkeit, legal gutes Gemüse zu finden” (krautreporter.de, Theresa Bäuerlein): “Man bekommt in den Supermärkten inzwischen sehr schmackhafte Cocktailtomaten, die es auch mit meinen Gartentomaten aufnehmen können. Nur die Fleischtomaten sind weitgehend Ausfälle (das kann aber kaum an EU-Normen liegen, da man z.B. in Frankreich auch schöne Fleischtomaten auf dem Markt kriegt). Hier hätte ich es spannend gefunden, wenn man bei Einkäufern von Großmärkten recherchiert und nicht nur einen Gemüsehändler nebenan gefragt hätte. Wahrscheinlich hätte man dann ein paar spannende Dinge erfahren, genauso wie man sicher schlauer geworden wäre, wenn man mit ein paar Leuten, die im großen Stil Tomaten anbauen, über den Markt gesprochen hätte.”
4. “Platter Versuch, einen Mythos zu demaskieren” (deutschlandradiokultur.de, Alexander Kohlmann)
Alexander Kohlmann schaut sich das Theaterstück “Wir sind Günter Wallraff!” im Schauspiel Hannover an: “Indem die Autoren von den Missständen bei ‘Bild’ bis zur Ausbeutung der Arbeiter im 19. Jahrhundert alles über einem Kamm scheren, bagatellisieren sie in Wahrheit die Auswüchse, denen Wallraff mit Schauspiel begegnete. Es ist gerade diese Form der Verweigerung jeglicher Differenzierung, die wesentlich restaurativer daherkommt, als die angeprangerte Mitarbeit Wallraff innerhalb der marktwirtschaftlichen Gesellschaftsordnung.”
5. “Das WDR-Politmagazin ‘Monitor’ besteht 50 Jahre” (medienkorrespondenz.de, Reinhard Lüke)
Das TV-Magazin “Monitor” wird 50 Jahre alt und konnte das Durchschnittsalter seiner Zuschauer kürzlich von 64 auf 62 Jahre senken. Redaktionsleiter und Moderator Georg Restle: “Sobald wir bei den Marktanteilen mal unter die Zehn-Prozent-Marke geraten, wird von der Medienkritik immer wieder die Daseinsberechtigung der Magazine in Frage gestellt.”
6. “‘Von Natur aus ein Einzelgänger'” (taz.de, Christine Stöckel)
Ein Interview mit Jürgen Domian: “Ich hatte immer zwei Leitsätze: Es darf nicht pornografisch sein und es darf nie um die bloße Sensation gehen. So kam es, dass ich in der Sendung ein fast viertelstündiges Interview zum Thema ‘Fisten’ geführt habe. Der Anrufer war schwul und von Beruf Arzt. Eine perfekte Mischung.”
2. “‘Laut einem Medienbericht’ – wie Nonsense aus der ‘Bild’ die Roaming-Debatte bestimmt” (blog.lehofer.at)
Hans Peter Lehofer beschäftigt sich mit einer von anderen Medien aufgegriffenen “Bild”-Story. “Wäre es wirklich zuviel verlangt, einmal kurz eine Suchmaschine zu bedienen, um die Behauptungen der ‘Bild’ zu überprüfen, vor allem wenn sie schon beim ersten Blick unglaubwürdig sind? Hätte nicht irgendjemand auf die Idee kommen können, sich das ‘Geheimpapier’ einmal anzuschauen?”
3. “The media’s reaction to Seymour Hersh’s bin Laden scoop has been disgraceful” (cjr.org, Trevor Timm, englisch)
Wie Journalisten auf das Stück “The Killing of Osama bin Laden” von Seymour Hersh in der “London Review of Books” reagiert haben: “This is not to say all the assertions contained in Hersh’s story are accurate. Some may turn out not to be true; I simply don’t know. But neither do any of Hersh’s critics, because, unfortunately, the flippant blog posts dismissing Hersh out of hand outnumber follow-up reporting on his stories by about 50 to one.” Siehe dazu auch “Podcast Extra: Seymour Hersh” (onthemedia.org, Audio, 22 Minuten, englisch).
4. “Secrets of the Brussels media machine” (thepressproject.net, Nikos Sverkos, englisch, 2. Mai)
Nikos Sverkos schreibt über die Medien in Brüssel: “In terms of collection and distribution of news, the main players in the system are the three major European-level media outlets: the agencies Reuters and Bloomberg, and the Financial Times newspaper. Whatever this group reports, all other media outlets in Europe rush to reproduce. Thus – intentionally or not – articles published by the group are spread widely.”
5. “Bitte benutzen Sie den Lieferanteneingang” (faz.net, Michael Hanfeld)
Michael Hanfeld kritisiert eine Kooperation von “Spiegel” und “Bild” mit Facebook, Instant Articles: “Facebook wird zum Verleger – mit den Inhalten anderer, die sich auch noch darüber freuen, dass sie ihre Werke kostenlos abgeben dürfen. Man muss sich das entsprechende Werbevideo von Facebook antun: Da sehen wir Journalisten mit Stockholm-Syndrom, die mit glänzenden Augen erzählen, wie schnell ihre Story bei Facebook aufpoppt. Als wäre das ein Gnadenerweis, als gäbe es außerhalb von Facebook kein Leben in der Online-Welt.” Siehe dazu auch “könige, kaiser und lakaien” (wirres.net, Felix Schwenzel) – in dem der Text von Hanfeld als “ein schneller, hingekotzter aufregertext” beschrieben wird.
6. “Funkstille für Rundfunkjournalisten!” (prinzessinnenreporter.de, Elke Wittich)
Printjournalistin Elke Wittich erzählt von Erfahrungen, die sie mit Hörfunkjournalisten gemacht hat: “Guten Tag, ich bin Frau Dingens vom wichtigen Rundfunksender Sowieso und ich habe mit großer Begeisterung Ihren Artikel gelesen. Ach so, nein, ich möchte Sie nicht interviewen, ich mache selber einen Beitrag zum Thema, könnten Sie so nett sein und mir die Kontaktdaten derjenigen geben, mit denen Sie gesprochen haben, danke. Nein, jetzt, können Sie nicht später Ihre Deadline einhalten/in Urlaub fahren/wasimmer, es ist wirklich dringend? Und super wäre es, wenn Sie mir eben sagen, welche Aspekte Sie für besonders wichtig halten, vielleicht so als kurze Gliederung.”
Sie werden es mitbekommen haben: Gestern wurde das Finale von „Germany’s Next Topmodel“ wegen einer Bombendrohung abgebrochen.
Für die „Bild“-Medien war Klatsch- und Quatschreporter Daniel Cremer vor Ort, der den ganzen Abend eifrig twitterte. Sein mit Abstand erfolgreichster Tweet war der hier:
Viele Medien übernahmen die Information oderbauten Cremers Tweet direkt in ihre Artikel ein:
Die „Bild“-Zeitung selbst druckte die Info heute sogar auf die Titelseite. Über Nacht sind dann auch alle Restzweifel, die Anführungszeichen und das „soll“ verschwunden:
„Heidi Klum verließ mit Tochter Leni schreiend die Arena“.
Nunja. Pro7 teilte heute mit:
Das muss man den Leuten von Pro7 natürlich nicht glauben. Recht haben sie aber trotzdem, und lustigerweise kommt der Beleg dafür von „Bild“ selbst:
Auf dem Video ist zu sehen, wie Heidi Klum ganz ruhig ihre Tochter in Empfang nimmt und die Halle verlässt. Ohne ein einziges Mal zu schreien.
Diese Geschichte war auch nicht die einzige Meldung des “Bild”-Reporters, die heute dementiert wurde. Gestern Abend schrieb er:
Pro7 entgegnet heute:
Die Polizei hat inzwischen bestätigt, dass es keine Verletzten gab.
“Bild”-Mann Daniel Cremer war übrigens auch einer der ersten, die schon von einer Bombendrohung sprachen, während der Sender noch auf „technische Probleme“ verwies. Wie Sender-Sprecher Christoph Körfer später erklärte, wollte man so eine Panik verhindern:
(…) deswegen mussten wir auch zunächst von einem technischen Defekt sprechen, um eine Panik zu verhindern. Daran haben sich leider nicht alle Medien gehalten. [Manche] Medien haben relativ unreflektiert von einer Bombendrohung gesprochen und haben damit billigend in Kauf genommen, dass hier eine Panik in der Halle ausbricht.
“Bild”-Chef Kai Diekmann fällt zu all dem aber nur eins ein:
Mit Dank an Boris R., Benedikt S. und Johannes K.!
1. “Verifizieren – die journalistische Schlüsselqualifikation” (get.torial.com, Bernd Oswald)
Bernd Oswald stellt Sessions vor, die sich an der re:publica mit dem Verifizieren von Inhalten befasst haben: “In Zeiten, wo die Gier nach schnellen Informationshäppchen und Aktualisierungen stetig steigt, ist eine saubere Verifizierung um so wichtiger.”
3. “Frischer Wind von unten” (journafrica.de, Deogracias Kalima)
Vier Journalisten in Malawi gründen eine private Nachrichtenagentur: “Chefredakteur Paul Akomenji schwört, dass LINA politische Einflussnahme als Folge finanzieller Zuwendungen nicht in Kauf nehmen werde – eine Andeutung dafür, dass es solche Zuwendungen sind, die freie und lebendige Medien vernichten. ‘Ehe wir uns von Politikern unterstützen lassen, schließen wir lieber’, sagt Akomenji nachdrücklich. Stattdessen wollen sie unabhängige Organisationen um Unterstützung zu bitten: Botschaften, internationale Organisationen und die Geschäftswelt zum Beispiel, nicht aber Politiker.”
4. “‘Wir brauchen eine öffentlich-rechtliche Suchmaschine'” (telemedicus.info, Fabian Rack)
NDR-Verwaltungsratsmitglied Dagmar Gräfin Kerssenbrock fordert eine öffentlich-rechtliche Suchmaschine: “Eine öffentlich-rechtliche Suchmaschine müsste eine vergleichbare Nutzenfunktion haben wie Google, jedoch bereinigt um den Einfluss verschiedenster Interessengruppen auf das Suchergebnis. (…) Wir brauchen eine öffentlich-rechtliche Suchmaschine, die ausschließlich eine dienende Funktion für eine informierte Gesellschaft im wachsenden digitalen Datenberg hat, ohne wirtschaftliche Interessen verfolgen zu müssen.”
5. “Schluss mit muffig” (11freunde.de, Dirk Gieselmann)
Die Medien werfen Thomas Schaaf vor, er habe Probleme, mit seiner Mannschaft zu kommunizieren: “Die Spekulationen haben Thomas Schaaf in eine Lage versetzt, aus der er sich naturgemäß kaum wird befreien können. Wir sehen eine sich selbst erfüllende Prophezeiung: Schaafs Hang zur Einsilbigkeit wird zu seinen Ungunsten ausgelegt, und das soll er, der ja tatsächlich ungern mehr sagt als unbedingt nötig, nun bitteschön wortreich entkräften. (…) Er wird öffentlich einer Prüfung unterzogen, ob er als leitender Angestellter den Ansprüchen an eine modernen Unternehmenskommunikation genügt. Beherrscht er den Jargon angenehm sedierender Pressemitteilungen? Kann er professionell dementieren?”
Ein todsicherer Weg, den geneigten Bild.de-Leser so richtig auf die Palme zu bringen? Eine angeblich neue Steuer aufwerfen. Und wenn sich diese Steuer auch noch auf etwas Alltägliches bezieht — zum Beispiel aufs Biertrinken –, dann ist in der Kommentarspalte Jahrmarkt.
Da kann man dann wunderbar auf die Politiker schimpfen, die dem kleinen Mann nicht mal sein Feierabendbier lassen wollen …
… auf die EU, die alles totreguliert …
… auf die Griechen, weil’s die Griechen sind …
… und auf Hartz-IV-Empfänger, die doch eh alle ein Alkoholproblem haben:
Alles in allem ist der Bild.de-Mob ziemlich wütend:
Hintergrund für den Zorn ist eine OECD-Studie, nach der “politische Maßnahmen gegen den Alkoholmissbrauch” jedes Jahr mehr als 44.000 Leben in Deutschland retten könnten. Dazu gehören neben strengeren Regeln für Alkoholwerbung und vermehrte Alkoholkontrollen im Straßenverkehr auch “höhere Steuern auf alkoholische Getränke”.
Nun hat jedoch kein einziger deutscher Politiker die Einführung einer Biersteuer gefordert, was vor allem daran liegen dürfte, dass es dieschon seit Jahrhunderten gibt, samt Biersteuergesetz und Biersteuerverordnung. Also, liebe Bild.de-Leser, jetzt einmal ganz stark sein: Ihr zahlt schon heute jedes Mal, wenn Ihr Euch einen hinter die Binde kippt.
1. “Religion schlägt Meinungsfreiheit” (zeit.de, Cigdem Akyol)
Ceyda Karan und Hikmet Cetinkaya drohen bis zu viereinhalb Jahre Haft, weil sie “zwei kleine Mohammed-Karikaturen in ihren Kolumnen zwischen ganz viel Text versteckten”: “Die Staatsanwaltschaft in Istanbul wirft ihnen vor, den öffentlichen Frieden gestört und die religiösen Werte der Menschen in der Türkei beleidigt zu haben.”
2. “Speed kills: Germanwings und die Medien” (derstandard.at, Johanna Jung, Jennifer Woods und Josef Trappel)
Medienwissenschaftler greifen die Berichterstattung zum Germanwings-Flug 9525 auf: “Unzählige Falschmeldungen ohne Bestätigung, Expertenbefragungen ohne Antworten, Sondersendungen ohne Inhalt und Spekulationen ohne ausreichende Hinweise prägen den medialen Irrflug. Keine Frage: Ihre Informationspflicht haben die Medien mehr als erschöpfend erfüllt – zumindest in Sachen Schnelligkeit und Aktualität. Doch sind Speed und Quantität die neue Qualität?”
3. “Nein, die GEMA will kein Seniorensingkränzchen killen” (medium.com/@jagermo)
Moritz Jaeger zweifelt die Story “Gema verlangt Gebühren fürs Volkslieder-Singen” (siehe dazu auch “6 vor 9” vom 11. Mai) an und fragt bei der Gema nach, die ihm ausführlich Auskunft erteilt: “Wir bedauern es sehr, dass sich Frau von Assel nach Erhalt der Rechnung nicht an uns, sondern direkt an die Presse gewendet hat. Erst aufgrund der jetzt veröffentlichten Berichterstattung in den Schleswiger Nachrichten haben wir jedoch erfahren, dass es sich bei dem ‘Sing-Treff im Café Fahrdorf’ um ein nicht-öffentlichen Sing-Treffen handelt. Diese Information lag uns bislang nicht vor. Daher werden wir die Rechnung gegenüber der Veranstalterin stornieren.”
4. “Schumacher vs. taz: Streit ums Foto endlich entschieden” (blogs.taz.de/hausblog, Manuel Schubert)
Ein Gerichtsfall um ein in der “taz” abgedrucktes Foto von Corinna Schumacher: “Das von uns verwendete Bildnis sei ‘kontextgerecht’, urteilten die Richter. Es illustriere und belege die Wortberichterstattung in besonderer Weise und hätte einen eigenen Informationswert. (…) Die Richter des Oberlandesgerichts Köln ließen keine Berufung zu ihrem Urteil zu.”
5. “Bilder zu Netzthemen: Überwachung? Kann ich nicht mehr sehen!” (spiegel.de, Markus Böhm)
Markus Böhm macht sich Gedanken, wie man das Thema Überwachung bebildern könnte: “Man kann wohl mittlerweile noch so gute und wichtige NSA- oder BND-Enthüllungsgeschichten schreiben, noch so originelle Plädoyers für oder gegen die Vorratsdatenspeicherung: Ohne ein Foto, das in den Artikel zieht, ist die Chance gering, dass der Text überdurchschnittlich oft gelesen wird und nicht nur die übliche Zielgruppe erreicht.” Siehe dazu auch “BND liefert NSA 1,3 Milliarden Metadaten – jeden Monat” (zeit.de, Kai Biermann).
Menschenskinder, der Nachname des bisherigen Bremer Bürgermeisters, der gestern verkündete, er wolle nach dem schwachen Wahlergebnis künftig auf sein Amt verzichten, ist aber auch knifflig …
Wie schreibt sich der Bürgermeister von Bremen? Jens Boernsen, Börnsen oder Böhrnsen? Richtig ist der Name mit “ö” und “h”. Seine eigene Partei, die SPD, sollte das wissen.
Aber nicht nur die SPD sollte es hinbekommen, Jens Böhrnsens Namen richtig zu schreiben, sondern auch Journalisten, die über Böhrnsen berichten wollen. Zum Beispiel die von Bild.de: