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“Instinktloser Unsinn!” – “Bild” lässt Ministerin Weihnachten abschaffen

Und plötzlich …

Screenshot Bild.de - Karten-Kuddelmuddel im Kanzleramt - Zweite Weihnachtskarte von Widmann-Mauz aufgetaucht - Plötzlich ist von Weihnachtsfest die Rede

Wobei “Plötzlich” in diesem Fall bedeutet: Die “Bild”-Redaktion hat einen Fehler gemacht, und der große Mist, den sie verbreitet hat, fliegt den Mitarbeitern gerade um die Ohren. Dieses “Plötzlich” ist eine Art Korrektur im Gewand eines weiteren Vorwurfs.

Es geht um die Weihnachtskarte — oder besser: die Weihnachtskarten — von Annette Widmann-Mauz, der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung. Am späten Dienstagabend schreiben Franz Solms-Laubach und Filipp Piatov bei Bild.de:

Screenshot Bild.de - Peinliche Weihnachtskarte aus dem Kanzleramt - Integrationsbeauftragte schafft Weihnachten ab

Das ganze Land wünscht zurzeit “Fröhliche Weihnachten” auf Karten, doch ausgerechnet die Integrationsbeauftragte kriegt das nicht hin.

Auf der Weihnachtskarte, die Integrationsministerin Annette Widmann-Mauz (52, CDU) mit ihrer Pressestelle verschickt, sind zwar Weihnachtsmann-Mützen, Baumschmuck und Engel mit Heiligenschein zu sehen, es fehlt aber das wichtige Wort: Weihnachten!

Stattdessen steht dort: “Egal woran Sie glauben … wir wünschen Ihnen eine besinnliche Zeit und einen guten Start ins neue Jahr.”

Am Mittwoch reicht die “Bild”-Zeitung ihren aussichtsreichen Beitrag zum Wettbewerb “Wer erschafft den größten Elefanten aus der kleinsten Mücke?” ein:

Ausriss Bild-Titelseite - Die peinliche Weihnachtskarte aus dem Kanzleramt - Integrationsbeauftragte drückt sich vor dem Wort Weihnachten

… schreibt die Redaktion auf der Titelseite. Und auf Seite 2:

Ausriss Bild-Zeitung - Peinliche Weihnachtskarte aus dem Kanzleramt - Integrationsbeauftragte schafft Weihnachten ab

Daneben der Kommentar von Solms-Laubach (“Instinktloser Unsinn!”) und ein Brief von Franz Josef Wagner (“Liebe Integrationsministerin”).

Die Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration soll also Weihnachten “abgeschafft”, sich “vor dem Wort Weihnachten” gedrückt, “unser christliches Fundament” verschwiegen haben. Blöd nur, dass eine weitere aktuelle Grußkarte von Annette Widmann-Mauz existiert. Und darin stehen Dinge wie “ein friedvolles Weihnachtsfest und ein gesegnetes Jahr 2019” oder “Öffnen wir unsere Herzen für das Geheimnis der Heiligen Nacht”. Dazu der Spruch des Theologen Angelus Silesius: “Das Licht der Herrlichkeit scheint mitten in der Nacht. Wer kann es sehen? Ein Herz, das Augen hat und wacht.” Alles sehr, sehr christlich.

Während die Karte, bei der Solms-Laubach und Piatov und “Bild” das Abendland untergehen sehen, in einer Auflage von 100 Exemplaren an Journalistinnen und Journalisten und Redaktionen gegangenen und von Widmann-Mauz’ Presseteam verschickt worden sein soll, soll die andere Karte in einer Auflage von 1000 Exemplaren an Kolleginnen und Kollegen im Bundestag, Freunde in der CDU, Kirchen, Religionsgemeinschaften gegangen sein.

“Bild” lag also heftig daneben. Doch anstatt einfach zu sagen: “Wir lagen daneben”, schreibt die Redaktion, dass “plötzlich” eine “zweite Weihnachtskarte von Widmann-Mauz aufgetaucht” sei, und zündet die nächste Stufe. “Bild” gestern:

Ausriss Bild-Zeitung - Kritik-Sturm wegen beschämender Weihnachts-Karte - Warum ist sie Integrationsministerin?

So macht man Menschen fertig.

Im Hauptartikel — dieses Mal interessanterweise ohne Autorennamen — geht es unter anderem um Widmann-Mauz’ Studienabbruch und ihr angebliches Versagen als Integrationspolitikerin. Die Redaktion wirft ihr vor, “dass sie es auch nach acht Monaten im Amt noch nicht geschafft habe, ein Freitagsgebet in einer Moschee zu besuchen.” Was wäre wohl in “Bild” los, wenn Annette Widmann-Mauz in diesen acht Monaten dreimal in der Moschee, aber nicht so oft im Gottesdienst gewesen wäre?

Der kleine Kasten unten rechts auf der Seite (“Die zweite Karte der Staatsministerin”) ist die Art, wie die “Bild”-Mitarbeiter zeigen, dass sie einen Fehler gemacht haben. Und dazu gehört auch, dass sie noch einmal auf Annette Widmann-Mauz einschlagen: “Parteiintern christlich, nach außen beliebig — ein bemerkenswerter Widerspruch.”

Vermutlich hätte aber auch eine größere Korrektur nicht mehr viel gebracht. Bei Bild.de durften die Leserinnen und Leser bereits über die berufliche Zukunft der Integrationsbeauftragten abstimmen. In den Sozialen Netzwerken haben die Hetzer, denen “Bild” das nächste Opfer zum Fraß vorgeworfen hat, Widmann-Mauz längst beleidigt und beschimpft. Die AfD, Erika Steinbach und all die anderen ganz Rechten konnten auf ein neues Thema aufspringen und taten das auch zahlreich. CDU-Politikerinnen und -Politiker haben sich von “Bild” zu kritischen Äußerungen bringen lassen. “Integrationsexperte” Ahmad Mansour durfte auch noch was sagen.

Und “Bild” hatte das nächste Kapitel in der traditionellen JahresendErzählung, dass in Deutschland Weihnachten abgeschafft werde.

Für die Fehler, die die Redaktion dabei gemacht hat, musste sie nicht mal um Entschuldigung bitten. Sie hat einfach noch einen draufgesetzt.

Georg Streiter, der früher selbst bei “Bild” gearbeitet hat und später stellvertretender Regierungssprecher war, hat bei Facebook einen sehr lesenswerten Beitrag zur “Bild”-Berichterstattung über Annette Widmann-Mauz veröffentlicht.* Er schreibt darin unter anderem:

Wer — wie ich — lange Jahre bei Boulevard-Zeitungen gearbeitet hat, kennt auch die Kniffe, mit denen man immer halbwegs überleben kann, auch wenn man gerade ins Klo gegriffen hat. Eine Rettungs-Regel z.B. lautet: wenn Du falsch berichtet hast, lass die Korrektur aussehen wie eine neue Enthüllung. Die veredelte Variante: zünde zusätzlich ein großes Feuerwerk, das ablenkt. Ein Musterbeispiel dafür ist die versuchte Hinrichtung der Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin, Annette Widmann-Mauz (CDU), durch die “Bild”-Zeitung.

Er habe “arge Probleme”, so Streiter, “mit dem fanatischen Kurs, den der aktuelle Chefredakteur fährt.”

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

*Nachtrag, 27. Dezember: Der Facebook-Post von Georg Streiter ist inzwischen nicht mehr für jeden lesbar. Streiter hatte uns gegenüber bereits angekündigt, dass er seinen Text zu gegebener Zeit wieder auf “privat” stellen werde.

Von “Bild” vermittelter Eindruck vom “Bamf-Skandal” “täuscht offenbar”

Der Bamf-Skandal hat Deutschland wochenlang in Atem gehalten: Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird gepfuscht, vielen Flüchtlingen wird der Schutzstatus in Deutschland gewährt, obwohl er ihnen nicht zusteht? So lauteten die Schlagzeilen.

Jetzt stellt sich heraus: Dieser Eindruck täuscht offenbar

Das schreibt Bild.de heute:

Screenshot Bild.de - Nur wenige Flüchtlinge haben Bleiberecht erschlichen - Wende im Bamf-Skandal

Die Redaktion bezieht sich dabei auf einen Artikel der “Süddeutschen Zeitung”, die berichtet, dass von den etwa 43.000 abgeschlossenen Prüfverfahren im ersten Halbjahr 2018 lediglich 307 dazu führten, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) “den Geflüchteten den bereits gewährten Schutzstatus wieder entzog.” Also: Nur in 0,7 Prozent der untersuchten Fälle musste das Bamf eine positive Entscheidung revidieren. Bei den anderen 99,3 Prozent war der positive Bescheid korrekt.

Dass der “Bamf-Skandal” Deutschland “wochenlang in Atem gehalten” habe, wie Bild.de es heute schreibt, ist eine interessante Zusammenfassung. Eigentlich müsste es heißen: Die Angelegenheit hat Teile Deutschlands wochenlang wutschnaubend von Behördenversagen, unfassbarem Betrug und mafiösen Strukturen beim Bamf schreien lassen — alles, ohne Prüfungen wie die nun abgeschlossene abzuwarten. Ganz vorn dabei bei dieser Empörung: die “Bild”-Medien.

Heinz Buschkowsky, der frühere Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, durfte in “Bild” und bei Bild.de beispielsweise davon schwadronieren, dass es sich bei den Bamf-Missständen um “organisierte Kriminalität” handele. Die “Bild”-Chefreporter Peter Tiede und Hans-Jörg Vehlewald fragten in “Bild”: “Leben wir eigentlich in einer BAMFNANEN-Republik?” Und dann gab es noch, neben vielen weiteren Artikeln, diese “Bild”-Titelgeschichte:

Ausriss Bild-Zeitung -Seit 2000 - Asyl-Behörde ließ 46 Islamisten ins Land!

Im Blatt klang das alles ähnlich beunruhigend:

Ausriss Bild-Zeitung -Asylbehörde Bamf ließ 46 Islamisten ins Land! Ein Ermittler zu Bild: Die Liste wird noch länger werden

Oben bedrohliche ISIS-Kämpfer, unten die düstere Prophezeiung, dazu die Schlagzeile auf Seite 1 mit Ausrufezeichen. Und im Text:

Im dramatischen Asyl-Chaos in der Bremer BAMF-Außenstelle kommt nun auch noch heraus: Seit dem Jahr 2000 haben in der Skandal-Behörde mindestens 115 “nachrichtendienstlich relevante Personen” einen Schutzstatus in Deutschland erhalten!

Darunter sollen auch 46 Islamisten sein, bei denen nicht ausgeschlossen werden könne, dass es sich um “terroristische Gefährder” handele.

Jaja, das kann “nicht ausgeschlossen werden” — wenn man im Sinne einer knalligen und verkaufsträchtigen Titelgeschichte die Prüfung des Verfassungsschutzes nicht abwarten möchte. Dort hat man nämlich 18.000 Personen, die von der Bremer Bamf-Außenstelle seit dem Jahr 2000 Asyl erteilt bekommen haben, überprüft. Ergebnis: ein Gefährder, wie das WDR-Magazin “Monitor” berichtet.

Tatsächlich tauche in einer Antwort des Bundesinnenministeriums auch die Zahl 46 auf. Allerdings handele es sich dabei um sogenannte “Kontakt- und Umfeldpersonen”, die bei der Prüfung aufgefallen seien. Das können auch völlig unbescholtene Geschwister, Eltern, Geschäftspartner, sogar Nachbarn sein.

Wie “Bild” mit einer Vorverurteilung den Rechtsstaat in Verruf bringt

Es gibt ihn noch. Ernst Elitz, vor eineinhalb Jahren von “Bild”-Chef Julian Reichelt als Ombudsmann eingesetzt, als Anwalt für die Leserinnen und Leser, ist noch immer im Amt. Nach wie vor scheint er sich eher als Anwalt der Redaktion zu sehen und verteidigt die “Bild”-Medien gegen kritische Zuschriften aus der Leserschaft, aber manchmal findet selbst Elitz, dass “Bild” und/oder Bild.de was falsch gemacht haben. Vor gut zwei Wochen schrieb er:

Von grundsätzlicher Bedeutung ist auch der Hinweis des Lesers Alexander Neu.

Die Sendung “Hart aber fair” hatte eine offizielle Kriminalstatistik über “tatverdächtige” Ausländer präsentiert. Der Leser kritisiert zu Recht, dass im BILD-Bericht über die Sendung der Eindruck erweckt wurde, es handle sich um eine Statistik bereits verurteilter Täter. Das war sie nicht!

Nicht jeder, der unter Verdacht steht, ist schon ein überführter Krimineller. Gerade bei einem politisch so brisanten Thema muss korrektes Zitieren erstes Gebot sein.

Hört, hört!

Es ist aber schon etwas niedlich, dass jemand in “Bild” und bei Bild.de ernsthaft mahnt, man solle Tatverdächtige nicht als überführte Kriminelle darstellen; in den zwei Medien, die seit jeher wie keine anderen Tatverdächtige als überführte Kriminelle darstellen.

Das aktuellste Beispiel dieser redaktionellen Leidenschaft: Sami A.

Über den Tunesier wurde in den vergangenen Wochen viel geschrieben und diskutiert. Bei Bild.de unter anderem mit dieser Schlagzeile aus dem Juli:

Screenshot Bild.de - Abschiebe-Skandal! Juristisches Tauziehen um Ex-Leibwächter von Osama bin Laden - Kommt Terrorist Sami A. jetzt zurück nach Deutschland?
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

Das Problem dabei: Sami A. ist kein Terrorist. Jedenfalls wurde er nie als Mitglied einer terroristischen Vereinigung verurteilt. Oder wie Ombudsmann Elitz sagen würde:

Nicht jeder, der unter Verdacht steht, ist schon ein überführter Krimineller. Gerade bei einem politisch so brisanten Thema muss korrektes Zitieren erstes Gebot sein.

Die Berichterstattung der “Bild”-Redaktion zum Fall von Sami A., die man wohlwollend als schlampig und ungenau bezeichnen kann und weniger wohlwollend als böswillig falsch, ist gleich doppelt problematisch: Sie erklärt einen Mann zum Terroristen, der rechtlich gesehen keiner ist. Und vielleicht noch schlimmer: Sie hinterlässt bei der Leserschaft den falschen Eindruck, dass der Staat überlegt, einen verurteilten Terroristen nach Deutschland zurückzuholen. Die daraus resultierende (unberechtigte) Verachtung für Behörden und Gerichte kann man in den Facebook-Kommentaren zum “Terrorist”-Artikel bestens beobachten:

Bitte bitte nicht! Ein Terrorisrt und Mörder oll zurückgeholt werden! Seit ihr jetzt alle komplett durchgeknallt oder habt ihr schlechte Drogen erwischt!

Je mehr Verbrechen du als Migrant begehst und je mehr einer weltweit gejagt wird, desto mehr klammert sich dieser Staat an seine Terroristen.

Jeden Tag kann man sehen warum man Heute die AFD eigentlich schon wählen muss: Alle anderen Parteien hofieren Verbrecher und Terroristen.

Wie kommen andere Länder nur auf die Idee, Deutschland würde Terroristen willkommen heißen. Kann ich ja so gaaaar nicht nachvollziehen.

Das Theater signalisiert allen Terroristen auf der Welt — in D kannst du sicher und vollversorgt auf Kosten Anderer, deinen wohl verdienten Terror Lebensabend geniessen….

Überall wird Terrorismus bekämpft und in Deutschland holt man ihn sich rein….Ganz sauber im Oberstübchen sind wohl hier viele Amtsinhaber nicht mehr.

Jetzt kämpft das Gericht in Gelsenkirchen darum, das der arme Traumatisierte Terrorist sofort wieder an die Sozialtöpfe nach Deutschland zurückkehren kann. Dieser Irrsinn ist nicht mehr zu verstehen.

Natürlich versteht man als nur halbinformierter “Bild”-Leser die Welt und vor allem deutsche Behörden und Gerichte und die Regierung nicht mehr, wenn scheinbar ein Terrorist “jetzt zurück nach Deutschland” kommen soll, und kommentiert bei Facebook wütend drauf los. Dass diese Empörung auf falschen Tatsachen beruht, ist auch “Bild” zu verdanken.

Sami A. kommt 1997 als Student nach Deutschland. 2006 stellt er einen Asylantrag, der 2007 abgelehnt wird. 2010 entscheidet ein Verwaltungsgericht, dass Sami A. nicht abgeschoben werden darf, weil ihm in Tunesien unter anderem Folter drohe. 2014 widerruft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dieses Abschiebungsverbot, weil in Tunesien ein Regimewechsel stattgefunden hat. 2016 entscheidet ein Verwaltungsgericht erneut, dass Sami A. nicht abgeschoben werden darf, da ihm in Tunesien noch immer “mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung” drohe. Ein Oberverwaltungsgericht bestätigt diese Entscheidung 2017. Am 13. Juli dieses Jahres wird Sami A. doch nach Tunesien abgeschoben, obwohl einen Tag zuvor ein Verwaltungsgericht erneut entschied, dass er dorthin nicht abgeschoben werden darf. Der Mann kam in Tunesien direkt ins Gefängnis. Nun wird diskutiert, ob Sami A. nach Deutschland zurückgeholt werden muss. Bei “Spiegel Online” gibt es eine detaillierte Chronologie.

Mittendrin in diesem Hin und Her, ab März 2006, gibt es Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen Sami A. wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Er soll um die Jahrtausendwende mehrere Monate im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan gewesen sein und dort eine militärische Ausbildung der Terrororganisation al-Qaida durchlaufen haben. Anschließend soll er zum Mitglied der Leibgarde Osama bin Ladens aufgestiegen sein. Sami A. bestreitet all das. Das Verfahren gegen ihn wird im Jahr 2007 eingestellt, da die Ermittlungsergebnisse nicht für eine Anklageerhebung reichen.

Sami A. ist also kein verurteilter Terrorist. Ihm wurde auch nie von einer Staatsanwaltschaft oder einem Gericht nachgewiesen, Leibwächter Osama bin Ladens gewesen zu sein. Er ist laut Behörden ein islamistischer Gefährder.

Einen Mann, gegen den wegen Mordes ermittelt wird, kann man auch nicht einfach Mörder nennen, wenn die Ermittlungen mangels Beweisen eingestellt werden. Wer es trotzdem macht, hat nichts übrig für den Rechtsstaat und das Prinzip der Unschuldsvermutung. Und wer es so penetrant macht wie die “Bild”-Redaktion, gibt diese Justizverachtung an die eigene Leserschaft weiter.

Nur ein paar Beispiele:

Screenshot Bild.de - Ex-Leibwächter von Osama bin Laden abgeschoben!
Ausriss Bild-Zeitung - Gericht entscheidet zwölf Stunden nach Abschiebung - Bin Ladens Leibwächter muss zurück nach Deutschland!
Ausriss Bild-Zeitung - Schon wieder grobe Fehler beim Abschieben - Nach Bin Ladens Leibwächter soll erneut ein Asylbewerber nach Deutschland zurückgeholt werden
Screenshot Bild.de - Bin-Laden-Leibwächter Sami A. nach Tunesien gebracht. Jetzt soll er zurück
Ausriss Bild-Zeitung - Abschiebung von Bin Ladens Leibwächter - Wer hat Schuld am Chaos?
Screenshot Bild.de - Abschiebung des Bin-Laden-Leibwächters - Dieser Anwalt will Sami A. nach Deutschland zurückbringen
Screenshot Bild.de - Sami A. ist das Sinnbild für den Abschiebe-Irrsinn - Kein Fall mehr für deutsche Gerichte - Bin Ladens Ex-Leibwächter wurde endlich abgeschoben - Anwältin des Terror-Gefährders: Er muss mit Visum zurück

“Bild” veröffentlichte auch eine Art Interview mit Sami A. “Bild”-Reporter Paul Ronzheimer hatte dem Anwalt des Tunesiers Fragen mitgegeben. Sami A. antwortete unter anderen:

“Ich war nie Leibwächter von Osama bin Laden, das ist völlig frei erfunden. Ich war in Saudi-Arabien, Pakistan und Iran in meinem Leben, aber nie in Afghanistan. Auch hier in Tunesien wissen alle, dass diese Vorwürfe einfach nicht stimmen.”

Dass es doch so war, dass die “Bild”-Berichterstattung der vergangenen Wochen und Monate also nicht in einem wichtigen Punkt falsch war — dazu liefern “Bild” und Ronzheimer nicht einen Beweis.

Ende Juli gab es dann gleich zwei größere Überraschungen: Sami A. wurde in Tunesien aus der Haft entlassen, und Bild.de schrieb auf einmal:

Screenshot Bild.de - Breaking News - Mutmaßlicher von Osama bin Laden: Sami A. in Tunesien vorläufig wieder frei

Das Wort “mutmaßlicher” war aber wohl doch nur ein Ausrutscher. Kurz darauf ging es bei “Bild” und Bild.de mit der gewohnten Missachtung der Unschuldsvermutung weiter.

Wie “Bild” mit Ausländern Rekorde knackt – ein Beispiel

Bei “Bild” haben sie neulich einen Rekord geknackt: Im Juni erreichte die Redaktion mit ihren Artikeln als erste deutschsprachige Website mehr als 5 Millionen Interaktionen in den Sozialen Netzwerken, also zusammengerechnete Likes und Kommentare bei Facebook, Retweets bei Twitter und so weiter. Der Chef dankte dem “ganzen NP-Team”, was wohl “New Platforms” heißen soll:

Screenshot eines Tweets von Julian Reichelt - Dank an Andreas Rickmann, Jakob Wais, Marc Biskup und das ganze NP-Team. Ihr habt es einfach drauf!

Nun ist 5.000.000 erst mal eine (große) Zahl, die nicht zwingend etwas über die Qualität der kommentierten, geliketen und retweeteten Artikel aussagt. Und dass ein Lügenportal wie “jouwatch” im selben Ranking auf Platz 11 liegt oder die Islamhasser von “Politically Incorret” auf Platz 31 oder “RT Deutsch” auf Platz 19 oder “Promiflash” auf Platz 10 oder “Epoch Times” auf Platz 6 oder “Focus Online” auf Platz 4, spricht auch dafür, dass es dort ausschließlich um Quantität geht.

Wie die “Bild”-Redaktion auch zu ihrem Rekord kommt, mit welcher Art von Inhalten sie viele Interaktionen erzielt, und wie diese Inhalte aufbereitet sind, kann man zum Beispiel an diesem Text über Freibäder in Chemnitz und Zwickau beobachten, der am 24. Juli bei Bild.de erschienen ist:

Screenshot Bild.de - Stell dir vor es ist Sommer und ... Keiner geht ins Freibad

Ausgangspunkt des Artikels ist ein Facebook-Post des Betreibervereins des Freibads Crossen in Zwickau. Carol Forster, der Vorsitzende des Vereins, schreibt darin unter anderem:

Hallo Zusammen…

aus aktuellem Anlass hier auf der Facebook Seite des Freibades Crossen ein mehr oder weniger Hilferuf und / oder die Frage: Was können wir noch verändern und/ oder verbessern.

Hintergrund ist jener, dass wie vielleicht Einige von Euch gelesen haben, die derzeitige Besuchersituation in allen Freibädern der Stadt Zwickau, so auch bei uns recht Verhalten ist.

Obwohl wir ja nun schon seit einigen Wochen mehr als nur schönes Badewetter haben.

Woran liegt es:
An den Ferien ?
An den Eintrittspreisen ?
Am Umfeld ?
Am Service ?
Oder hat jetzt jeder einen Mini Pool im Garten ?

Eure Meinung zählt…..

Wir wissen es eben nicht und machen uns nun berechtigte Sorgen wie es weiter gehen soll.

“Bild” und Bild.de griffen die Sache auf. Forster kommt im Artikel zu Wort und sagt, dass “das Freibad als soziokultureller Treffpunkt” verlorengehe:

“Heute verabredet man sich in der WhatsApp-Gruppe, bequatscht so alles — früher war der Treffpunkt das Freibad.”

Roland Mehlhorn, Schwimmmeister aus Annaberg, nennt einen anderen Grund, warum vornehmlich Jugendliche nicht mehr ins Freibad kämen:

“Wenn ihre komischen Wetter-Apps Regen anzeigen, kommen sie nicht. Dabei stimmen die Vorhersagen oft gar nicht!”

Und dann taucht noch ein “Bad-Betreiber aus dem Vogtland” auf, der seinen Namen aber offenbar nicht nennen möchte, jedenfalls bleibt er anonym:

Weiterer Grund für den Besucherschwund: “Es sind andere Gäste da als früher. Jugendliche, auch aus anderen Kulturkreisen, die oft sehr laut sind”, so ein Bad-Betreiber aus dem Vogtland zu BILD.

Jaja, die lärmenden Ausländer wieder.

Das Argument ist allein schon deswegen interessant, weil es auch recht schnell unter dem Facebook-Post des Freibads Crossen auftauchte

Schon einmal darüber nachgedacht, dass es vielen “Einheimischen” unbehaglich ist, von unseren zugereisten Neubürgern begafft zu werden?

… und Vereinschef Forster darauf antwortete, dass es so gut wie keine “zugereisten Neubürger” als Badegäste bei ihnen gebe:

Das ist aber weit weit hergeholt als Argument. Sorry. Erstens haben wir noch fast keine, wie sagtet ihr, Neudeutschen, bei uns gehabt und zweitens ist es immer möglich, gegenüber evtl. Daneben Benehmen einzuschreiten.

All die Leute, die unter dem zum Artikel gehörenden Facebook-Post der “Bild”-Redaktion ihren Ärger, ihre Wut, ihren Hass hinterlassen, juckt so ein Argument natürlich nicht. Sie wollen eben nur ihren Ärger, ihre Wut, ihren Hass hinterlassen:

Screenshot eines Facebook-Kommentars - Es sind andere Gäste da als früher. Jugendliche, auch aus anderen Kulturkreisen, die oft sehr laut sind... mehr Begründung braucht es nicht!
Screenshot eines Facebook-Kommentars - wieso gehen wir nicht ins Freibad? Weil wir keine Lust haben mit 500 anderen Menschen in einem kleinem Becken eingepfercht zu sein. Weil wir keine Lust haben, dass den Kindern ohne Rücksicht auf den Kopf gesprungen wird.
Weil wir keine Lust haben, angepöbelt zu werden. Weil wir keinen gefühlten Auslandsurlaub machen wollen
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Ein neuer Bürger hat im Bad gemeint, meine Frau an Stellen begrabschen zu dürfen, wo er es für richtig hält! Hat er nur einmal gemacht, jetzt geht's nicht mehr! Leider ist das, mal vom Eintritt abgesehen, die Realität... Nein, ich bin kein Rassist, da selbst andere Wurzeln, aber irgendwo gibt's Grenzen!
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Meine Kinder gehen nur aus einem einzigen Grund nicht mehr ins Freibad, wegen der sexuellen Belästigungen, die sie durch kulturfremde Menschen erfahren haben.
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Das Freibad ist nicht mehr das was es war...ein erholungsort eine Oase zum Abkühlen.Respekt und Anstand herrschte mal und die Kinder und Frauen waren sicher.
Das war einmal ....die Gäste haben sich geändert und das ist der Preis der Toleranz
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Komisch das es in wirklich JEDEM Bereich Probleme mit den Bereicherern gibt und wir aber offiziell kein Problem haben. Schließt die Bäder und gut ist, so wie im Moment nutzen sie zumindest keinem Einheimischen etwas. Und das sind die welche den Spass finanzieren.
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Wenn ich mit meinem Mann ins Freibad gehen würde, würde mein Mann im 10 Minütigen Takt dort Backpfeifen verteilen bei dem Volk das dort teilweise rum läuft und meinen die dürften hier alles! Ne , da sind wir sowas von raus. und mit dem Handy hat es rein garnichts zu tun
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Ja, auch ich habe einmal sehr schlechte Erfahrungen in einem Städtischen Bad gemacht. Jugendliche aus anderen Kulturkreisen, ach es ist problematisch
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Nun ja, im Freibad darf man das nicht und jenes nicht. Dann weiß man nicht wer als Handtuch Nachbar auftaucht. Ich kenne viele Frauen und Mädels die da nicht mehr hingehen weil Horden von Neubürger meinen sie sind da Freiwild.

Noch mal: Im Zwickauer Freibad Crossen, um das es im Beitrag geht, sind Menschen mit Migrationshintergrund laut Betreiberverein kein Problem, allein schon, weil kaum da. Eine anonyme Quelle hat diesen Aspekt ins Spiel gebracht, und “Bild” hat ihn in den Artikel gepackt.

Dass es daraufhin im Kommentarbereich der “Bild”-Facebookseite so wirkt, als traue sich kaum noch jemand ins Freibad, weil dort “Bereicherer”, “neue Bürger”, “Jugendliche aus anderen Kulturkreisen” lauern, ist umso erstaunlicher, wenn man sich aktuelle Meldungen zu Besucherzahlen von Freibädern im Rest Deutschlands anschaut:

Aachen — Rekord!
Elmshorn — Rekord!
Grevesmühlen — Rekord!
Unna — Rekord!
Wermelskirchen — Rekord!
Ganderkesee — Rekord!
Saarlouis — Rekord!
Rastede — Rekord!
Siegburg — Rekord!
Leipzig — Rekord!
Ratingen — Rekord!
Tarp — Rekord!
Hannover — Rekord!

Das ließe sich noch eine ganze Weile fortführen.

Apropos Rekord: Bis jetzt hat die “Bild”-Redaktion mit ihrem Artikel zum Freibad in Crossen nur bei Facebook über 10.700 Interaktionen erzielt. Allein der Facebook-Post des “Bild”-“NP-Teams” wurde 2197 Mal kommentiert, 936 Mal geteilt, 1725 Mal geliket. Dazu kommen zahlreiche Interaktionen durch AfD-Accounts und -Politiker. Es braucht eben nur Ausländer, schon läuft das mit dem Rekord in den Sozialen Netzwerken.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Jens Schröder hat den Fall bei “Meedia” ebenfalls schön aufgedröselt:

Bild  

Wie “Bild” Brücken für die AfD baut

Bevor die Leute in der “Bild”-Redaktion sich nach der nächsten Landtags- oder Wasauchimmerwahl wieder über den “Rechts-Rumms” in Deutschland wundern und irgendwie versuchen, die hohen Prozentzahlen der AfD zu erklären: Ihr mischt da kräftig mit. Und zwar mit Titelseiten wie dieser von heute:

Ausriss Bild-Zeitung - Haftbefehl nach entsetzlichem Mord - Wenn er abgeschoben worden wäre, würde sie noch leben
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

Es geht um den grausamen Tod eines 14-jährigen Mädchens, die vermutlich von einem Flüchtling aus dem Irak erdrosselt wurde. Und um es bereits an dieser Stelle klar zu sagen: Ja, natürlich können und sollen Medien über einen solchen Fall berichten. Gern auf Seite 1. Gern als große Titelgeschichte. Sie sollen ihn auf keinen Fall verschweigen. Die entscheidende Frage ist nur, wie sie berichten. Wie sie die jeweilige Geschichte drehen. Wie sie zuspitzen. Ob und wie sie mit ihren Schlagzeilen zündeln.

Vermutlich stimmt die Aussage auf der “Bild”-Titelseite, dass das Mädchen noch leben würde, wenn der wahrscheinliche Täter zuvor abgeschoben worden wäre (was freilich nicht heißt, dass die Schuld bei einem Mord bei den für die Abschiebung zuständigen Behörden zu suchen ist, sondern immer noch beim Mörder). Es ist die Erzählung, die die “Bild”-Redaktion gewählt hat, die so vergiftet ist: Der Tod des Mädchens rückt in den Hintergrund — die Abschiebung des vermutlichen Täters ist der Hauptaspekt. Man könnte diese Titelzeile eins zu eins in einen AfD-Tweet oder Beatrix-von-Storch-Post bei Facebook verwandeln. Und man könnte der Partei dann völlig zu Recht vorwerfen, dass sie versucht, aus einem Tod Kapital zu schlagen.

Und so hilft die “Bild”-Redaktion der AfD enorm mit derartigen Schlagzeilen. Sie gibt die Schwerpunkte, die Sprache, die Aufregung bei Asyl- und Flüchtlingsthemen morgens am Kiosk vor. Und die Partei muss sie am Mittag in ihren plumpen Parolen nur noch aufgreifen. “Bild” baut noch immer jeden Tag den inhaltlichen Rahmen für Tausende Büro- und Baustellengespräche. Und tut das in einer Form, die es der AfD sehr leicht macht, daran anzudocken.

Wir haben uns mal alle “Bild”-Titelseiten seit dem 1. März angeschaut, also dem Tag, an dem Julian Reichelt auch “Bild”-Print-Chef wurde. 23 Artikel haben wir gefunden, die mit den Themen Asyl und Flüchtlinge zu tun haben. Wobei die Verteilung interessant ist: Bis zum 20. April, also in über eineinhalb Monaten, sind gerade mal eine kleine und ein große Titelgeschichte erschienen:

Ausriss Bild-Zeitung - Die Asyl-Tricks der Einbrecher-Banden
Ausriss Bild-Zeitung - CDU-Politikerin kassiert mit Flüchtlings-Hotel ab

Ab dem 21. April dann 21 große beziehungsweise kleine Artikel. Der 21. April war der Tag, an dem “Bild” mit dem “ASYL-SKANDAL” beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aufmachte:

Ausriss Bild-Zeitung - Asyl-Skandal - Bestochen? Amts-Chefin genehmigt 2000 Anträge einfach so

Danach ging es so richtig los:

Ausriss Bild-Zeitung - Bin-Laden-Leibwächter kassiert 1100 Euro Stütze
Ausriss Bild-Zeitung - Schiebt den Bin-Laden-Leibwächter endlich ab
Ausriss Bild-Zeitung - Polizisten-Mörder darf nicht abgeschoben werden
Ausriss Bild-Zeitung - 150 Asylbewerber jagen Polizei davon
Ausriss Bild-Zeitung - Sollte Flüchtlings-Randale vertuscht werden?
Ausriss Bild-Zeitung - Lagerfeld rechnet mit Flüchtlings-Politik ab! Ich hasse Madame Merkel
Ausriss Bild-Zeitung - Arzt erklärt, warum er Asylbewerber nicht mehr behandelt
Ausriss Bild-Zeitung - Ex-BAMF-Chef will Asyl-Skandal klären lassen
Ausriss Bild-Zeitung - Das hat die Flüchtlings-Krise bisher gekostet
Ausriss Bild-Zeitung - Asyl-Behörde ließ wirklich jeden rein
Ausriss Bild-Zeitung - Staatsanwaltschaft ermittelt gegen deutsche Asyl-Chefin
Ausriss Bild-Zeitung - Sechs Tote klagen an - Ihre Mörder hätten gar nicht hier sein dürfen
Ausriss Bild-Zeitung - 50 Flüchtlinge gehen auf Polizisten los
Ausriss Bild-Zeitung - So dreist missbrauchen Klaubanden unser Asyl
Ausriss Bild-Zeitung - Tausende falsche Asyl-Bescheide - Bild sprach mit der Chefin der Skandal-Behörde
Ausriss Bild-Zeitung - 55 Millionen Euro im Asyl-Chaos versenkt
Ausriss Bild-Zeitung - Messer-Angriff im Intercity - Junge Polzistin erschießt Flüchtling
Ausriss Bild-Zeitung - Seit 2000 - Asyl-Behörde ließ 46 Islamisten ins Land
Ausriss Bild-Zeitung - Nach Bin Ladens Leibwächter der nächste Abschiebe-Skandal um einen Terroristen - Und wir werden sie einfach nicht los
Ausriss Bild-Zeitung - Leiche gefunden - Flüchtling unter Mordverdacht flieht aus Deutschland

Und heute dann eben:

Ausriss Bild-Zeitung - Haftbefehl nach entsetzlichem Mord - Wenn er abgeschoben worden wäre, würde sie noch leben

Seit dem 21. April im Schnitt etwa alle zwei Tage eine große oder kleine Titelstory über Asyl/Flüchtlinge. Als hätte die Redaktion erkannt, dass der Skandal beim BAMF der richtige Zeitpunkt ist, um die Streichhölzer wegzupacken und das Sturmfeuerzeug zum weiteren Zündeln rauszuholen.

Und natürlich hat diese Fokussierung und Verdichtung immense Auswirkungen darauf, wie “Bild”-Leserinnen und -Leser das Geschehen in Deutschland wahrnehmen. Man muss nur mal kurz auf die “Bild”-Facebookseite schauen und dort in die Kommentare unter Artikeln, die mit dem Thema Asyl zu tun haben. Eine der am häufigsten verwendeten Wörter: “Bananenrepublik”. “In was für einer Bananenrepublik leben wir eigentlich?” “Deutschland ist auch nur noch eine Banenrepublik!” “In dieser Bananenrepublik macht doch schon lange jeder, was er will.” Vorausgesetzt, sie informieren sich vornehmlich oder ausschließlich in “Bild” und bei Bild.de, kann man den Verfassern dieser Sätze nicht mal eine richtigen Vorwurf machen. Denn wenn man nur “Bild” liest, muss man aktuell wirklich den Eindruck haben, dass Deutschland eine “Bananenrepublik” ist, in der überall “vertuscht” und gemodert wird, in der niemand mehr sicher ist, in der es einen “SKANDAL” nach dem anderen gibt, und in der die Behörden gar nichts mehr hinbekommen.

Welcher Partei hilft das Bild, dass es unter Angela Merkel und der großen Koalition drunter und drüber geht, wohl besonders?

Julian Reichelt hat mal gesagt:

Nichts hat uns ganz nachweislich wirtschaftlich in der Reichweite so sehr geschadet wie unsere klare, menschliche, empathische Haltung in der Flüchtlingskrise

Es deutet alles darauf hin, dass die Wirtschaftlichkeit wieder den Kurs vorgibt.

Islamdebatten-Inflation, Würde geht baden, Schweizer Kornkreis-Macher

1. Wir diskutieren viel zu häufig über den Islam
(sueddeutsche.de, Dunja Ramadan)
Die Journalistin und Arabistin Dunja Ramadan hält die Häufigkeit und Brisanz der Islamdebatten in deutschen Talkshows für unverhältnismäßig: „Es ist auch kein Wunder, dass die Angst vor dem Islam so hoch ist, wenn gefühlt jeden zweiten Abend über “den” Islam diskutiert wird – in einer Brisanz, in der man denkt, in Deutschland herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände. Diese Brisanz wünscht man sich, wenn es um weitaus dringlichere Debatten wie Wohnungsnot, Pflegenotstand, Krippenplätze oder auch das Rentensystem geht. Denn das treibt wirklich alle Menschen in diesem Land um.“
Weiterer Lesetipp: Carolin Gasteigers TV-Kritik des letzten Maischberger-Talks: “Manchmal erscheint es mir, als gebe es mehr Islam-Experten als Muslime”

2. Das große Schweigen
(11freunde.de, Ilja Behnisch)
Ilja Behnisch schreibt bei den „11 Freunden“ über das vom DFB gesteuerte Bild der deutschen Nationalmannschaft. Eine perfekte Inszenierung sei dies, wie von einem Konzern von Weltformat. Der DFB sei jedoch kein Konzern, sondern ein Verband. Und dessen Umgang mit den Medien müsse sich dringend ändern.
Weiterer Lesetipp: Steffen Dobbert erklärt bei “Zeit Online”, warum er einen Boykott der Fußball-WM in Russland für angebracht hält.



3. Wenn die Würde baden geht
(taz.de, Lalon Sander)
Konservative weiße Männer interessieren sich erst für Menschenwürde, wenn es um einen alten weißen Mann geht, findet Lalon Sander und meint damit die Twitter-Empörung einiger Journalisten über das Gauland-Badehosen-Bild: „Offenbar fühlen sich manche weiße Männer eher von dem angeblichen Unrecht betroffen, das mächtigen weißen Männern geschieht, und weniger von dem, das von weißen Männern ausgeht. Das ist eine identitäre Positionierung. Kann man so machen, aber würdevoll ist das nicht.“
Weitere Lesetipps: Matern Boeselager fordert bei “Vice” eine “Internet-Pause” für Deutschland. Stefan Fries plädiert dafür, Gauland nicht die Würde zu nehmen, nur weil dieser anderen die Würde nimmt.

4. Journalisten sind grün und links
(bazonline.ch)
Eine dänische Studie hat die politischen Einstellungen von Medienschaffenden in 17 Ländern untersucht. Die ersten Ergebnisse würden ein weiterverbreitetes Vorurteil bestätigen: In den Redaktionen gebe es durchschnittlich drei Mal so viele Grüne und Feministen wie im Rest der Bevölkerung.

5. Fanpage-Urteil des EuGH – 10 Fragen, 10 Antworten : Good bye Auftragsverarbeitung, welcome “gemeinsame Verantwortlichkeit”
(cr-online.de, Niko Härting)
Der Jurist Niko Härting erklärt im Blog der Zeitschrift „Computer und Recht“ kurz und knackig, was es mit dem Fanpage-Urteil des EuGH auf sich hat. Der zehnte Punkt seiner Liste ist eine Art Generalempfehlung für alle Facebook-Seitenbetreiber: „Ruhe bewahren, Datenschutzinformationen in die Fanpage integrieren und den Ausgang des Falls vor den deutschen Verwaltungsgerichten abwarten.“

6. Wie Kornkreise wirklich entstehen
(facebook.com/izzymagazine, Video, 2:55 Minuten)
Die Leute vom Schweizer Jugendmagazin „Izzy“ haben einen Kornkreis produziert und den Medien als extraterrestrische Erscheinung untergejubelt. Auf Facebook gibt es das Video im sympathischen Schweizer Dialekt dazu: „Grüße von den Aliens.“

“Bild” macht mit “ABSCHIEBE-IRRSINN” Stimmung

Um der eigenen Leserschaft den nächsten “Irrsinn” … Pardon, “IRRSINN” präsentieren zu können, stellen “Bild” und Bild.de nun auch recht logische Vorgänge als komplett unverständlich dar. Heute wundert sich die Redaktion über einen “ABSCHIEBE-IRRSINN”:

Screenshot Bild.de - Abschiebe-Irrsinn - Afghanen schicken uns diesen Terroristen zurück
(Alle Unkenntlichmachung in diesem Beitrag durch uns.)

Vor rund acht Wochen haben afghanische und us-amerikanische Einsatzkräfte ein Taliban-Versteck im Süden Afghanistans gestürmt und dabei Thomas K. festgenommen. Was bei der “Bild”-Überschrift sicherlich nur aus Versehen nicht direkt klar wird: Der Mann ist Deutscher. Er soll Taliban-Kämpfer sein und wurde vor wenigen Tagen per Flugzeug nach Deutschland gebracht. Ein Deutscher, offenbar Terrorist, der von den afghanischen Behörden nach Deutschland zurückgeschickt wird — klingt erstmal ganz sinnig. Wohin sollte Afghanistan ihn sonst abschieben? Nach Uruguay? Nach Papua-Neuguinea?

Ständig fordert “Bild” von den zuständigen Behörden, von der Bundesregierung, von allen, dass kriminelle Ausländer schneller und konsequenter aus Deutschland in ihre Heimatländer abgeschoben werden sollen. Nun schiebt Afghanistan einen kriminellen — aus afghanischer Sicht — Ausländer in sein Heimatland ab, und die “Bild”-Leute krähen “ABSCHIEBE-IRRSINN”:

Wenn Deutschland islamistische Gefährder oder Kriminelle abschieben will, dauert das oft Jahre oder geht gar nicht.

In die andere Richtung geht’s ganz schnell! Acht Wochen, nachdem der deutsche Taliban-Kämpfer Thomas K. (36) in Afghanistan gefasst wurde, landete er jetzt schon in Düsseldorf.

Dass Abschiebungen in die eine Richtung, aus Afghanistan nach Deutschland, eher funktionieren als in die andere, aus Deutschland nach Afghanistan, hat mitunter gute Gründe. Einer davon: In Deutschland gibt es einen funktionierenden Rechtsstaat, der garantiert, dass abgeschobene Personen nicht gefoltert werden, und die Sicherheit, dass sie nicht von Milizen umgebracht werden.

In der gedruckten “Bild” gehört zum “ABSCHIEBE-IRRSINN” noch ein zweiter Artikel:

Ausriss Bild-Zeitung - Abschiebe-Irrsinn - Afghanen schicken uns diesen Terroristen zurück - aber bin Ladens Leibwächter werden wir angeblich nicht los

“Bin Ladens Leibwächter” ist ein 41-jähriger Tunesier, der als “Gefährder” gilt und sich jeden Tag bei der Polizei melden muss. Er lebt seit 1997 in Deutschland, soll zwischenzeitlich im Ausland in einem Terror-Camp ausgebildet worden und in die Leibgarde von Al-Qaida-Chef Osama bin Laden aufgestiegen sein. Er wohnt mit seiner Familie in Bochum. Eine Abschiebung nach Tunesien verhindert ein Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, das ein “sehr hohes Risiko” sieht, dass dem Mann dort “Folter und unmenschliche Behandlung” drohen. Das mag für “Bild”-Populisten gänzlich unverständlich sein, aber: Der Schutz des Rechtsstaats gilt auch für Menschen, die ihn in ihrer Ideologie ablehnen. Damit die Abschiebung nun doch noch klappt, präsentieren verschiedene Politiker in “Bild” eine Idee: Tunesien solle Deutschland zusichern, dass der Tunesier nach seiner Rückkehr nicht gefoltert wird. Genial.

Über den Fall des Mannes berichten “Bild” und Bild.de schon seit einigen Tagen durchgehend, auch weil er “1100 Euro Stütze” im Monat kassiere, was nun auch etwas ungenau ist: Die Summe bekommt nicht nur er, sie bezieht sich auf staatliche Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für ihn, seine Frau und vier Kinder. In den Kommentaren unter dem zugehörigen Facebook-Post der Redaktion äußert die “Bild”-Leserschaft ihre Tötungsfantasien (“Erschießen und gut ist …..”, “Ein Magizin und Thema hat sich erledigt”).

Doch zurück zum “ABSCHIEBE-IRRSINN” von heute. Schon klar, bei wem dieser Alarmismus gut ankommt:

Screenshot eines Tweets der AfD Bayern mit Link zum Bild.de-Artikel
Screenshot eines Tweets Seite AfD Support mit Link zum Bild.de-Artikel
Screenshot eines Posts der Facebook-Seite Widerstand Dresden mit Link zum Bild.de-Artikel
Screenshot eines Posts der Facebook-Seite Deutschland braucht die Wende mit Link zum Bild.de-Artikel

In den Kommentaren zum Facebook-Post der “Bild”-Redaktion kann man schön sehen, dass auch die Leserinnen und Leser es völlig abwegig finden, dass ein Deutscher nach Deutschland abgeschoben wird (oder dass sie nur die irreführende Überschrift und nicht den Artikel gelesen haben und daher gar nicht wissen, dass es sich um einen Deutschen handelt):

Warum lassen die USA,,die Tote zu Beklagen haben,,den Mann frei,,oder die Afghanische Armee,,da stimmt doch was nicht?? Er gab Informationen über die Taliban,, darum nach Deutschland,, Schutzhaft?? Fragen,,die nicht von Behörden beantwortet werden, und die Mütter haben Angst um Ihre Kinder,,

Das ist so was von lächerlich was hier abgeht.
Da fehlen mir echt die Worte.
Können wir nach einfach sagen … Nö den nehmen wir nicht zurück, der könnte ja kriminell sein. Die Länder von den Scheinsylanten machen es doch genau so.

Ach nee … wir sind ja hier in der Bananenrepublik Deutschland. Da kommt jeder rein selbst ohne Pass , aber keiner mehr ohne Pass raus.

LÄCHERLICH !!!!!!!!!!!!!!!

In zwei wochen hat er ein Deutsche pass.good old Germany.

Mit Dank an Christian S. und @MCalavera für die Hinweise!

Wikipedias Sachsen-Sperre, “Bild” vs. Gack, Bär “nicht ausgebootet”

1. Wikipedia sperrt 62.000 sächsische Rechner aus
(t-online.de, Lars Wienand)
An der freien Enzyklopädie Wikipedia kann prinzipiell jeder mitschreiben. Dies machen sich auch im politischen Umfeld arbeitende Menschen zunutze, indem sie für sie unvorteilhafte Passagen umschreiben oder einfach löschen. Ein Wikipedia-Administrator wusste sich in einem aktuellen Fall (Rassismus in Sachsen/Bewertung von Pegida) nicht anders zu helfen, als anonyme sächsische Landesbedienstete und Mitarbeiter des sächsischen Landtags vom Editieren der Wikipedia auszuschließen.

2. Wehe dem, der gegen den Strom schwimmt!
(nachdenkseiten.de, Jens Berger)
Die ZDF-Sendung „heute“ ging der Frage nach, ob in der syrischen Stadt Duma geächtete Chemiewaffen eingesetzt wurden und befragte dazu in einer Zwei-Minuten-Schalte ihren Korrespondent Uli Gack. Dieser berichtete über Augenzeugenaussagen aus einem Flüchtlingslager, nach denen es sich um eine Inszenierung der Islamisten gehandelt haben könne, wies aber ausdrücklich daraufhin, dass es sich um keine gesicherten Erkenntnisse handeln würde. Daraufhin ergoss sich der geballte Twitterhass der „Bild“-Autoren Björn Stritzel, Julian Röpcke sowie ihres Chefs Julian Reichelt über ihm.
Jens Berger hat den Vorgang unter Zuhilfenahme der jeweiligen Tweets aufgearbeitet und erklärt, was er an der Vorgehensweise der „Premium-Trolle“ besonders verwerflich findet.

3. „Cumhuriyet“-Journalisten verurteilt
(taz.de, Wolf Wittenfeld)
Im Prozess gegen Mitarbeiter der linksliberalen türkischen Tageszeitung „Cumhuriyet“ sind hohe Haftstrafen ergangen. Von den 17 Angeklagten wurden 14 wegen angeblicher Unterstützung von wahlweise gleich drei „Terrororganisationen“ zu Haftstrafen bis zu acht Jahren verurteilt, darunter der Herausgeber, der Chefredakteur und der bekannteste Reporter des Blatts.
Weiterer Lesetipp: Meşale Tolu darf die Türkei weiterhin nicht verlassen (sz.de)

4. Verhandlungen unterbrochen
(djv.de, Hendrik Zörner)
Der Deutsche Journalisten-Verband und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger konnten sich bislang nicht über einen neuen Gehaltstarifvertrag für die rund 13.000 Zeitungsjournalisten einigen. Die Verleger hätten ein Angebot vorgelegt, das unter der Teuerungsrate liegen würde, was von Journalistenseite als nicht hinnehmbar abgelehnt wurde. Nun haben die Journalistenvertreter die Verhandlungen unterbrochen und wollen das weitere Vorgehen in ihren Gremien besprechen. Damit droht eine Fortsetzung bzw. Ausweitung der Streiks.
Weiterer Lesetipp: DJV-Chef Frank Überall: “In so einem Laden würde ich nicht arbeiten wollen” (kress.de, Bülend Ürük) über die Reaktion der Condé-Nast-Deutschland-Geschäftsführung auf ein anonymes Schreiben an alle Mitarbeiter, einen Betriebsrat zu gründen.

5. Ein wirklich mysteriöser Todesfall
(faz.de, Nikolai Klimeniouk)
Der russische Investigativjournalist Maxim Borodin recherchierte, bevor er unter ungeklärten Umständen vom Balkon seiner Wohnung stürzte, über russische Söldner in Syrien. Die Behörden würden von Selbstmord oder Unfall reden, dabei jedoch so oft lügen, dass man selbst den plausibelsten Auskünften nicht trauen könne.

6. »Die Bundeskanzlerin hat mich nicht ausgebootet«
(zeit.de, Marc Brost, Video, 1:33 Minuten)
Seit kurzem ist Dorothee Bär (CSU) Staatsministerin für Digitalisierung. Doch nun wird bekannt, dass Bundeskanzlerin Merkel parallel ihre wichtigste Vertraute Eva Christiansen zur Digitalbeauftragten ernannt hat. Marc Brost von der „Zeit“ hat der Ministerin die alles entscheidende Frage gestellt, wie es zusammenpasst, dass man Digitalisierung erst in eine Hand geben wollte und es jetzt immer mehr Hände werden.

7. Exclusive Interview: President Trump on Fox & Friends
(youtube.com, Fox News)
Als Bonus fürs Wochenende noch eine letzte Empfehlung: Donald Trump hat bei seinem Lieblingssender „Fox News“ angerufen und „plaudert“ dort mit drei Moderatoren über Politik. Es ist eine Art dreißigminütiger Monolog, in dem er schreit und tobt und wütet, und für den ein Youtube-Kommentierer folgende Zusammenfassung gefunden hat: „When you talk policies with your crazy Uncle.“

Focus-Regierungssprecherin, Fitness-Hack, Islamzugehörigkeit

1. Martina Fietz: Neue Regierungssprecherin kommt von “Focus Online”
(kress.de, Marc Bartl)
In hilflosem Entsetzen machen wir uns gerne lustig darüber, welch seltsames Personal Donald Trump als Presse- und Regierungssprecher beschäftigt. Kellyanne Conway hatte es mit ihrem Begriff von den „alternativen Fakten“ in Deutschland sogar zum Unwort des Jahres geschafft. Nun hat sich die Bundesregierung als Regierungssprecherin die bisherige Chefkorrespondentin von “Focus Online” geholt, gewissermaßen dem Fachblatt für alternative Fakten.
Weiterer Lesetipp: Gesundheitsminister Jens Spahn vertraut auf „Bild“ und macht den „Bild“-Parlamentsreporter zu seinem Sprecher (meedia.de, Marvin Schade)

2. Kolumnisten muss man sich auch leisten können
(deutschlandfunk.de, Silke Burmester)
Lange Zeit war die Zusammenarbeit der „Zeit“ mit ihrem Kolumnisten, dem ehemaligen BGH-Richter Thomas Fischer eine Erfolgsgeschichte. Dach dann kam die Causa Dieter Wedel. Fischer warf der „Zeit“ (verkürzt gesagt) unsaubere Arbeit vor, die „Zeit“ ihrem Kolumnisten Illoyalität. Darauf trennten sich die Wege … Silke Burmester kommentiert den Vorgang und holt dabei in geradezu Fischerscher Brachialität die Streitaxt heraus. Gegen Fischer und „diese Sorte männlicher Publizisten“.

3. In der Studenten-App Jodel kann man jetzt Werbung buchen – Wir verraten, was das kostet
(omr.com, Roland Eisenbrand )
Die Studenten-App „Jodel“ ist in vielerlei Hinsicht ein Sonderfall. In dem studentischen Digitalzusammenschluss existieren weder Profilseiten noch Nutzernamen: Alle posten anonym. Dennoch (oder vielleicht gerade deswegen) ist die App sehr erfolgreich. Bis auf die monetäre Seite, aber das wollen die Betreiber nun angehen.

4. Das Märchen von der magischen Manipulation
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Sascha Lobo beschäftigt sich in seiner „Spiegel“-Kolumne mit dem Thema Online-Werbung. Das ist insofern interessant, dass Lobo selbst in der Werbung gearbeitet hat und eine „grundsolide Hassliebe“ zu diesem Thema pflegt. Lobo stellt die Messbarkeit von Werbung generell in Frage: „Es ist unzweifelhaft, dass Werbung wirkt und folglich auch Propaganda oder Manipulation wirken können – aber man kann anhand der Faktenlage leicht zum Schluss kommen, dass ehrlicherweise niemand mehr als eine sphärische Ahnung hat wie, wann und bei wem. Daran hat das ach so messbare Internet überraschend wenig geändert.“

5. Das schwierige Problem der Zugehörigkeit
(spektrum.de, Matthias Warkus)
Die Frage, ob „der Islam zu Deutschland gehört“, wird seit Jahren thematisiert. Auch die Politik hat sich dazu geäußert, ob Wolfgang Schäuble 2006 als Innenminister („Der Islam ist Teil Deutschlands.“), der seinerzeitige Bundespräsident Christian Wulff („Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.) oder jüngst Heimatminister Horst Seehofer mit seiner Aussage, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, die hier lebenden Muslime aber selbstverständlich schon.
Der Philosoph Matthias Warkus hält einen Satz über eine (vorhandene oder nicht vorhandene) Zugehörigkeit des Islam zu Deutschland für wenig zielführend: „Er hat seinen Sinn, wenn überhaupt, nicht als Behauptung, sondern als Aufforderung oder vielleicht bloß als Gefühlsäußerung. Wir sollten die Absichten diskutieren, die mit ihm unterlegt werden. Ihn auf Wahrheit zu prüfen, ist Zeitverschwendung.“

6. Hacker fangen Fitnessdaten von 150 Millionen App-Nutzern ab
(zeit.de)
Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Fitnesstracking-App „Strava“ für negative Aufmerksamkeit sorgte, indem sie sensible Daten auf einer globalen Heatmap veröffentlichte. 
Nun stellt sich heraus, dass die Ernährungs- und Kalorienzähler-App “MyFitnessPal” des US-Sportartikelherstellers „Under Armour“ gehackt wurde. Dies betrifft die Daten von immerhin 150 Millionen Nutzern.

BILD wird BreitBILD

Ein Gastbeitrag von Alf Frommer

Mal Hand aufs Herz: Hätte man sich jemals vorstellen können, dass man sich Kai Diekmann als BILD-Chefredakteur zurückwünscht? Der Kai Diekmann, der meinte, er könnte einen Politiker wie Karl-Theodor zu Guttenberg zum Kanzler hochschreiben, und der selbst zahllose BILD-Kampagnen gegen Minderheiten fuhr. Doch bei Diekmann hatte man noch das Gefühl, der macht dies als professioneller und abgewichster Boulevard-Journalist. Der schreibt heute “Hü” und morgen “Hott”, weil er wusste, dass sich schweigende Mehrheiten durchaus mal ändern, und das gesunde Volksempfinden eine launische Diva sein kann. Ihm war das Produkt im Zweifel näher als seine persönliche Meinung.

Dies hat sich unter Julian Reichelt komplett geändert. Der jetzige BILD-Chef ist erst ein Überzeugungstäter und dann ein Boulevard-Journalist. Wahrscheinlich ist Julian Reichelt der gefährlichste Medienmacher, den die wiedervereinigte Bundesrepublik je erleben durfte. Denn er macht aus BILD ein Weltuntergangs-Angebot im Stile der neurechten Medien wie “Breitbart”, “Tichys Einblick” oder “Compact”. Nur eben mit der Reichweite und dem Einfluss von BILD. In den neurechten Medien wird spätestens seit der “Flüchtlingswelle” 2015 der Untergang unseres schönen Deutschlands beschworen — mehr noch: fast herbeigesehnt. Da ging es früher um “Massenvergewaltigungen” (natürlich vornehmlich durch Ausländer) und heute um “massenhafte Messerangriffe” (natürlich auch vornehmlich durch Ausländer). Unter einer Epidemie machen es die Untergangspropheten nämlich nicht mehr. Sonst wäre es ja kein gesellschaftliches Problem.

Was früher ausschließlich in den Echokammern der Neurechten für Aufregung sorgte, findet heute Gehör bei einem der mächtigsten Medienmenschen des Landes. Dessen Filterblase ist so durchlässig, dass dort bekannte Hetz-Accounts als Teil einer ernsthaften Investigativ-Recherche wahrgenommen werden. Mehr noch: Julian Reichelt retweetet oder zitiert diese Accounts, die unter anderem die “Tagesschau” als “staatliche Lügenfabrik” bezeichnen. Sind das wirklich nur Mausrutscher oder hat das nicht vielmehr System? BILD reiht sich nun ein und beschwört das Bild eines Deutschlands herauf, welches islamisiert wird, überall Messerangriffe von Flüchtlingen, an jeder Ecke importierter arabischer Antisemitismus. Im Grunde unterscheidet BILD bei dieser Endzeit-Berichterstattung nichts mehr von “Breitbart” und Co. Die Redaktion macht nun ein Blatt für die 13 Prozent der Gesellschaft, die AfD gewählt haben.

Eine der verbleibenden positiven Aspekte bei BILD ist das klare Bekenntnis gegen Antisemitismus in jeder Form. Nun jedoch wird der Kampf genau dagegen missbraucht, um den Religionshass gegen Muslime zu schüren. Da wird der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Natürlich ist der Kampf gegen Antisemitismus zu begrüßen. Aber selbst da darf nicht jedes Mittel recht sein. Vor allem, wenn man dafür eine andere Religion als per se rückständig, frauenfeindlich, antidemokratisch, gefährlich hinstellt (übrigens auch befeuert von der Seehofer-CSU). Diese Entwicklung ist mehr als bedenklich — insbesondere, weil Julian Reichelt immer vollkommen überrascht ist, wenn man ihm oder seiner Zeitung Nähe zur AfD unterstellt. Tja, manchmal sieht man den Blätterwald vor lauter braunen Bäumen nicht mehr. Das kann selbst einem Julian Reichelt passieren.

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