Neulich gab es in der Sportredaktion der “dpa” eine kleine Diskussion. Irgendeiner der Kollegen wollte gehört haben, dass es im Fußball nur noch ums Geld geht. Hatte der ehemalige Bundesliga-Torhüter Frank Rost so erzählt. In der Redaktion hatten sie dieses Gefühl ja schon länger. Aber hatte das nicht irgendjemand so ähnlich schon mal ausgesprochen? Man war sich nicht ganz sicher. Vorsichtshalber schrieb man eine Meldung:
Frank Rost hätte natürlich auch sagen können: “Das Wetter ist auch nicht mehr das, was es mal war.” Oder: “Die da oben — immer auf den kleinen Mann.” Es hätte ungefähr den gleichen Informationsgehalt gehabt, aber in den Politik-Teil kommt man leider nicht ganz so leicht. Da braucht man schon ein Mandat, eine Funktion oder die allseitige Vermutung, dass man auf einem bestimmten Gebiet über sehr viel Fachwissen verfügt, in anderen Worten: einen akademischen Titel.
(Foto: Jean-Marie Tronquet)
In anderen Metiers ist es dann wieder so leicht. Da genügt es schon, irgendwann einmal in einem Spielfilm durchs Bild gelaufen zu sein, schon wird man mit den banalsten Trivialitäten auf der Panorama-Seite zitiert.
Würde Matthias Schweighöfer morgens am Frühstückstisch eine Prise Salz über sein Ei geben, dazu den Gedanken äußern, dass er Eier genau so am liebsten mag, und zufällig stünde draußen unter dem Fenstersims ein Reporter, ginge vielleicht noch am selben Tag eine Meldung für das Ressort Vermischtes raus, die ungefähr so aussehen würde:
Matthias Schweighöfer (35), isst sein Frühstücksei am liebsten mit Salz. “Früher mochte ich überhaupt keine Eier”, sagte der Schauspieler (“Vaterfreuden”) der “Gala”. Aber dann sei er irgendwann auf den Geschmack gekommen. Heute könne er sich ein Leben ohne Frühstücksei nicht mehr vorstellen.
Dem Schauspieler Daniel Brühl ist neulich etwas Ähnliches passiert. Im Dezember wird er Vater. Da hat er “Gala” gesteckt, dass er in Zukunft etwas weniger arbeiten will, um mehr Zeit fürs Kind zu haben. Und dann ist ihm noch rausgerutscht, dass er in Berlin eine zweite Bar eröffnen will.
Man kann sich ungefähr vorstellen, wie die Geschichte weiterging: Seine Frau schlug morgens die Zeitung auf, wusste überhaupt nichts von der Idee mit der Bar. In den beiden Nächten darauf schlief Brühl auf dem Sofa, und jetzt will er erst mal überhaupt nicht mehr mit der Presse reden.
Dabei hätte er natürlich auch einfach irgendwas anderes sagen können. Es ist ja im Grunde egal, was. Für eine Meldung reicht es immer:
Der Schauspieler Daniel Brühl möchte seinen Gartentisch gelb streichen.
Der Schauspieler Daniel Brühl kratzt sich manchmal am Rücken, während er über die Straße geht.
Der Schauspieler Daniel Brühl trinkt Rotwein nicht gerne aus Plastik-Bechern.
Der Schauspieler Daniel Brühl schläft am liebsten mit den Füßen am Kopfende.
Der Schauspieler Daniel Brühl mag gutes Wetter.
Der Schauspieler Daniel Brühl ist nicht gerne krank.
Und hätte Daniel Brühl im Interview mit “Gala” einfach nur gefragt, wie spät es ist, wäre die Meldung eben gewesen:
Daniel Brühl trägt keine Armband-Uhr.
Mit zunehmender Prominenz wird ausnahmslos alles interessant, was Menschen machen, sagen, glauben und meinen:
Daniel Brühl trägt Hausschuhe, wenn er abends nicht mehr vor die Tür muss.
Der Basketballer Chandler Parsons hat neulich einfach nur gesagt, dass er Hamburg mag, die Heimatstadt seiner Freundin, dem Model Toni Garrn. Auch das ging natürlich raus über die Ticker:
Vielleicht werden wir von Parsons demnächst noch weitere Meldungen lesen:
Der Basketballer Chandler Parsons reist aus den USA am liebsten mit dem Flugzeug nach Europa.
Der Basketballer Chandler Parsons spricht mit der Familie seiner Freundin auch über Privates.
Der Basketballer Chandler Parsons findet seine Freundin sehr sympathisch.
Wenn man nicht genug davon kriegen kann, Meldungen über seine eigenen Vorlieben auf Newsportalen zu lesen, ist so was natürlich eine tolle Sache. Andernfalls kann es auch lästig werden.
Der Schauspieler Miroslav Nemec zum Beispiel sieht seine Prominenz mittlerweile kritisch. Halb Deutschland kennt ihn aus dem Münchner “Tatort” als den Kommissar Ivo Batic. Dummerweise kennen ihn in München noch mehr Menschen als nur die Hälfte, und da wohnt er, was nicht immer ganz unproblematisch ist, denn manchmal muss er auch zum Einkaufen aus dem Haus, wenn er schlechte Laune hat. Dann besteht die Gefahr, dass irgendwann in den Klatschspalten steht:
Miroslav Nemec verprügelt im Supermarkt gerne Passanten.
Das ist ein Nachteil, aber was will man machen, wenn man seinen Beruf sonntagabends im Fernsehen ausübt? Man kann sich zurückziehen, wenn man nicht im Dienst ist, und vielleicht dann schlecht gelaunt einkaufen gehen, wenn an der Kasse nicht so viel los ist. Miroslav Nemec hat sich für einen anderen Weg entschieden, und der — das wäre unsere vorsichtige Prognose — wird das Problem nicht verbessern: Nemec hat einen Krimi geschrieben. Nicht unter Pseudonym, sondern unter seinem echten Namen. Nicht mal für den Ermittler hat er sich eine neue Figur ausgedacht. Auch das ist er selbst:
Und falls irgendwer bei “Gala” zu morgen noch unbedingt eine Meldung braucht, warum dann nicht einfach diese hier?
Der Schauspieler Miroslav Nemec macht gerne alles noch schlimmer, als es eh schon ist.