“Einzelfall-Map”, tägliches Hitlerbild, Schweizer China-Propaganda

1. Kartenlegen mit kriminellen Ausländern
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Um zu zeigen, wie hoch die Ausländerkriminalität in Deutschland wirklich ist, verweisen rechte Politiker und Publizisten gerne auf die “Einzelfall-Map”. Mats Schönauer hat sich diese “beeindruckend gefüllte Karte bei Google-Maps, auf der Fälle von ‘Migranten-/Flüchtlingskriminalität’ gesammelt werden”, angeschaut und mehr als 600 zufällig ausgewählte Fälle überprüft: “Um es zusammenzufassen: Die ‘Einzelfall-Map’ bietet keinen objektiven Überblick über Ausländerkriminalität, sondern eine tendenziös kuratierte, unsauber recherchierte und auf bloße Masse abzielende Sammlung von Verdächtigungen gegen Menschen, die nicht aussehen wie Holger Badstuber.” Der Text steht schon etwas länger online, ist aber erst seit gestern für Nicht-“Übermedien”-Abonnenten komplett lesbar.

2. Reklame für Rechte
(sueddeutsche.de, Simon Hurtz)
Der Kampf um politische Deutungshoheit werde auch mit finanziellen Mitteln ausgetragen, schreibt Simon Hurtz und meint damit konkret: über Werbegelder. Momentan gibt es verschiedene Versuche, konservative und rechte Internetseiten zu schwächen, indem Firmen dazu angehalten werden, nicht bei ihnen zu werben. Ob das der richtige Weg ist? Ob er überhaupt zulässig ist? Zwei Juristen, mit denen Hurtz für seinen Text gesprochen hat, kommen zu zwei gänzlich unterschiedlichen Beurteilungen.

3. Und täglich grüßt das Hitlerbild: Zum Facebook-Nazi in 13 Tagen
(shz.de, Mira Nagar)
Knapp zwei Wochen hat Mira Nagar sich als “Christian M.” bei Facebook an “den rechten Rand des Netzwerks” getastet, um der Frage nachzugehen: “Kann Facebook radikalisieren helfen?” Der fiktive Christian schaute sich bei “Neumünster wehrt sich” um, freundete sich mit “Kameradinnen und Kameraden” an und fand “ein paar brüchige, widersprüchliche Personen”.

4. Bis zum letzten Tropfen Tinte
(taz.de, Nicola Glass)
Heute soll in Malaysia der Prozess gegen den Karikaturisten “Zunar” beginnen. Er ist wegen “Aufwiegelung” angeklagt, nachdem er mit seinen Zeichnungen ein Gerichtsurteil gegen einen malaysischen Oppositionsführer kommentiert hatte. Bei einer Verurteilung drohen “Zunar” bis zu 43 Jahre Gefängnis. Nicola Glass berichtet über seinen Fall und über die Lage der Pressefreiheit in Malaysia im Allgemeinen.

5. Wir haben die falschen Behauptungen des “Krone”-Kolumnisten korrigiert
(vice.com, Christoph Schattleitner)
Mit “Die Falschmeldungen” ist die aktuelle Kolumne von “Krone”-Autor und Rechtsanwalt Tassilo Wallentin überschrieben, in der er behauptet, die österreichische Regierung schöne Asylstatistiken und verheimliche den Bürgern die Wahrheit. Falsch sei aber vor allem das, was Wallentin da selber schreibt, so “Vice”-Redakteur Christoph Schattleitner: “Ausgerechnet er, der anderen Falschmeldungen vorwirft, macht in diesem Text so viele Fehler, dass es kaum auszuhalten ist.” Anhand von acht Korrekturpunkten zeigt Schattleitner, was bei Wallentins Text alles schiefgelaufen ist.

6. Martinas langer Marsch
(srf.ch, Pascal Nufer, Video, 22:01 Minuten)
Für die Schweizer Fernseh-Journalistin Martina Fuchs öffnen sich in China Türen, die für europäische Korrespondenten normalerweise verschlossen bleiben. Fuchs arbeitet aber auch nicht für einen Sender aus Europa, sondern für CCTV, das chinesische Staats- und Propaganda-TV. Pascal Nufer hat sie bei ihrer Arbeit begleitet und immer wieder den Satz gehört: “Ich arbeite für ein Wirtschaftsprogramm und habe mit Politik nichts am Hut.” Wer gerade keine 22 Minuten Zeit hat, um sich den interessanten Videobeitrag anzuschauen: Hier gibt es einen kurzen Artikel über Martina Fuchs und ihre Arbeit für Chinas Propagandaapparat.

dpa rettet die Patriots per Übersetzung vor dem Sinken

Merkwürdig, was dieser Tom Brady redet. Da erreicht der Quarterback der New England Patriots gestern zusammen mit seinen Football-Kollegen den sagenumwobenen “Super Bowl” und erzählt laut Welt.de nach dem Spiel irgendwas davon, dass das Team noch nicht gesunken sei:

“Wir sind noch nicht gesunken. Es ist einfach unglaublich”, sagte Brady.

Kann der sich vielleicht mal freuen? Immerhin hat er gerade das Playoff-Finale der NFL erreicht!

Auch auf anderen Nachrichtenseiten klingt Brady so, als hätten er und die Patriots in der vergangenen Nacht nicht etwas Großartiges geschafft, sondern als stünden sie kurz vor dem Untergang. Bei faz.net zum Beispiel:

Oder bei sueddeutsche.de:

Oder bei der “Neuen Osnabrücker Zeitung”:

Oder bei DiePresse.com:

Oder bei der “Nordwest-Zeitung”:

Oder bei abendblatt.de:

“Wir sind noch nicht gesunken. Es ist einfach unglaublich”, sagte Brady.

Dass Tom Brady überall gleich zitiert wird, liegt daran, dass es sich um einen Text der “dpa” handelt, der auf all den Seiten (und noch einigen weiteren) veröffentlich wurde. Und dass Brady sich so merkwürdig äußert, liegt daran, dass die “dpa” eine Aussage von ihm etwas, nun ja, freier übersetzt hat. Nach dem 36:17-Erfolg über die Pittsburgh Steelers sagte der Quarterback:

Q: What does it mean for you to be going back to the Super Bowl?

TB: It hasn’t sunk in yet. We’ve looked, every week it’s kind of been one day at a time and one game at a time. I haven’t even said those words yet. Well, I said them after the game, but not at all this week or now. It’s unbelievable. It’s unbelievable.

“It hasn’t sunk in yet” — was so viel heißt wie “Es ist noch gar nicht bei mir im Kopf angekommen” oder “Ich habe es noch gar nicht begriffen” — hat die “dpa” also mit “Wir sind noch nicht gesunken” übersetzt und den Artikel samt Zitat über den Ticker an die Redaktionen geschickt.

Inzwischen gibt es eine aktuellere Version des “dpa”-Textes, das seltsame Brady-Zitat kommt darin nicht mehr vor. Manche Redaktionen (faz.net, sueddeutsche.de “Neue Osnabrücker Zeitung”) haben den Artikel ersetzt, bei anderen (Welt.de, abendblatt.de, “Nordwest-Zeitung”, DiePresse.com) findet Tom Brady es weiterhin “einfach unglaublich”, dass er und sein Team “noch nicht gesunken” sind.

Gesehen bei @HeikoOldoerp.

Bild.de leitet Ausschlussverfahren gegen Björn Höcke ein

Vorhin, um 11:48 Uhr, hatte Bild.de ganz exklusive Neuigkeiten zu “AfD”-Rechtsaußen Björn Höcke:

Und in einem Teaser hieß es:

Höcke hatte vergangene Woche bei einer Rede in Dresden gesagt, dass Deutschland sich ein “Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt” habe, und meinte damit wohl das Holocaust-Mahnmal in Berlin. Daraufhin gab es berechtigterweise massive Kritik.

Eine Minute nach der Veröffentlichung des Bild.de-Artikels schickte die “Tagesschau” eine Eilmeldung raus:

Kurze Zeit später sah der Artikel bei Bild.de dann so aus:


Dass die Redaktion kurz zuvor noch etwas völlig anderes behauptet hat, wird nirgends erwähnt.

Mit Dank an @AndyOSW für Hinweis und Screenshots!

Unerwünschte Rechtsfragen, “Mein Kampf”, Interviewverbot für Gründer

1. Angeben, attackieren, ablenken
(sueddeutsche.de, Matthias Kolb)
Tag eins des neuen US-Präsidenten Donald Trump: Bei einem Auftritt im CIA-Hauptquartier sagt er, dass die Medien lügen; ein Sprecher verkündet später, dass man die Medien zur Rechenschaft ziehen werde. Matthias Kolb sieht darin einen “Vorgeschmack auf die kommenden Wochen.” Ezra Klein schreibt bei Vox.com ebenfalls über Donald Trumps Verhältnis zu den Medien (englisch): “Trump’s real war isn’t with the media. It’s with facts.” Stefan Niggemeier hat sich für die “FAS” die Amtseinführung Trumps angeschaut: “Die neue Norm”. Und Marvin Milatz und Oliver Fuchs haben “alle NZZ-Facebook-Beiträge, -Kommentare und -‘Shares’ zur US-Präsidentschaftswahl analysiert”: “Boten wir Trump eine zu grosse Plattform?”

2. Im “Europa der Freiheit” sind Fragen unerwünscht
(maz-online.de, Jörg Köpke)
Jörg Köpke wollte eigentlich nur etwas für einen Journalisten ganz Normales tun: Fragen stellen. Doch kurz nachdem er das Gespräch mit einem Besucher des Kongresses von “Europa der Nationen und der Freiheit” — unter anderem organisiert vom “AfD”-Europaabgeordneten Marcus Pretzell — begonnen hatte, wurde er auch schon rausgeschmissen: “Sofort sind mehrere wütende Ordner auf dem Weg zu mir, um den Reporter des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) vor die Tür zu begleiten.” Bereits im Vorfeld des Treffens der europäischen Rechtspopulisten am vergangenen Samstag in Koblenz gab es einigen Ärger über die eingeschränkte Berichterstattung: Vielen Medien wurde der Zutritt verwehrt. Über das Hin und Her bei der Akkreditierung berichtet Michael Borgers vom “Deutschlandfunk”: “Doch kein Zutritt”.

3. Dresden: Ein Anhang
(moritz-hoffmann.de)
Der Historiker Moritz Hoffmann hatte vergangene Woche mit seinen Korrekturen zu einer Rede des “AfD”-Rechten Björn Höcke einen Twitter-Hit gelandet (siehe auch Punkt 3 der “6 vor 9” vom vergangenen Freitag). “In den meinem Tweet folgenden Debatten wurde ich […] vor allem mit Forderungen nach Belegen konfrontiert.” Die — und eine “etwas weiträumigere Erläuterung dessen, was ich gemeint habe” — liefert Hoffmann jetzt bei sich auf der Seite nach.

4. Exil auf neuen Seiten
(zeit.de, Canan Topçu)
Canan Topçu hat sich das neue Portal “taz.gazete” angeschaut. Seit dem 19. Januar veröffentlichen dort türkische Journalistinnen und Journalisten Artikel, viele davon kritisieren die Regierung der Türkei. Die Texte werden auch ins Deutsche übersetzt. Topçu findet das Projekt wichtig, fragt sich aber: “Ob Texte, die von deutschen Redaktionen veröffentlicht werden, die Menschen erreichen, die es zu erreichen gilt? Also gerade diejenigen, die von den Hauspostillen der [türkischen] Regierung eingelullt worden sind?”

5. “Hier testet jemand Grenzen aus”
(taz.de, Eva Thöne)
Ein Verlag aus Leipzig hat einen unveränderten Nachdruck von Adolf Hitlers “Mein Kampf” auf den Markt gebracht. Hinter dem Verlag steckt der Rechtsextreme Adrian Preißinger. Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit wegen Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Eva Thöne stellt Juraprofessor Christian Bickenbach dazu drei Fragen, darunter: Ob der Verlag mit der Aktion durchkommt? Bickenbachs Antwort zusammengefasst: eher nicht.

6. Ich wollte zum DHDL-Casting — aber weit kam ich nicht
(gruenderszene.de, Kim Richters)
Kim Richters wollte zum Casting der “Vox”-Sendung “Die Höhle der Löwen”, dort mit ein paar Gründern sprechen, die sich bewerben, und darüber bei “Gründerszene” berichten. Zum Casting hat sie es geschafft, mit Leuten reden durfte sie aber nicht. Trotzdem berichtet sie — über einen ärgerlichen Besuch in Düsseldorf und merkwürdige Ansichten eines TV-Producers.

Freudscher Vertipper


(es gibt allerdings Zweifel an der Echtheit dieser Perle)
via @SoVeryBrexit.

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Danke an Lennart S.

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Danke an Martin K.

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Danke an Sophia M.

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Danke an Henrik H.

Bild.de hält Katie Holmes, die Jackie Kennedy spielt, für Jackie Kennedy

Na klar, auch auf der Startseite von Bild.de gibt es gerade kein Vorbeikommen an Donald Trump und dessen Amtseinführung in Washington.

Die Modeexperten aus der Redaktion haben sich das Outfit von der neuen First Lady Melania Trump mal etwas genauer angeschaut und festgestellt: “Moment mal, die sieht doch aus wie … ja, genau … wie …”:

Machen wir es kurz, liebe Bild.de-Adleraugen: Das rechts ist nicht Jackie Kennedy. Es ist Katie Holmes, die Jackie Kennedy in der Serie “The Kennedys” spielt.

Mit Dank an Rüdiger M., @thenova_123 und @LAcrush für die Hinweise!

TV-Bühne für Populisten, Faktencheck mit AfD-Höcke, AutismusFAQ

1. Kasperletheater im Weißen Haus
(zeit.de, Daniel-C. Schmidt)
Heute ist es dann also soweit: Donald Trump wird 45. Präsident der USA. Erst kürzlich gab es bei einer Pressekonferenz wieder einen Vorgeschmack darauf, wie er mit Medien umgeht — ruppig und respektlos. Daniel-C. Schmidt fragt daher in Richtung US-Journalisten: “Sind sie also vorbereitet auf den nächsten US-Präsidenten, der in den vergangenen Monaten so keinerlei Hehl daraus gemacht hat, wie sehr er Journalisten verabscheut?” Er schaut, wie sich Mitarbeiter von “Washington Post”, “New York Times” und “Chicago Tribune” auf Trump einstellen. Ebenfalls zum Thema: Ein offener Brief im Namen der US-Presse von Kyle Pope, Chefredakteur der “Columbia Journalism Review”, der durchaus als Kampfansage verstanden werden kann (englisch) sowie die Forderung der “Reporter ohne Grenzen” an Donald Trump, die Feindseligkeiten gegen Journalisten zu beenden.

2. Talkshows: Bühne frei für Populisten
(wdr.de, Georg Restle, Naima El Moussaoui & Andreas Maus, Video, 8:08 Minuten)
Bieten TV-Talkshows rechten Provokateuren zu oft eine zu große Bühne? Georg Restle, Naima El Moussaoui und Andreas Maus haben alle 141 Sendungen der ARD- und ZDF-Talkformate aus dem vergangenen Jahr ausgewertet und sich dabei unter anderem gefragt: “Schüren Talkshows Ängste? Verstärken sie Hysterie?” Um ein ganz ähnliches Thema geht es im “Tagesanzeiger”-Interview mit dem Publizistikwissenschaftler Uwe Krüger: “Rechte machen eine Talkshow spannend”. Für Krüger ist das Quotendenken der TV-Redaktionen der Grund für die vielen Einladungen an “AfD”-Politiker.

3. Herr Höcke und die Fakten
(br.de, Matthias Hacker)
Eigentlich hat Moritz Hoffmann etwas ganz simples gemacht: Der Historiker hat sich mehrere Aussagen angeschaut und überprüft, ob sie stimmen. In seinem Fall waren es die Aussagen des “AfD”-Rechten Björn Höcke aus dessen Rede in Dresden vor einigen Tagen. Viele stimmten nicht, Hoffmann korrigierte sie und veröffentlichte seine Korrekturen bei Twitter. Der Post ging durch die Decke. Im Gespräch mit Matthias Hacker erzählt Moritz Hoffmann von den Reaktionen auf seine Aktion und der Möglichkeit, auf diese Weise mit Leuten ins Gespräch zu kommen, die man sonst nicht mehr erreicht.

4. Pressefreiheit ausgesetzt
(taz.de, Andreas Zumach)
Ausgesperrte Journalisten am “UN”-Sitz in Genf, keine Journalistenfragen im Berner Bundeshaus — Chinas Staatspräsident Xi Jinping war zu Gast in der Schweiz, und die Schweizer Behörden taten viel dafür, dass kritische Worte und Fragen ihn nicht erreichten. “Durch eine beispiellose Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit wurde der Staatschef vor Kritik bewahrt”, schreibt Andreas Zumach.

5. What it feels like for a girl
(annesophiekeller.ch)
Gegen Hassbriefe sei sie, das schreibt Anne-Sophie Keller selber, inzwischen “auf eine kranke Art abgehärtet.” Als neulich aber einer dieser “ganz banalen Hassbriefe eines Clinton-Gegners” nicht bei ihr, sondern im Briefkasten ihrer Mutter landete, habe sie das mehr getroffen als sonst. Deswegen hat sie bei sich auf der Seite nun einen Text veröffentlicht “über das, was für viele Schweizer Journalistinnen Redaktionsalltag bedeutet: Hassbriefe, Drohungen, Belästigungen.”

6. Autismus in den Medien
(autismusfaq.de)
Autismus werde “in den Medien immer wieder als Metapher für Empathielosigkeit, Versagen und mangelndes Denkvermögen verwendet”, kritisiert das Duo hinter der Seite “AutismusFAQ”. Für mehr Aufklärung zum Thema gibt es dort Antworten auf Fragen zum Autismus. Zum Beispiel: “Ist Autismus eine passende Metapher für emotionale Kälte?” Der Text ist auch ein Appell an alle Medien: “Bitte verwendet Autismus nicht als Metapher für politisches und anderes Versagen.”

Bild.de sieht Luzifer-Trump und 27 Jahre Dritten Weltkrieg

Bei “Bild”, Bild.de und “Bild am Sonntag” scheint momentan ein Versuch zu laufen, für Geschichten auch mal auf unkonventionellere Quellen zurückzugreifen. Und damit meinen wir jetzt nicht, dass die “Bild”-Medien gerade erst wieder auf eine Satireseite reingefallen sind. Wir denken dabei eher an so eine Geschichte:

Aber nicht nur bei so lapidaren Dingen wie dem Wetter recherchieren die “Bild”-Redakteure auf ungewöhnliche Art und Weise, sondern auch bei harten Themen wie Politik. Zum Beispiel zur Amtseinführung von Donald Trump: Da hat “Bild am Sonntag” zwar nicht den “Zwiebel-Schamanen” um Rat gefragt, dafür aber einen Numerologen:


Erstmal müssen grundlegende Dinge zur Zahlenwelt rund um Trump geklärt werden:

Numerologe Arndt Aschenbeck sieht in der Zahl ein Omen für die Präsidentschaft: “Trump ist am 14.6.1946 geboren. Die Quersumme seines Geburtstages ist 5 (14=1+4). Die Quersumme seines gesamten Geburtsdatums ist 4 (1+4+6+1+9+4+6 = 31= 3+1 =4). Das bedeutet, die 45 findet sich auch unter seinen beiden wichtigsten persönlichen Zahlen wieder.”

Jo. Und was heißt das jetzt? Eindeutige Antwort: Positives und Negatives.

Was das bedeutet, erklärt der Experte so: “Die 45 ist eine starke und schöpferische Zahl. Unter ihr kommt man zu herausragenden gesellschaftlichen Positionen — vorausgesetzt, man lässt sich nicht von außen beeinflussen.”

Doch die Zahl habe auch negative Züge: “Die 45 ist leicht beeinflussbar, ungeduldig, stolz und lässt sich aus der Ruhe bringen. Auch starke Reizbarkeit und gelegentliche Zornausbrüche sollten vermieden werden, indem man sich in Selbstbeherrschung, Geduld und Ausdauer übt.”

Män könne auch noch aus den “Einzelzahlen” etwas über “den Charakter eines Menschen” lesen, so der Numerologe. Den Part überspringen wir gerade mal und kommen besser direkt zum Fazit:

Fazit des Experten: “Wie man sieht, widersprechen sich die 4 und die 5 komplett. Die 4 will, dass alles so bleibt, wie es ist. Die 5 will verändern. Diesen Konflikt hat Trump schon in seiner Persönlichkeit angelegt. Und es kann gut sein, dass dieser Widerspruch auch seine Präsidentschaft prägt. Auf der einen Seite will er vieles reformieren und anders machen, auf der anderen Seite ist er stur und nicht gewillt, seine persönlichen Ansichten zu ändern.”

Dieser Artikel zur kommenden Präsidentschaft Trumps ist am vergangenen Sonntag auch in der gedruckten “Bild am Sonntag” erschienen. Mit einer Ausnahme: Statt, wie bei Bild.de, “elf wichtige Fragen zur Machtübernahme im Weißen Haus” zu beantworten, liefert die Printversion nur Antworten auf zehn Fragen — der gesamte Teil mit der Numerologie wurde gestrichen. War dann vielleicht doch etwas zu speziell.

Mit den Zahlenspielen sind die besonderen Recherchen zu Donald Trump bei Bild.de aber noch nicht ausgeschöpft. Es gibt schließlich noch Nostradamus:

Der französische Apotheker, Arzt und Astrologe (1503 – 1566), der die Große Depression, den Zweiten Weltkrieg oder den Anschlag vom 11. September vorhergesagt haben soll, warnte angeblich im Jahre 1555 in seinen vierzeiligen Versen (Quatrains) vor dem Aufstieg des dritten Anti-Christen.

Ist Donald Trump nach Napoleon Bonaparte und Adolf Hitler die dritte Inkarnation des Teufels? Wird der New Yorker Immobilienmogul einen 27 Jahre langen Weltkrieg auslösen?

Doch, doch, diese Fragen stellt Bild.de tatsächlich. Und legt “zwei Beweise” der “Amerikanischen Nostradamus Gesellschaft” dafür vor, dass Nostradamus Trump gemeint hat:

► Eine Illustration des Astrologen, in der ein brennender Turm (Englisch: Tower) zu sehen ist. In dem Bericht der Gesellschaft hieß es damals: “Mit dem Bild eines Turmes schreit Nostradamus geradezu den Namen Trump. Und das Feuer ist eindeutig ein Weg, uns vor seinen entzündbaren Reden zu warnen.”



► Ein Vers von Nostradamus, der etwa so lautet: “Biester werden wild vor Hunger die Flüsse überqueren. Der größte Teil des Schlachtfeldes wird gegen Hister sein. In einen eisernen Käfig wird der Große gezogen, wenn das deutsche Kind keine Regeln befolgt.”

Die Nostradamus Gesellschaft deutete den Vers so: “Hister ist der lateinische Name für den Fluss Donau, der durch Deutschland fliesst. Trump hat deutsche Wurzeln. Und das Schlachtfeld ist offensichtlich das große Feld der republikanischen Kandidaten. Der Eiserne Käfig sind die TV-Debatten und die Biester, die den Fluss überqueren, sind die Einwanderer, die über den Rio Grande kommen, gegen die Trump so gewütet hat.”


Gut, wäre das auch geklärt.

Dass Donald Trump der von Nostradamus prophezeite “Anti-Christ” ist, belegt der Bild.de-Autor mit einer weiteren Beobachtung:

Und dann war da noch etwas: Trump hatte sich in seinem Wahlkampf sogar mit Papst Franziskus angelegt.

Der Pontifex hatte auf einer Reise von Mexiko nach Rom gesagt: “Eine Person, die nur an das Bauen von Mauern denkt … und nicht an das Bauen von Brücken, ist kein Christ.”

Als Reaktion darauf hatte Donald Trump in seiner typischen Art gegen Papst Franziskus gewettert. Und die Tageszeitung “Daily News” habe laut Bild.de getitelt: “‘Der Anti-Christ!'”

Sehen Sie? Klare Sache.

So ganz einig scheinen sich die Experten dann aber doch nicht zu sein:

Der Nostradamus-Experte John Hogue (61) aus Hollywood glaubt nicht, dass Trump “Mabus” (Nostradamus’ Codename für Luzifer) ist, sondern vielmehr das Opfer eines Attentats sein wird. Die Ereignisse würden anschließend im Dritten Weltkrieg eskalieren.

Das führt natürlich direkt zu einer wichtigen Frage:

Wenn Trump nicht der Teufel ist, aber Nostradamus seine dritte Inkarnation für 2017 prophezeit hat, wer könnte es dann sein?

Jaha. Aber auch da kann Bild.de helfen:

Zur Wahl stehen unter anderem Putin und Kim Jong-un. Oder ist es gar Trumps Schwiegersohn Jared Kushner (36)? Das Büro seines milliardenschweren Immobilien-Imperiums in Manhattan hat die Adresse 666 Fifth Avenue. 666 ist die Zahl des Teufels.

Vielleicht kann der Numerologe ja mal daraus die Quersumme bilden und uns sagen, was das dann alles zu bedeuten hätte.

“Kleine Zeitung” findet zweieinhalb Monate alte Wasserleiche

Wir müssen noch einmal auf die Suche nach einer Wasserleiche im Hamburger Hafen am vergangenen Wochenende zurückkommen. Die Polizei hatte nach einer Meldung von drei Barkassenführern, die sagten, sie hätten etwas in der Elbe treiben sehen, am Samstag knapp drei Stunden gesucht. Vergeblich — die Beamten haben nichts gefunden, die Suchaktion wurde ohne Ergebnis abgebrochen.

Bild.de und andere Medien spekulierten dennoch, ob da nicht vielleicht doch eine Wasserleiche war und ob es sich dabei nicht vielleicht um einen seit einigen Tagen vermissten Mitarbeiter des Fußballklubs HSV handeln könnte.

Die “Kleine Zeitung” aus Österreich hatte auf ihrem Onlineableger (in der Kategorie “Sport > Fußball > International > Deutsche Bundesliga”) ebenfalls über den Polizeieinsatz berichtet. Und das ganz anders als alle andere Medien:

Im Text steht:

Arbeiter des Containerterminal Burchardkai haben heute gegen 13.20 Uhr eine Person leblos im Hamburger Hafen treibend gefunden und umgehend die Polizei informiert. Wasserschutzpolizei und auch Feuerwehr bargen die Leiche. “Die Person muss schon längere Zeit im Wasser gelegen haben. Es war nicht zu erkennen, welchen Geschlecht die Person ist”, erklärte ein Polizeisprecher. Zur Identifizierung wurde die Leiche ins Institut für Rechtsmedizin nach Eppendorf gebracht.

Natürlich wird in Hamburg nun spekuliert, ob es sich bei der Leiche um den verschwundenen HSV-Manager Timo Kraus (44) handelt, von dem seit einer Woche jede Spur fehlt.

Wir haben bei der Polizei Hamburg, die für die Suchaktion in der Elbe verantwortlich war, nachgefragt, ob das Zitat des Polizeisprechers von dort stammt. Die Antwort: “Nein.” Dann haben wir bei der Polizeiinspektion Harburg, die für den Fall des vermissten HSV-Mitarbeiters generell verantwortlich ist, nachgefragt, ob das Zitat von dort stammt. Die Antwort: “Nein.”

Es bleibt dabei: Es wurde am vergangenen Wochenende in Hamburg keine Wasserleiche gefunden, auch wenn die “Kleine Zeitung” das behauptet. Die Redaktion hat sich bei ihrer, öhm, “Recherche” schlicht vergooglet und beim falschen Abschreiben zwei Fälle durcheinandergeworfen.

Vor zweieinhalb Monaten erschien dieser Artikel auf der Internetseite der “Hamburger Morgenpost”:

Der Text kommt uns verdächtig bekannt vor:

Arbeiter des Containerterminal Burchardkai entdeckten gegen 13.20 Uhr eine Person leblos in der trüben Elbe treibend und informierten die Polizei. […]

“Die Person muss schon längere Zeit im Wasser gelegen haben. Es war nicht zu erkennen, welchen Geschlecht die Person ist”, so ein Polizeisprecher. Zur Identifizierung wurde die Leiche ins Institut für Rechtsmedizin am UKE in Eppendorf gebracht.

Mit Dank an Carsten P. für den Hinweis!

Nachtrag, 15:38 Uhr: Der Artikel der “Kleine Zeitung” ist inzwischen ohne jeden Hinweis verschwunden.

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