Twitters partielle Blindheit, Rüder Musk-elmann, Kulenkampffs Schuhe

1. Meinungsfreiheit: Fehlt Twitter der Durchblick?
(netzpolitik.org, Jillian York)
Apple, Facebook und Youtube haben den Verschwörungstheoretiker und ultrarechten US-Online-Schreihals Alex Jones von ihren Plattformen geschmissen. Nur Twitter lässt Jones dessen Hassbotschaften und Wutreden weiter verbreiten. Dies ist laut Jillian York von der “Electronic Frontier Foundation” (EFF) auch deshalb inkonsequent, weil Twitter auf der anderen Seite den preisgekrönten ägyptischen Journalisten und Anti-Folter-Aktivisten Wael Abbas gesperrt habe: “Ein bekannter Verschwörungstheoretiker wie Jones, der verantwortlich ist für die Belästigung der Eltern ermordeter Kinder, darf also auf der Plattform bleiben. Ein preisgekrönter Journalist, der mit seinen Recherchen zu Polizeigewalt dazu beigetragen hat, eine Diktatur zu stürzen, wird dauerhaft verbannt. Es wird Zeit, diese Regeln in Frage zu stellen — und die Verantwortung derjenigen, die sie aufgestellt haben.”

2. Zielgruppe „Volk“: Das „Compact Magazin“
(der-rechte-rand.de, Kilian Behrens)
Als “Hasskommentare auf Papier” bezeichnet Kilian Behrens die Druckwerke aus dem “Compact”-Universum: “Die neue soziale Bewegung von Rechts hat mit »Compact« ein publizistisches Sprachrohr gefunden. Der offen völkische Flügel der AfD wird hier nach Kräften unterstützt, so lange es opportun erscheint. Im Zusammenspiel von Partei und Bewegung kommt dem Magazin derzeit eine Schlüsselrolle zu.” Dazu auch: unsere BILDblog-Serie “Mut zur Wirrheit” über “Compact”.

3. Meinung, Männer, Mobmaschinen
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Elon Musk ist ein erfolgreicher Geschäftsmann und Visionär, der durch diverse Unternehmen (u.a. Paypal und Tesla) reich und berühmt geworden ist. Auf Twitter fällt er gelegentlich durch sein ausgesprochen rüdes und aggressives Auftreten auf, das unangenehme Konsequenzen für die von ihm derart Angegangenen haben kann: Unter den 20 Millionen Followern gibt es eine enorme Menge von Männern, die sich als eine Art virtueller Mob auf Musks Opfer stürzen. Sascha Lobo kritisiert die Art und Weise, wie sich Musk seine Reichweite zunutze macht: “Natürlich ist die Grenze zwischen persönlicher Empfindlichkeit und objektiven Drohungen nicht immer absolut eindeutig. Und in Zeiten größter Reichweite einzelner Personen ist man nach wie vor nicht für alle Worte und Taten des eigenen Publikums verantwortlich, natürlich nicht. Aber die Verantwortung ist viel, viel größer, als die meisten Leute glauben: Öffentlichkeit kann eine Waffe sein, und je größer die Reichweite, desto Knall.”

4. Die Welt ist kompliziert – und das ist auch gut so
(krautreporter.de, Amanda Ripley)
Bei den “Krautreportern” ist ein längeres Lesestück von Amanda Ripley vom “Solutions Journalism Network” erschienen: “Es ist mir peinlich, das zuzugeben: Ich habe mich völlig überschätzt. Ich bin seit 20 Jahren Journalistin und dachte, dass ich sehr gut darin sei zu verstehen, warum Menschen tun, was sie tun. Dann habe ich mich mit Streitschlichtern, Psychologen und Rabbinern unterhalten und festgestellt: Journalisten berichten viel über Konflikte, aber haben erstaunlich wenig Ahnung, was diese eigentlich wirklich antreibt. Wenn wir unsere Berichterstattung ändern, können wir Menschen dazu bringen, sich nicht zu verschließen in Hass und Empörung, sondern aufeinander zuzugehen und sich neuen Ideen zu öffnen.”

5. Dranbleiben ist Bürgerpflicht
(kontextwochenzeitung.de)
Jüngst hat ein Gericht entschieden, dass “Kontext” zunächst nicht mehr über ein Chat-Protokoll in Zusammenhang mit dem Mitarbeiter der AfD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg berichten darf. Die “Kontext”-Redaktion hat einige Reaktionen auf den Richterspruch zusammengetragen.

6. Dokumentarfilm im Ersten: Kulenkampffs Schuhe
(daserste.de)
In den 60er- und 70er-Jahren erlebte das Fernsehen mit Einschaltquoten von 80 Prozent seine goldenen Zeiten. Am Samstagabend saß die Familie einträchtig vor dem TV-Gerät und schaute “Einer wird gewinnen” mit Hans-Joachim Kulenkampff oder die “Peter-Alexander-Show”. Die Regisseurin Regina Schilling wirft in ihrer Doku einen Blick auf das Unterhaltungsfernsehen von damals und hat dazu zahlreiche Showausschnitten aus der Zeit, Interviews, privates Super-8-Material sowie historische Dokumenten und Fotos zusammengetragen. Die 90-minütige Doku ist noch bis zum 15. August in der ARD-Mediathek zu sehen und verschwindet danach leider im öffentlich-rechtlichen Depublizierungs-Nirwana.

Im Namen des Volkszorns

Es ist schwierig mit der “Bild”-Redaktion und dem Rechtsstaat. Der heutige Kommentar im Blatt handelt vom Urteil im Prozess gegen eine Mutter, die gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten den eigenen Sohn missbraucht und an Pädophile verkauft hat. “Bild”-Ressortleiter Christian Stenzel schreibt:

Ausriss Bild-Zeitung - Kein Urteil im Namen des Volkes

Was muss man in Deutschland tun, um nicht mehr aus dem Gefängnis herauszukommen?

Seit gestern wissen wir: Als Mutter den eigenen Sohn zu missbrauchen und an Kinderschänder aus ganz Europa zu verhökern, reicht nicht. Es wird nicht einmal die Höchststrafe verhängt.

15 Jahre Haft wären laut Gesetz möglich gewesen. Nur 12 Jahre hat die Horror-Mutter von Staufen bekommen. Die Milde des Richters mag vom Gesetz gedeckt sein — wütend macht sie trotzdem. Aus drei Gründen besonders.

1.) Zugutegehalten wird Berrin T., dass sie ein zögerliches Geständnis abgelegt hat. Leugnen hätte sie aber auch kaum können — sie hat den Missbrauch selbst auf Film festgehalten!

2.) Die Horror-Mutter ist nicht vorbestraft.

Rechtlich ist sie vielleicht eine Ersttäterin. Doch kann jemand nach dem gesunden Menschenverstand ein Ersttäter sein, der sein Kind 19-fach missbraucht? Sie konnte ja auch nicht zuvor verurteilt werden. Warum nicht? Weil Jugendämter gepennt haben, ersten Hinweisen auf Missbrauch nicht nachgegangen sind.

3.) Sicherungsverwahrung war laut Gesetz nicht möglich, Wiederholungsgefahr bestünde auch nicht.

Der Gesetzgeber sollte darüber nachdenken, ob das Gesetz für Fälle wie in Staufen angepasst werden muss.

Wer tat, was Berrin T. tat, sollte das Gefängnis nie wieder verlassen dürfen. Ich bin kein Richter. Aber ich bin sicher: Das Urteil von Freiburg ist kein Urteil im Namen des Volkes.

“Bild”-Chef Julian Reichelt hat Stenzels Kommentar komplett bei Twitter gepostet und dazu wiederholt:

Screenshot eines Tweets von Julian Reichelt - Die Täterin von Staufen hat nicht einmal die Höchststrafe bekommen. Sie habe ein Recht auf Resozialisierung, so der Richter. Wenn unsere Gesetze es nicht hergeben, solche Menschen für immer wegzusperren, sollte die Politik die Gesetze ändern.

Ja, der Missbrauch macht wütend. Und man kann sich definitiv darüber wundern, dass das Freiburger Landgericht darauf verzichtet hat, gegen Berrin T. die Höchststrafe von 15 Jahren zu verhängen, die für den besonders schweren Fall des sexuellen Missbrauchs von Kindern vorgesehen ist. In seiner Urteilsbegründung nannte der Vorsitzende Richter Gründe, die zur Strafmilderung führten, darunter das abgelegte Geständnis. Dennoch kann man sich der Frage anschließen, die Heribert Prantl bei Süddeutsche.de stellt:

Wann, wenn nicht in diesem Fall, soll denn bitte die Höchststrafe verhängt werden?

Einen wichtigen Punkt erwähnen Stenzel in seinem Kommentar und Reichelt in seinem Kommentar zum Kommentar interessanterweise überhaupt nicht: Im Prozess von Freiburg wurde jemand “für immer weggesperrt”, die Gesetze geben es also bereits her. Der Lebensgefährte von Berrin T., der ebenfalls angeklagt war, bekam zwölf Jahre Gefängnis mit anschließender Sicherungsverwahrung. Der Unterschied zwischen den beiden Angeklagten: Der Lebensgefährte war bereits vorbestraft wegen sexuellen Missbrauchs. Das Gericht entschied daher, dass von ihm als Wiederholungstäter auch weiter eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Für Berrin T. hingegen hat ein Gutachter festgelegt, dass sie nicht pädophil veranlagt sei. Daher sehe man keine Wiederholungsgefahr. Ihr stehe unter anderem deswegen die Chance auf Resozialisierung zu.

Wofür plädiert Christian Stenzel stattdessen in seinem Kommentar? Ein Strafmaß nach dem “gesunden Menschenverstand”? Gesetze und Urteile dem wutgeladenen Bauch nach? “Im Namen des Volkes” heißt nicht: im Namen des Volkszorns.

Aber noch mal zurück zur Resozialisierung: Dass die im Fall von Berrin T. kaum klappen wird, dafür wird die “Bild”-Redaktion schon sorgen, so, wie sie häufig dafür sorgt, dass die Resozialisierung von Straftätern nicht klappt. Sie legt damit heute schon los, indem sie die verurteilte Frau, anders als viele andere Medien, im Blatt und online ohne Verpixelung zeigt.

Wer in Deutschland ein Recht auf Resozialisierung hat, entscheidet laut “Bild” immer noch “Bild” und nicht so ein Pillepalle-Verein wie ein Gericht.

Ach, und eine Bitte noch, Christian Stenzel und “Bild”: Überlegen Sie doch mal, ob Ihnen nicht ein anderer Begriff als das unsägliche Wort “Kinderschänder” einfällt. Warum das im Sinne der Opfer dieser schrecklichen Taten ist, können Sie hier nachlesen.

Reporter-Legende Leyendecker, Trüpels “Zitat”, Stuss-Legende Wagner

1. Hans Leyendecker: Ein Journalist blickt zurück
(ndr.de, Daniel Bouhs)
Investigativ-Journalist Hans Leyendecker kann auf ein bewegtes Reporterleben zurückblicken. Er war an der Enthüllung einiger Skandale beteiligt, darunter die Flick-Parteispendenaffäre und die “Traumschiff-Affäre” um den damaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg Lothar Späth. Im Gespräch mit “Zapp” schaut Leyendecker selbstkritisch und distanziert auf seine Recherchen bei “Spiegel” und “Süddeutscher Zeitung” zurück. Hier gehts zum kompletten Interview (17:48 Minuten).

2. Helga Trüpel und das Zitatrecht
(ipcl-rieck.com, Corinna Bernauer & Lars Rieck)
Das ist fast ein wenig lustig: Die Europaabgeordnete Helga Trüpel hat für die EU-Urheberrechtsreform gestimmt und danach stolz ein Foto eines “FAZ”-Artikels getwittert. Hat sie damit selbst eine Urheberrechtsverletzung begangen oder war dies durch das Zitatrecht gedeckt? Letzteres wäre nur bei wissenschaftlichen Werken gestattet und auch dort nur im erforderlichen Umfang. Der Tweet mit dem Artikelfoto war daher wohl nicht vom Zitatrecht des §51 UrhG gedeckt. Weiteres pikantes Detail: Ein Uploadfilter, wie ihn Frau Trüpel will, hätte vermutlich ihren eigenen Post gelöscht.

3. Über 1.000 nichteuropäische Nachrichtenseiten haben Europa aufgrund der DSGVO geblockt, darunter 1/3 der größten 100 US-Newspublisher
(neunetz.com, Marcel Weiss)
Die seit dem 25. Mai dieses Jahres geltende Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verlangt von deutschen und europäischen Website-Betreibern, sich genauer mit dem Datenschutz zu beschäftigen und die Besucher über die Verwendung der Daten aufzuklären. Viele Nachrichtenpublisher außerhalb Europas haben sich die Sache leicht gemacht und ihre Präsenz für europäische Besucher gesperrt. Der Brite Joseph O’Connor hat mehr als 1000 Nachrichtenseiten ermittelt, die in Europa geblockt sind.

4. Hyperlokal, hypersozial
(taz.de, Miriam Heinbuch)
Haben Straßenmagazine in Deutschland mittelfristig eine Chance oder geraten sie in den Sog des allgemeinen Zeitungssterbens? Der Sozialforscher Ronald Lutz beobachtet die Entwicklung seit Längerem und ist skeptisch, was das Vertriebskonzept der Straßenzeitungen angeht: “Ich glaube, diese Tradition hat auch irgendwann ein Ende, hat auch eine Grenze erreicht, gerade im Zeitalter der Digitalisierung.”

5. Freien-Streik: So wird’s gemacht
(freischreiber.de)
Es kommt nicht oft vor, dass sich freie Journalistinnen und Journalisten einer Zeitung zusammentun und für bessere Bedingungen streiken. Bei der “Eßlinger Zeitung” war dies der Fall und das mit Erfolg: Das Zeilenhonorar sowie Reise- und Aufwandspauschalen wurden deutlich angehoben. Der Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten “Freischreiber” hat sich mit den Kollegen getroffen, um das Geheimnis ihres Streik-Erfolgs zu ergründen.

6. «Was auf meinem Grabstein stehen soll? Lieber du wärst tot als ich»
(verlag.baz.ch, Michael Bahnerth & Erik Ebneter)
Die “Basler Zeitung” hat sich mit Franz Josef Wagner unterhalten, der für seine in eine “Bild”-Kolumne (“Post von Wagner”) gegossenen wirren Gedanken irgendwas zwischen berühmt und berüchtigt ist. Das Gespräch hat stolze dreieinhalb Stunden gedauert. In die Niederschrift des Interviews sind einige biografische Informationen über Wagner eingebettet, der als Chef eines Revolverblatts Schlagzeilen-Pretiosen dichtete wie “Angeber-Wessi mit Bierflasche erschlagen. Ganz Bernau ist glücklich, dass er tot ist”. Empfehlenswert für alle, die das Phänomen Wagner schon öfter kopfschüttelnd bestaunten.

Gerichtlich verboten, Lustig entmündigt, Verlorengegangen

1. AfD-Mitarbeiter lässt Pressebericht verbieten
(deutschlandfunk.de, Thomas Wagner)
Die Stuttgarter Wochenzeitung “Kontext” hatte von Chat-Protokollen eines Mitarbeiters der baden-württembergischen AfD-Landtagsfraktion berichtet, der sich dort rassistisch geäußert haben soll. Dagegen wehrte sich der AfD-Mitarbeiter und beantragte beim Verwaltungsgericht eine Eilentscheidung auf Unterlassung. Begründung: Er sei gar nicht der Urheber des umstrittenen Chatprotokolls. Das Gericht entschied, dass “Kontext” zunächst nicht mehr über das Protokoll in Zusammenhang mit dem Mitarbeiter der AfD-Landtagsfraktion berichten darf. Die Wochenzeitung will nun in einem weiteren Verfahren die Echtheit der Chatprotokolle und die Autorenschaft des AfD-Mitarbeiters beweisen.

2. FDP-Politikerin “im Redaktionsablauf verlorengegangen”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Das “heute journal” (ZDF) beschäftigte sich Ende letzter Woche in einem Beitrag mit dem Armutsrisiko bei Alleinerziehenden. Dort wurde als Beispiel eine 29-jährige Ex-Personalberaterin vorgestellt. Was verschwiegen wurde: Die Frau kandidiert für die FDP im Stimmkreis München-Mitte bei der bayerischen Landtagswahl. Dies sei “im Redaktionsablauf verlorengegangen”.

3. Der Mann, der behauptet, Hillary Clinton sei eine Kindermörderin
(sueddeutsche.de, Alan Cassidy)
Der ultrarechte Amerikaner und “Infowars”-Gründer Alex Jones verbreitet über diverse TV- und Radiosendungen allerlei wüste Verschwörungstheorien und Hetze. Bisher nutzte er dazu auch Soziale Netzwerke wie Facebook oder Youtube sowie Podcast- und Streaming-Plattformen wie Apples iTunes oder Spotify. Da in den USA die Meinungsfreiheit sehr weit ausgelegt wird (und Jones wahrscheinlich ein guter Traffic-Lieferant ist), ließen ihn die Technologiekonzerne einige Zeit gewähren, doch das ändert sich nun.

4. Wann dürfen Polizisten zu Hackern werden?
(spiegel.de, Patrick Beuth)
Seit ungefähr einem Jahr dürfen Strafverfolger in Deutschland heimlich in Computer und Smartphones eindringen, um Überwachungssoftware zu installieren. Dies wirft einige rechtliche Fragen auf und erzeugt Kritik. Gleich drei Organisationen wollen sich deshalb an das Verfassungsgericht wenden: Der Verein Digitalcourage, die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) sowie mehrere FDP-Politiker. Zu den Beschwerdeführern der GFF gehören die Journalisten Hajo Seppelt und Can Dündar, die davon ausgehen, immer wieder Ziel von Angriffen mit Überwachungssoftware zu sein.

5. Scheinriesen vor der Kamera
(faz.net, Hans Hütt)
Hans Hütt hat sich die letzten Sommerinterviews von ARD und ZDF angeschaut, und was er da gesehen hat, gefällt ihm gar nicht. Das Format sei zur Masche verkommen, das die entscheidenden Fragen umschiffe: “Das braucht niemand. Da kann man es auch gleich lassen.”

6. Rentner lustig entmündigt
(taz.de, Jean-Philipp Baeck)
Einige Medien berichteten mehr oder weniger launig über die beiden aus dem Altersheim “ausgebüxten” Männer, die das Wacken-Festival besuchen wollten und von der Polizei zurückeskortiert wurden. Jean-Philipp Baeck hinterfragt die dahinterstehende Denkweise und hat sich auch bei Polizei, Juristen und Medizinern umgehört.

“Bild”-Brückenbauer von #aufstehen zum Nationalsozialismus

Die Friedensbewegung. Die Anti-Atomkraft-Bewegung. Die Bewegung Podemos in Spanien. Die Lesbenbewegung. Die Bewegung Occupy Wall Street. Die Tierrechtsbewegung. Emmanuel Macrons En Marche in Frankreich. Die Schwulenbewegung. Die Bürgerrechtsbewegung in den USA. Die Frauenbewegung. Die Arbeiterbewegung. Die Bewegung Pulse of Europe.

Und? Denkt hier jetzt auch gerade jeder an die Nazis unter Adolf Hitler?

Vermutlich nicht. Einer aber schon: Michael Wolffsohn. Der ist Historiker, darf öfter mal in “Bild” schreiben und äußert sich derzeit in den “Bild”-Medien (bei Bild.de hinter der Bezahlschranke) zur neuen Bewegung #aufstehen von und mit Sahra Wagenknecht:

Screenshot Bild.de - Sahra Wagenknecht - Wie rechts ist ihre linke Bewegung?

Wolffsohn weiter: “Wenn ich ‘BEWEGUNG’ höre, klingeln bei mir alle Alarmglocken. Die Nazis legten seinerzeit auch Wert darauf, keine herkömmliche Partei zu sein, sondern ‘Bewegung’. Wissen das Wagenknecht und ihre Mit- plus Nachläufer nicht? Wollen sie ganz bewusst und scheinbar unverfänglich solche Gedankenverbindungen herstellen? Wollen sie damit signalisieren, dass sie die bessere AfD wären? Also eine Partei der “Kleinen Leute”. “Sozial. Und natürlich (siehe “Bewegung”) national. Also national-sozial.

Da sich Frau Wagenknecht als Sozialistin bezeichnet, bewirkt das phrasenhafte Mischmasch des Internetauftritts auch ohne Gedankenkrücken wohl nicht zufällig Gedankenbrücken zum Begriff “National-Sozialismus” oder gar Nationalsozialismus. Davon hatten Deutschland und die Welt genug. Selbst ohne Krieg und Holocaust nie wieder das!

Manche Website-Akteure dienen wissentlich oder nicht der “Bewegung” als Tarnmittel: Die Journalistin Nada “mit syrischen Wurzeln”. Oder der farbige DJ René. Pastor Kurt sorgt für “Christlichkeit”, wobei daran erinnert sein (sic), dass vor allem die Evangelische Kirche alles andere als ns-immun war.”

Irgendwo unterwegs muss der Bild.de-Redaktion ein abschließendes Anführungszeichen verloren gegangen sein. Daher ist nich so ganz klar, was alles direktes Zitat von Michael Wolffsohn ist und was paraphrasiert.

Aber auch so kann man sich fragen: Wie bitte? Wolffsohn baut seine “Gedankenbrücken” von #aufstehen in Richtung “national-sozial”, “‘National-Sozialismus'” und “Nationalsozialismus” komplett auf dem Umkehrkurzschluss Nazis = Bewegung, Bewegung = Nationalsozialismus auf. Es gibt ganz gewiss ernstzunehmende Kritik an Wagenknechts Bewegung. Wolffsohns Argumentation aber ist selbst für “Bild”-Verhältnisse bemerkenswert gaga.

Wie ist das denn beispielsweise mit der spanischen Bewegung Podemos? Ebenfalls “national-sozial”, “‘Nationalsozialismus'”, “Nationalsozialismus”? Und Macrons En Marche? Und die ganzen anderen genannten gesellschaftlichen Bewegungen, die sich selbst als Bewegungen sahen und sehen? Wollten und wollen die auch “ganz bewusst und scheinbar unverfänglich solche Gedankenverbindungen” zu den Nazis herstellen? Und tarnen die sich alle auch nur mit Menschen mit ausländischen Wurzeln und Pastoren?

Die Sache ist “Bild” und Bild.de übrigens nicht einfach nur durchgerutscht. “Bild”-Chef Julian Reichelt findet Michael Wolffsohns Gedanken zu #aufstehen ganz toll:

Screenshot eines Tweets von Bild-Chefredakteur Julian Reichelt - National-sozial. Der großartige Michael Wolffsohn in Bild über die Bewegung von Sahra Wagenknecht. PS: Wer sich für Aufstehen richtig in Stimmung bringen will, sollte sich ein paar Fotos von Regalen in Venezuela anschauen.

Trump unbeschämbar, Untergang interessiert nicht, Insta-Repeat

1. “Journalisten werden die Öffentlichkeit selbst verteidigen müssen”
(zeit.de, Tobias Haberkorn & Dirk Peitz)
Jay Rosen ist einer der führenden Medienwissenschaftler der Vereinigten Staaten und derzeit im Rahmen seiner Arbeit in Deutschland. Die “Zeit” hat mit ihm über die “Washington Post”, Trump und die AfD gesprochen. In Bezug auf den medialen Umgang mit Rechts sieht Rosen die USA als mahnendes Beispiel: “Eine Lehre ist: Wer über Rechtspopulismus einfach nur berichtet, wird ein Teil von ihm. Es reicht nicht aus zu sagen: “Das ist passiert, also berichten wir darüber.” Eine andere Mahnung lautet: Weil Trump ein völlig schamloser Politiker ist, ist es unmöglich, ihn mit irgendetwas zu beschämen. Es bringt nichts, ihm vorzuhalten, wie viel negatives Feedback er für diese oder jene politische Maßnahme bekommen würde. Denn Trump lebt von der Kontroverse. Gewissermaßen lebt er sogar vom Hass gegen ihn, denn der hilft ihm, das Land weiter zu polarisieren. Wenn ein Medium nicht zu einem Teil der rechtspopulistischen Agenda werden möchte, dann muss es eine eigene reporting agenda entwickeln und öffentlich machen.”

2. Amazon nimmt Nazi-Symbole aus dem Sortiment
(wired.de)
Auf Druck von Anti-Rassismus-Vereinigungen dürfen Drittanbieter bei Amazon keine Produkte mehr verkaufen, die Symbole der Nazis und anderer Hassgruppen aufweisen. Amazon hat seine Regeln überarbeitet und will derlei Produkte zukünftig aus dem Angebot entfernen. Das wurde aber auch höchste Zeit, möchte man der Meldung hinterherseufzen.

3. Die Katastrophe hätte verhindert werden können
(spiegel.de, Georg Diez)
Georg Diez fragt sich in seiner aktuellen Kolumne über die Folgen des Klimawandels, wie es sein kann, “dass der Untergang der Menschheit so wenig Interesse erweckt und die Titelseiten sich in dieser Woche, wie in den Wochen und Jahren zuvor, eher mit der Partymetropole Berlin oder dem Elend der Patchwork-Familie beschäftigen als mit der im Grunde einzigen und überwölbenden und schrecklichen Realität unserer Zerstörung des Planeten”.

4. Zahlen, bitte!
(taz.de, Daniel Bouhs)
Google arbeitet schon seit Jahren intensiv mit Medien zusammen, unterstützt Verlage und Start-ups mit Millionensummen und spendiert Stipendien für DatenjournalistInnen. Natürlich nicht uneigennützig: JournalistInnen sollen ihre Datenbanken so aufbereiten, dass Google sie versteht. Wie es zum Beispiel bei der Zusammenarbeit mit dem deutschen Recherchebüro “Correctiv” geschah.

5. Feindselig
(faz.net, Ursula Scheer)
Ursula Scheer beschäftigt sich in der “FAZ” mit Trumps gebetsmühlenartig vorgetragener Medienschelte: “Fake News sind für Trump, was Trump zu Fake News erklärt. Die immer neuen Runden, in denen er mit solch tautologischen Manövern das Publikum und die Medienschaffenden wie am Nasenring durch die Manege führt, dienen seinem Zweck: Sie ermüden, sie verwirren, sie lassen es am Ende so aussehen, als wüsste wirklich niemand, was Fakt und was Fake ist, oder als wäre das letztlich ohnehin egal, weil der große Volkstribun immer recht hat. Dafür gibt es auch eine Bezeichnung, eine ganz sachliche. Sie lautet: “demokratiefeindlich”.”
Weiterer Lesehinweis: Horst Seehofer will künftig twittern — weil die Medien so gemein zu ihm sind (vice.com, Christina Hertel)

6. Das Bild kenn ich doch
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Marc Baumann)
Viele Motive und Bildkompositionen auf Instagram wiederholen sich auf geradezu ernüchternde Weise: Ob die baumelnde Füße über der Schlucht, der Schuss aus dem Zelt oder der nachgestellte Caspar David Friedrich. Der Account “insta_repeat” stellt besonders beliebte Motive als Bildreihungen vor, was, wie Marc Baumann zu Recht anmerkt, zugleich traurig und sehr witzig ist.

“Kontext”-Maulkorb, Rechtsdrehende Soundcloud, Fotografierverbot nötig?

1. Magazin “Kontext” wehrt sich gegen Maulkorb
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz)
Die “Kontext Wochenzeitung” ist von einem Mitarbeiter eines AfD-Landtagsabgeordneten verklagt worden, über den das Magazin berichtet hatte, weil er in einem Chat rechtsradikale Nachrichten geschrieben haben soll. Nun will der AfD-ler erreichen, dass entsprechende Berichte anonymisiert oder aus dem Netz genommen werden. Der “Deutschlandfunk” hat mit “Kontext”-Anwalt Markus Köhler über den Prozess gesprochen. Seine Erwartung an das Urteil: “Nun ja, das Gericht wird aus unserer Sicht klarstellen, dass Menschen, die im Landtag politisch arbeiten, sich der öffentlichen Diskussion stellen müssen.”
Weiterer Lesetipp zum Thema: Verdacht im Chat (SZ.de, Wolfgang Janisch) mit einer Prognose des zuständigen Richters, der es für möglich hält, dass es nach dem heute erwarteten Urteil noch lange weitergehen könnte. Eine mögliche BGH-Entscheidung prognostiziert er für das Jahr 2025.

2. Soundcloud ist voll von rechtsextremer Musik und verfassungsfeindlichen Symbolen
(motherboard.vice.com, Nico Schmidt)
“Motherboard” hat auf Soundcloud massenhaft rechtsextreme Musik und verfassungsfeindliche Symbole entdeckt. Der Vorwurf an den Musikstreamingdienst: Er entferne zwar gesetzeswidrige Inhalte, gehe aber nicht proaktiv gegen sie vor. Man habe Soundcloud gefragt, warum dort nicht Filter dafür sorgen, dass zweifelsfrei verbotene, indizierte Lieder wie das Horst-Wessel-Lied gar nicht erst hochgeladen werden können, jedoch keine Antwort erhalten.
Dazu thematisch passend: Bann gegen Hassrede: Spotify nimmt Alex Jones aus dem Programm (faz.de).

3. Gefährliche kremlkritische Recherchen
(taz.de, Simone Schlindwein)
Im Auftrag des vom kremlkritischen Oligarchen Chodorkowski finanzierten Zentrums für Recherchemanagement (ZUR) reisten drei erfahrene russische Reporter in die Zentralafrikanische Republik. Ihr Vorhaben: Material über die dubiose russische Sicherheitsfirma PMC Wagner sammeln, die unter anderem eine Söldnerarmee unterhält. Bei einer nächtlichen Autofahrt gerieten die Reporter in einen Hinterhalt und wurden erschossen. Zentralafrikanische Quellen nennen Raub als Motiv, kremlkritische russische Journalisten spekulieren über andere Gründe.

4. Migration: So will das Auswärtige Amt Menschen von der Flucht nach Deutschland abbringen
(netzpolitik.org, Chris Köver)
Mit der Website “Rumours about Germany” will die Bundesregierung Migranten aufklären und die Gerüchte der Schlepper richtigstellen. Um Abschreckung ginge es dabei ausdrücklich nicht, so die Bundesregierung. Netzpolitik.org berichtet nun von internen Konzepten, die Gegenteiliges vermuten lassen: Die Kampagne verfolge sehr wohl das Ziel, Menschen von der Flucht abzubringen oder zur Rückreise zu bewegen — auch mit Hilfe von Influencern.

5. Universalcast #10: Warum Radio manchmal doch besser ist als Spotify
(soundcloud.com/cjakubetzuser, Christian Jakubetz, Audio, 30:46 Minuten)
Im Rahmen seines “Universalcasts” hat sich Christian Jakubetz mit zwei Radio-Profis unterhalten: der Radio-Legende Werner Reinke (HR1) und Marion Kuchenny, einer der bekanntesten Frauen der aktuellen HR-Moderatorinnen-Riege. Es geht um das Radio von heute und das der Zukunft. Und die Frage, warum Radio manchmal doch besser ist als Spotify.

6. Fordert der Datenschutz ein Fotografierverbot auf Schulfesten?
(internet-law.de, Thomas Stadler)
Berufen sich Schulen und Kindergärten zu Recht auf die DSGVO, wenn sie zum Beispiel ein Fotografierverbot auf Schulfesten aussprechen, wie jüngst geschehen? IT-Rechtler Thomas Stadler erklärt in einem kurzen Blogbeitrag die Rechtslage.

Wie “Bild” mit Ausländern Rekorde knackt – ein Beispiel

Bei “Bild” haben sie neulich einen Rekord geknackt: Im Juni erreichte die Redaktion mit ihren Artikeln als erste deutschsprachige Website mehr als 5 Millionen Interaktionen in den Sozialen Netzwerken, also zusammengerechnete Likes und Kommentare bei Facebook, Retweets bei Twitter und so weiter. Der Chef dankte dem “ganzen NP-Team”, was wohl “New Platforms” heißen soll:

Screenshot eines Tweets von Julian Reichelt - Dank an Andreas Rickmann, Jakob Wais, Marc Biskup und das ganze NP-Team. Ihr habt es einfach drauf!

Nun ist 5.000.000 erst mal eine (große) Zahl, die nicht zwingend etwas über die Qualität der kommentierten, geliketen und retweeteten Artikel aussagt. Und dass ein Lügenportal wie “jouwatch” im selben Ranking auf Platz 11 liegt oder die Islamhasser von “Politically Incorret” auf Platz 31 oder “RT Deutsch” auf Platz 19 oder “Promiflash” auf Platz 10 oder “Epoch Times” auf Platz 6 oder “Focus Online” auf Platz 4, spricht auch dafür, dass es dort ausschließlich um Quantität geht.

Wie die “Bild”-Redaktion auch zu ihrem Rekord kommt, mit welcher Art von Inhalten sie viele Interaktionen erzielt, und wie diese Inhalte aufbereitet sind, kann man zum Beispiel an diesem Text über Freibäder in Chemnitz und Zwickau beobachten, der am 24. Juli bei Bild.de erschienen ist:

Screenshot Bild.de - Stell dir vor es ist Sommer und ... Keiner geht ins Freibad

Ausgangspunkt des Artikels ist ein Facebook-Post des Betreibervereins des Freibads Crossen in Zwickau. Carol Forster, der Vorsitzende des Vereins, schreibt darin unter anderem:

Hallo Zusammen…

aus aktuellem Anlass hier auf der Facebook Seite des Freibades Crossen ein mehr oder weniger Hilferuf und / oder die Frage: Was können wir noch verändern und/ oder verbessern.

Hintergrund ist jener, dass wie vielleicht Einige von Euch gelesen haben, die derzeitige Besuchersituation in allen Freibädern der Stadt Zwickau, so auch bei uns recht Verhalten ist.

Obwohl wir ja nun schon seit einigen Wochen mehr als nur schönes Badewetter haben.

Woran liegt es:
An den Ferien ?
An den Eintrittspreisen ?
Am Umfeld ?
Am Service ?
Oder hat jetzt jeder einen Mini Pool im Garten ?

Eure Meinung zählt…..

Wir wissen es eben nicht und machen uns nun berechtigte Sorgen wie es weiter gehen soll.

“Bild” und Bild.de griffen die Sache auf. Forster kommt im Artikel zu Wort und sagt, dass “das Freibad als soziokultureller Treffpunkt” verlorengehe:

“Heute verabredet man sich in der WhatsApp-Gruppe, bequatscht so alles — früher war der Treffpunkt das Freibad.”

Roland Mehlhorn, Schwimmmeister aus Annaberg, nennt einen anderen Grund, warum vornehmlich Jugendliche nicht mehr ins Freibad kämen:

“Wenn ihre komischen Wetter-Apps Regen anzeigen, kommen sie nicht. Dabei stimmen die Vorhersagen oft gar nicht!”

Und dann taucht noch ein “Bad-Betreiber aus dem Vogtland” auf, der seinen Namen aber offenbar nicht nennen möchte, jedenfalls bleibt er anonym:

Weiterer Grund für den Besucherschwund: “Es sind andere Gäste da als früher. Jugendliche, auch aus anderen Kulturkreisen, die oft sehr laut sind”, so ein Bad-Betreiber aus dem Vogtland zu BILD.

Jaja, die lärmenden Ausländer wieder.

Das Argument ist allein schon deswegen interessant, weil es auch recht schnell unter dem Facebook-Post des Freibads Crossen auftauchte

Schon einmal darüber nachgedacht, dass es vielen “Einheimischen” unbehaglich ist, von unseren zugereisten Neubürgern begafft zu werden?

… und Vereinschef Forster darauf antwortete, dass es so gut wie keine “zugereisten Neubürger” als Badegäste bei ihnen gebe:

Das ist aber weit weit hergeholt als Argument. Sorry. Erstens haben wir noch fast keine, wie sagtet ihr, Neudeutschen, bei uns gehabt und zweitens ist es immer möglich, gegenüber evtl. Daneben Benehmen einzuschreiten.

All die Leute, die unter dem zum Artikel gehörenden Facebook-Post der “Bild”-Redaktion ihren Ärger, ihre Wut, ihren Hass hinterlassen, juckt so ein Argument natürlich nicht. Sie wollen eben nur ihren Ärger, ihre Wut, ihren Hass hinterlassen:

Screenshot eines Facebook-Kommentars - Es sind andere Gäste da als früher. Jugendliche, auch aus anderen Kulturkreisen, die oft sehr laut sind... mehr Begründung braucht es nicht!
Screenshot eines Facebook-Kommentars - wieso gehen wir nicht ins Freibad? Weil wir keine Lust haben mit 500 anderen Menschen in einem kleinem Becken eingepfercht zu sein. Weil wir keine Lust haben, dass den Kindern ohne Rücksicht auf den Kopf gesprungen wird.
Weil wir keine Lust haben, angepöbelt zu werden. Weil wir keinen gefühlten Auslandsurlaub machen wollen
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Ein neuer Bürger hat im Bad gemeint, meine Frau an Stellen begrabschen zu dürfen, wo er es für richtig hält! Hat er nur einmal gemacht, jetzt geht's nicht mehr! Leider ist das, mal vom Eintritt abgesehen, die Realität... Nein, ich bin kein Rassist, da selbst andere Wurzeln, aber irgendwo gibt's Grenzen!
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Meine Kinder gehen nur aus einem einzigen Grund nicht mehr ins Freibad, wegen der sexuellen Belästigungen, die sie durch kulturfremde Menschen erfahren haben.
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Das Freibad ist nicht mehr das was es war...ein erholungsort eine Oase zum Abkühlen.Respekt und Anstand herrschte mal und die Kinder und Frauen waren sicher.
Das war einmal ....die Gäste haben sich geändert und das ist der Preis der Toleranz
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Komisch das es in wirklich JEDEM Bereich Probleme mit den Bereicherern gibt und wir aber offiziell kein Problem haben. Schließt die Bäder und gut ist, so wie im Moment nutzen sie zumindest keinem Einheimischen etwas. Und das sind die welche den Spass finanzieren.
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Wenn ich mit meinem Mann ins Freibad gehen würde, würde mein Mann im 10 Minütigen Takt dort Backpfeifen verteilen bei dem Volk das dort teilweise rum läuft und meinen die dürften hier alles! Ne , da sind wir sowas von raus. und mit dem Handy hat es rein garnichts zu tun
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Ja, auch ich habe einmal sehr schlechte Erfahrungen in einem Städtischen Bad gemacht. Jugendliche aus anderen Kulturkreisen, ach es ist problematisch
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Nun ja, im Freibad darf man das nicht und jenes nicht. Dann weiß man nicht wer als Handtuch Nachbar auftaucht. Ich kenne viele Frauen und Mädels die da nicht mehr hingehen weil Horden von Neubürger meinen sie sind da Freiwild.

Noch mal: Im Zwickauer Freibad Crossen, um das es im Beitrag geht, sind Menschen mit Migrationshintergrund laut Betreiberverein kein Problem, allein schon, weil kaum da. Eine anonyme Quelle hat diesen Aspekt ins Spiel gebracht, und “Bild” hat ihn in den Artikel gepackt.

Dass es daraufhin im Kommentarbereich der “Bild”-Facebookseite so wirkt, als traue sich kaum noch jemand ins Freibad, weil dort “Bereicherer”, “neue Bürger”, “Jugendliche aus anderen Kulturkreisen” lauern, ist umso erstaunlicher, wenn man sich aktuelle Meldungen zu Besucherzahlen von Freibädern im Rest Deutschlands anschaut:

Aachen — Rekord!
Elmshorn — Rekord!
Grevesmühlen — Rekord!
Unna — Rekord!
Wermelskirchen — Rekord!
Ganderkesee — Rekord!
Saarlouis — Rekord!
Rastede — Rekord!
Siegburg — Rekord!
Leipzig — Rekord!
Ratingen — Rekord!
Tarp — Rekord!
Hannover — Rekord!

Das ließe sich noch eine ganze Weile fortführen.

Apropos Rekord: Bis jetzt hat die “Bild”-Redaktion mit ihrem Artikel zum Freibad in Crossen nur bei Facebook über 10.700 Interaktionen erzielt. Allein der Facebook-Post des “Bild”-“NP-Teams” wurde 2197 Mal kommentiert, 936 Mal geteilt, 1725 Mal geliket. Dazu kommen zahlreiche Interaktionen durch AfD-Accounts und -Politiker. Es braucht eben nur Ausländer, schon läuft das mit dem Rekord in den Sozialen Netzwerken.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Jens Schröder hat den Fall bei “Meedia” ebenfalls schön aufgedröselt:

Wörterbuch der Hetze, Tele 5 und der Youtube-Abschieds-Diss, Abofalle NYT

1. Dem Verschwinden entgehen
(blogs.taz.de, Andreas Bull)
Die Auflage der gedruckten “taz” ist derzeit erschreckend niedrig: Die Rede ist von gerade einmal 26.500 Abos zu regulären Preisen. Geschäftsführer Andreas Bull erklärt im “taz Hausblog”, warum er trotz dieser Zahlen keinen Grund für Panik sieht.

2. Tele 5 kehrt Youtube mit bitterbösem Diss-Rap den Rücken
(horizont.net, David Hein)
Tele-5-Boss Kai Blasberg kehrt Youtube den Rücken und lässt alle sender-eigenen Inhalte bei der Videoplattform löschen. Alle bis auf einen bitterbösen Abschiedsgruß in Form eines Musikvideos … In einem Sprechpart (ab Minute 3:00) erklärt Blasberg dem Netzwerk seine Beweggründe, die er mit allerlei Rapper-Freundlichkeiten anreichert: “Bist Du doch, Badewanne des Rechtsbruchs, ein Meer der Schändlichkeit und des Verrats, die Pissnelke unter allen elektronischen Medienwegen.”

3. Deutsch-Rechts/Rechts-Deutsch
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Rechte und Rechtsextreme bedienen sich eines besonderen Empörungsvokabulars, das gelegentlich nicht auf Anhieb zu verstehen ist. Sascha Lobo erklärt im Übersetzungsleitfaden “Deutsch-Rechts/Rechts-Deutsch” die wichtigsten Begriffe. Es geht dabei auch um Hetzvokabeln wie “Goldstücke”, “Remigration” und “Umvolkung”.

4. Auslandsberichterstattung: “Den Satz ‘Davon habe ich keine Ahnung’ braucht man gar nicht erst in den Mund zu nehmen”
(fachjournalist.de, Ulrike Bremm)
Im Interview mit dem “Fachjournalist” erzählt der Auslandskorrespondent Christian F. Trippe über seinen Alltag, welche Voraussetzungen man für den Job mitbringen sollte und wie es um die Zukunft seiner Zunft bestellt ist. Trippe empfindet seine Auslandsjahre als Bereicherung. Schwierig werde es jedoch gelegentlich bei der Rückkehr: “Zurückgehen ist schwerer als rausgehen. Du musst dich wieder einfädeln, du selbst hast dich verändert, die handelnden Personen und die Redaktionsstrukturen haben sich verändert. Das ist eine Herausforderung. Du bist quasi ein Redakteur mit Migrationshintergrund.”

5. Erzählt mir nix über großartigen Journalismus
(facebook.com, Michael Praetorius)
Der Publizist Michael Praetorius ist vom Umgang der “New York Times” mit ihren Lesern und Leserinnen enttäuscht. Der Abschluss eines Abos der vielgerühmten überregionalen Tageszeitung sei online binnen weniger Sekunden vonstatten gegangen. Die Hürden bei einer Kündigung seien jedoch ungleich höher. Diese erfordert nämlich den umständlichen Anruf bei einer Hotline und das persönliche Aussprechen der Kündigung. “Das ist kein sehr hohes Vertrauen in ein gutes Produkt. Wichtigste Kennzahl digitaler Geschäftsmodelle ist das Wissen darüber, ob Nutzer oft und gerne wiederkommen. Dazu gehört auch das Verständnis, dass man einen Dienst jederzeit kündigen oder pausieren kann. So zerstört man Kundenvertrauen. Erzählt mir nicht, dass man mit Digitaljournalismus kein Geld verdient, solange Verlage nicht die Basics verstehen.”

6. John Oliver zertrümmert den Wiedergutmach-Werbespot von Facebook
(rollingstone.de)
In einer groß angelegten Werbe-Kampagne will Facebook verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen und sich von den Fehlern der Vergangenheit reinwaschen, unter anderem auch über ein Mea-Culpa-Filmchen. Der Satiriker John Oliver hat den Facebook-Spot für seine Late-Night-Show “Last Week Tonight” nachproduziert.

Journalistische Rechtslust, Igel an den Orgeln, Herr des Türenzischens

1. Populismus und Appeasement
(journalist-magazin.de, Michael Kraske)
Der “journalist” hat seine aktuelle Titelgeschichte online gestellt. Michael Kraske führt in dem längeren Lesestück aus, wie der Rechtspopulismus auch den Journalismus erreicht: “Magazine entdecken die Lust an Krisen- und Untergangstiteln. Bild schürt wieder Ängste gegen Minderheiten. Polit-Talker treten als Volkes rechte Stimme auf, und Redakteure werben für einen verständnisvollen Umgang mit der AfD. Derweil geht das Sterben im Mittelmeer weiter. Journalisten sind dabei, Grundwerte preiszugeben. Das dürfen wir nicht zulassen.”

2. „Ohne Igel an den Orgeln“
(taz.de)
Die “taz” startet ihren traditionellen “Unterbringwettbewerb”, bei dem ein vorgegebener Nonsense-Satz in einen Zeitungsartikel, eine Radiosendung, ein Fernsehstück oder einen Internetbeitrag geschmuggelt werden muss. Je ernsthafter, desto besser! Dieses Jahr lautet der Satz: “Ohne Igel an den Orgeln keine Orgien in Georgien.” Einsendeschluss ist der 4. Oktober 2018.

3. Wisch und weg?!?
(spiegel.de, Margarete Stokowski)
Margarete Stokowski knöpft sich in ihrer neuen “Spiegel”-Kolumne die Kritiker der aktuellen Rassismus-Debatte vor: “Die aktuelle Diskussion über Özil und #MeTwo lässt sich auf die doch etwas jämmerliche Frage reduzieren: Gibt es in Deutschland mehr Rassismus als Deutsche wahrnehmen, die von Rassismus nicht betroffen sind? Das ist für diejenigen, die Rassismus erfahren, eine Frage der Sorte “Ist der Papst katholisch?” und für andere ein richtig schönes Debattenthema. Es scheint für einige Leute naheliegender, dass sehr viele Menschen, die ein Ü, Y oder Z im Namen tragen, paranoid sind und sich Diskriminierung einbilden, als dass sie selbst etwas nicht mitgekriegt haben.”

4. “Journalisten leben eben auch in einer Blase”
(ndr.de, Caroline Schmidt, Video, 8:18 Minuten)
Die Moderatorin des Schweizer Fernsehens (SRF) Susanne Wille spricht im “Zapp”-Sommerinterview über journalistische Haltungen, ihr Eintreten für den Schweizer Rundfunk und den Sinn einer emotionalen Debatte.

5. Papierzölle gefährden US-Presse
(deutschlandfunk.de, Sebastian Schreiber)
Eine Papierfabrik im amerikanischen Bundesstaat Washington hat darüber geklagt, dass kanadische Produzenten subventionsbedingt billiger anbieten könnten. Darauf hat die Trump-Regierung höhere Einfuhrzölle für kanadisches Papier verhängt. Was die amerikanische Papierindustrie stärkt, schwächt jedoch eine andere Branche: Die eh schon angeschlagene amerikanische Zeitungsindustrie. Sind die neuen Zölle ein gezielter Angriff auf die US-amerikanische Pressefreiheit?

6. Der Herr des Türenzischens ist tot
(golem.de, Tobias Költzsch)
Der US-amerikanische Sounddesigner Doug Grindstaff ist im Alter von 87 Jahren gestorben. Wenn Sie von Grindstaff noch nie etwas gehört haben, trifft dies wahrscheinlich nur teilweise zu: Er hat die Klangkulisse für die Star-Trek-Serie aus den Sechzigern (“Raumschiff Enterprise”) kreiert. Von ihm stammen unter anderem bekannte Sounds wie das Zischen der Türen, die Sirenen für den roten Alarm, das Piepen der Kommunikatoren sowie das Geräusch, das die Transporter der Enterprise machen.

Blättern:  1 ... 240 241 242 ... 1144