Glyphosat-Berichterstattung, Sinnlose Sonntagsfrage, Notgeile AfD-Werbung

1. Wie Medien mitbestimmen, was ein Risiko ist: Der Fall Glyphosat
(medienwoche.ch, Martha Kuhnhenn)
Im ersten Teil einer Serie zu aktueller kommunikationswissenschaftlicher Forschung geht es um den medialen Umgang mit dem umstrittenen Herbizid Glyphosat. Für die Kommunikationswissenschaft und den Journalismus würden sich die gleichen Fragen stellen: “Welche Akteure kommen überhaupt zu Wort? Welche Akteure haben eine zentrale Machtposition? Wessen Argumente werden von Journalisten aufgegriffen? Welche Ressourcen verhelfen Akteuren zu (Deutungs-)Macht im Diskurs?” Daher sei die Offenlegung aller Interessen bei gesellschaftlich relevanten Risiken eine Kernaufgabe des Journalismus.

2. Wöchentlich grüßt die Sonntagsfrage
(taz.de, Hanna Lohoff)
Die Ergebnisse von Wahlumfragen sind bei vielen Medien äußerst beliebt und werden gern und oft veröffentlicht. Dabei sind die Zahlen mit größter Vorsicht zu genießen. Häufig würden sie mit einer Prognose verwechselt, sind ungenau oder wegen ihrer minimalen Schwankungen schlicht nicht von Nachrichtenwert.

3. Eine AfD-Wahlwerbung und ihre notgeile Geschichte
(schantall-und-scharia.de, Fabian Goldmann)
Der Politik- und Islamwissenschaftler Fabian Goldmann hat sich mit der Geschichte und Bedeutung des orientalistischen Gemäldes beschäftigt, mit dem die AfD in Berlin Europawahlkampf macht. Mit der Bildauswahl würden die Rechtspopulisten vor allem etwas über ihre eigenen Sex- und Gewaltfantasien verraten. Goldmanns Resümee: “(…) aus der Geschichte lernen, wie es die AfD auf ihrem Wahlplakat schreibt, lässt sich mit Gérômes “Sklavenmarkt” tatsächlich. Nicht etwas über die der arabisch-islamischen Welt. Aber darüber, wie sehr unser Blick auf den “Orient” auch noch heute von Klischees geprägt ist. Nichts über lüsterne und gewalttätige Araber. Aber darüber, wie die Sex- und Gewaltfantasien von Europäern unseren Blick auf eine großen Teil der Welt verfälschen können.”

4. Grindel kann nicht zurück zum ZDF
(faz.net)
Lange Zeit hieß es, der nach Korruptionsvorwürfen zurückgetretene DFB-Präsident Reinhard Grindel könne aufgrund eines gesetzlich geregelten Rückkehrrechts wieder bei seinem ehemaligen Arbeitgeber, dem ZDF, arbeiten. Doch nun revidierte der Sender seine zuvor vertretene Rechtsauffassung: Grindel habe kein Rückkehrrecht.

5. Empörio Amani
(zeit.de, Mely Kiyak)
“Zeit Online”-Kolumnistin Mely Kiyak beschäftigt sich mit dem Streit zwischen der Komikerin, Schauspielerin und Moderatorin Enissa Amani und der TV-Kritikerin Anja Rützel: “(…) natürlich ist die Beurteilung von Humor keine alleinige Angelegenheit von Geschmack, sondern hat Regeln und Filter. Das unterscheidet die Meinung, den Like, das Herz und den Daumen von der professionellen Kritik. Rützel sei nicht konstruktiv, klagte Amani. Auch das ist ein seltsames Missverständnis unserer Zeit. Kritik ist kein Seminar dafür, wie man etwas besser macht. Es handelt sich hier um kein DIY-Ding, es gibt auch keine Infobox. Kritik ist Kritik.”
Weiterer Lesetipp: Im “Deutschlandfunk” zeigt sich die Feuilleton-Chefin der “Süddeutschen Zeitung”, Sonja Zekri, erstaunt von Amanis “enormer Humorlosigkeit”.

6. Die Top 30 Magazine – sechs sind im Plus
(wuv.de, Susanne Herrmann)
Die neuesten Auflagenzahlen der IVW für das erste Quartal 2019 bestätigen den Abwärtstrend bei Magazinen: Von den Top 30 sind 24 im Minus und nur sechs im Plus. “W&V” zeigt die wichtigsten Gewinner und Verlierer. Besonders schlimm habe es “Stern” und “Focus” mit zweistelligen Minuswerten getroffen.

Boris Palmer: Den Rassismus beim Namen nennen

Ist Rassismus weniger schlimm, wenn er von einem Grünen-Politiker kommt? Oder sind die meisten Medien der Ansicht, dass es sich bei Palmer in Wahrheit ja gar nicht um Rassismus handeln kann, weil er eben Palmer ist? Der provoziert nun mal gern. Der übertreibt es halt manchmal. Das ist ungefähr das, was deutschen Medien gerade zu Boris Palmers rassistischem Post über eine Bildcollage der Deutschen Bahn einfällt. Und nicht etwa, dass es ein rassistischer Post ist.

Muss man tatsächlich noch darüber diskutieren, ob eine Aussage rassistisch ist, die Hautfarbe per se mit “andere Herkunft” gleichsetzt? Oder dass es nicht-weiße Menschen sind, die in Werbung und Medien eklatant unterrepräsentiert sind? Und dass man weißen Menschen keinen Schaden zufügt, wenn sie einmal nicht in der Mehrheit sind? Ist es tatsächlich erklärungsbedürftig, dass man Menschen rassistisch angreift, wenn man faktisch eine Hautfarbe als erwünscht darstellt und andere nur, wenn sie unter einer Art Obergrenze verschwinden? Muss es immer so weit kommen, dass einer der direkt Angegriffenen sich persönlich zu Wort meldet, bis überhaupt über Rassismus gesprochen werden kann?

Bevor Sternekoch Nelson Müller sich persönlich diskriminiert und „tief bestürzt“ durch Palmers „rassistisch anmutende Äußerungen“ zeigte, stellte “Spiegel Online” die ganze Sache noch auf eine Stufe zu Palmers Frotzeleien gegen die Hauptstadt: “Palmer hatte in der Vergangenheit immer wieder für Kontroversen gesorgt. So sagte er beispielsweise über die Bundeshauptstadt Berlin: ‚Wenn ich dort ankomme, denke ich immer: ‘Vorsicht, Sie verlassen den funktionierenden Teil Deutschlands'”.

All das, was Theaterautor, Blogger und Marketingexperte Johannes Kram schon so gemacht hat, würde nicht in diese Box passen. Deswegen hier unvollständig und im Schnelldurchlauf: Nicht nur, aber auch wegen seiner Medien-Kampagne ist Guildo Horn zum “Eurovision Song Contest” gekommen. In seinem neuen Buch “Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber” prangert er die “schrecklich nette Homophobie” auch in den Medien an. Für seinen “Nollendorfblog” bekam er eine Nominierung für den “Grimme Online Award”, er selbst erhielt 2018 den Tolerantia Award. Und mit “Seite Eins — Theaterstück für einen Mann und ein Smartphone” hat er Boulevard-Kritik auf die Bühne gebracht. Dafür ein herzliches Dankeschön vom BILDblog.

So sieht das Fazit in fast allen Berichten aus: Der will doch nur spielen, einen raushauen. Kann sein. Aber ist das so wichtig, warum Palmer das macht? Ist es nicht viel wichtiger, was er da macht? Warum fällt es deutschen Medien so schwer, das zu benennen? Warum taucht das Wort Rassismus so gut wie nicht auf? Und wenn, dann fast nur als der Vorwurf seiner Gegner, also derer, denen Palmer sowieso suspekt ist? So, als ob das eigentliche Problem eines solchen Posts das ist, wer parteipolitisch davon gerade profitiert? So, als ob die eigentliche Nachricht ein Streit unter Politikern ist und nicht die Tatsache, dass da gerade ein Politiker Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe abspricht, Deutsche Wirklichkeit zu repräsentieren. Oder zumindest nicht, wenn es zu viele davon sind.

Über “Bild” braucht man in der ganzen Sache eigentlich gar nicht reden. Muss man aber trotzdem. Natürlich nutzen die Leute von “Bild” auch dieses Ereignis, um die Messlatte für Rassismus noch weiter nach unten zu ziehen. „Boris ist eine eitle Krawallnudel aber kein Rassist. Und die Deutschen haben nicht zu 80 Prozent Migrationshintergrund. Können wir uns darauf einigen?“, twittert Nikolaus Blome. Rassistisches doch mal eben so sagen zu wollen und gleichzeitig damit durchzukommen, kein Rassist zu sein, ist seit gestern noch salonfähiger geworden. In “Bild” hatte Blome zuvor sogar die Sichtbarkeit von Nicht-Weißen in der öffentlichen Wahrnehmung selbst zum Problem erklärt, wenn diese nicht der tatsächlichen Repräsentanz in der Bevölkerung entspricht: „Der Kampf gegen alltägliche Diskriminierung ist auch in Deutschland längst nicht gewonnen. Traurig, aber wahr. Doch mit einseitigem Überbetonen ist auch niemandem gedient. Das wirkt nur lächerlich.“ Nicht die Regel, in der People of Colour fast immer unterrepräsentiert sind, machen also Rassismus, sondern die eine Ausnahme, in der das nicht so ist. Mit dieser Logik schafft sich “Bild” eine lupenreine Rassismus-Formel, da jeder Versuch, Rassismus dadurch zu bekämpfen, immer öfter auch nicht-weiße Menschen sichtbar zu machen, dadurch skandalisiert werden kann, dass es hier eine Art Bevorzugung gäbe.

Wo “Bild” offen Rassismus schürt, fällt es anderen Medien schwer, Rassismus überhaupt zu benennen. Ist der Rassismus in der Geschichte etwa so abwegig? Oder so unwichtig? Oder ist das Eis einfach zu dünn, wenn man über Rassismus schreiben muss? „Palmer hat offenbar ein Problem damit, dass vier der fünf Bilder keine Nord- oder Mitteleuropäer zeigen, sondern Menschen mit dunkleren Hautfarben“, meint etwa “RP Online”, so, als ob es keine Nord- oder Mitteleuropäer mit dunkler Hautfarbe gebe.

„Ob Enteignung, Erziehung von Zuwanderern oder Multikulti-Werbekampagnen – Boris Palmer provoziert. Das Tübinger Stadtoberhaupt sucht Streit. Meist sehr zum Leidwesen seiner Partei“, beginnt heute.de seinen Bericht und kommt bis zum Ende kein einziges mal auf die Idee, dass das eigentliche Leid die Minderheiten trifft, die die Opfer seiner Ausgrenzungen sind.

Wieso steht eigentlich bei der rassistischen Entgleisung eines AfD-Politikers die rassistische Entgleisung im Vordergrund der Berichterstattung, während es hier bei einem Grünen-Politiker vor allem die — wie suggeriert wird — überbändige Reaktion darauf ist? Lautete die Durchschnittsüberschrift damals „Gauland beleidigt Boateng“, heißt es heute „Shitstorm gegen Boris Palmer“. Der Arme. Meinetwegen will er nur spielen. Meintewegen will er nur provozieren. Aber ganz offensichlich will er eben rassistisch spielen und provozieren. Was muss Palmer eigentlich noch alles machen, dass er von deutschen Medien endlich als Rassist wahrgenommen wird?

Die Bank, die einen füttert, beißt man nicht

Die Smartphone-Bank N26 gilt — mit einer Unternehmensbewertung von stolzen 2,3 Milliarden Euro — als eines der erfolgreichsten Start-ups der europäischen Finanzbranche. Doch seit ein paar Wochen steht das Berliner Unternehmen immer wieder in der Kritik.

Zuerst wurden einem Kunden 80.000 Euro von seinem Konto gestohlen; dann wurde bekannt, dass hunderte N26-Konten zur Geldwäsche genutzt worden sein sollen; zudem bekam die Bank Ärger mit dem Berliner Datenschutzbeauftragten, wurde von Kunden für ihren schwer erreichbaren Kundenservice kritisiert und jüngst sogar von der Finanzaufsicht BaFin gerüffelt. Entsprechend häufig ist N26 derzeit in den Schlagzeilen:

Schlagzeilen verschiedener Medien: Bei N26 häufen sich die Probleme, Schwarze Listen: So bekam N26 Ärger mit Datenschützern, Gefäschte Online-Shops sollen über N26 Geld gewaschen haben, Pannen bei gefeierter Online-Bank, N26: Konto leergeräumt - Bank nicht erreichbar, N26-Konten sollen zur Geldwäsche missbraucht worden sein, N26-Kunde werden 80.000 Euro vom Konto geklaut - die bank reagiert ganz schwach, N26 gerät ins Visier der Finanzaufsicht, Finanzaufsicht drängt Onlinebank zu Nachbesserungen, Deutliche Warnung für die Smartphone-Bank N26

Das “Handelsblatt” berichtete, die “Süddeutsche Zeitung”, der “Spiegel”, die “Stuttgarter Zeitung”, “Focus Online”, n-tv.de, Stern.de und viele mehr. Selbst internationale Medien griffen die Geschichten auf.

Nur die “Bild”-Medien bleiben ungewöhnlich still. Bis heute ist weder in der gedruckten noch in der Online-Ausgabe auch nur ein Satz zu den Vorgängen rund um N26 erschienen.

Eine der wertvollsten Banken des Landes wird massiv kritisiert, es geht um Mängel, Betrügereien, Geldwäsche — eigentlich ein gutes Thema für “Bild”, doch das Blatt bleibt stumm. Auch die “Welt” druckte lediglich einen mickrigen Artikel zu den verschwundenen 80.000 Euro. Sonst nichts. Das wird doch wohl nicht etwa daran liegen, dass der Axel-Springer-Verlag an N26 beteiligt ist?

Mit Dank an Jörg G.!

Missliebige Missbrauchs-Doku, Mächtige InfluencerInnen, Filter-Omen

1. Arte nimmt Missbrauchs-Doku aus dem Programm
(sueddeutsche.de, Benjamin Emonts)
Der Fernsehsender Arte musste eine vielbeachtete Dokumentation über Missbrauch in der katholischen Kirche (“Gottes missbrauchte Dienerinnen”) aus der Mediathek nehmen. Der Grund: Eine Person habe sich nach Angaben des Senders in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt gefühlt und eine einstweilige Verfügung erwirkt. Arte hält die Entscheidung für falsch und prüft die rechtlichen Möglichkeiten.
Weiterer Lesetipp: Matthias Drobinski hat den Film über sexuelle Gewalt gegen Nonnen für Süddeutsche.de rezensiert. Der Film habe Schwächen, doch die Stärke des Films überwiege: “Das Schweigen ist gebrochen.”

2. Neue gegen alte Mediengeneration
(taz.de, Anne Fromm)
Der Komikerin Enissa Amani passte eine Kritik bei “Spiegel Online” nicht, und so keilte sie auf ihren Social-Media-Kanälen heftig gegen die Verfasserin aus. Der öffentlich ausgetragene Streit zeigt auch die neuen Machtverhältnisse. Heutzutage haben InfluencerInnen dank hunderttausender treuer Fans viele Möglichkeiten, sich zu wehren. Amani konstruierte gar einen Kampf gegen die “Mächtigen”, zu denen sie “Spiegel Online” und “Bild” zählt. “taz”-Redakteurin Anne Fromm kommentiert: “Da tönt eine Form der Elitenkritik, die man sonst eher aus der rechten Ecke kennt. Allerdings sind “die da oben” und “wir hier unten” eben nicht mehr so leicht voneinander zu trennen, wenn man, wie Amani, bei Instagram über eine halbe Million Menschen erreicht.”
Siehe dazu auch: Am längeren Hebel (sueddeutsche.de, Quentin Lichtblau).

3. Ende einer Trolljagd – Compact-Magazin scheitert am BGH mit Nichtzulassungsbeschwerde
(kanzleikompa.de, Markus Kompa)
Für Rechtsanwalt Markus Kompa und seinen Mandanten Richard Gutjahr war 2017 ein aufreibendes Jahr: Journalist Gutjahr war ins Visier einiger besonders bösartiger und hartnäckiger Verschwörungstheoretiker geraten, mit ziemlich unangenehmen Folgen für sich und seine Familie. Nun gelang ein wichtiger juristischer Sieg gegen den Verlag des rechtsdrehenden und verschwörerischen “Compact”-Magazins, der von Kompa und Gutjahr in zwei Instanzen erfolgreich verklagt worden war. Weil das OLG Köln hiergegen keine Revision zuließ, habe der Verlag Beschwerde beim Bundesgerichtshof erhoben. Diese sei vergangene Woche vom 6. Zivilsenat des BGH als unbegründet abgewiesen worden. Ein teurer Spaß für das “Compact”-Magazin, so Kompa: “Dieser Rechtsstreit kostet die Gegenseite damit rund 25.000,- €.”

4. Netzwelt-Newsletter: Nach den Anschlägen
(spiegel.de, Sonja Peteranderl)
Nach den Terroranschlägen in Sri Lanka mit mehr als 300 Toten verhängte die Regierung eine Netzsperre und blockierte unter anderem Facebook, WhatsApp, Instagram und YouTube. Der Grund: Man wolle die Verbreitung von Hass und Falschnachrichten eindämmen. Die Blockade wurde im Netz von vielen Menschen positiv aufgenommen und gelobt. Sonja Peteranderl kommentiert: “Dass die Blockade so viel Zustimmung erhält, entspringt dem Gefühl der Ohnmacht, das sich nach globalen Hasskampagnen und live ins Netz übertragenen Anschlägen wie in Christchurch verbreitet hat. Es gibt aber keine einfache Lösung gegen Gewalt. Statt Netzwerke abzuschalten, müssen sie zu einer stärkeren Moderation des Hasses gezwungen werden. Und das bedeutet eben viel Aufwand, Arbeit und Frust, für Konzerne, Regierungen und die Zivilgesellschaft.”

5. Die Geschichten hinter der Forschung erzählen
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 5:10 Minuten)
Beim “Deutschlandfunk” geht es um das Wissenschaftsmagazin “Science Notes”, das vor einem Jahr mit einer Startauflage von 5.000 Stück auf den Markt kam. Die Klaus-Tschira-Stiftung fördere das Magazin für mindestens zwei weitere Ausgaben. Annika Schneider ist äußerst angetan von Inhalten und Aufmachung: “‘Science Notes’ ist ein Designheft, das nicht nur zum Schmökern auf dem Sofa einlädt, sondern sich auch auf dem Couchtisch gut macht. Das dicke Papier zieren stilvolle Grafiken und außergewöhnliche Schriftarten. So will die Redaktion eine Brücke aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm mitten in die Gesellschaft schlagen.”

6. Omen für EU-Urheberrechtsreform: Uploadfilter sperren Mueller-Bericht
(heise.de, Martin Holland)
Uploadfilter des Webportals Scribd, einer Art YouTube für Dokumente, sperrten den gemeinfreien Abschlussbericht des US-Sonderermittlers Mueller. Kritiker sehen dies als weiteren Beweis für die Fehleranfälligkeit von Uploadfiltern, die nach der EU-Urheberrechtsreform bald notwendig sein dürften.

Darf’s ein bisschen mehr sein?

Zu Beginn der Grillsaison 2017 fragte Bild.de:

Schlagzeile Bild.de: Wie viel Fleisch muss ich pro Gast einplanen?

Die Antwort gab Fleischexperte Werner Braun: Zu beachten sei, …

welche Sorten Sie anbieten wollen: Stark marmoriertes Fleisch wie etwa ein Ribeye-Steak hat einen höheren Fettanteil und sättigt mehr als fettarme Teile wie beispielsweise ein Schweinefilet.

Empfehlung pro Person:

200 bis 220 Gramm

Zu Beginn der diesjährigen Grillsaison schreibt Bild.de:

Schlagzeile Bild.de: Faustformel verrät, wie viel Fleisch Sie einkaufen sollten

Zu Wort kommt Fleischexperte Werner Braun: Zu beachten sei, …

welche Sorten Sie anbieten wollen: Stark marmoriertes Fleisch wie etwa ein Rib-Eye-Steak hat einen höheren Fettanteil und sättigt mehr als fettarme Teile wie ein Schweinefilet.

Empfehlung pro Person:

300 bis 350 Gramm

Während er vor zwei Jahren also noch 200 bis 220 Gramm empfahl, sind es dieses Jahr schon 300 bis 350 Gramm. Das könnte natürlich damit zu tun haben, dass der “Experte” vom Fleischerverband Bayern kommt und hauptsächlich daran interessiert ist, viel Fleisch zu verkaufen. Aber vielleicht wollen Bild.de und der Fleischmann auch nur noch ein paar Reserven anhäufen, bevor uns die Ausländer auch noch unsere Würstchen wegnehmen:

Titelschlagzeile Bild vom 13. April: Chinesen kaufen unser Grill-Fleisch weg!

Mit Dank an Anton H.!

Wütende Komikerin, “Society-Expertin”, Dagobert und “Bild”

1. Die Angst vor Echokammern ist übertrieben. Ein Rückblick auf den Wahlkampf 2017 im Netz
(netzpolitik.org, Wolf J. Schünemann & Stefan Steiger & Fritz Kliche)
Forscher der Universität Hildesheim haben den Online-Wahlkampf 2017 unter die Lupe genommen und die Echokammer-Hypothese überprüft. Dazu haben sie 2,9 Millionen Facebook-Posts analysiert. Ihr Resümee: Im Gegensatz zu den USA sei das Echokammer-Phänomen hierzulande nur gering bis gar nicht ausgebildet. Auch für die kommenden Europawahlen sei nichts anderes zu erwarten. Da sich die Medienberichterstattung und Parteienkommunikation in EU-Wahlkämpfen in nationalen Bahnen bewege, gäbe es jedoch ein anderes Problem: den “strukturellen Nationalismus”.
Weiterer Lesetipp: Wie die EU gegen Falschnachrichten kämpft (deutschlandfunkkultur.de, Nico Schmidt & Michael Kreil).

2. Sibylle Weischenberg: Mit der Glaskugel im Kopf der Stars
(dwdl.de, Hans Hoff)
Im ARD-Magazin “Brisant” erscheint regelmäßig eine “Society-Expertin” namens Sibylle Weischenberg, die augenscheinlich Zugang zu den Stars dieser Welt und deren privaten Geschichten hat. Hans Hoff kommentiert auf die ihm eigene ironische Weise: “Nun gibt es böse Zungen, die Sibylle Weischenberg unterstellen, sie könne all das, was sie da von sich gebe, gar nicht wissen, weil die jeweiligen Stars nicht mit ihr geredet hätten, dass sie vielmehr immer dann zum Einsatz komme, wenn “Brisant” der direkte Zugang zu den Prominenten versperrt bleibe und die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich presserechtlich gegen breitgetretenen Quark zur Wehr setzen, eher gering ausfällt. Die verkennen natürlich, dass Sibylle Weischenberg nicht mit jemandem reden muss, um zu wissen, was sie weiß. Sie weiß das einfach, und als Top-Journalistin, die sie natürlich ist, hält sie ihre bisweilen auch telepathisch angezapften Quellen natürlich geheim.”

3. Hauptsache: Gendern
(jetzt.de)
Das Onlinemagazin “Jetzt” widmet sich in einem Themenschwerpunkt der geschlechtergerechten Sprache. Welche Formen der gendersensiblen Sprache gibt es?, Warum ist geschlechtergerechte Sprache so verhasst? und Was müssen sich Studierende von Gender Studies so alles anhören? (Spoiler: “Keine echte Wissenschaft, alle lesbisch und ideologisch versaut.”)

4. Journalistin macht sich über Enissa Amani lustig – deren Fans starten eine Insta-Hetzjagd
(watson.de, Philip Buchen)
Trash-TV-Edelfeder Anja Rützel hat über die Verleihung der About-You-Awards geschrieben und dabei nicht mit Spott und Kritik an den Veranstaltern und auftretenden Influencern gespart. Der von ihr ebenfalls erwähnten “Comedienne” und “Standup-Künstlerin” Enissa Amani gefiel das gar nicht, und so ließ diese ihrem Ärger auf Instagram freien Lauf. Mit unangenehmen Folgen für Rützel, denn einige von Amanis Followern (Gesamtzahl: 500.000) fluteten Rützels Profil mit Beleidigungen. Dies war jedoch nur der Beginn der Eskalation: Die gekränkte Komikerin, die nicht Komikerin genannt werden will, legte weiter nach und beschimpft ihre Kritikerin unter anderem (unzutreffend) als Nazi-Steigbügelhalterin.

5. Ein Waldspaziergang zum Lesen
(deutschlandfunk.de, Sebastian Wellendorf)
Promigestützte Celebrity-Titel scheinen die neue kaufmännische Hoffnung des Verlags Gruner + Jahr zu sein: Ob Barbara Schönebergers “Barbara”, Joko Winterscheidts “JWD”, Guido Maria Kretschmers “Guido” oder Eckhard von Hirschhausens “Stern Gesund leben”. Nun legt der Verlag ein weiteres Promi-Magazin auf. Diesmal “Wohllebens Welt”, benannt nach dem Bestseller Autor Peter Wohlleben (unter anderem “Das geheime Leben der Bäume”). Sebastian Wellendorf fasst den Inhalt wie folgt zusammen: “Wohllebens Welt ist in seiner Heile-Welt- beziehungsweise Heile-Naturdarstellung eine Art flauschige Kuscheldecke für den gehfaulen Outdoorfan. Bilder und Texte von den Problemen der Natur, Monokulturen, Überdüngung, Artenschwund sucht man hier vergeblich.”

6. “Ich bin ja wie ein Zombie durch die Gegend gelaufen”
(spiegel.de, Martin Pfaffenzeller)
“Spiegel Online” hat sich mit Arno Funke zum Interview getroffen, der vor 25 Jahren als Bomben und Brandsätze legender Kaufhaus-Erpresser “Dagobert” Berühmtheit erlangte. Vor allem Funkes technischen Basteleien, die gescheiterten Geldübergaben und sein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei hatten damals für viel mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Schließlich wurde Funke geschnappt und wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Als er nach sechs Jahren wegen guter Führung vorzeitig entlassen wurde, habe vor der Anstalt eine “Bild”-Reporterin auf ihn gelauert, so Funke: “Am nächsten Tag erschien ein großes Foto und die Überschrift: “Designerkleidung, Markenfahrrad und teure Markenschuhe — woher hat er das Geld?” Dabei hatte ich das Rad für 50 Mark vom Schrotthändler und die Schuhe aus dem Quelle-Katalog, die Jacke von C&A.”

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“Bild”, Kai Diekmann und der Wunder-Krebstest

Vor zwei Monaten verkündete die “Bild”-Zeitung eine “Weltsensation”, die jedoch gar keine war — und die sich zu einem wissenschaftlichen und journalistischen Skandal entwickelte, zu dem inzwischen sogar die Staatsanwaltschaft ermittelt. Beteiligte, unter anderem: die Uniklinik Heidelberg und ein chinesisches Pharmaunternehmen. Auch Ex-“Bild”-Chef Kai Diekmann spielt bei der Geschichte eine Rolle.

Eine Chronik.

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21. Februar 2019: Exklusiv bejubelt die “Bild”-Zeitung auf der Titelseite eine “Weltsensation aus Deutschland”:

Es sei “ein echter Durchbruch”, heißt es da, eine “medizinische Sensation”:

Seit vielen Jahren wird daran geforscht, Krebs im Blut zu erkennen. Ärzte der Universitätsklinik Heidelberg erreichten jetzt revolutionäre Ergebnisse: Sie weisen mit einem Test Brustkrebs im Blut nach. Und zwar mit einer Treffsicherheit, die vergleichbar ist mit der einer Mammografie! Wie BILD exklusiv erfuhr, soll der Bluttest noch in diesem Jahr auf den Markt kommen.

Im Innenteil: ein großes Interview mit Christof Sohn, dem Geschäftsführenden Ärztlichen Direktor der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg.

Darin darf er den Bluttest ausführlich bewerben: viel sicherer als bisherige Tests, hohe Treffsicherheit, besonders gut für Risikopatientiennen, und so weiter und so fort.

Am selben Tag gibt die Uniklinik eine Pressemitteilung heraus, in der sie die “neue, revolutionäre Möglichkeit” des Bluttests noch einmal selbst feiert: “Dies ist ein Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik”, schreibt sie.

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21. bis 27. Februar 2019: Andere Medien greifen die Geschichte auf. Dabei melden einige schon Zweifel an, etwa “Spiegel Online” oder die “Zeit”. Viele aber, etwa “Focus Online” oder “DerWesten”, verlassen sich blind auf “Bild” und bezeichnen den Bluttest ihrerseits als “Sensation”, “Durchbruch” oder “Revolution”.


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27. Februar 2019: Sieben renommierte Verbände, von der Deutschen Krebsgesellschaft über die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe bis zur Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, geben eine gemeinsame Stellungnahme heraus, in der sie die Berichterstattung kritisieren:

Eine Berichterstattung, die ohne Evidenzgrundlage Hoffnungen bei Betroffenen weckt, ist aus unserer Sicht kritisch zu bewerten und entspricht nicht den von uns vertretenen Grundsätzen medizin-ethischer Verantwortung.

Es sei einfach noch zu früh für Jubelstimmung, so die Experten: Die Studie sei “noch nicht abgeschlossen, die Ergebnisse sind nicht in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift publiziert und der Test noch nicht zugelassen”. Daher “halten wir Schlussfolgerungen über die Validität und den klinischen Nutzen für verfrüht und raten ausdrücklich davon ab, diagnostische oder therapeutische Entscheidungen basierend auf Blutuntersuchungen zu treffen, die nicht von nationalen oder internationalen Leitlinien empfohlen werden.”

In den nächsten Tagen häuft sich die Kritik an der “Bild”-Berichterstattung, aber auch am Vorgehen der Heidelberger Forscher. So schreibt etwa Gerd Gigerenzer vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung:

Nach üblichen wissenschaftlichen Standards veröffentlichen Forscher zuerst eine Studie in einer Fachzeitschrift, die dort begutachtet wird, und gehen erst dann an die Presse. Beim Bluttest wurde dieser Standard nicht eingehalten. Die Heidelberger Forscher sind zuerst medienwirksam zur BILD-Zeitung gegangen. Eine wissenschaftliche Veröffentlichung liegt nicht vor.

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8. März 2019: Der Journalist Jan-Martin Wiarda berichtet in seinem Blog und bei den “Riffreportern” ausführlich über den Fall und deckt weitere Merkwürdigkeiten auf. “Welche Rolle spielt das Joint Venture mit einem chinesischen Pharma-Unternehmen?”, fragt er unter anderem, denn: Partner der Uniklinik sei ein chinesisches Pharmaunternehmen, dessen Aktienkurs seit einigen Tagen, insbesondere seit der gehypten Berichterstattung über den Bluttest, einen steilen Anstieg zeige.

Erstmals äußert sich auch Christof Sohn, der Geschäftsführende Ärztliche Direktor der Universitäts-Frauenklinik, der von “Bild” groß interviewt wurde, zur Formulierung “Weltsensation”: Diese Schlagzeile sei nicht angebracht gewesen, er habe sie vor Veröffentlichung auch nicht gekannt, und er und seine Kollegen hätten sie “in dieser Form” nicht mitgetragen.

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20. März 2019: Die “Rhein-Neckar-Zeitung” (“RNZ”) steigt in die Berichterstattung ein und leistet in den darauffolgenden Wochen ausgezeichnete journalistische Arbeit; ihre zahlreichen Artikel sind unter rnz.de/heiscreen nachzulesen.

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22. März 2019: Der Aktienkurs des chinesischen Pharmaunternehmens erreicht den höchsten Stand seit acht Monaten. Seit dem 21. Februar, dem Erscheinungstag des “Bild”-Artikels und der Pressemitteilung der Uniklinik, ist der Kurs um fast 60 Prozent gestiegen:

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23. bis 29. März 2019: Die Kritik reißt nicht ab. Das Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg erklärt in der “RNZ”, dass die “verfrühte Kommunikation nicht den hohen Ansprüchen an eine verantwortungsvolle Wissenschaftskommunikation entspreche”. Gerade im medizinischen Bereich, “der für die Betroffenen mit so viel Ängsten und großer Hoffnung verbunden ist, darf es keine Effekthascherei geben”. Auch die Heidelberger Universität teilt mit, dass sie “eine umfassende Klärung der Vorgänge für zwingend erforderlich” halte.

Die Uniklinik ist derweil um Schadensbegrenzung bemüht. Sie “bedauert, dass es zu Irritationen gekommen ist” und verkündet die Gründung einer internen Arbeitsgruppe und einer externen Expertenkommission, die die Vorgänge aufarbeiten sollen.

Außerdem distanziert sie sich von der PR-Strategie zum Bluttest: Die Medienbegleitung habe die Heiscreen GmbH verantwortet, sagt die Kliniksprecherin der dpa. (Die Heiscreen GmbH wurde 2017 gegründet und soll den Bluttest in Deutschland vermarkten. Hauptanteilseigner ist eine Tochterfirma der Uniklinik, weitere Anteile hält über eine Beteiligungsgesellschaft der schillernde Unternehmer Jürgen Harder. Auch der von “Bild” interviewte Christof Sohn und eine weitere Ärztin der Uniklinik sind an der Heiscreen GmbH beteiligt.)

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30. März 2019: Der “Spiegel” berichtet über “Das Märchen vom Wundertest aus Heidelberg” und bringt einen alten Bekannten ins Spiel:

Wie die angebliche Weltsensation am Ende genau in der “Bild”-Zeitung landete, ist zwar nur schwer nachzuvollziehen. Fest steht aber: Ohne Zustimmung vonseiten des Universitätsklinikums ist dies nicht geschehen. Auch ein weiterer Bekannter Harders war daran offenbar beteiligt: Ex-“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann, der sich dazu nicht äußern will. Aber was wäre der Mann für ein Journalist, wenn er sich nicht dafür einsetzen würde, dass ein Thema, das ihm am Herzen liegt, in seine alte Zeitung kommt?

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4. April 2019: Die Uniklinik erstattet Anzeige gegen Unbekannt — warum genau, wird allerdings nicht klar. In einer Pressemitteilung teilt sie lediglich mit, dass sie sich “aufgrund der Anzeichen eines unlauteren Vorgehens bei der Entwicklung und Ankündigung” des Bluttests zu diesem Schritt veranlasst sehe. Der Sprecher der Heidelberger Staatsanwaltschaft erklärt in der “RNZ”, in der eingegangenen Anzeige stünden “weder der vermutete Tatbestand, noch weitere Hintergründe zum Sachverhalt, noch Personen, gegen die sich die Strafanzeige richtet.” Das sei sehr ungewöhnlich. Sollte sich jedoch ein Anfangsverdacht ergeben, werde die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufnehmen.

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6. April 2019: Die “RNZ” berichtet, dass Vorstand und Pressestelle des Klinikums “sehr frühzeitig in die unseriöse PR-Kampagne eingeweiht” waren. So sei das “Bild”-Interview …

sowohl von der Pressestelle der Uniklinik als auch von zwei Vorständen gegengelesen worden. Achtete die Ärztliche Direktorin Annette Grüters-Kieslich auf inhaltliche Korrekturen, so freute sich der Dekan der Medizinischen Fakultät, Andreas Draguhn, über die wissenschaftliche Korrektheit: “Präziser, als ich es ‘Bild’ zugetraut hätte”.

Auch die Pressemitteilung der Klinik sei “in großer Runde abgesprochen” worden. Der Entwurf sei unter anderem an Kai Diekmann geschickt worden.

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11. April 2019: Die “RNZ” geht genauer auf die Rolle Diekmanns ein:

Kai Diekmann war von 2001 bis 2015 Chefredakteur der “Bild”-Zeitung. 2018 startete er mit dem Investmentbanker Lenny Fischer den “Zukunftsfonds”. Die Markenstrategie für diesen Kapitalanlagefonds entwickelte die Digitalagentur “diesdas.digital” — die auch für die Heiscreen GmbH den Internetauftritt machte. Diekmann war “bei mehreren Treffen” in Sachen Brustkrebstest dabei, wie er der RNZ sagte, “aus Interesse”. Finanziell beteiligt sei er aber nicht. Jürgen Harder bezeichnet er gegenüber der RNZ als “persönlichen Freund”.

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11. April 2019: Die Staatsanwaltschaft nimmt die Ermittlungen auf. Genauer: die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Mannheim. Die Anweisung dazu habe die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe erteilt, schreibt die “RNZ”:

Hintergrund der Ermittlungen soll unter anderem der Verdacht auf Kursmanipulation und Insiderhandel mit Aktien sein. Die “Bild”-Schlagzeile “Weltsensation aus Heidelberg” könnte in diesem Szenario eine gewichtige Rolle spielen, weil sie womöglich den Kurs einer Aktie in China beflügelt hat. Zwar gibt man sich bei der Justiz bedeckt und verweist lediglich auf erste Erkenntnisse durch die Berichterstattung der RNZ — ermittelt wird schließlich “in allen rechtlichen Belangen”. Dennoch kam schnell der Verdacht auf, dass hinter dem “Bluttest-Skandal” im Grunde ein Verstoß gegen das Wertpapierhandelsgesetz stecken könnte.

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14. April 2019: In der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” (“FAS”) kritisiert die Leitende Ärztliche Direktorin des Klinikums, Annette Grüters-Kieslich, die Wortwahl der “Bild”-Zeitung:

“Die Schlagzeile einer Boulevardzeitung, die von einer Weltsensation in diesem Zusammenhang sprach, hat mich betroffen gemacht. Als Ärztin und Wissenschaftlerin hätte ich niemals von einer Weltsensation gesprochen; ich habe eine solche Wertung stets als vollkommen irreführend angesehen.” Man sei damit befasst, die Verantwortlichkeiten zu klären und werde die Öffentlichkeit so schnell wie möglich informieren.

Zudem deckt die “FAS” neue Details auf. So sei für die PR-Kampagne unter anderem Christina Afting zuständig gewesen — die frühere Büroleiterin von Kai Diekmann bei “Bild”. Mit der “Bild”-Berichterstattung, so Afting, habe sie jedoch nichts zu tun gehabt. Laut “FAS” soll die PR-Kampagne etwa 80.000 Euro gekostet haben.

Neben den Staatsanwälten aus Mannheim würden sich demnächst auch Spezialermittler des Landeskriminalamtes mit dem Fall befassen, schreibt die “FAS”.

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Heute: Noch sind eine Menge Fragen offen. Fest steht aber: Viele Details wären ohne die hartnäckige Arbeit einiger Journalisten, vor allem von “Riffreporter” Jan-Martin Wiarda und den Journalisten der “Rhein-Neckar-Zeitung”, wohl nie an die Öffentlichkeit gelangt. Und: Obwohl die Berichterstattung der “Bild”-Zeitung, insbesondere die Bezeichnung als “Weltsensation”, von Experten als verantwortungslos und selbst von der Klinikleitung als “vollkommen irreführend” gewertet wird, steht sie auch heute noch unverändert online.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

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Nachtrag, 26. April: Wir haben die Überschrift und den ersten Absatz geändert, weil der Eindruck entstehen konnte, dass die Staatsanwaltschaft in der Sache gegen Kai Diekmann ermittelt. Dem ist nicht so.

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Nachtrag 2, 26. April: Inzwischen liegt der “RNZ” die Rechnung für die PR-Kampagne vor, die die Düsseldorfer Beratungsagentur Deekeling Arndt Advisors an die Heiscreen GmbH geschickt hat:

79.420,78 Euro rechnen die Berater ab. Sie übernahmen das gesamte Projektmanagement rund um die PR-Kampagne: das Kommunikationskonzept, die Pressemitteilung, die Pressekonferenz am 21. Februar auf einem Kongress in Düsseldorf sowie die Beantwortung und Koordination von Medienanfragen.

Besonders intensiv abgestimmt wurde die Kampagne offenbar in den zehn Tagen vor dem großen Aufschlag am 21. Februar. “Tägliche Telefonkonferenzen zwischen dem 12. und 22. Februar 2019”, listet die Agentur auf. In Rechnung gestellt werden “enge telefonische Abstimmungen und Rücksprachen” unter anderen mit dem früheren “Bild”-Chef Kai Diekmann, Heiscreen-Geschäftsführer Dirk Hessel, den Bluttest-Erfindern Sarah Schott und Christof Sohn, Harders Anwalt Thomas Dörmer sowie Doris Rübsam-Brodkorb, der Pressesprecherin des Universitätsklinikums.

Bemerkenswert ist die enge Abstimmung mit Kai Diekmann, dem Ex-Chefredakteur der “Bild”-Zeitung und persönlichen Freund von Jürgen Harder. Dazu passt: Die Rechnung hat Christina Afting geschickt. Sie ist “Managing Director” bei der Agentur — und leitete früher das Büro Diekmann bei der “Bild”.

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23.Mai: Das Blog “Medwatch” berichtet, dass der Test “anders als bislang kommuniziert nicht nur nicht marktreif ist — sondern eigentlich wertlos.” Das gehe aus Unterlagen hervor, die “Medwatch” von der Pressestelle der Uniklinik erhielt.

Demnach erhält fast jede zweite gesunde Frau einen falsch positiven Befund — was bislang öffentlich nicht thematisiert wurde. Bei Frauen, die älter als 50 Jahre sind, ist der Wert etwas besser: Bei diesen erhält gut jede vierte gesunde Frau einen falschen Krebsbefund, doch übersieht der Test bei zwei von fünf Brustkrebspatientinnen über 50 den Tumor.

Als besonders vielversprechend bezeichnete die Uniklinik den Test für Frauen bis 50, sowie für Hochrisikopatientinnen mit genetischen Mutationen. Dabei schlägt der Test bei der jüngeren Gruppe von Brustkrebspatientinnen zwar in 86 Prozent aller Fälle korrekt an, doch liegt hier die Spezifität bei nur 45 Prozent: Der Test liefert also bei 55 Prozent der gesunden Frauen einen falsch positiven Befund. Bei Hochrisikopatientinnen liegt die Sensitivität bei 90 Prozent, doch wiederum erhält mehr als jede zweite gesunde Frau einen falschen Krebsbefund. Dies hieße, dass ein Großteil aller Frauen, die über den Bluttest einen Krebs-Befund erhalten, in Wahrheit gesund sind.

“Medwatch” kritisiert auch die Berichterstattung verschiedener Medien, etwa die des “Focus”, der auch noch einen Monat nach Lautwerden der Zweifel titelte: “Die Sensation aus Heidelberg: Mit Bluttest Brustkrebs erkennen”.

Focus-Titselseite: Wie wir den Krebs besiegen - Mediziner können immer mehr Krebsarten erfolgreich behandeln - kleiner Schlagzeile auf der Titelseite: Die Sensation aus Heidelberg - Mit Bluttest Brustkrebs erkennen

Die “Bild”-Zeitung habe ihre Leser “bislang noch nicht über die weiteren Entwicklungen” informiert, schreibt “Medwatch”. Auf “mehrere Fragen zur Berichterstattung über den Bluttest” habe der Axel-Springer-Verlag geantwortet: “Bitte haben Sie Verständnis, dass wir redaktionelle Prozesse und Entscheidungen grundsätzlich nicht kommentieren.”

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16. August: Der Deutsche Rat für Public Relations hat die “Täuschung der Öffentlichkeit im Fall HeiScreen” gerügt:

Nach intensiver Überprüfung und Anhörung aller beteiligten Parteien hat der Deutsche Rat für Public Relations dem Vorstand des Universitätsklinikums Heidelberg und der HeiScreen GmbH eine Rüge wegen bewusster Falschbehauptung und Täuschung der Öffentlichkeit ausgesprochen. (…)

Der Rat hatte sich zur Prüfung des Falles entschieden und sieht es als erwiesen an, dass beide Parteien bei der Vorstellung des „neuen“ Verfahrens zur Diagnose von Brustkrebs eine öffentliche Produktvorstellung zugelassen und begleitet haben, die weder in Wortwahl, Zeitpunkt und Format angemessen, noch im Hinblick auf abgeschlossene Studien und die angekündigte Marktreife der Wahrheit entsprochen hat.

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29. August: Nach mehrfacher Beschwerde beim “Ombudsmann” hat “Bild” nun eine Anmerkung unter den Artikeln veröffentlicht (Links im Original):

Aktualisierung – August 2019
Die Uniklinik Heidelberg hat mittlerweile zurückgenommen, dass der oben beschriebene Bluttest zur Erkennung von Brustkrebs noch dieses Jahr auf den Markt kommen wird.

Eine unabhängige Prüfkommission hat als Zwischenergebnis unter anderem veröffentlicht, dass der Test zu früh der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, es „Führungsversagen“ und „Machtmissbrauch“ an der Universitätsklinik gab.

Inzwischen sind der Medizin-Dekan der Heidelberger Uniklinik sowie zwei Mitglieder des Vorstandes zurückgetreten. Außerdem wurde dem Direktor der Unifrauenklinik für drei Monate die Lehr- und Forschungserlaubnis entzogen.

BILD veröffentlichte am 21. Februar 2019 einen Artikel über den neuen Bluttest. Der Text basierte auf einer offiziellen Pressemitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg, in der der neue Test als „revolutionäre Möglichkeit“ und als „Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik“ bezeichnet wurde, sowie auf einem autorisierten Interview. Der Test wurde am 21.2. außerdem auf dem Gynäkologen-Kongress in Düsseldorf vorgestellt.

Wie geht es mit dem Test nun weiter? Das ist im Moment unklar. Abzuwarten bleibt, was die angekündigten größeren Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit des Tests ergeben. Dass diese noch ausstehen, hatte Bild direkt zu Anfang geschrieben (siehe hier). Die Ergebnisse lassen aber weiterhin auf sich warten.

BILD informiert, sobald es neue, fundierte Angaben zum Test gibt.

Sonst hat sich aber nichts geändert. Überschrift, weiterhin: “Warum dieser Test eine Weltsensation ist”.

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13. September: Nun wurde die Berichterstattung auch vom Deutschen Presserat gerügt:

Eine Rüge erhielt BILD.DE für die Veröffentlichung einer Exklusiv-Geschichte unter der Überschrift „Erster Blut-Test erkennt zuverlässig Brustkrebs“ über einen von Heidelberger Forschern entwickelten Brustkrebs-Test. Der Beschwerdeausschuss stellte Verstöße gegen die gebotene Sorgfalt in der Medizin-Berichterstattung (Ziffern 2 und 14 des Pressekodex) fest. Der Artikel über das als „medizinische Sensation“ beschriebene Testverfahren beruhte allein auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums und Aussagen der beteiligten Forscher und war geeignet, unberechtigte Hoffnungen bei Betroffenen zu wecken. Wie sich später herausstellte, hatten die Forscher den Stand des Testverfahrens positiver dargestellt, als es dem Forschungsstand entsprach. Die Redaktion hatte bei ihrer exklusiven Berichterstattung versäumt, die gemachten Angaben durch weitere Quellen zu überprüfen.

“Bild” und das Busunglück auf Madeira: wenig Pixel, kräftiges Blut

Während die “Bild”-Redaktion zum Busunglück auf Madeira schon mal über die Ursachen spekuliert …

Screenshot Bild.de - Bus-Drama auf Madeira: 29 Deutsche tot! Rätsel um Ursache - Hat das Gaspedal geklemmt? Identifizierung der Opfer dauert bis Samstag

… den Überlebenden auf den Fersen ist …

Screenshot Bild.de - Deutsches Ehepaar überlebte - Wir beide waren angeschnallt, andere flogen um uns herum

… und die “Todeskurve von Madeira” besucht …

Screenshot Bild.de - Bild am Unglücksort - Die Todeskurve von Madeira

… wollen wir noch einmal auf die Fotos zurückkommen, die “Bild” und Bild.de zu dem Unfall gezeigt haben und immer noch zeigen. Und vor allem auf die (fehlende) Verpixelung der tödlich verunglückten Personen.

Gleich auf mehreren Fotos waren gestern Abend bei Bild.de Leichen zu sehen. Die Redaktion verzichtete anfangs auf jegliche Unkenntlichmachung. Angehörige dürften ihre Verwandten, die dort auf den Bildern leblos vor dem zerstörten Bus lagen, erkannt haben, vermutlich noch bevor sie von offizieller Seite über deren Tod informiert wurden. Im Laufe des Abends begannen die Bild.de-Mitarbeiter, diese Fotos halbherzig zu verpixeln: Die Gesichter der Verstorbenen wurden unkenntlich gemacht, die Körper und die Kleidung blieben erkennbar. Manche Aufnahmen, auf denen die Leichen ebenfalls zu sehen waren, blieben komplett ohne Verpixelung.

Währenddessen erschien eine überarbeitete Variante des “Bild”-E-Papers von heute. In einer ersten Version spielte der Unfall auf Madeira noch gar keine Rolle, nun war er das Aufmacherthema auf der Titelseite. Auf Seite 3 veröffentlichte “Bild” ein riesiges Foto, das tote Menschen auf dem Gestrüpp vor dem verunglückten Bus zeigt. Während bei Bild.de die ersten Leichen verpixelt wurden, brachte “Bild” das große Foto komplett ohne Unkenntlichmachung:

Ausriss Bild-Zeitung - Foto des verunglückten Busses
(Die Unkenntlichmachung stammt von uns.)

Bei Bild.de nahm die Verpixelung anschließend zu. Inzwischen sind dort die Körper nicht mehr zu erkennen. Das “Bild”-E-Paper wurde auch noch einmal aktualisiert — dort sind nun die Gesichter der Leichen verpixelt, mehr nicht.

Vergleicht man dasselbe Unfallfoto, das “Bild” und Bild.de in der Berichterstattung verwenden, fällt außerdem auf, dass “Bild” bei der Blutspur auf dem Dach des Busses nachgeholfen hat:

Vergleich zwischen den Bildern in Bild und bei Bild.de - es ist zu erkennen, dass die Blutspur in Bild kräftiger ist

Als würde das Grauen nicht schon reichen.

Aber zurück zur (fehlenden) Unkenntlichmachung. Wir haben bei der “Bild”-Redaktion nachgefragt, warum Bild.de und “Bild” bei der Verpixelung der Fotos so unterschiedlich vorgegangen sind. “Bild”-Sprecher Christian Senft hat auf unsere Anfrage nicht reagiert.

Dafür hat er aber vor gut einem Jahr auf eine andere Anfrage von uns geantwortet. Wir wollten damals wissen, warum “Bild” das Gesicht eines früheren Entführungsopfers (ein Sohn eines bekannten Unternehmers), das eine geistige Behinderung hat, ohne Verpixelung zeigt, während Bild.de es verpixelt. Christian Senft schrieb darauf lediglich:

herzlichen Dank für den Hinweis, das hat keinen Grund, das Foto wird online wieder entpixelt.

Bei “Bild” finden sie so eine Antwort vermutlich ziemlich cool.

Presse(un)freiheit, AfD-Sprecher “lupenreiner Neonazi”, Farbattacke

1. Hetze gegen Medienschaffende
(reporter-ohne-grenzen.de)
Die “Reporter ohne Grenzen” haben eine neue Rangliste der Pressefreiheit veröffentlicht. Am stärksten verschlechtert habe sich die Lage auf dem amerikanischen Doppelkontinent. Aber auch in Europa habe sich vieles verschlechtert. Deutschland ist um zwei Plätze nach oben auf Rang 13 gerückt, doch das ist kein Grund, stolz zu sein: Bei uns gab es einen Anstieg der tätlichen Angriffe gegen Journalistinnen und Journalisten, die Pressefreiheit in anderen Ländern nahm jedoch noch stärker ab.
Weiterführender Link: “Rangliste der Pressefreiheit 2019” samt Rang und Vorjahresrang als PDF (reporter-ohne-grenzen.de).

2. Farbattacke auf Heidelberger Fotografen
(swr.de)
In Heidelberg kam es zu einem Farbanschlag gegen einen Fotografen. Eine symbolische Blutspur führt von der Eingangstür fast um das ganze Haus. An einer Wand steht der Name des Kindes des Fotografen, darunter der Satz: “Dein Papa tötet Dich.” Der Verdacht richtet such momentan auf eine politisch motivierte Straftat — der Fotograf war auf Demonstrationen bereits mehrfach von Rechtspopulisten bedroht worden. Laut der Polizei Mannheim habe sich die Kriminalität aus dem rechten Milieu in der Region von 2017 auf 2018 um gut ein Drittel erhöht.

3. Ich will der Frage nicht ausweichen, aber…
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Der Programmchef der ARD Volker Herres spricht im Interview über den rückläufigen Frauen-Anteil unter Drehbuchautoren, weibliche “Tatort”-Regisseure, Geschlechtergerechtigkeit — und bricht dann das Gespräch nach acht Minuten ab. Mehr sei angeblich nicht vereinbart worden. Ärgerlich für den freien Journalisten Jakob Buhre, der extra dafür von Berlin nach Hamburg gereist war. Zu den vielen Merkwürdigkeiten von Gespräch und Veranstaltung kommt die Frage, warum ein Fernsehsender seine eigene Pressekonferenz nicht per Live-Stream anbieten kann.

4. “Glaubwürdigkeit ist was für Weicheier”
(deutschlandfunk.de, Matthias Dell)
“Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche”, sprach dereinst der Lyriker, Zeichner und Satiriker F.W. Bernstein. Eben jenen Spruch könnte man auf den “Zeit”-Journalisten Jochen Bittner anwenden. Dieser plädiert in einem Text gegen den sogenannten Haltungsjournalismus für mehr Objektivität im Journalismus, obwohl er selbst schon ein Beispiel für mangelnde Distanz zur Politik war, wie sich Matthias Dell im “Deutschlandfunk” erinnert.

5. Am Tisch mit der politischen Macht
(kontextwochenzeitung.de, Arno Luik)
Der langjährige “Stern”-Autor und ehemalige “taz”-Chefredakteur Arno Luik hat beim Demokratiekongress der Anstifter eine Rede gehalten, die es in sich hat. Unter anderem ordnet er das Vorgehen des damaligen Burda-Vorstands und Hardliners Jürgen Todenhöfer ein, dem es damals darum gegangen sei, die Politmagazine, “Panorama”, “Monitor” zu zerstören (“… das Angriffsmittel waren Shows, Erotikshows, Quizshows, Krawallshows, Unterhaltungsfilme, Sport, Sport und nochmals Sport.). Auch Harald Schmidt habe bei der Verdummung mitgeholfen: “Sein Auftrag war, das Kabarett, das als prinzipiell linksverdächtig galt, also Hildebrandt & Co, nicht nur zu entschärfen, und als “Gutmenschentum” zu verhöhnen, sondern das Kabarett strukturell in etwas zu verwandeln, das nicht mehr der Aufklärung verpflichtet ist, sondern, etwas platt ausgedrückt: der Verdummung. Harald Schmidt änderte den Charakter des Kabaretts, er machte sich lustig über Minderheiten, verspottete Schwache, machte Polenwitze. Mit dieser rücksichtslosen Enttabuisierung half er mit, dass dieses Land (sozial)-politisch verrohte.”

6. Vor zwei Wochen verhandelten wir einen Fall vor dem Amtsgericht Dresden.
(facebook.com, Rechtsanwaltskanzlei Kasek)
Das Amtsgericht Dresden hat entschieden, dass die Bezeichnung des Pressesprechers der AfD-Fraktion im sächsischen Landtag als “Neonazi” (genauer Wortlaut: “lupenreiner Neonazi”) im politischen Diskurs zulässig und von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.
Wie die beteiligte Rechtsanwaltskanzlei ebenfalls mitteilt, habe das Landgericht Dresden entschieden, dass auch die Bezeichnung des sächsischen AfD-Vorsitzenden als “Nazi” im politischen Diskurs zulässig und von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.

Bild.de zeigt Leichen vom Busunglück auf Madeira

Auf der portugiesischen Insel Madeira ist ein Reisebus verunglückt, zahlreiche Menschen sind gestorben. Die Botschaft in Lissabon sagt, es seien Deutsche unter den Opfern.

Bild.de berichtet aktuell mit vielen Fotos von der Unglücksstelle, darunter auch dieses hier, komplett unverpixelt:

Screenshot Bild.de - Ein Foto vom verunglückten Reisebus, davor liegen Menschen, die offenbar nicht mehr leben - Bild.de hat da Foto ohne jegliche Unkenntichmachung veröffentlicht
(Die Unkenntlichmachung stammt von uns.)

Auf dem Foto sind Leichen zu sehen. Und anhand der Kleidung dürfte es für Angehörige, mit dem Wissen, dass Verwandte mit einem Bus auf Madeira unterwegs gewesen sind, keine Schwierigkeit sein, diese Verwandten zu erkennen. Es ist nicht auszuschließen, dass sie bei Bild.de vom Tod ihrer Eltern, Großeltern, Geschwister erfahren.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Nachtrag, 23:38 Uhr: Langsam fangen sie bei Bild.de an, manche Fotos halbherzig zu verpixeln. Andere bleiben bislang unverpixelt, obwohl auch auf ihnen Tote und Schwerverletzte zu sehen sind.

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