Des “Guardians” Gewinn, Neues “Zeit”-Ressort, Capital-Bra-Story

1. Und die Zukunft der Zeitung ist doch digital
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz)
Seit 1998 hat der britische “Guardian” nur Verluste eingefahren. Nun scheint es, als sei der Umschwung geschafft: Der Verlag hat für den “Guardian” einen operativen Gewinn von 800.000 Pfund für das Wirtschaftsjahr 2018/19 vermeldet. Die positive Geschäftsentwicklung beruhe vor allem auf der konsequenten Digitalstrategie der Redaktion und einer treuen und spendenbereiten Leserschaft.

2. Warum wir X gründen
(blog.zeit.de, Jochen Wegner)
“Zeit Online” hat ein neues Ressort ohne festgelegten thematischen Fokus gegründet, dem man den Namen “X” gegeben hat. Alle paar Wochen sollen ressortübergreifenden Schwerpunkte entstehen, die sich aus den Inhalten der verschiedenen anderen Ressorts speisen und sich aus Features, Reportagen, Foto- und Videoessays sowie Datenvisualisierungen zusammensetzen. Der erste “X”-Schwerpunkt beschäftigt sich mit der “großen Wanderung” von Ost- nach Westdeutschland. Dort ist auch eine aufwändige Datenvisualisierung zu sehen, die eine dramatische demographische Entwicklung für die Zeit nach der Wende zeigt: Sechs Millionen Menschen haben dem Osten den Rücken zugewendet und sind in den Westen gezogen. Eine Entwicklung mit Folgen.

3. Können Gehirnfunktionen Stunden nach dem Tod wiederhergestellt werden? Wie weit kann Mikroplastik mit dem Wind reisen? Science Media Newsreel No. 46
(meta-magazin.org)
Im Wochenrückblick des “Science Media Center” geht es um die Forschungsergebnisse, über die in letzter Zeit besonders häufig in den Medien berichtet wurde. Dieses mal dabei: “Perfusionssystem lässt in Schweinehirn einige Zellen Stunden nach dem Tod wieder funktionieren” (“Nature”) und: “Mikroplastik gelangt durch Atmosphäre auch in entlegene Bergregionen” (“Nature Geoscience”).

4. Macht Netflix den Serien-Konsum internationaler?
(netzfeuilleton.de, Till Frommann)
Westliches Fernsehen und hiesiges Kino sind überwiegend von den USA und den dortigen Sehgewohnheiten geprägt. Seit es Streaming-Angebote wie Netflix gibt, besteht jedoch die Möglichkeit, einen Blick auf internationale Produktionen zu werfen. Dort findet sich kommerzieller Mainstream, aber auch manche Besonderheit, wie Till Frommann feststellt.

5. Zuckerberg baut Facebook um: Was der Komplettumbau des sozialen Netzwerkes für Publisher bedeutet
(meedia.de, Robert Tusch)
Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat auf der hauseigenen Entwicklerkonferenz F8 einige strukturelle und inhaltliche Änderungen angekündigt. Robert Tusch erklärt auf “Meedia”, was auf Publisher und Werbetreibende, aber auch auf die normalen Facebook-Nutzer zukommt.

6. Die verschollene Capital Bra-Story
(johannvoigt.de)
Capital Bra gilt als der erfolgreichste Künstler der Musikgeschichte Deutschlands und Österreichs, jedenfalls wenn man es an der Anzahl der Nummer-eins-Hits festmacht. Der Journalist Johann Voigt hat den Rapper für eine Geschichte getroffen, die jedoch nicht erschienen ist. Die Gründe sind einigermaßen kurios: Der Text “durfte nicht veröffentlicht werden, weil Capital Bra die während des Fotoshootings in Berlin entstandenen Fotos nicht freigegeben hat, stattdessen ein Handybild von seinen Kindern geschickt hat und zu einem neu organisierten Fotoshooting nicht auftauchte.” Voigt hat das redigierte und korrekturgelesene Stück auf seiner privaten Seite veröffentlicht.

Einmal falschen Wal-Spion mit ohne Kamera aus Russland

Die Rechnung der Deutschen Presse-Agentur (dpa) geht so:

Norwegische Fischer haben am Wochenende einem Wal möglicherweise das Leben gerettet. Vor der Küste von Finnmark im Norden des Landes hatte der Weißwal (Beluga) mehrere Tage lang die Nähe ihres Bootes gesucht. Bei näherer Betrachtung sahen die Männer, dass der Wal Riemen umgebunden hatte. Nach mehreren Versuchen gelang es ihnen, das Tier davon zu befreien.

… plus …

An der Innenseite der Riemen befand sich der Aufdruck “Equipment of St. Petersburg” (Ausrüstung St. Petersburgs).

… plus …

Außerdem war dort eine Kamera befestigt.

… gleich:

Screenshot Zeit Online mit der dpa-Überschrift - Zahmes Tier mit Kamera - Wal in Norwegen von Zaumzeug befreit - Russischer Spion?

Aber wie das bei Additionen so ist: Ist einer der Summanden falsch, stimmt auch was mit der Summe nicht. Sind zwei Summanden falsch, dann erst recht.

Und wie das mit der dpa so ist: Falsche Fakten, die die Agentur in Umlauf bringt, landen bei sehr vielen Medien.

Erstmal zur angeblich am Riemen befestigten Kamera: Die gibt es nicht. An dem Gurt, von dem die Fischer den Wal befreit haben, soll zwar auch eine Halterung für eine Kamera angebracht gewesen sein, aber keine Kamera. Das bestätigte Audun Rikardsen von der Arktischen Universität in Tromsø — den auch die dpa mit anderen Aussagen zitiert — der BBC:

Prof Rikardsen told the BBC that the harness “was attached really tightly round its head, in front of its pectoral fins and it had clips”. He said there was a GoPro attachment, but no camera.

Und dann zum angeblichen “Aufdruck ‘Equipment of St. Petersburg’ (Ausrüstung St. Petersburgs)”, der sich “an der Innenseite der Riemen” befinden soll. Nun könnte man sich natürlich erstmal wundern, dass ein möglicher tierischer Spion von wem auch immer losgeschickt wird mit einem ziemlich klaren Hinweise auf den Auftraggeber. Vor allem aber sollte man sich den Gurt mal genauer anschauen. Dann würde man nämlich sehen, dass der Aufdruck erstens nicht “an der Innenseite” zu finden ist, sondern auf der Schnalle; und dass er zweitens nicht “Equipment of St. Petersburg” lautet, sondern “Equipment St. Petersburg” — also ohne “of”. Das mag nach Erbsenzählerei klingen, ist aber nicht ganz unwichtig: Es gibt eine russische Firma, die Utensilien für Outdoor-Aktivitäten herstellt und verkauft. Ihr Name: Снаряжение, was übersetzt so viel heißt wie “Ausrüstung” oder “Equipment”. Ihr Sitz: St. Petersburg. Das aktuelle Logo dieser Firma ähnelt bereits ziemlich jenem, das auf der Schnalle des Gurtes zu sehen ist. Das alte Firmenlogo ist exakt jenes, das sich auch auf der Schnalle befindet. Der Aufdruck ist also erstmal nur ein Hinweis darauf, dass es sich um ein Produkt einer russischen Firma handelt, das jeder kaufen konnte.

Die dpa-Meldung ist mit ihren Fehlern auch bei Bild.de gelandet:

Screenshot Bild.de - Vor Norwegens Küste entdeckt - Ist dieser Beluga Wal ein russischer Spion?

Zusätzlich hat die Bild.de-Redaktion noch ein exklusives Zitat, nun ja, eingeholt:

Joar Hesten, einer der Seeleute, sei mit seinem Kollegen Joergen Ree Wiig ins kalte Wasser gesprungen, als sie den Beluga sahen. Wiig: “Das norwegische Militär hat großes Interesse an der Kamera gezeigt”.

… was etwas überraschend ist angesichts der Tatsache, dass überhaupt keine Kamera gefunden wurde. Bild.de wird doch nicht etwa wörtliche Zitate erfinden?

Mit Dank an Alex und @ReneG_20_19 für die Hinweise!

Nachtrag, 17:39 Uhr: Die dpa hat auf unsere Kritik reagiert und die “Berichterstattung entsprechend berichtigt”.

Web-Reportagen, Unglückliche Studie, Assanges Verurteilung

1. Serie: Wie Web-Reportagen entstehen
(journalist-magazin.de, Stefan Heijnk)
Journalistik-Studierende der Hochschule Hannover haben sich in 17 Werkstatt-Beiträgen die Produktion von aufwändigen Web-Reportagen angeschaut. Journalismus-Professor Stefan Heijnk gibt einen Überblick über die (verlinkten und nachlesbaren) Beiträge und weist auf einige interessante Details und Entwicklungen hin.

2. Darf’s ein bisschen rechtsextremer sein?
(uebermedien.de, Juliane Wiedemeier)
Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat ihre “Mitte Studie” über die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen veröffentlicht und dabei einiges vermasselt. Juliane Wiedemeier rekonstruiert den Fall und die Folgen: “Eine Studie, die voreingenommen an ihr Thema herangeht und ihren Fragebogen unglücklich formuliert. Medien, die aus anderen Medien abschreiben, statt die Original-Quelle selbständig auszuwerten, und die bereitwillig den Alarmismus der Autor:innen übernehmen. Eine Reaktion, die dann wiederum übertrieben die deutsche Bevölkerung vor jedem Vorwurf des Ressentiments in Schutz nimmt.”

3. Nazidenke, verpixelt
(taz.de, Peter Weissenburger)
In Neuseeland steht demnächst der Prozess gegen den mutmaßlichen Attentäter von Christchurch an. Im Vorfeld haben sich die fünf größten Nachrichtenmedien des Landes auf einen Pressekodex verständigt: Man werde den Attentäter nur äußerst beschränkt zitieren und rechtsextreme Symbole wie Handzeichen nicht zeigen oder zumindest verpixeln.

4. Über 30 Journalisten erstatten Anzeige
(deutschlandfunk.de, Margit Hillmann)
In Frankreich häufen sich die Beschwerden von Journalistinnen und Journalisten, die in Zusammenhang mit den Gelbwesten-Protesten über Behinderungen ihrer Arbeit, Einsatz von Gewalt und willkürliche Festnahmen durch die Polizei berichten. Der Journalistengewerkschaft SNJ seien seit November über 80 derartige Fälle gemeldet. Gewerkschaftsvorstand Dominique Pradalié: “Wir haben noch nie eine solche Repression gegen Journalisten in unserem Land gesehen. Und ich bin schon sehr lange Journalistin und Gewerkschafterin. Das hat es so noch nie gegeben.”

5. Wikileaks-Gründer Julian Assange zu 50 Wochen Gefängnis verurteilt
(heise.de, Detlef Borchers)
WikiLeaks-Gründer Julian Assange ist wegen des Verstoßes gegen die Kautionsauflagen von einem britischen Gericht zu einer Gefängnisstrafe von 50 Wochen verurteilt worden. Er war 2012 in die Botschaft Ecuadors in London geflüchtet, um einer drohenden Verhaftung zu entgehen. Außerdem muss Assange die Auslieferung an die USA befürchten.

6. “Die Oma ist irgendwann weg. Aber das Grundgesetz, das bleibt.” Interview mit Oliver Wurm zum Grundgesetz als Magazin
(dirkvongehlen.de)
Wie kommt man auf die Idee, das Grundgesetz als Magazinversion in Kioskregale zu bringen? Dirk von Gehlen hat sich mit dem Journalisten und Magazin-Macher Oliver Wurm unterhalten. Es geht um die Entstehung der Idee, Wurms Lieblingsstelle im Grundgesetz, Reaktionen auf das Heft und das bevorstehende Grundgesetz-Jubiläum.

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Ursache > Wirkung

In der “Bild”-Zeitung vom vergangenen Freitag sind zwei beunruhigende Meldungen erschienen. Nummer 1:

Ausriss Bild-Zeitung - Pinguin-Babys sterben in der Antarktis - Die zweitgrößte Kaiserpinguin-Kolonie der Welt in der Antarktis hat seit drei Jahren keinen Nachwuchs durchgebracht. Das ist das Ergebnis einer Studie des Polarforschungsprogramms British Antarctic Survey. Grund ist die fortschreitende Eisschmelze. Die Forscher beobachten die Kolonie in der Halley-Bucht im Wedell-Meer seit einem Jahrzehnt mit Satellitenbildern. So sahen sie, dass die Brut der Tiere seit 2016 scheiterte. Fast keines der Jungtiere überlebte. Die Kolonie sei dadurch so gut wie verschwunden.

Und direkt darunter Nummer 2:

Ausriss Bild-Zeitung - In nur einem Jahr - Zwölf Millionen Hektar Tropenwald weg - Durch Abholzung und Brände sind 2018 weltweit zwölf Millionen Hektar an Tropenwald verloren gegangen. Eine Fläche so groß wie Bayern und Niedersachsen zusammen. Das zeigt ein Bericht des Projekts Global Forest Watch. Trauriger Spitzenreiter war Brasilien, wo 1,35 Millionen Hektar an ursprünglichem Regenwald zerstört wurde.

Leider passten in die zwölf Zeilen zur Tropenwald-Abholzung keine Beispiele mehr, welche Ursachen etwa in Brasilien dafür sorgen, dass dort riesige Regenwaldflächen gerodet werden. Es sind vor allem die Viehzucht und der Anbau von Soja für die Viehzucht, die zur Abholzung führen. Und das auch, damit in Deutschland Fleisch gegessen werden kann, zum Beispiel beim Grillen. Nicht selten landet das Tropenholz auch direkt als Holzkohle-Briketts in deutschen Grills. Und dass der wachsende Fleischkonsum, beispielsweise beim Grillen, dem Klima schadet und damit auch zur fortschreitenden Eisschmelze in der Antarktis beiträgt — auch davon kein Wort in “Bild”.

Warum wir auf dem Grillen so herumreiten? Auf derselben Seite, direkt neben den beiden beunruhigenden Meldungen, brachte die “Bild”-Redaktion deutlich größer Teil 3 ihrer vierteiligen Serie “BILD GRILLT”:

Ausriss Bild-Zeitung - Übersicht Seite acht mit den beiden zitierten Meldungen und deutlich größer daneben Das sind die häufigsten Grill-Irrtümer

Mit Dank an Anna S. für den Hinweis!

DW-Türkei-Kanal, Steingarts Podcast-Expansion, Ungültiges Baby

1. “Journalismus ohne Risiko gibt es nicht.”
(sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Die Deutsche Welle (DW) hat sich mit einigen internationalen Partnern zusammengetan und einen YouTube-Kanal für die Türkei gestartet. In Anlehnung an die türkische Ländervorwahl hat man den Kanal “+90” getauft. “Kontakt halten, Meinungsfreiheit und Vielfalt stärken” sei das Ziel. Man setze auf längere Erklärstücke und wolle keinen “Billigramsch” anbieten, so Intendant Peter Limbourg über die Pläne des Senders.

2. Phoenix lässt über Misstrauen gegen Medien diskutieren
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Am 3. Mai wird der Internationale Tag der Pressefreiheit begangen. Bereits am Vorabend bietet der Fernsehsender Phoenix einen Themenabend unter dem Motto “Wie mächtig sind Medien?” an. Zunächst gibt es drei Dokus über die Situation in den USA. Um 21:45 Uhr geht es dann in einer Diskussion um das gewachsene Misstrauen gegenüber den Medien und die Frage, inwiefern diese selbst dazu beigetragen haben.

3. Was für ein Job!
(twitter.com, Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs, Video: 1 Minute)
Die Redaktion von “Zeiglers wunderbarer Welt des Fußballs” (WDR) hat einen wunderbaren Filmschnipsel von 1977 aus dem Archiv ausgegraben: “Was für ein Job! Dieser Mann betreibt alleine einen Fussball-Ergebnisdienst. Er hört mit Kurzwellengeräten ausländische Radiosender ab und verkauft die Ergebnisse an deutsche Sender.”

4. Diese Instagram-Accounts gingen im April durch die Decke
(horizont.net, Giuseppe Rondinella)
“Horizont Online” lässt regelmäßig die wachstumsstärksten deutschsprachigen Instagram-Accounts ermitteln. Im April kommen die Top 4 der Kanäle mit dem größten Follower-Zuwachs aus Heidi Klums Model-Rekrutierungsmaschine “Germany’s Next Topmodel”.

5. Ohne Werbung: Gabor Steingart baut an einem Medienimperium mit 30 neuen Leuten.
(turi2.de, Markus Trantow & Peter Turi)
Gabor Steingart war zwei Jahrzehnte beim “Spiegel” und danach einige Jahre in führender Position beim “Handelsblatt”. Vergangenes Jahr hat Steingart ein eigenes Medienunternehmen gegründet und bietet den täglichen Newsletter “Morning Briefing” und einen begleitenden Podcast an. Nun will er expandieren und für fünf bis zehn neue Podcasts sein Personal von 20 auf 50 Mitarbeiter aufstocken.
Weiterer Lesehinweis: Podcast Logbuch: Netzpolitik feiert 300. Ausgabe mit einer Gala in Berlin (netzpolitik.org, Markus Reuter).

6. Glücks-Tragödie bei Harry & Meghan: Ist ihr Baby ungültig?
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Yellow-Press-Experte Mats Schönauer pflegt beim medienkritischen Onlineportal “Übermedien” die Rubrik “Topf voll Gold”. Anlässlich der Schwangerschaft von Herzogin Meghan lädt Schönauer zum lustigen Schlagzeilenbasteln ein: Anhand einer vorgegebenen, eher nüchternen bis langweiligen Meldung darf man raten, was ein Regenbogenblatt Knalliges daraus gemacht hat. Die Ergebnisse dürften überraschen.

“Bild”-Medien lassen zu viele Polizisten im Dienst sterben

“Bild”-Chefreporter Sven Kuschel ist laut eigener Aussage “Tatort-Fan und -Hasser” und obendrein auch noch “BILD-‘Tatort’-INSPEKTOR”: Die “Bild”-Medien beantworten nach der Ausstrahlung eines jeden “Tatorts” am Sonntag immer ein paar Fragen zum aktuellen Fall. Beim “Tatort” aus Dresden, der gestern Abend im Ersten lief, wurde (Achtung, Spoiler!) eine der Kommissarinnen mit einem Messer verletzt. Deshalb fragt Bild.de:

Screenshot Bild.de - Bild-Tatort-Inspektor - Wie viele Polizisten werden im Dienst verletzt?

Antwort von “Inspektor” Kuschel:

Screenshot Bild.de - Gleich zu Beginn wurde Ermittlerin Karin Gorniak (Karin Hanczewski, 37) niedergestochen, musste ins künstliche Koma versetzt werden. In Deutschland sind rund 300.000 Polizisten im Einsatz. Laut den aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2017 wurde 36.000 Polizeibeamte Opfer einer Gewalttat. 45 starben durch Attacken.

45 getötete Polizistinnen und Polizisten in nur einem Jahr? Das war selbst der “Bild”-Zeitung zu viel. Im Blatt schreibt Kuschel von deutlich weniger Beamten, die “durch Attacken” starben:

Ausriss Bild-Zeitung - Gleich zu Beginn wurde Ermittlerin Karin Gorniak (Karin Hanczewski, 37) niedergestochen, musste ins künstliche Koma versetzt werden. In Deutschland sind rund 300.000 Polizisten im Einsatz. Laut den aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2017 wurde 36.000 Polizeibeamte Opfer einer Gewalttat. Acht starben durch Attacken.

Acht statt 45. Doch auch das ist noch zu hoch gegriffen. Beim Bundeskriminalamt (BKA) gibt es die “Bundeslagebilder Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen/-beamte”. Die aktuellste Ausgabe gilt für das Jahr 2017. Laut der Tabelle auf Seite 24 (PDF) gab es im gesamten Jahr zwei im Dienst getötete Beamte. Bei dem vollendeten Mord an zwei Polizisten handele es sich, so das BKA, um die Tat am 28. Februar 2017 im brandenburgischen Beeskow, “bei der ein Tatverdächtiger zwei Polizeibeamte auf der Flucht überfahren hat, nachdem er zuvor einen Mord im familiären Umfeld begangen haben soll.”

Das kam dann auch irgendwann bei Bild.de an. Dort heißt es nun:

Gleich zu Beginn wurde Ermittlerin Karin Gorniak (Karin Hanczewski, 37) niedergestochen, musste ins künstliche Koma versetzt werden. In Deutschland sind rund 300 000 Polizisten im Einsatz. Laut den aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2017 wurden 36 000 Polizeibeamte Opfer einer Gewalttat. Zwei starben durch Attacken. In 45 Fällen wurden wegen Mord- (17) oder Totschlag (28)-Versuchen gegen Angreifer ermittelt.

Jetzt müsste “BILD-‘Tatort’-Inspektor” Sven Kuschel nur noch ermitteln, dass auch seine Antwort auf die ursprüngliche Frage (“Wie viele Polizisten werden im Dienst verletzt?”) falsch ist: Es sind nicht 36.000 Polizistinnen und Polizisten, die 2017 “Opfer einer Gewalttat” wurden, sondern mehr: In 36.441 Fällen von versuchten oder vollendeten Gewalttaten waren es laut BKA 73.897 Opfer (PDF, Seite 20; wobei ein- und dieselben Person in der Statistik in einem Jahr mehrfach als Opfer gezählt werden kann, wenn sie bei verschiedenen Einsätzen Opfer wird).

Mit Dank an Florian K. und @kongraupner für die Hinweise!

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Reisetipps von “Bild”-Bruchpilot Julian Reichelt

Außenminister Heiko Maas ist gerade in Brasilien gelandet, wo er eine Reihe von Besuchen in Südamerika startet. Ihn begleitet unter anderem “Spiegel”-Journalist Christoph Schult, der heute früh bei Twitter ein kurzes Video von einem “planmäßigen Tankstopp und Crewwechsel auf den Kapverdischen Inseln” postete. Dieser Vorgang — der Zwischenstopp, nicht das Posten des Videos — brachte wiederum “Bild”-Chef Julian Reichelt auf die Palme:

Screenshot eines Tweets von Bild-Chef Julian Reichelt - Warum sollte die Flugbereitschaft die Strecke auch non-stop hinbekommen, so wie Lufthansa und so ziemlich alle anderen Airlines der Welt?

Reichelts Schaut-euch-diese-Versager-an-Tweet wurde unter anderem durch den “Bild”-Account (1,67 Millionen Follower) verbreitet. Nur zielt die Kritik des “Bild”-Chefs völlig daneben.

Mit ein bisschen Hingucken kann man erkennen, dass das Flugzeug in Christoph Schults Video nur zwei Triebwerke hat. Damit kann es sich schon mal nicht um eines der beiden Langstreckenflugzeuge A340 der Flugbereitschaft handeln — denn die haben je vier Triebwerke. Es dürfte sich um eines der zwei Mittelstreckenflugzeuge A319 handeln, über die die Flugbereitschaft verfügt.

Nun könnte man natürlich versuchen, die Distanz von rund 8800 Kilometern zwischen Berlin und Salvador da Bahia, wo Heiko Maas heute ein Netzwerk zur Stärkung von Frauenrechten gründen will, mit einem Flugzeug zurückzulegen, zu dem die Luftwaffe eine maximale Reichweite von circa 7600 Kilometern angibt. Doch das dürften auch “Lufthansa und so ziemlich alle anderen Airlines der Welt” nicht unfallfrei hinbekommen. Stattdessen kann man auch größere Gefahren für Leib und Leben vermeiden und einen geplanten Zwischenstopp auf den Kapverdischen Inseln einlegen. Dafür muss man sich dann allerdings von “Bild”-Bruchpilot Julian Reichelt anranzen lassen.

FPÖ und die “Folgen”, Paywall-Links, Kriminalität: das Böse und wir

1. “Etwas, das nicht ohne Folgen bleiben kann”
(arminwolf.at)
Österreichs rechtspopulistische FPÖ hat sich auf den ORF-Journalisten Armin Wolf eingeschossen. Wolfs “Vergehen”: Er hatte den FPÖ-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Harald Vilimsky, zu einem rassistischem Plakat der FPÖ-Jugendorganisation befragt. Bereits während des Interviews hatte Vilimsky dafür “Folgen” angekündigt. Im Nachgang echauffieren sich nun weitere FPÖ-Politiker. Außerdem verlangt man lautstark die Entlassung Wolfs.

2. Sind Tweets, in denen auf eine Paywall verlinkt wird, kennzeichnungspflichtig?
(internet-law.de, Thomas Stadler)
Oft verlinken Journalisten und Medien in Tweets und Postings eigene Inhalte, ohne darauf hinzuweisen, dass es sich um Bezahlartikel hinter einer Paywall handelt. Dies ist nach Ansicht des IT-Rechtlers Thomas Stadler nicht zulässig. Es müsse ausreichend deutlich gemacht werden, dass es sich um kommerzielle beziehungsweise werbliche Hinweise handelt.

3. Und das Netz vergisst doch: Die Utopie vom ewigen Speicher
(nzz.ch, Felix Simon)
Das angeblich niemals vergessende Internet habe ein Archivproblem: Es gebe keine zentrale Stelle für die Archivierung von Inhalten, die Gefahr des “digitalen Gedächtnisschwundes” drohe. Vor allem Medienhäuser seien hier in der Pflicht, allerdings würden sie oftmals Aufwand und Kosten scheuen. Felix Simon kommentiert: “Der Gedanke an Archive mag nicht so “sexy” sein wie Vorstellungen von der schönen neuen Welt digitaler Möglichkeiten. In Zeiten, in denen die Presse mit ganz anderen Problemen zu kämpfen hat, ist er nicht weit oben auf der Agenda. Doch ohne verlässliche Archive riskieren wir nicht nur, dass bestimmte Versionen der Geschichte später die Oberhand gewinnen, wenn es nichts gibt, mit dem sie korrigiert werden können — wir riskieren auch, dass die historischen Wissenslücken, die sich zwangsläufig in Zukunft auftun werden, noch grösser sind als die der Vergangenheit.”

4. Vorschau in die Vergangenheit: Geschlechterverteilung auf dem Buchmarkt
(einfacherdienst.de)
Der Anteil an Autorinnen im Sachbuch-Bereich führender Verlage liegt bei gerade mal 20 Prozent. Dies ergibt eine Auswertung der Verlagsvorschauen für den Frühling 2019. Einziger Trost: Bei Romanen sieht es mit 42 Prozent deutlich besser aus.
Dazu ein Lesetipp aus dem Jahr 2015: Frauen auf dem Buchmarkt: Es sich selbst machen (taz.de, Fatma Aydemir).

5. Das Böse und wir
(zeit.de, Tonio Walter)
Obwohl die Zahl der Gewalttaten heute deutlich niedriger ist als vor zwanzig Jahren, sind viele Menschen vom Gegenteil überzeugt. Dies liege auch daran, wie Polizei und Medien berichten. Strafrechtsprofessor Tonio Walter erklärt, warum keinesfalls alles immer schlimmer wird und warum volle Gefängnisse die Kriminalität erhöhen. Es geht um Beobachterfehler, Untergangsempfinden und selektive Erinnerung.

6. Die netzpolitischen Highlights auf der re:publica 2019
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
Nächsten Montag startet in Berlin die re:publica, Europas größte Konferenz rund um Digitalisierung und Internet. Das Angebot umfasst etwa 600 Sessions mit 1000 Sprechern und Sprecherinnen. Mitgründer Markus Beckedahl von netzpolitik.org hat eine Auswahl lohnenswerter Veranstaltungen mit dem Fokus “Netzpolitik” getroffen. 
Hinweis in eigener Sache: Wir vom BILDblog sind in Berlin auch dabei: Am Montag, 6. Mai, um 20 Uhr starten wir auf Stage 2 zu einem wilden Ritt durch 15 Jahre “Bild”- und Boulevardbeobachtung, mit den übelsten Kampagnen, der schlimmsten Hetze und dem falschesten Katzenbenzin.



Die Legende vom “Bamf-Skandal”, EU-Wahl-Ein-Mann-Show, Leere Worte

1. “Bamf-Skandal” schrumpft weiter
(taz.de, Stefan Simon)
Im Frühjahr 2018 erschütterte der sogenannte Bremer Bamf-Skandal die Republik: Von mehr als 1.200 Asyl-Betrugsfällen war die Rede. Die Zahl ist mittlerweile auf einen Bruchteil zusammengeschrumpft: Es geht derzeit um gerade mal 50 strittige Asylentscheidungen. Obwohl nicht eine Entscheidung rechtskräftig aufgehoben worden sei, würde die Bremer Staatsanwaltschaft unverdrossen nach angeblichen Missständen im Bremer Flüchtlingsamt forschen.

2. Ein-Mann-Show
(deutschlandfunk.de, Isabelle Klein)
Bei der Europawahl wird indirekt auch über das Amt des neuen EU-Kommissionspräsidenten entschieden. Während Kandidaten wie Margrethe Vestager, Frans Timmermans oder Ska Keller wenig mediale Beachtung finden, stehe der Spitzenkandidat des konservativen Parteienbündnisses Manfred Weber oft im Fokus der Berichterstattung. “SZ”-Redakteur Alexander Hagelüken spekuliert über die Gründe und ordnet die Zusammenhänge ein.

3. Facebook ist ein schwarzes Loch
(blog.clickomania.ch, Matthias Schüssler)
Der Journalist und Blogger Matthias Schüssler hat einen interessanten Vorschlag, wie man verhindern könne, dass Facebook die Aufmerksamkeit von verlinkten Originalquellen abzieht: “Man könnte Facebook zum Beispiel schlicht verbieten, Diskussionen zu Beiträgen von Newsplattformen und Blogs abzuhalten: Wer sich darüber auslassen will, muss sich wohl oder übel auf die Originalplattform bemühen. Nur dort wird kommentiert — und sonst nirgendwo. Das hätte nebenbei auch zur Folge, dass viele Debatten gesitteter stattfinden würden.”

4. Angesagte Teenie-App TikTok: Deutsche Publisher experimentieren – doch es fehlt ein Geschäftsmodell
(meedia.de, Robert Tusch)
An den sensationellen Erfolg der Video-Clip-App TikTok wollen sich nun auch deutsche Publisher und Marken hängen und experimentieren mit Inhalten und Communities. Die Aussichten sind derzeit völlig unklar, wie Robert Tusch für “Meedia” berichtet: Keiner wisse, wie lange der Hype anhalte und wie damit Geld verdient werden könne. Zudem sei die Plattform anfällig für Mobbing und Hass.

5. Neue Sicht auf die Dinge
(sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Immer mehr Fernsehsender sparen sich Kamerateams und statten ihre Reporter mit Smartphones aus. Kritiker finden den Trend bedenklich. Es bleibe all das auf der Strecke, was die Kunst eines jahrelang ausgebildeten Kameramannes oder einer jahrelang ausgebildeten Kamerafrau ausmache. Hans Hoff wägt Vor- und Nachteile der neuen Technik gegeneinander ab und lässt Bedenkenträger und Fürsprecher zu Wort kommen.

6. Hey Siri, wie viele Menschen hören mich ab?
(vice.com, Sebastian Meineck)
Es ist fast ein wenig lustig, mit wie viel Worten man nichts sagen kann. Die Unternehmen Apple, Microsoft, Google und Amazon beherrschen diese Kunst meisterlich, wie “Motherboard”-Chefredakteur Sebastian Meineck mit nur einer einzigen Frage herausgefunden hat: Meineck wollte wissen, wie viele Menschen im Zusammenhang mit Sprach-Assistenten wie Siri die Audio-Aufzeichnungen ihrer Nutzerinnen und Nutzer abhören.

Glyphosat-Berichterstattung, Sinnlose Sonntagsfrage, Notgeile AfD-Werbung

1. Wie Medien mitbestimmen, was ein Risiko ist: Der Fall Glyphosat
(medienwoche.ch, Martha Kuhnhenn)
Im ersten Teil einer Serie zu aktueller kommunikationswissenschaftlicher Forschung geht es um den medialen Umgang mit dem umstrittenen Herbizid Glyphosat. Für die Kommunikationswissenschaft und den Journalismus würden sich die gleichen Fragen stellen: “Welche Akteure kommen überhaupt zu Wort? Welche Akteure haben eine zentrale Machtposition? Wessen Argumente werden von Journalisten aufgegriffen? Welche Ressourcen verhelfen Akteuren zu (Deutungs-)Macht im Diskurs?” Daher sei die Offenlegung aller Interessen bei gesellschaftlich relevanten Risiken eine Kernaufgabe des Journalismus.

2. Wöchentlich grüßt die Sonntagsfrage
(taz.de, Hanna Lohoff)
Die Ergebnisse von Wahlumfragen sind bei vielen Medien äußerst beliebt und werden gern und oft veröffentlicht. Dabei sind die Zahlen mit größter Vorsicht zu genießen. Häufig würden sie mit einer Prognose verwechselt, sind ungenau oder wegen ihrer minimalen Schwankungen schlicht nicht von Nachrichtenwert.

3. Eine AfD-Wahlwerbung und ihre notgeile Geschichte
(schantall-und-scharia.de, Fabian Goldmann)
Der Politik- und Islamwissenschaftler Fabian Goldmann hat sich mit der Geschichte und Bedeutung des orientalistischen Gemäldes beschäftigt, mit dem die AfD in Berlin Europawahlkampf macht. Mit der Bildauswahl würden die Rechtspopulisten vor allem etwas über ihre eigenen Sex- und Gewaltfantasien verraten. Goldmanns Resümee: “(…) aus der Geschichte lernen, wie es die AfD auf ihrem Wahlplakat schreibt, lässt sich mit Gérômes “Sklavenmarkt” tatsächlich. Nicht etwas über die der arabisch-islamischen Welt. Aber darüber, wie sehr unser Blick auf den “Orient” auch noch heute von Klischees geprägt ist. Nichts über lüsterne und gewalttätige Araber. Aber darüber, wie die Sex- und Gewaltfantasien von Europäern unseren Blick auf eine großen Teil der Welt verfälschen können.”

4. Grindel kann nicht zurück zum ZDF
(faz.net)
Lange Zeit hieß es, der nach Korruptionsvorwürfen zurückgetretene DFB-Präsident Reinhard Grindel könne aufgrund eines gesetzlich geregelten Rückkehrrechts wieder bei seinem ehemaligen Arbeitgeber, dem ZDF, arbeiten. Doch nun revidierte der Sender seine zuvor vertretene Rechtsauffassung: Grindel habe kein Rückkehrrecht.

5. Empörio Amani
(zeit.de, Mely Kiyak)
“Zeit Online”-Kolumnistin Mely Kiyak beschäftigt sich mit dem Streit zwischen der Komikerin, Schauspielerin und Moderatorin Enissa Amani und der TV-Kritikerin Anja Rützel: “(…) natürlich ist die Beurteilung von Humor keine alleinige Angelegenheit von Geschmack, sondern hat Regeln und Filter. Das unterscheidet die Meinung, den Like, das Herz und den Daumen von der professionellen Kritik. Rützel sei nicht konstruktiv, klagte Amani. Auch das ist ein seltsames Missverständnis unserer Zeit. Kritik ist kein Seminar dafür, wie man etwas besser macht. Es handelt sich hier um kein DIY-Ding, es gibt auch keine Infobox. Kritik ist Kritik.”
Weiterer Lesetipp: Im “Deutschlandfunk” zeigt sich die Feuilleton-Chefin der “Süddeutschen Zeitung”, Sonja Zekri, erstaunt von Amanis “enormer Humorlosigkeit”.

6. Die Top 30 Magazine – sechs sind im Plus
(wuv.de, Susanne Herrmann)
Die neuesten Auflagenzahlen der IVW für das erste Quartal 2019 bestätigen den Abwärtstrend bei Magazinen: Von den Top 30 sind 24 im Minus und nur sechs im Plus. “W&V” zeigt die wichtigsten Gewinner und Verlierer. Besonders schlimm habe es “Stern” und “Focus” mit zweistelligen Minuswerten getroffen.

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