Der “Spiegel” und das Fake-Telefonat, Berliner Verlag, ESC-Vorentscheid

1. Anruf in Abwesenheit: Der “Spiegel” und das Fake-Telefonat
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Der “Spiegel” hat sich jüngst mit einigem Aufwand neue journalistische Standards verpasst und einen 74-seitigen Leitfaden veröffentlicht (PDF). Doch bereits eine Woche später scheint von den guten Vorsätzen vieles vergessen zu sein. Stefan Niggemeier berichtet über einen Fall, bei dem der “Spiegel” mal wieder so tut, als ob er dabei gewesen sei, und der sich schließlich in Luft auflöst. Dabei geht es auch um mangelnde Einsicht und mangelnde Fehlerkultur.

2. Bitte recht freundlich
(sueddeutsche.de, Cathrin Kahlweit & Hubert Wetzel & Joseph Hanimann & Elisa Britzelmeier & Jan Bielicki & Alexandra Föderl-Schmid & Silke Bigalke)
Die “Süddeutsche Zeitung” hat ihre Korrespondentinnen und Korrespondenten danach gefragt, wie es in den jeweiligen Ländern um die Pressefreiheit bestellt ist. Das Resultat sind spannende und informative Kurzberichte aus Großbritannien, den USA, Frankreich, Italien, Australien, Israel und Russland.

3. Chefredakteure verlassen Berliner Verlag
(welt.de, Christian Meier)
Nachdem die “Welt” über die Stasi-Vergangenheit des Neu-Verlegers Holger Friedrich berichtet hatte, kündigten “Berliner Zeitung” und “Berliner Kurier” unabhängige Untersuchungen an. Nun verlassen die Chefredakteure beider Zeitungen den Verlag, den Holger und Silke Friedrich vergangenes Jahr übernommen hatten. “Verlagskenner interpretieren den Wechsel an der Redaktionsspitze als eine Machtdemonstration von Verleger Friedrich und Herausgeber Maier”, so der “Welt”-Medienredakteur Christian Meier.

4. NDR verzichtet auf ESC-Vorentscheid – das Publikum bleibt außen vor
(rnd.de, Imre Grimm)
In früheren Jahren hat das TV-Publikum darüber entschieden, wer zum Eurovision Song Contest fahren darf. Dieses Jahr würden die NDR-Verantwortlichen auf zwei Expertenjurys setzen. Ein riskanter Schritt, wie Imre Grimm findet: “(D)er ESC ist auch ein Gesellschaftsspiel — und ohne Gesellschaft spielt es sich eben schlechter. Rückenwind aus der Heimat ist beim ESC nicht entscheidend. Aber wenn es dem Land völlig wurscht ist, wer warum was singt, weil es nichts dazu beitragen konnte, hilft das auch wenig bei der Erzeugung eines gewissen nationalen ESC-Momentums, wie es Stefan Raab einst meisterhaft gelang.”

5. Wieso wir den digitalen SPIEGEL jetzt auch pur anbieten
(medium.com/@devspiegel)
Für rund fünf Euro im Monat lasse sich bei Spiegel.de neuerdings die Werbung und das Werbetracking abschalten. Bereits bestehende Abonnenten und Abonnentinnen von “Spiegel +” seien mit rund zwei Euro Aufpreis im Monat dabei. Im Entwicklerblog wird das neue Modell erklärt, das in der technischen Umsetzung sicher für einige Kopfschmerzen gesorgt hat.

6. Sturm Sabine: Zwischen Bahnchaos und Außenreporter-Fails
(youtube.com, Philipp Walulis, Video: 7:25 Minuten)
“Sturm Sabine ist über Deutschland gezogen und hat in den Medien gewütet! Es war wieder die Stunde heldenhafter Außenreporter!” Philipp Walulis und sein Team zeigen, was der Sturm im Journalismus angerichtet hat.

Wie Sie mit “Bild” richtig Kohle verlieren können

Die “Bild”-Redaktion will selbstverständlich immer nur das Beste für ihre Leserschaft, vor allem wenn es sich um “Bild plus”-Abonnenten handelt. Und so gibt sie ihren zahlenden Kunden tolle Tipps zur Geldvermehrung:

Screenshot Bild.de - Diese Wettquoten lohnen sich richtig - Wie Sie mit den Oscars richtig Kohle machen können

Es seien sich ja “ohnehin alle einig”, das Ganze sei “mehr als wahrscheinlich” und berge “sehr, sehr wenig Risiko”:

Beim Hauptpreis “Bester Film” sind sich ohnehin alle einig …

Auch die Wettanbieter legen sich fest: Golden Globe-Gewinner “1917” wird sich die Trophäe holen. Mit einer durchschnittlichen Quote von 1,38 hat der Kriegsfilm nämlich den kleinsten Wert der in dieser Kategorie nominierten Titel.

Selbst wenn am Samstag Schalke gegen Paderborn spielt, ist die Quote höher. Heißt: Der Triumph von “1917” ist mehr als wahrscheinlich.

Sein Geld auf den Film zu setzen, lohnt sich trotz des kleinen Kontingents: Bei 100 Euro Einsatz winken immerhin 138 Euro Gewinn — bei sehr, sehr wenig Risiko.

Alternativ, wenn man “richtig absahnen will”, könne man auch “auf Quentin Tarantinos ‘Once Upon a Time… in Hollywood’ setzen. Die Quote von 8,25 sei “unschlagbar”.

Vergangene Nacht wurden die Oscars verliehen. Gewonnen in der Kategorie “Bester Film” hat weder “1917” noch “Once Upon a Time… in Hollywood”, sondern “Parasite” — und alle “Bild plus”-Kunden, die den Wett-Tipps der Redaktion gefolgt sind, haben verloren. (Die andere Wett-Empfehlung in dem Artikel war eigentlich keine: Auf Joaquin Phoenix in “Joker” und Renée Zellweger in “Judy” als bester Hauptdarsteller beziehungsweise beste Hauptdarstellerin müsse man gar nicht erst setzen — bei den niedrigen Quoten gebe “es nichts zu holen.” Phoenix und Zellweger haben dann auch tatsächlich gewonnen.)

Am Ende ihres Artikels hat die “Bild”-Redaktion noch einen Kasten platziert:

Screenshot Bild.de - Spielsucht? Hier bekommen Sie Hilfe - Wenn Sie Probleme mit Spielsucht haben oder sich um Angehörige oder Freunde sorgen, finden Sie Hilfe bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Unter der kostenlosen Hilfe-Hotline 0 8 0 0 1 3 7 2 7 0 0 erhalten Sie alle Informationen zu Hilfsangeboten rund um das Thema Spielsucht!

Ein weiterer Kasten mit Warnhinweis wäre sicherlich sinnvoll: Folgen Sie dem “Bild”-Wettorakel nur, wenn Sie Ihr Geld möglichst schnell loswerden wollen.

Nachtrag, 16:37 Uhr: Mehrere Leserinnen und Leser weisen uns auf zwei weitere Aspekte hin: Erstens ist der Vergleich mit der Wettquote für einen vermeintlich recht sicheren Sieg des FC Schalke 04 gegen den SC Paderborn etwas amüsant, denn auch Schalke gewann das Spiel nicht. Und zweitens ist die Aussage von Bild.de “Bei 100 Euro Einsatz winken immerhin 138 Euro Gewinn” streng genommen nicht ganz richtig: Es hätte zwar 138 Euro zurückgegeben, davon wären 100 Euro aber der Einsatz gewesen. Der Gewinn hätte also 38 Euro betragen.

Keine Neonazis auf den Titel, Corona-Rassismus, Menschenrechtler Melzer

1. Ich war sehr gerne beim SPIEGEL und schätze die Kolleginnen und Kollegen sehr. Dennoch …
(twitter.com, Hasnain Kazim)
Der Autor, Journalist und ehemalige “Spiegel”-Korrespondent Hasnain Kazim kritisiert das aktuelle Höcke-Cover des Nachrichtenmagazins: “1. Wir heben keinen Neonazi auf den Titel, denn das normalisiert diese Leute, macht sie gesellschaftsfähig. 2. Bernd Höcke ist weder ein Dämon noch ein Demokrat. Sondern er ist einfach ein mieser kleiner Faschist. 3. Es ist nicht erst der ‘Flirt mit Höckes AfD’, der die Republik vergiftet, sondern die Tatsache an sich, dass Neonazis seit mittlerweile Jahren als akzeptable Stimme im demokratischen Meinungsspektrum gesehen werden. Aber wer Menschen wie mir wegen meiner Hautfarbe vorwirft, zum ‘schleichenden Volkstod der Deutschen’ und zum ‘Bevölkerungsaustausch’ beizutragen, bewegt sich weit jenseits des zivilisierten Miteinanders. 4. Wir heben keine Neonazis auf den Titel.”
Weiterer Lesehinweis: Der ehemalige “Spiegel”-Kolumnist Georg Diez schließt sich dem an: “Ich sehe das wie @HasnainKazim, ich war auch gern beim Spiegel, aber das, nach dieser Woche, als Belohnung für einen Faschisten, zeigt, wie wenig selbst Menschen in den Medien verstehen oder verstehen wollen, wie Medien, mediale Kommunikation, die mediale Demokratie funktioniert.”

2. Der Mann, der in Assange ein Folteropfer sieht
(sueddeutsche.de, Isabel Pfaff)
Wer ist dieser Nils Melzer, der als UN-Rechtsexperte neulich so deutliche Worte zum Fall des in Großbritannien inhaftierten Julian Assange fand? Isabel Pfaff schreibt über einen Diplomaten und Menschenrechtsexperten, der wohltuend undiplomatisch für Aufklärung sorgt — auch wenn ihn die Staaten immer wieder ohne echte Antworten abspeisen wollen.

3. Marietta Slomka ist unangenehm – und damit ein Vorbild
(dwdl.de, Hans Hoff)
Medienkolumnist Hans Hoff wünscht sich mehr TV-Moderatorinnen und -Moderatoren wie Marietta Slomka (“heute-journal” im ZDF). Sie sei auf positive Weise “unangenehm, weil sie schlicht und einfach zeigt, wie es zu gehen hat, wenn man als Anchor-Frau einer Nachrichtensendung vorsteht, die mehr will als nur Oberfläche abbilden. Das aber wirft ein trübes Licht auf ihre Mitbewerber. Schließlich stellt sich angesichts der vielen packenden Interviews, die Marietta Slomka führt, schon die Frage, warum das immer nur bei ihr so aufsehenerregend wirkt. Wer kann sich an das letzte wirklich kontroverse Gespräch bei den ‘Tagesthemen’ erinnern? Gab es das? Und wenn ja, warum ist es nicht im Gedächtnis geblieben?”

4. Facebook und Twitter wollen Pelosi-Fake-Video nicht entfernen
(spiegel.de)
Nachdem Donald Trump ein bösartig und irreführend zusammengeschnittenes Video über Oppositionsführerin Nancy Pelosi gepostet hat, verlangt diese von Twitter und Facebook die Löschung. Die Plattformen kommen dem jedoch nicht nach. Der Fall berührt mal wieder die Frage nach der Verantwortung der Sozialen Medien.

5. Rassismus in Corona-Nachrichten: “China ist keine Krankheit”
(derstandard.at, Doris Priesching)
In den Nachrichten über das Coronavirus gebe es oft verdeckten Rassismus, so die in Berlin lebende Autorin und Filmemacherin Sun-Jo Choi: “Viele Bilder, Titel und Aufmacher der letzten Tage spielen mit dem alten Bild der ‘gelben Gefahr aus dem Osten’. Da schlummert ein Rassismus, der aus kolonialen Zeiten des 19. Jahrhunderts stammt. Es wird suggeriert, dass alle Asiatinnen und Asiaten als infiziert gelten. Das ist eine rassistische Annahme.”

6. Und der Oscar für den meisten Dank geht an …
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Wem wurde bei den Oscars am häufigsten gedankt? Aufopferungsvoll ist Mats Schönauer dieser Frage nachgegangen und hat sich unzählige Dankesreden angehört. Das Resultat sind zwei toll aufbereitete Grafiken und ein überraschendes Ranking.

Begeben Sie sich ins Sturm-Chaos, “für BILD!”

Julian Reichelt will mit “Bild TV” “Deutschlands ersten User Generated Channel” aufbauen. Und dafür braucht seine Redaktion natürlich, um mal im Jargon zu bleiben, User Generated Content. Zum Beispiel, wenn sie in einer “Bild live”-Sendung über das Sturmtief Sabine und das damit verbundene “WETTER-CHAOS” berichten will:

Screenshot Bild.de - Filmen Sie für uns das Wetter-Chaos

Der Sturm kommt! Orkantief Sabine trifft am Sonntag auf den Norden Deutschlands — und fegt dann über das ganz Land!

Wenn Sabine wütet, kommt mit ihr Chaos: Abgedeckte Dächer, umgeknickte Bäume, zerstörte Fassaden — alles möglich. Sind Sie Augenzeuge? Haben Sie spektakuläre Fotos oder Videos aus dem Auge des Sturms? Dokumentieren Sie, wie das Orkantief bei Ihnen wirbelt, für BILD!

Greifen Sie zum Smartphone, fotografieren und/oder filmen Sie, was bei Ihnen vor Ort passiert. Sind Bäume umgestürzt oder Dächer abgedeckt? Sind Sie vielleicht sogar selbst Sturm-Opfer?

Wer wollte nicht schon immer mal für ein bisschen “Bild”-Berühmtheit die Gefahr eingehen, von einem Ast erschlagen oder einem umherfliegenden Dachziegel getroffen zu werden? Von einer Bezahlung für die Fotos und Videos ist im Bild.de-Artikel nicht die Rede.

Weiter hinten im Text, nachdem die Redaktion bereits beschrieben hat, was man wie und mit welchen Angaben wohin senden soll, schickt sie noch eine Alibi-Warnung hinterher:

UND GANZ WICHTIG: BRINGEN SIE SICH BEI DEN AUFNAHMEN NICHT SELBST IN GEFAHR!

Schon klar: Man soll “zum Smartphone” greifen und fleißig “fotografieren und/oder filmen”. Man soll “für BILD” dokumentieren, “wie das Orkantief bei Ihnen wirbelt”. Man soll “aus dem Auge des Sturms”, mit dem “Chaos” komme, Material liefern, das “Bild” dann kostengünstig verwursten kann. Aber in Gefahr soll man sich bitte, bitte nicht bringen.

Mit Dank an Marcel und @doestrei für die Hinweise!

Ultimativ falsch

Heute ist Freitag, und damit läuft heute vermeintlich das Ultimatum des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ab, das dieser Syriens Machthaber Baschar al-Assad gestellt haben soll. Jedenfalls behaupten Bild.de und “Bild”-Redakteur Julian Röpcke so was:

Screenshot Bild.de - Ultimatum bis Freitag - Erdogan warnt Assad: Rückzug aus Idlib - oder es gibt Krieg!

Erneute Zuspitzung im Kampf um die syrische Provinz Idlib — letzte Rebellenhochburg gegen Assad und Heimat von mehr als drei Millionen Zivilisten.

Türkei-Präsident Recep Tayyip Erdogan stellte dem syrischen Diktator Baschar al-Assad am Mittwochmorgen ein Ultimatum von 48 Stunden: In dieser Frist soll der sich von allen belagerten türkischen “Observationspunkten” in der Region zurückzuziehen.

Bei anderen Medien heißt es hingegen, Erdoğans Ultimatum gelte bis Ende Februar. Die Nachrichtenagentur Reuters schreibt zum Beispiel:

Die Türkei stellt der syrischen Regierungsarmee ein Ultimatum zum Rückzug in der Provinz Idlib hinter die türkischen Beobachtungsposten. Sollten sich die syrischen Soldaten nicht bis Ende des Monats hinter diese Linie zurückgezogen haben, werde die Türkei sie zurücktreiben, drohte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Mittwoch.

Noch bevor er seinen falschen Artikel bei Bild.de veröffentlichte, verbreitete Röpcke auch bei Twitter das falsche Ultimatum. Mehrere Leute wiesen ihn auf den Fehler hin. Dennoch landete der heutige Freitag als vermeintliches Ultimatum in Röpckes Beitrag. Als dann die “Bild”-Politikredaktion diesen Beitrag bei Twitter verlinkte, wiesen erneut mehrere Leute auf den Fehler hin. Auch das brachte nichts.

Erst heute reagierte Julian Röpcke: Er löschte nach eigener Aussage “zwei Tweets”. Seinen Artikel bei Bild.de korrigierte er hingegen nicht — er steht nach wie vor falsch online.

Mit Dank an Luca für den Hinweis!

Nachtrag, 8. Februar: Bei Bild.de haben sie den Fehler korrigiert. In der Dachzeile steht nun: “ULTIMATUM GESTELLT”. Und im Artikel:

Türkei-Präsident Recep Tayyip Erdogan stellte dem syrischen Diktator Baschar al-Assad am Mittwochmorgen ein Ultimatum von drei Wochen: In dieser Frist soll der sich von allen belagerten türkischen “Observationspunkten” in der Region zurückzuziehen.

Am Ende des Beitrags gibt es einen Hinweis auf die Korrektur:

Nachtrag: In einer früheren Version des Artikels hatte es geheißen, ein Teil des Ultimatums beziehe sich auf Freitag, den 7. Februar. Dies ist nicht der Fall. Das Ultimatum Erdogans an Assad gilt vollumfänglich bis Ende Februar 2020.

Assange freilassen, Negativer Kaufpreis, Podcast-Millionäre

1. Julian Assange aus der Haft freilassen
(reporter-ohne-grenzen.de)
In einem gemeinsamen Appell fordern zahlreiche bekannte Personen aus Politik, Kultur und Journalismus die Freilassung von Julian Assange: “Wir sind in großer Sorge um das Leben des Journalisten und Wikileaks-Gründers Julian Assange, der in kritischem Gesundheitszustand seit über einem halben Jahr im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Auslieferungshaft sitzt. Wir unterstützen die Forderung des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen zum Thema Folter, Nils Melzer, nach einer umgehenden Freilassung von Julian Assange, aus medizinischen sowie aus rechtsstaatlichen Gründen.” Wer den Appell auch unterzeichnen möchte: Assange helfen.
Weiterer Lese- oder Hörhinweis: Im Deutschlandfunk spricht Christoph Sterz mit dem UN-Sonderberichterstatter für Folter Nils Melzer. Immer mehr Staaten würden versuchen, Whistleblower hart zu bestrafen, so Melzer: “Wenn in den USA sich so ein Präzedenzfall etabliert, dann wird das überhand nehmen in der Praxis.”

2. Geld hinterhergeworfen
(taz.de, Marco Carini & Peter Weissenburger)
Wie Sauerbier hat der Medienkonzern DuMont die “Hamburger Morgenpost” zum Kauf angeboten. Nun ist es soweit: Die traditionsreiche Boulevardzeitung geht an Arist von Harpe, den Marketingchef der Karriereplattform Xing. Und dem musste DuMont wohl einen Millionenbetrag in die Hand drücken, damit er das Blatt “kauft”. Das Ganze nennt sich euphemistisch “negativer Kaufpreis”.

3. Praxistipps: Mit Bildjournalismus und Fotografie zusätzliche Einnahmen generieren
(fachjournalist.de, Ralf Falbe)
Im “Fachjournalist” verrät Ralf Falbe, wie sich mit Bildjournalismus und Fotografie Geld verdienen lässt. Viele gute Anregungen und Tipps, die sich auch für Einsteigerinnen und Einsteiger eignen.

4. ARD bestätigt Ausstieg bei Burdas Medienpreis “Bambi”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Nach annähernd einem Vierteljahrhundert steigt die ARD beim Medienpreis “Bambi” aus — das heißt, es wird zukünftig keine Live-Übertragung der Veranstaltung geben. Damit entgehen uns im TV Highlights wie die Verleihung des “Integrations-Bambis” an den zwielichtigen Unterwelt-Rapper Bushido.

5. On the record – Off the record
(arminwolf.at)
Armin Wolf nimmt ein Hintergrundgespräch des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz zum Anlass, die Unterschiede zwischen der amerikanischen, österreichischen und deutschen Praxis für derlei vertrauliche Gespräche zu erklären.

6. Podcast-Multimillionäre: Sind das die sechs einkommensstärksten Podcaster?
(omr.com, Roland Eisenbrand)
Mit Podcasts lässt sich mittlerweile gutes Geld verdienen. In den USA gibt es bereits die ersten Podcast-Millionäre. Das Magazin “Forbes” hat ein Ranking der einkommensstärksten US-Podcaster und -Podcasterinnen erstellt. Roland Eisenbrand stellt einige ihrer Formate vor.

“Bild” auf Zitate-Jagd

Das ist eine ganz schön heftige Aussage, die “Bild”-Reporter Celal Çakar “Verkäufer Johan” auf der Messe “Jagd & Hund” entlockt haben soll:

Am Stand von “HHK Safaris” treffen die BILD-Reporter auf Berater Johan. Er macht ein Angebot für 18 Tage Safari in Simbabwe für 54 700 Dollar (knapp 50 000 Euro). Der Abschuss von Tieren kann dazu gebucht werden: Giraffe rund 2700 Euro, Zebra 1300 Euro, Löwe 36 400 Euro.

Braucht man einen Jagdschein?

Verkäufer Johan: “Du musst halt schießen können und bezahlen. Wir fahren bei Leoparden auf 30 Meter ran, schießen dem Tier erst in die Beine, du kannst es dann erlegen.”

Dieses Zitat passte auch bestens in die Geschichte, die Çakar und dessen Kollegin Christina Drechsler von der Jagdmesse in Dortmund mitgebracht hatten:

Ausriss Bild-Zeitung - Die perverse Preisliste der Tierkiller

Beim Deutschen Jagdverband haben sie sich über die Aussage von “Verkäufer Johan” ziemlich gewundert: “Als ich das Zitat gesehen habe, ist mir die Kinnlade auf den Tisch gefallen”, sagt uns Stephan Wunderlich, der beim Verband für die Auslandsjagd und den internationalen Artenschutz zuständig ist. Daher hat er bei Johan Bezuidenhout nachgefragt, ob er das, was in “Bild” und bei Bild.de steht, wirklich gesagt hat. Bezuidenhout antwortete, er habe so etwas nie gesagt. Der Reporter, mit dem er gesprochen hat, habe ihm die Worte im Mund umgedreht: “He put totally wrong information in the newspaper.”

Die Aussage, so wie sie in “Bild” steht, passe auch schon inhaltlich nicht, sagt Stephan Wunderlich: Niemand werde mit einem Auto an Leoparden herangefahren. “Die 30 Meter sind die Distanz beim Ansitz auf Leoparden.”

Wunderlichs Verband hat zu dem Zitat im “Bild”-Artikel eine Pressemitteilung herausgegeben:

Der Deutsche Jagdverband (DJV) und der Internationale Rat zur Erhaltung des Wildes und der Jagd (CIC) in Deutschland haben zwischenzeitlich den anerkannten Berufsjäger mit den Vorwürfen konfrontiert. Dieser ist schockiert: “Es stimmt, dass ich mich mit einem Journalisten der BILD unterhalten habe. Aber diese Behauptung ist eine Lüge. Der Journalist hat mich bewusst falsch zitiert. Sonst hätte er keine Story.” Für den tatsächlichen Wortlaut des geführten Interviews gibt es Zeugen. Demnach habe Johan Bezuidenhout auf Englisch gesagt, dass nach einem schlechten Treffer, etwa auf dem Vorderlauf, immer eine Nachsuche durchgeführt wird und diese erläutert. Dieses Vorgehen ist auch in Deutschland aus Tierschutzgründen Pflicht.

“Nicht mal, wenn jemand nicht so gut Englisch spricht, darf so ein Zitat daraus entstehen”, sagt Stephan Wunderlich: “Das ist rufschädigend.”

Die “Bild”-Geschichte wurde international von anderen Medien aufgegriffen, etwa in der Schweiz vom “Blick” und in England von der “Sun”.

Wir haben bei “Bild” nachgefragt, ob die Redaktion dabei bleibt, dass das veröffentlichte Zitat von Johan Bezuidenhout so gefallen ist. Sprecher Christian Senft antwortete: “ja.”

Mit Dank an Robert für den Hinweis!

Dresdner Desaster, Geschäftsmodell Panikmache, Diagnose vom toten Arzt

1. Semperopernball: Desaster in Dresden
(ndr.de, Inga Mathwig & Juliane Puttfarcken & Nils Altland, Video: 6:21 Minuten)
Seit Tagen wird in den Medien über den Semperopernball in Dresden gesprochen. Das Spektakel mit 2.500 Gästen, viel Prominenz und Tamtam genießt eine enorme Aufmerksamkeit und wird vom MDR sogar live übertragen. Doch das Event wurde zum medialen Desaster: Wegen der Verleihung eines Preises an den ägyptischen Machthaber Abdel Fattah al-Sisi bat zunächst Moderatorin Judith Rakers, danach ihre Nachfolgerin Mareile Höppner um Auflösung des Vertrags. Den “Zapp”-AutorInnen Inga Mathwig, Juliane Puttfarcken und Nils Altland ist es zu verdanken, dass endlich mal über die Hintergründe der seltsamen Ordenverleihungspraxis gesprochen wird. Und die sind reichlich bizarr und augenscheinlich von indirekten Eigeninteressen des Veranstalters getrieben.

2. “Panikmache ist ein Geschäftsmodell”
(zdf.de, Marcel Burkhardt)
Marcel Burkhardt hat mit dem Kommunikationsforscher Tanjev Schultz über den medialen Umgang mit dem Coronavirus gesprochen. Die Panikmache sei ein Geschäftsmodell, so Schultz: “Zudem gibt es politische Profiteure — Radikale, Extremisten, die aus der Krise Kapital für ihre Zwecke herauszuschlagen versuchen, indem sie uns verunsichern wollen. Sie fahren Angriffe gegen das System der Wissenschaft, mit dem Ziel, seriöse Strukturen der Wissensvermittlung zu zerstören, um Angst und Schrecken verbreiten zu können.”

3. Es geht auch ohne Klischees
(deutschlandfunk.de, Samira El Ouassil, Audio: 4:29 Minuten)
Samira El Ouassil beschäftigt sich in ihrer Medienkolumne mit der klischeehaften Darstellung von Journalistinnen in Film und Fernsehen: “Glaubt man einigen stereotypen Darstellungen von Journalistinnen aus aktuellen Serien, dann habe ich heute mit mindestens einem Politiker gesextet, um an Bundestagsinterna zu gelangen, habe mit mindestens einer Quelle geschlafen, um ein geheimes Passwort zu erhalten, habe später noch ein Arbeitstreffen in einer dunklen Tiefgarage — und werde am Ende des Tages vermutlich aufgrund meines Wissens von einem Bürogebäude gestoßen — um schließlich von einem gutaussehenden Alien mit Cape gerettet zu werden.”

4. Dem Komiker verzeiht man viel
(faz.net, Harald Staun)
Die “FAZ” hat sich mit dem Comedian Bastian Pastewka unterhalten. Anlass ist die aktuell anlaufende zehnte und letzte Staffel der Serie “Pastewka”, doch es geht im Gespräch um viel mehr: um Pastewkas Humorverständnis, den fiktiven Pastewka und seine Leidenschaft fürs Fernsehen. Pastewka spricht auch über die diversen in die Serie eingebauten, shitstormverdächtigen Provokationen: “Wenn wir in ‘Pastewka’ — und das haben wir massenhaft gemacht — politische Unkorrektheiten, Frechheiten, Abwertungen gezeigt haben, dann ausschließlich, damit diese fliegenden Bumerangs alle am Hinterkopf der Rolle Bastian Pastewka zerschellen.”

5. Kamel- und Straussenrennen
(pro-quote.de)
Der Verein ProQuote tritt für mehr Frauen in der Medienwelt ein: “Wir fordern, dass 50 Prozent der Führungspositionen in den Redaktionen mit Frauen besetzt werden — wir wollen die Hälfte der Macht!” In zwei Animationen (Kamel- und Straußenrennen) kann man anschaulich sehen, dass sich die Lage in den vergangenen Jahren verbessert hat, das Ziel aber noch lange nicht erreicht ist.
Weiterer Lesehinweis für alle, die es detaillierter wissen wollen: Welchen Anteil haben Frauen an der publizistischen Macht in Deutschland? Eine Studie zur Geschlechterverteilung in journalistischen Führungspositionen, herausgegeben von ProQuote (PDF).

6. “Neue Post”: Toter Arzt stellt tödliche Diagnose
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Bei “Übermedien” bietet Mats Schönauer seinen beliebten Berufseignungstest an: “Haben Sie das Zeug, Regenbogenredakteur*in zu werden? Finden Sie es heraus! Wir geben Ihnen eine Nachricht, und Sie versuchen, eine knallblattwürdige Schlagzeile daraus zu basteln.”

“Nordkurier” baut in der Gerüchteküche eine Moschee

Vergangene Woche große Aufregung in Neubrandenburg. Dort gebe es eine Großbaustelle, schrieb der “Nordkurier”, von der “offenbar kaum jemand weiß, was dort gebaut wird”. Von einer Moschee sei die Rede.

Screenshot Nordkurier.de: Wird in Neubrandenburg eine Moschee gebaut? - Seit Wochen gibt es eine Groß-Baustelle auf dem Neubrandenburger Datzeberg, von der offenbar kaum jemand weiß, was dort gebaut wird. Die Rede ist von einer Moschee.

Auf der Facebookseite des “Nordkuriers” war dieser Artikel einer der meistgeteilten des Tages. Viele Leserinnen und Leser waren wütend. “Das fehlt ja auch noch”, kommentierte einer. Oder: “So weit kommt das noch ,die Dinger könn die in der Wüste basteln .Wir brauchen hier keine illegalen Waffenlager .”

Dabei wusste die Redaktion die Antwort auf die Frage längst:

Recherchen des Nordkurier haben ergeben, dass dort keine Moschee entsteht, sondern eine Pflegeeinrichtung.

So steht es im Artikel — aber erst, nachdem der “Nordkurier” sich zwei Absätze lang der angeblichen “Geheimnistuerei rund um die Baustelle” und den Gerüchten irgendwelcher Leute gewidmet hatte.

Was die Redaktion als exklusives Ergebnis ihrer “Recherchen” verkauft, war übrigens keineswegs geheim, sondern seit Wochen öffentlich. Schon an Heiligabend meldete sich der Oberbürgermeister Neubrandenburgs bei Facebook mit einer Videobotschaft vom Datzeberg, in der er sagte:

Hier hinter mir kann man sehen: eine große Baustelle. Hier entsteht ein Seniorenheim.

“Herzlichen Glückwunsch, lieber Nordkurier, zur dämlichsten Überschrift dieses Jahres”, kommentiert ein anderer Leser. “Bitte stellt euch nicht mehr unschuldig, wenn in euren Kommentarbereichen der Hass brodelt, denn ihr zündelt munter mit. Das ist unverantwortlich und hat nichts mit seriöser Medienarbeit zu tun!”

Aber es klickt sich doch so gut!

Erst im April vergangenen Jahres titelte der “Nordkurier”:

Screenshot Nordkurier.de: Wird eine Moschee im Reitbahnviertel gebaut? - In einer Baracke am Neubrandenburger Reitbahnsee sind muslimische Gottesdienste in einem Gebetsraum möglich. Wird dort nun auch der Bau einer Moschee genehmigt?

Auch damals: hunderte Kommentare, viele Likes und Shares und vor allem jede Menge Wut. Und auch damals kannte der “Nordkurier” die Antwort längst, hielt es aber nicht für nötig, sie in Überschrift oder Teaser zu erwähnen. Denn:

Alles Quatsch, so die Zusammenfassung einer Nachfrage im Neubrandenburger Rathaus.

Mit Dank an R. für den Hinweis.

Kaufbares Klimaleugner-Institut, Angeschossene Funkhäuser, Hoaxfibel

1. Das Heartland Institute: Wie US-Klimaleugner Politik in Europa machen
(correctiv.org, Annika Joeres & Susanne Götze)
Undercover bei den Klimawandelleugnern: “Frontal 21” (ZDF) und “Correctiv” haben verdeckt zur Strategie des sogenannten Heartland Institute recherchiert, einer der wichtigsten Lobbygruppen in der Szene der Klimawandelleugner. Hinter dem dubiosen Institut stecke wohl vor allem das Geld von Kohle- und Erdölindustrie. Für die Investigativrecherche hat “Correctiv” eine fiktive PR-Agentur gegründet und sich als angebliche Auto- und Kohle-Lobbyisten ausgegeben — um herauszufinden, ob und wie man sich bei dem Institut Agitation gegen Umweltschutz und den menschengemachten Klimawandel erkaufen kann, samt dazugehöriger Stimmen aus der Wissenschaft. Eine erschütternde und lesenswerte Recherche, die “zeigt, wie das US-amerikanische Heartland Institute Leugner des Klimawandels in Deutschland unterstützt, um Maßnahmen zum Klimaschutz zu untergraben. Undercover lernen wir den Chefstrategen des Instituts kennen: James Taylor. Er wird uns erzählen, wie das Netzwerk der Klimawandelleugner funktioniert, wie Spenden verschleiert werden und wie sie eine deutsche, AfD-nahe Youtuberin nutzen wollen, um ‘die Jugend’ zu erreichen.”
Der dazugehörige “Frontal 21”-Bericht ist in der ZDF-Mediathek zu sehen (ab Minute 24:08).

2. Sollten wir alle in Panik verfallen? Ich bitte um Handzeichen!
(uebermedien.de, Jürn Kruse)
Jürn Kruse hat sich die neue Talkshow von “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt und dessen fehlgeschlagene Bemühung um mehr Empörung angeschaut: “Wenn die Diskutierenden in ‘Hier spricht das Volk’ die normalen Menschen sind, wie Reichelt sagt, ‘ein Querschnitt durch unsere Gesellschaft, ein Querschnitt durch Deutschland’, dann bildet seine Zeitung diese Gesellschaft nicht mehr ab. Dann hat ‘Bild’ den Großteil unserer Gesellschaft verloren. Dann bleibt ihr nur noch der Rand.”

3. Sieben Statistiken zum Journalismus und zum Geschäft der Republik
(republik.ch, Oliver Fuchs & Thomas Preusse)
Das von rund 19.000 Unterstützerinnen und Unterstützern getragene Schweizer Online-Magazin “Republik” lässt sich in die Karten schauen: Woher kommt die Leserschaft? Wann wird “Republik” gelesen? Wie gewinnt man Mitglieder, und wie hält man sie bei der Stange? Und welche der Recherchen und Analysen wurden am meisten aufgerufen?
Weiterer Lesehinweis: Zehn Learnings aus zwei Jahren Republik.

4. Das waren 2019 die beliebtesten Magazine im Netz
(horizont.net, David Hein)
Der Flatrate-Digitalkiosk Readly bietet mehr als 4.000 Magazine zur Lektüre an. Doch auf welche Inhalte stürzen sich Leser und Leserinnen am liebsten? Es ist ein Hang zum Seichten zu erkennen: Zu den beliebtesten Magazinen bei Readly würden Technik- und Autozeitschriften sowie Klatschblätter zählen. Die beliebteste Kategorie sei vergangenes Jahr “Stars & Entertainment” gewesen.

5. Angeschossene Funkhäuser: Die sieben größten Probleme von ARD und ZDF
(rnd.de, Imre Grimm)
Für ARD und ZDF brechen schwierige Zeiten an: Der Spardruck wachse, die Kritik am Rundfunkbeitrag werde lauter, und den Sendern laufe die junge Generation davon. Imre Grimm beschreibt die sieben größten Probleme der Öffentlich-Rechtlichen.
Weiterer Lesehinweis: Der Deutschlandfunk hat mit dem ARD-Vorsitzenden Tom Buhrow gesprochen: “Rundfunkanstalten müssen Prioritäten setzen” (deutschlandfunk.de, Christoph Sterz, Audio: 10:05 Minuten).

6. “Verschwörungsideologien und Fake News – erkennen und widerlegen” (Kostenlose Broschüre)
(dergoldenealuhut.de, Giulia Silberberger)
Giulia Silberberger und Rüdiger Reinhardt vom “Goldenen Aluhut” haben eine Fibel über Hoaxes, “Fake News” und Verschwörungstheorien zusammengestellt. Die Online-Version der Broschüre steht ab sofort zum kostenlosen Download bereit (PDF), die Printversion soll Mitte Februar folgen.

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